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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 14.05.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188505142
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850514
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850514
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-05
- Tag 1885-05-14
-
Monat
1885-05
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 14.05.1885
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Unlkchallungs-Alall M „Mkiimiher Anzeiger". Nk 7L. — Donnerstao 14 Mai Verlags-Expedition: Vtexander Wiede, Euchvruckeret, I 1885. — 5. JahrgüNl ^ ^VUUklSMg, 14. rheaterstraß» Rr. 4« te-emaliqe« «e»tr»aeri»t - a»a-*ab-« dn» r»"-" ^ ^ — Das Schloß im Walde. Novelle von K. Pflaume- (Fortsetzung). (Nachdruck verboten) „Sieh!" rief Günther munter, »Suse Schindler, ich habe die Blumen noch, sie stehen oben im Glase l* »Sonst könnten Sie frische bekommen, Herr Doktor!* antwortete das Mädchen, »haben Sie etwas nach der Stadt zu bestellen? Ich bin auf dem Wege?* „Ich bleibe länger hier, Sie können ein andermal darnach fragen, aber frische Blumen nehme ich jeden Tagt* DaS Mädchen ging und der Wiith fragte: »Woher kennen Sie die schon?" »Ich traf sie gestern Abend dort oben an der Holzecke, wo sie Blumen wand und band, und sie zeigte mir den Weg hierher: ein hübsches Mädchen." »Sie ist auch gut. Sie besorgt auf ihren Gängen mancherlei für uns, auch will sie meine Frau in Dienst nehmen, damit sie eine gewisse Stelle hat und etwas Ordentliches lernt.* Günther fand das löblich und erkundigte sich dann bei dem kundigen Mann nach Wegen und Stegen des Waldes, in welchen er heute seine erste Exkursion machen wollte, denn er gedachte seinen hiesigen Aufenthalt zur Bereicherung seiner Sammlungen anzuwenden. Er hatte sich zu diesem Zwecke mit allerlei Instrumenten ver sehen, die in jener Gegend nicht zu den bekanntesten gehörten Auers» selbe lag ein Wenig abseits vom Weltverkehr Den Hauptbestandtheil seiner Ausrüstung bildete eine mächtige Botanisirtrommel, die an Riemen an seiner linken Seite herabhing, während er an der rechten Seite ein Glas trug, welches zur Ausnahme der kleinen Ungeheuer aus dem Eidechsengeschlechte bestimmt war, die an Stelle der ehemaligen Drachen und Lindwürmer in den Tiefen dieses Gebirges noch hausten. In der einen Hand hielt er ein Schmetterlingsnetz, und in der andern einen mit Steinhammer und Pflanzenspaten versehenen Stock. Als sein Wirth, Herr Müller, unter der grünen Tanne stehend, ihm nachsah, verbarg derselbe kein Swrgs eine gemächliche Heiterkeit, welche diese starke Rüstung bei ihm erregte. Günther indessen schritt, der Anweisung des Biederen folgend, im Walde entlang, um an die Stellen zu gelangen, welche nach des Wirthes Meinung wahrschein lich reichen Fang gewähren würden. Sammelnd gelangte er in ein schönes Wieseuthal, durch welches rin Flüßchen seine geschwätzigen Wellen über blanke Kiesel gleiten ließ. Hier machte er Halt, um dem Spiele der gesprächigen Fluß Nymphe zu lauschen und dem der Bewohner der Hellen Fluth zuzu schauen. Plötzlich fühlte er sich von hinten gepackt und es erscholl das Donnerwo-t in seine Ohren: »Sie sind gepsändtl* Erstaunt drehte er sich nach dem Störer seiner Betrachtungen um und fand sich einer Gestalt gegenüber, die auch wir einer kurzen Musterung werth halten müssen. Ein schmales, von Wind und Wetter dauerhaft gebräuntes