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Die Verantwortung des Hochschullehrers z Gedanken zum Jugendkommunique / Von Professor Dr. Robert Ganse Während die Jugend in Westdeutschland kein anderes Ziel für ihre Zukunft sieht, als sich rücksichtslos durchzusetzen, um im Konkurrenzkampf Sieger zu bleiben, hat unsere Jugend durch das Bestehen der Deutschen Demokratischen Republik' großartige Perspektiven für die Errichtung des Sozialismus und Kommunismus. Durch das Jugendkommunique erhält unsere Jugend nicht nur volle materielle Sicherheit für ihr Leben, sondern auch das verantwortungsvolle, schöne Ziel, ihren Staat in den Kommunismus hinein aufzubauen. Wozu anders fordern wir denn die Jugend auf, als mitzudenken und mitzuregieren? Damit erhält sie zum ersten Male in der Geschichte Deutschlands die Verantwortung, frei und mit der Leiden schaft ihrer Jahre den Sozialismus und Kommunismus zu verwirklichen. Für uns als die ältere Generation kann daher dieses so bedeutungsvolle Jugendkommunique gar nicht ernst und wichtig genug sein. Nicht der Kampf zwischen den Generationen spiegelt sich hier wieder, wie er in den kapitalisti schen Staaten besteht, sondern das Ver trauen und die Freundschaft zwischen den Jungen und den Alten. Es ist das Recht der Jugend, daß wir ihr dieses Vertrauen schenken und ihr dadurch helfen, den richtigen Weg zu gehen. Aber niemals darf diese Hilfe in Büro kratismus und erhobenen Zeigefinger ausarten. Sie muß als Beweis ein echtes Freundschaftsverhältnis und ein ver ständnisvolles Zusammen- und Mit einanderwirken besitzen. Es ist klar, daß mich als Arzt und Hochschullehrer die Jugendlichen am meisten interessie ren, die in Zukunft als Ärzte des Sozialismus-Kommunismus tätig sein werden. Ihnen sind besondere Aufgaben gestellt, die von den gesellschaftlichen Pflichten gar nicht zu trennen sind und die das ganze Gebiet der Politik umfas sen. Aber wenn diese jungen Menschen So ist mir bekannt, daß an einer Uni versität bei der vorklinischen Prüfung für die Zulassung zu einem Praktikum eine Prüfung von mindestens 20 Fragen stattfindet, bei der die Antworten mit der Stoppuhr gewertet werden! Für den Normaldenkenden ist so etwas absurd, und keiner meiner Freunde und Kolle gen waren bereit, mir dies sofort zu glauben. An anderen Stellen wird nach dem Motiv geprüft: „Wo finde ich bei dem Prüfling eine Schwäche", und dort wird gebohrt! Das alles sind Dinge, die nicht garantieren, daß die Studenten viel Vertrauen zu sich, zu ihren Prüfern und für das Leben gewinnen. Machen wir uns doch nichts vor! Prü fen läßt sich von dem Durchschnittsprü fer eben bestenfalls nur die Gedächtnis leistung. Kaum prüfen läßt sich wirklich geistige Produktion. Wie schwer dies ist, braucht man wohl kaum zu erklären.. Daß aber bei einer reinen Gedächtnis prüfung manches verdorren muß, was später einmal gute Früchte tragen könnte, steht fest. Hier hilft nur Ver- Grund des Jugendkommuniques sehr wichtig wäre, hierüber nicht nur nachzu denken, sondern rasch Veränderungen herbeizuführen. Der Zwanzigjährige ist empfindlich, weil er mit der Aktivität seiner Jahre erwachsen ist und auch als Erwachsener behandelt sein will. Tun wir das immer? Tun wir das immer richtig? Noch heute ist die Lage so - und man soll sich vor dieser Erkenntnis keine Scheuklappen umhängen - daß ein ganz erheblicher Teil der Medizin studierenden Jugend den Mund hält, um es sich bei den Lehrern nicht zu ver derben und in Gottes Namen alles er trägt, um das Ziel zu erreichen, einmal Arzt zu werden. Das aber ist nicht das richtige Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer, zwischen Jugend und Erwach senen. Die Jugend hat das Recht, un bürokratisch und liebevoll erzogen zu werden und ihre aufrichtige Kritik darf niemals unterdrückt und unbeachtet bleiben. Das Jugendkommunique sollte daher, wie schon einmal erwähnt, be sonders von den Pädagogen und den Hochschullehrern beachtet und studiert werden. Die Jugend erkennt sehr schnell, wer