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1192 Ihm zufolge ist der Protestantismus jetzt seinem vollständigen Verfall ganz nahe, und nur der gemeinsame Haß gegen die Katholiken giebt ihm noch den Schein eines einheitlichen Zusammenhaltes. Die dreitägigen Feierlichkeiten in Worms sind nur als eine Heraus forderung gegen die Katholiken zu bettachten und die Errichtung einer Bildsäule ist an und für sich eine Beleidigung für die katholischen Bewohner erStadt Worms. Der „Monde" übernimmt sodann das kühne Wagniß, nachweisen zu wollen, daß die Reformation den materiellen und geistigen Kulturfortschritt Deutschlands gehemmt und nur dem Aufstteben der hollenzollern'schen Macht Vortheil ge bracht habe. ... - Marseille, 30. Juni. Sir Robert Napier ist hier angelangt. London, 1. Juli. Die Herabsetzung des Tarifs für das atlantische Kabel ist beschlossen worden. Belgrad, 3V. Juni. Die amtliche Zeitung veröffentlicht eine Beileidsadresie der rumänischen Deputirtenkammer. In der Adresse wird die malte beständige Freundschaft zwischen^ Serbien und Rumänien, sowie die Gleichartigkeit der politischen Verhältnisse und nationalen Bestrebungen zwischen beiden Vollem betont. Florenz, 26. Juni. (K. Z.) Msgr. Benaglia, der Bischof von Lodi, der kürzlich in einem Alter von nahezu hundert Jahren ge storben ist, hatte verlangt, in einer Kapelle des seiner Familie ge hörigen Schlosses Benaglia beigesetzt zu werden. Sein Leichnam wurde einbalsamirt und sollte, nachdem er drei Tage in der Kirche ausgestellt gewesen, seiner letzten Willensäußerung gemäß nach dem . Laudgute seiner Familie gebracht werden. Der Sarg war schon im Hofe des bischöflichen Palastes auf einen Wagen des Verstor benen gebracht worden und der Kutscher wollte eben fort, als der Pöbel der Stadt herbeieilte, die Pferde ausspannte, den Wagen vor die Kirche zog und den Sarg in dieselbe brachte. Hier wurde er geöffnet, der Leichnam herausgenommen und auf den Altar ge bracht. Man zündete die Kerzen an und inmitten einer unsäglichen Unruhe wurden Todtenlieder angestimmt. Die Carabinieri erschie nen in Begleitung des Bürgermeisters und des Präfecten, wurden jedoch sämmtlich von der Menge verjagt. Diese klagt nämlich die Behörde an, sie wolle den Leichnam des Bischofs, der ein Heiliger gewesen, mit Beschlag belegen, und erst um 3 Uhr nach Mitter nacht gelang es den herbeieilenden Truppen, nach vielfachen Thät« lichkeiten die wüthende Menge zu zerstreuen, und der Leichnam konnte dem Wunsche des Verstorbenen gemäß nach der Schloßkapelle von Benaglia gebracht werden. Die Ausregung ist aber eine so große, daß man noch immer fürchtet, es könnte zu einem Sturme des Schlosses kommen. — Hier ein anderer Vorfall, der ein eben so trauriges Licht auf den Bildungsstand des italienischen Volkes wirft. In Campi, einem großen und reichen Dorfe, eine halbe Meile weit von Florenz, verschwand ein Knabe. Sofort verbrei tete man das Gerücht, derselbe sei durch eine Jndustriegesellschaft gestohlen worden, welche Kinder entwendete, um sich des Fettes derselben zu Fabrikationszwecken zu bedienen. Jüngsten Sonntag wurde das falsche Gerücht verbreitet, es sei ein zweites Kind ver schwunden, und die Erbitterung der Bewohner wurde auf das Höchste gesteigert. Man giebt einen greisen Bettler als vermeint uchen Dieb an. Dieser, mit Fragen und Vorwürfen bestürmt, ver wirrt sich in seinen Antworten, und die wüthende Menge, Frauen und Kinder voran, aber auch die Männer nachfolgend, reißen den Unglücklichen zu Boden und machen seinem Leben unter unsäglichen Qualen ein Ende. Er wird wörtlich zerrissen. Das geschieht, so zu sagen, vor den Pforten des schönen Florenz — wie soll man sich denn noch wundern über die Gräuel, die uns aus Sicilien ge meldet werden! Rom, 30. Juni. Die päpstliche Bulle, welche das ökumenische Conzil auf den 8. December 1869 nach Rom beruft, ist heute an den Straßenmaucrn angeheftet worden. Konstantinopel, 29. Juni. Der Prinz Napoleon hat gestern dem Sultan seinen Besuch gemacht und von diesem den Medjidieh- . Orden in Diamanten erhalten. Eine Stunde später besuchte der Prinz den Vicekönig und erhielt darauf den Besuch Fuad Paschas. Der Prinz wohnt an Bord seiner Dacht und hat das gastfreund liche Anerbieten des Sultans abgelehnt. Sachsen. Wie der „D. A. Z." aus Dresden geschrieben wird, find aus den meisten der dortigen Schanzen die Palissaden entfernt wordm, da dieselben in den eingerammten Theilen bereits anbrüchig geworden waren. Die gänzliche Schleifung der Befestigungswerke ist damit noch keineswegs in Aussicht genommen, ein auf eine solche Maßregel gerichteter Antrag der Stadtverordneten vielmehr von dem Kriegsministerium als vollständig unbegründet abgewiesen worden. - Leipzig, 30. Äum. Dem „L. Tgbl." geht eine an den Rath der Stadt Leipzig gerichtete Eingabe von 117 d>r bekanntesten Bürger und Einwohner unserer Stadt zu, in welcher dringliche Vorstellungen gegen die von einer Seite her beabsichtigte Verschwel- zung der beiden hiesigen Stadtgymnasien erhoben werden. — Die Vorarbeiten zum Bau der Staatseisenbahn zwischen Chemnitz und Borna (bez. Leipzig) werden schon in den nächsten Wochen begonnen werden; der Chemnitzer Rath hat schon eine da rauf bezügliche Bekanntmachung erlassen. Zum kgl. Commissar fft diesen Bau ist der Directionsrath Opel ernannt worden, der seinen Wohnsitz in Chemnitz hat. Leisnig, 30. Juni. (CH. Tgbl.) Gestern Vormittag sind auf der Bahnstrecke Borsdorf-Döbeln zum ersten Male die zwei neucingelegten Güterzüge abgelassen worden, jedenfalls ein Beweis von der bedeutenden Zunahme im Personen- wie Güterverkehr auf dieser Bahnstrecke. Neustadt b. St. In der Nacht vom 28. zum 29. Juni ist ein gewisser Hesse allhier in seiner Wohnung überfallen und erschlagen worden. Wie verlautet, soll der Ermordete Abends im Spiel viel Geld gewonnen und mit nach Hause genommen haben, was vom Mörder bemerkt wurde und ihn zu dieser scheußlichen That verleitet haben soll. Der muthmaßliche Thäter ist bereits verhaftet. Näheres ist noch nicht bekannt. In der Nacht vom 28. zum 29. Juni ist in Ober-Oder« Witz an dem Hausbesitzer Christian Friedrich Schniebs und dessen Ehefrau ein Raubanfall und bez. Mordversuch verübt worden. Der Räuber ist in das Schniebs'sche Wohnhaus eingedrungen, hat sich in die Schlafkammer der genannten Eheleute begeben und hat auf das daselbst befindliche Bett derselben mit einem Knüttel oder ähnlichen Instrument losgeschlagen, wodurch Schniebs nicht uner heblich am Arme verletzt worden ist. Beide Eheleute haben „Feuer!" gerufen, auch der im Hause wohnende Hausgenosse hat Lärm ge macht und so ist denn der Räuber entflohen, wobei er noch den ihm begegneten Hausgenossen geschlagen und verletzt hat. Einen Raub hat er nicht ausführen können. Der Thäter soll noch nicht ermittelt sein. Zwickau. Den 24. Juni ist der 14 Jahre alte Kohlen- arbeiter Franz Heinrich Georgi aus Schedewitz bei dem Einfahren fahrtlos geworden und 30 — 40 Ellen tief in den Schacht hinab« gestürzt, sodaß er augenblicklich den Tod gefunden hat. Vermischtes. * Die „Magdeburgische Zeitung" schreibt: „Ein in der That der Nachahmung wertheS Beispiel religiöser Toleranz bietet die Bürgerschaft der Stadt Eisenach, wo vor einigen Monaten ein gemeinsamer Kirchhof für die protestantische, katholische und jüdische Bevölkerung eröffnet worden ist." * Zum Bundesschießen in Wien wird bei hinreichender Betheiligung von Schützen ein Extrazug von Leipzig, entweder über Dresden-Prag, oder über Eger-RegenSburg-Linz abgehen. * Der uns aus Brisbane (Australien) zugesandte „Elarence and Richmond Examiner" giebt folgenden Bericht von einem gefährlichen Rencontre zwischen einem Bluthunde und dessen Besitzer: Donnerstag Abend, am 15. April, war vr. I. F. Berini, ein in Brisbane wohn hafter und am Clarencefluffe wohlbekannter, früher am Grastonhospital angestellter Arzt, sehr nahe daran, das Leben zu verlieren. Derselbe genoß mit seiner Gattin im Garten die erfrischende Abendkühle, während ein großer Bluthund neben ihnen lag; sie hatten noch nicht lange so gesessen, als der Hund eigenthümlich zu heulen begann. Da es sehr heiß war, nahm Mrs. Berini dem Hunde, um ihm mehr Freiheit zu verschaffen, das schwere Halsband ab; doch kaum hatte sie dies gethan, als das Thier mit einem lauten Schrei auf die Umzäunung lossprang und mit großer Wuth an den Stäben zu beißen begann, vr. Berini, der ausgestanden war, um ihn besser beobachten zu können, rief ihm zu abzulassen. Da sprang das wüthende Thier auf ihn, ergriff den gänzlich Unvorbereiteten an der Brust und warf ihn zu Boden. Nun entstand ein fürchterlicher Kampf, der von den Betheiligten sobald nicht vergessen weiden wird, da es augenscheinlich in der Absicht des toll- gewordenen Thieres lag, seinem Opfer das Leben zu nehmen. Der Doctor versuchte den Hund an der Kehle zu fassen, aber derselbe schien übernatürliche Kräfte zu besitzen, und mit Angen, die wie Feuerräder glänzten, setzte er seinen Angriff fort, indem er den Doctor über den Boden schleifte und, bevor er von ihm abließ, ihm nicht weniger als 23 tiefe Wunden an verschiedenen Theilen des Körpers beibrachte. Mrs. Berini-, welche allein gegenwärtig war, erschrak entsetzlich bei dem aus ihren Gatten gemachten Angriff; obgleich selbst von schwacher Constitution, versuchte sie mehrmals umsonst, den Hund zu entfernen und erhielt 7 Bisse an Armen und Beinen von dem Thiere, welches während der letzten zwei Jahre so freundlich von ihr gepflegt pnd gefuttert wo»