Gesicht, mit einer ebenfalls echt roth gefärbten großen Zinken-Nase, die sich drohend wie der Widder eims Panzerschiffes gegen ihn richtete, zornige blaue Augen, die ihn zu beiden Seiten dieses Rüssels mit grimmigem Haß, wie Geschütze aus tiefen Schießscharten be schossen, darüber statt der Augenbrauen ein Urwald rother Haar borst«n, die ihre Spitzen ebenfalls feindlich auf den Fremdling richteten, trotz der Sommerhitze eine Mütze von Fuchsfell, deren Farbe mit den rothen Kopfhaaren sich zu schönster Harmonie ver einigte, das war das Erste was Günther bemerkte. Als seine B icke alsdann die weitere Topographie des Mannes aufnahmcn, entdeckte er noch einen abgeschabten grünen Rock, über dem ein altmodischer Jagdranzen hing und unter »elchcm eine rothe Weste hervorleuchtete, während der untere Theil des großen, groben und eckigen Knochen baues in Lederhosen von zweifelhafter Farbe steckte, vom Knie abwärts aber in hellbräunlichen Gamaschen. Dazu ein gewaltiger Knüttel in der Hand und ein verschossener rother Streif um den Rockkragen. Der Mann mußte etwas zu bedeuten haben. »Können Sie nicht hören?* brüllte er auf's Neue, als ihm die neugierige Musterung seiner Person von Seiten Günther's zu lange dauerte, »Sie sind gepsändtl* »Aber warum denn?* fragte Günther. „Auch noch warum?* sagte jener. »Sie müssen mit nach dem Schulzen, Sie find gepsändtl" »Aber wer find Sie denn?* fragte Günther weiter, den die Sache zu belustigen anfing. »Da ist nichts zu lachen. Sehen Sie nicht, wer ich bin? Heck vogt bin ich und Sie sind gepfändt! Marsch!" Der gestrenge Heckvogt hielt dabei seinen Gefangenen am Aermel, bi« dieser sich mit ihm nach dem Dorfe in Bewegung setzte. Dann, als er merkte, daß Günther nicht fortlaufen wollte, ließ er ihn los, um seine bei der Ergreifung erloschene Tabakspfeife wieder in Brand zu setzen. Hierbei wurde es ruchbar, daß er mittelst derselben die reine GebirgSluft in polizeiwidrigster Weise verdarb und verpestete, denn er rauchte nicht einmal den reinen Kanaster Wohl gemut!», sondern hatte ihn aus Sparsamkeit?,ücksichten noch mit Kartoffelkraut und Nußblalt verfälscht. Um wenigstens dieser Plage zu entgehen, bot ihm Günther einige Zigarren an, die der Würdige auch annahm, sie aber aus weiser Berechnung in die Tasche steckte, um sich ihrer am Abend zu erfreuen, während er jetzt für die freie Luft sein stinkendes Kraut gut genug hielt. Da indessen die Gemüthsstimmung de- Gewaltigen sich durch dies Gelchenk ein wenig verbessert zu haben schien, so wogte Günther aus'S Neue nach dem Grunde seiner Verhaftung zu fragen. Da wurden ihm denn von dem Gestrengen die Gegen fragen: »Was haben Sie mit dem Fischnetze an unserem Forellenbache zu stehen und was haben Sie über di« Wiese zu laufen? Sie find wohl ein Franzose?* Günther erklärte, daß er erst-ns kein Franzose sei, zweitens mit dem Netze keine Forellen, sonder Schmetterlinge fange, und drittens nur am Rande des UserS, nicht über die Wiese gegangen sei, aber Alle« verfing nicht. »Buttervögel? Wozu soll ein großer Mensch Buttervögel fangen? DaS sind Surren. Sie find gepsändtl* Günther sah, daß mit dem Manne nichts auszurichten war und ergab sich darein, vor den Schulzen geführt zu werden und die selt same Lage, in der er sich befand, gründlich durchzukosten. ES war augenscheinlich, daß der gestrenge Flurhüter ihn vom Augenblick der Pfändung an für einen Bügelfreien ansah. welcher außerhalb der menschlichen