ihr wirklich helfen will oder wer nur zum Schein so tut. Den wirklich Helfenden dankt sie es mit guten Leistungen und erfüllt damit die Forderungen, die durch das Kommuni que die Gesellschaft an sie stellt. Ich halte das Jugendkommunique für eine Anleitung zum Handeln, nicht nur für die im Kommunique erwähnten Ge sellschaftswissenschaftler, sondern in gleicher Weise auch für alle Professoren; natürlich auch für die der medizinischen Wissenschaft, die ja erfahrungsgemäß leider oft von Pädagogik wenig Ahnung haben. „Der umfassende Aufbau des Sozialismus in der DDR braucht hochqualifizierte. Fachleute, die selbständig wissenschaftlich denken, schöpferisch arbeiten, die Kollektive von Menschen sachkundig zu leiten vermögen, die ehrlich, beschei den und einsatzfreudig sind. Wir brauchen keine mit Thesen und Leitsätzen vollgestopften .Bücherwürmer’, sondern gebildete und vorwärtsdrängende Men schen, die sich nicht scheuen, mitten ins Leben zu greifen, seine Probleme auf zuspüren und ohne Ansehen der Person kämpferisch zu lösen. An unseren Hoch- und Fachschulen wurden in den vergangenen Jahren bereits viele hochqualifi zierte und selbständig denkende Fachleute ausgebildet. Doch das reicht noch nicht aus. Wir wenden uns gegen Erscheinungen des Schematismus in den Instituten, Hochschulen und Universitäten, die echte wissenschaftliche Leistungen be hindern. Wir rufen alle Lehrkräfte auf, die ihnen anvertrauten jungen Men schen zu selbständig denkenden Sozialisten zu erziehen und nicht zuzulassen, daß gute Zensuren von der Festlegung auf eine subjektive Lehrermeinung ab hängig gemacht werden. (Aus dem Jugendkommunique des Politbüros der SED) APO Arzte beriet Probleme der Studienreform Die Beschlüsse des Rektors und des Senats unserer Medizinischen Akademie zur Neugestaltung des Medizinstudiums waren Anlaß zu einer erneuten Diskussion im Rahmen der Abteilungsparteiorganisation Ärzte. Während vor einem Jahr die Notwendigkeit der Reform des Medizinstudiums auf der Tagesordnung stand, war es jetzt erforderlich geworden, in Vorbereitung ihrer praktischen Durchführung die sich ergebenden Schwierigkeiten zu analysieren und nach Wegen ihrer Über windung zu suchen. geben? Ich glaube, daß es gerade auf konzentrieren, womit zwar keine gene- Seite 9 „Akademie-Echo" relle Abhilfe geschaffen wird, jedoch durch den Einsatz zusätzlicher Ärzte eine Lücke vorübergehend geschlossen werden könnte. Es wurden weiterhin sehr wertvolle Gedanken vorgetragen, wie die Schreib arbeit der Assistenten vereinfacht wer den kann, um Zeit zu sparen. An Bei spielen der Chirurgischen Klinik und der Kinderklinik konnte nachgewiesen werden, daß durch Vordrucke, kurze Arztbriefe und zweckmäßige Dokumen tation von Befunden und Verlaufsbe obachtung die wissenschaftliche Aus- wertbarkeit der Krankenblätter verbes sert und außerdem die Arbeit des Arztes ökonomischer sein kann. Die guten Er fahrungen einzelner Kliniken in der Assistentenkommission zu verallgemei nern, war eine Anregung, die hinzukam. Eine weitere Zeitreserve scheint auch in einer besseren Organisation der ärzt lichen Arbeit zu stecken. Man überprüfe z. B. einmal, wieviel Zeit am Tage durch vermeidbare Wege, überflüssige Telefonanrufe, ungenügend vorbereitete und schlecht koordinierte Beratungen, Gespräche und Sitzungen usw. verloren geht. Zum Abschluß der gemeinsamen Be ratung konnte festgestellt werden, daß alle Genossen Ärzte wie auch ihre par teilosen Kollegen bereit sind, die Stu dienreform zu -einem vollen Erfolg zu führen. Nach wie vor bleibt aber für unsere Studenten die Aufgabe in unver mindertem Umfang bestehen, die Aneig nung des Wissens durch ihre aktive Mit arbeit in den Lehrveranstaltungen und im Selbststudium als die wichtigste Voraussetzung zur Heranbildung soziali- stischer Arztpersönlichkeitcn anzusehen. ständnis für die Jugend, wie dies im Jugendkommunique von den Gesell schaftswissenschaftlern, aber auch von allen anderen Lehrern und Erziehern ge fordert wird. Die