Gesellschaft stehe, keinen Glauben verdiene und auf kein Recht irgend einer Art Anspruch habe. Als sie mitsammen in dieser Verfassung dahinschrilten und auch Günthers Berufung aus die grüne Tanne und seinen freundlichen Wirth keine Berücksichtigung fand, erblickte Günther, auf einem Seiten weg daherkommend einen Forstmann, an den er sich in seiner Noth wendete. Es war ein zwar noch rüstiger Mann, dessen Haar aber bereits vollständig ergraut war. Al- Günther den Fall zu erzählen begann, unterbrach ihn der Flurschütz: „Schweigen Sie still! Ich will dem Herrn Oberförster schon sagen, was es ist. Ich habe den Menschen gepfändet, Herr Ober förster; lassen Sie sich nicht- weißmachen I Butteroögel, sagt er, will er fangen, aber er stand mit seinem Netze am Bache und paßte auf die Forellen, gerade wie die gefangenen Franzosen. Und wozu hat er denn das Glas da? Da sitzen ja die Padden schon drin!" Der Oberförster durchschaute die Sache sogleich und wandte sich an Günther: »Nehmen Sie es dem armen Teufel nicht übel, er versteht eS nicht besser, und Ihr,* wendete er sich an den allzu Pflichteifrigen, »laßt den Herrn gehn; das ist kein Franzose, sondern ein Naturforscher, der das Ungeziefer absucht und das Unkraut abgräbt. Solche Leute haben wir nöthig, Ihr sucht das alte Zeug doch nicht weg.* Der Flurschütz sah mit abgezogener Mütze bald auf den Ober förster, der ihm mit der ernsthaftesten Miene den Verweis ertheilte, bald auf Günther, der sich bemühte, ebenfalls eine ernste Miene zu behaupten. „Ein Naturforscher?* sagte er, »das ist wohl so eine Art Kammerjäger, der Ratten und Mäuse vertilgt und Maulwürfe fängt? Na, dann nichts für ungut!* Damit ging er dampfend seines Weges, und der Oberförster, dem Günther dankend weiteren Ausschluß über seine Person gab, sagte freundlich, er wolle ihm auf alle Fälle einen Schein ausstellen, damit er ungehindert seinen Studien nachgehen und Naturalien sammeln könne, so viel er wolle. Das werde ihn vor ähnlichen Begegnissen bewahren. »Der dumme Eseli* sagte Herr Müller, als er das Abenteuer aus dem Munde Günthers vernahm, »Heckoogt? Flurschütz ist er, aber er will seine Wichtigkeit zeigen und da macht er denn solche Dummheiten. Mir soll er nur noch einmal wieder kommen, ich will's ihm sagen!* „Meinetwegen nicht!" protestirte Günther lachend, „mir hat die Sache im Grunde genommen Spaß gemacht!" Am andern Tage, als Günther aus der Thür des Gasthauses trat, um seinen Kaffee unter der Tanne einzunehmen, fand er diese zu seiner Ueberraschung geschmückt, so daß sie einem ungeheuren Wcihnachtsbaum nicht unähnlich sah. Unten schlang sich von Zweig zu Zweig eine Guirlande, deren Helle Blumen auf dem dunkeln Tannengrün prächtig abstachen, und der ganze Anputz war mit einem natürlichen Geschick, wie es schien, soeben erst vollendet, denn Suse machte sich noch mit der Anordnung der Guirlande zu schaffen, während der Kuhjunge soeben von dem Baum herabkletterte, an welchem er oben Wimper und Bänder befestigt hatte. Der Wirth aber trat mit fröh licher Miene unter der Tanne hervor und seinem Gast entgegen: »Sie sind erstaunt, Herr Doktor, unsere Tanne so geschmückt zu finden? Wir sind aber durchaus nicht närrisch geworden, sondern es rst Alles in bester Ordnung Wir feiern nämlich den Geburtstag dieser Tanne, die mein seliger Großvater gerade heute vor hundert Jahren an demselben Tage pflanzte, an welchem er die Wirtschaft in diesem Gastho'e begann. Das ist doch gewiß eine Gelegenheit, die man nicht vorübergehen lassen darf, um sich auch einmal seines Daseins zu erfreuen. Und so haben wir denn unser Geburtstagskind angebunden und aufgeputzt, wie es sich gehört, und auch Sie sollen hiermit zu unserem kleinen Feste freundlich eingeladen sein!" »Mit Dank angenommen!" erwnderte Günther und ließ sich von seinem frohgestimmtcn Wirth unter die Tanne führen. »Sie breitet ihre Zweige über uns,' sagte dieser, »wie eine Gluckhenne die Flügel über die Ihrigen Jetzt wollen wir unter ihrem Schutze frühstücken; das Weitere findet sich!* Es fand sich denn auch insofern, als Nachmittags die von Herrn Müller eingeladenen guten Freunde und Gönner seiner grünen Tanne erschienen, nicht minder die vier Dorfmusikantcn, welche mit Geige, Flöte, Klarinette und Baß bei festlichen Gelegenheiten hier die Muse der Musik vertreten mußten. Zwar war der Geigenspieler lahm, der Klarinettist einäugig und der Bassist bucklig, aber die landes üblichen Tänze verstanden diese vier Virtuosen zur Zufriedenheit des ländlichen Tanzpublikums zu spielen und mehr war nicht nöthig. Nun war es zwar heute nur auf Unterhaltungsmusik abgesehen, aber diese bestand bei diesem Musikkorps ebenfalls nur aus den oft auf gespielten Tänzen. So war es natürlich, daß bei dem jüngeren Theile der Gesellschaft gar bald das Verlangen sich äußerte, den Rhythmus der Musik mit den Füßen rhythmisch zu begleiten. Man räumte, so weit es nöth g erschien, Tische und Bänke unter der Tanne hinweg, unv »Herr Müller vor!* riefen die jungen Leute, »Herr Müller muß vortanzen!' Schon war derselbe nebst seiner Baltin von einigen der Gäste mit Blumensträußen geschmückt, so daß der festliche Zusammenhang zwischen dem stattlichen Ehepaar und ihrer Tanne sogleich ins Auge fiel, und nun folgte der fröhliche Gastwirth auch dem allgemeinen Wunsche uud sagte zu seiner Frau: »Komm, Alte, wir wollen dem jungen Volke zeigen, daß wir zu Ehren unserer Tanne noch einen Tanz riskiren können * Mit glücklich lächelndem Gesicht folgte ihm seine Ehehälfte und bald drehten sich Beide im langsamen Walzer, den Herr Müller für sich bestellt halte. Nichts konnte freundlicher und zugleich würdevoller aussehen, als dieser Vortanz des Wir hSpaares. Lauter Beifall lohnte ihnen, als sie ihn geendigt. Die Gäste, welche sich zu diesem eigenthümlichen Feste einge funden, gehörten größtenthcils dem sogenannten besseren Stande der Landbewohner an. Da waren ein Förster und ein Jäger, wohl habende Bauern und mehrere Kantoren, sowie auch mehrere Berg- und Hütteuleute, welche Stellen als Steiger und Aufseher inne hatten, und mehrere dieser Familienväter waren von ihren Frauen und Söhnen und Töchtern begleitet, welche sich nun lustig im improvisirten Tanze um die Tanne schwangen. Da an Tänzerinnen kein Ueberfluß war. so hatte man schnell noch einige Bauernmädchen aus dem Dorfe herbeigeholt und Günther halte Susen ausgefordnt. Diese erwies sich als eine sehr gute Tänzerin Sie tanzte mit Leib und Seele, uud Freude und Lust glühten au- ihren Wangen und leuchteten aus ihren Augen. Unter den älteren Zuschauern befand sich auch der Rentmeister des BaronS, welcher den zierlichen Bewegungen des Mädchens mit wohlgefälligen Blicken folgte. Vielleicht hätte er auch gern einmal mit ihr getanzt, aber was hätten die Leute dazu sagen sollen, wenn er. der großmächtige Rentmeister, mit einer Tagelöhnerstochter zum Tanz aufgetreten wäre! Wo sollte der ihm schuldige Respekt bleiben? — Aber der Herr Rentmeister muhte wohl ein großer Bewunderer solcher ländlichen Freuden und Schönheiten sein; seine dunklen Augen glühten und verschlangen die Gestalt des Mädchens förmlich. In einiger Entfernung von ihm saßen der Schulze und ein anderer angesehener Bauer aus Volkstedt. »Heute ist die Gelegenheit günstig,* sagte der Letztere, doch den Rentmeister, der kennt die Schriften.* »Ob er Einem aber ordentlichen Bescheid giebt?* meinte der Schulze, indem er einen prüfenden Blick über des Rentmeisters Ge sicht gleiten ließ, »er steht in des Barons Dienste» und wird sich hüten, etwas zu verrathen, was gegen seine- Herrn Bortheil geht, da heißt's: »weß' Brot ich eß', deß Lied ich sing'!* Schaden kann es freilich nicht, wenn man fragt, man wird ja dann hören, was er antwortet* Mit diesen Worten erhob sich der Schulze und trat, gefolgt von seinem neugierigen Gevatter, auf den Rentmeister zu, mit dem er ein Gespräch über die Triftgerechtigkeit anzuknüpfen suchte, welche das Auersselder Amt in der Volkstedt« Flur gegen den Widerspruch der Ballstedt« Bauern beanspruchte. Der Rentmeister gab ihm in dessen nur halbe Antworten; er schien nicht gern sich stören zu lassen, wendete immer wieder die Augen nach den Tanzenden und erwiederte endlich aus die neue Frage deS Schulzen: „Thun Sie mir den Gefallen und lassen Sie mich wenigsten» hier mit derartigen Geschäftssachen unbehelligt! Daß da- Rittergut die Berechtigung besitzt, steht fest, sonst würde sie nicht geltend gemacht." »Das ist es eben, was wir bestreiten!" „Bestreiten Sie, was Sie wollen,* erwiderte der Rentmeister ärgerlich, indem er wieder den Kopf nach den Tanzenden unter der Tanne wendete, »es hilft Ihnen nichts. Uebrigens wenn Sie etwa» wollen, so kommen Sie zu mir auf die Amtsstube, hier habe ich über diese Dinge nichts zu reden." Der Schulze preßte die Lippen zusammen und meinte: »Gut, ich werde auf die Amtsstube kommen * Dann nahm er seinen Krug, den er mitgebracht hatte, um sich für einige Zeit neben dem Rentmeister häuslich niederzulasse», und kehrte nach seinem früheren Sitze zurück, gefolgt von seinem Nachbar. „Keine Zeit?* wiederholte dieser des Rentmeisters Worte, »weil er nach den jungen Mädchen sehen muß.* Der Schulze zuckte die Achseln. Während dieses kleinen Vorganges gab sich Günther ganz dem Vergnügen des Augenblickes hin. Er hätte nicht jung sein müssen, wenn ihm diese- kleine Fest und auch das hübsche Mädchen in seinem Arm nicht gefallen hätte. Und dieses frische Kind des Walde- schien glücklich über die ihm widerfahrene Ehre zu sein, einen so vornehmen Partner zu haben. Sie fühlte sich indessen mitten au- ihrer Glückseligkeit emporge schreckt, als sie plötzlich hinter der ersten Reihe der Zuschauer ein Gesicht erscheinen sah, welches sie hier nicht zu sehen erwartete. Uud di« onst so Hellen Augen dieses Antlitzes waren nicht mit dem freund- ichsteu Ausdruck auf sie gerichtet so daß sich auch ihr hübsche- Be icht auf einen Moment verfinsterte. Dann aber erhellte eS sich ebenso chnell wieder und blickte den Ankömmling freundlich an: „Heinrich, willst Du auch tanzen?« Der Augeredete, ein junger, hübscher Bursche, der den Hut etwa» seitwärts auf dem Ohre trug, erwiderte trotzig: »'s geht ja recht gut auch ohne mich, wie ich sehe.* »Lassen Sie mich mit dem Brummbär reden I* bat Suse ihren Partner, und dieser, der den wahren Zusammenhang ahnte, nickte lächelnd und ließ sie frei. Sie drängte sich nun zu dem jungen Knechte, faßte ihn an der Hand und schmeichelte leise, indem sie mit ihm ein wenig zurücktrat, damit die Anderen nicht hören sollten, um was eS sich handelte: „Komm', Heinrich, sei nicht so unfreundlich und tanz einmal mit mir; Herr und Frau Müller haben nichts dawider.* „Ich habe aber etwas dawider," sagte der Bursche noch immer unmuthig, „die vornehme Gesellschaft gefällt Dir wohl besser, al» unser Einer?" , »Ach, Du bist gar zu argwöhnisch, Heinrich; ich wär' ja nicht damit zusammen gekommen, wenn ich nicht hierher zöge." „Das wird ein lustig Leben werden, wenn Du erst hier bist,* bemerkte der Bursche bitter. „Solch' ein Freundlichthun mit den vor nehmen Gästen! Das verstehst Du schon recht gut; aber mich brauchst Du dann nicht mehr." »Soll ich denn nicht in die Tanne ziehen? Es sind doch gute Leute!" »Gute Leute! Lauter gute Leute! Aberkenn Du in die Tanne ziehst, ist'- mit uns vorbei.* »Heinrich, sprich nicht so und geh' nicht so von mir, was sollen die Leuie denken? Hältst Du mich denn für so schlecht? Ich bin ja ein armes Mädchen und muß mich vermiethen. Komm, laß di« thörichten Gedanken und tanz' mit mir! Ich mag keinen Anderen als Dich, komm!* Sie zog ihn an der Hand, er aber riß die seinige mit kurzem Rucke los: „Ich komme zufällig vorüber. Da steht mein Wagen und in meinem Fuhrmannskittel soll ich tanzen? ThätS auch nicht, wenn ich im schönsten Staate wäre. Was ich gesagt, dabei bleibt er, adel* Damit wendete er sich seinem Fuhrwerke zu, klatschte einige Male laut mit der Peitsche, daß es wie das Knallen von Schüsse» die Musik übertönte und fuhr davon. Suse sah ihm niedergeschlagen nach. »Ein artiger SchatzI* sagte des Rentmeister- spottende Stimme neben ihr, »das ist ja, al- wenn er Dich schon unter seiner Peitsche hätte; da- wird schön etwas setzen, wenn er Dich erst einmal hat." Das Mädchen schrak zusammen; also halte doch Jemand die Szene bemerkt. »Er ist sonst gut, He« Rentmei er," sagte sie, „recht gut.* »Das mußt Du wissen,* war die sarkastische Erwiderung, „jetzt spürte man freilich nichts davon! Dir geht's noch wie seinen Pferden, die müssen seine dumme Eifersucht büßen! Man müßte eS Hansen eigentlich sagen!" „Ach, thun Sie das nicht, Herr Rentmeister, er ist ja blo- ei» bischen hitzig, sonst ist er ja nicht so!" „Du solltest Dir einen anderen Schatz anschaffen!" sagte der Rentmeister lauernd. »Wir lassen nicht von einander!* »Ei, ei, recht schön. Nur schien es vorhin, als ob der junge Herr da drüben auch nicht zu verachten wäre. Sieh, er kommt gerade, um Dich wieder zum Tanze zu holen!* „Ich tanze gar nicht mehr," sagte das Mädchen zu Günther, der, ihre heftige Gemüthserregung gewahrend, weiter nicht in sie drang. DaS Weinen stand ihr näher als das Lachen. Sie eilte fort. Jetzt kam plötzlich Leben in die Gesellschaft, denn in einiger Entfernung erschien der Baron, dessen Weg ihn dicht an der grünen Tanne vorüber führen mußte. Der Förster Tellmann, den wir schon kennen lernten, wäre am liebsten unsichtbar geworden, denn er wußte, daß er bei dem Baron nicht in hohen Gnaden stand; da indessen von den Bediensteten des Herrn auch der Rentmeister zugegen war, o blieb er, und stand nur gleich den Uebrigen von seinem Sitze auf. Ein Jäger dagegen, welcher ebenfalls auf ein halbes Stündchen eingesprochen war, nahm als ein erfahrener Waidmann Deckung an '
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