große Anzahl von Studierenden - macht es natürlich schwer, jedem ein- . zelnen individuelle Hilfe zu geben. Des- ; halb müssen Wege überlegt werden, um ’ die nach Ansicht von medizinischen : Autoritäten längst überlebten heutigen ' Prüfungen durch ein besseres Verfahren zu ersetzen. Es ist uns wohlbekannt, daß beson ders in der Vorklinik die Studenten vor der steigenden Flut von Prüfungen zit tern. Das kann aber nur den Hochschul lehrer unberührt lassen, der den Sinn des Jugendkommuniques noch nicht voll , erfaßt hat. Die Formulierung, daß schon der Student höchste wissenschaftliche Leistungen erreichen soll, wird oftmals mit der Forderung verwechselt, mög lichst viel Spezialwissen bei den Studen ten anzuhäufen, zu dem noch gar keine Beziehung bestehen kann. Wenn Lenin sagte: „Lernen, lernen und nochmals ler nen", so meinte er ganz sicher damit nicht eine Gedächtnisüberlastung, die schöpferisches Denken eher unterdrückt als fördert. Lernen muß zu Erkenntnis sen führen. Darauf kommt.es an! Ich möchte fragen: Wann bringen wir unseren Studenten bei, mit Büchern um zugehen? Wann nehmen wir ihnen end lich den Druck, sich mit 20 Jahren noch als Schüler’zu fühlen, die am Gängel band geführt werden? Wann gelingt es uns endlich, diesen jungen Menschen das richtige Gefühl für ihre Freiheit und damit das Vertrauen zu uns Lehrern zu Nachdem durch den Genossen Dr. Peper die erfolgreiche Durchführung der vorgesehenen Reform des Medizin studiums in der DDR als fachliche und politische Hauptaufgabe der Akademien und Universitäten dargelegt worden war, berichteten die Genossen OA Dr. D o m i n o k und Dr. J a r o ß über den Stand der Vorbereitungen zur Realisie rung derStudienref orm im Pathologischen Institut und in der Medizinischen Klinik. Das Kollektiv der leitenden Ärzte des Pathologischen Instituts hat bereits die Aufgaben für jeden Mitarbeiter des Instituts zur Verwirklichung des von Herrn Prof. Dr. Simon vorgeschlage nen Lehrprogramms festgelegt, damit das erste klinische Studienjahr ab 9. März 1964 stärker praxisbezogen mit dem Lehrstoff für allgemeine Pathologie vertraut gemacht werden kann und gleichzeitig die Ausbildung der höheren Semester nicht zu kurz kommt. Durch eine vorbildliche organisatorische Vor bereitung und vollständige Ausnutzung des bereits arbeitsfähigen Teiles des neuen Institutsgebäudes sind die Vor aussetzungen in diesem Fachgebiet als gegeben anzusehen. Wesentlich komplizierter sind die Ver hältnisse in der Medizinischen Klinik. Im Vergleich zur Humboldt-Universität mangelt es hier an Assistenten, die neuerdings verantwortlich in den Lehr betrieb im Rahmen der Praktika auf Station mit einbezogen werden. Da eine Planstellenerweiterung im Moment nicht möglich ist, empfahl die Versammlung auf Vorschlag des Prorektors für den wissenschaftlichen Nachwuchs, Genosse Prof. Dr. Schmincke, die Arbeit der Pflichtassistenten auf dieses Fach zu politische Menschen - politisch klarden kende Ärzte, also sozialistische Ärzte - werden sollen, so müssen wir Hoch schullehrer daran noch sehr viel tun. Dieses politische Fundament, was nichts anderes bedeutet als eine sichere Welt anschauung, wird der Jugend im Eltern haus, in der Schule und in ihrer weite ren Entwicklung vor allem durch die Lehrer im Betrieb und Hochschule ver mittelt. In den bisherigen Diskussionen um die medizinische Studienreform ist sehr viel Gutes und Richtiges über die Füh rung und Erziehung der Jugend gesagt worden. Mit der konsequenten Durch führung des Jugendkommuniques wächst jedoch unsere Verantwortung, die Verantwortung des Hochschullehrers. Es gibt viele Anzeichen dafür, daß der Sinn der Erziehung unserer Jugend, deren wesentlichster Kern die Hilfe sein muß, vielerorts noch nicht richtig er kannt wurde. Diejenigen Hochschulleh rer, die unseren jungen Studenten wirk lich helfen, in der vollen Bedeutung die ses Wortes, sind jedoch noch zählbar. Trockene, formale, bürokratische Ex amen, Auswendiglernen statt produkti ver geistiger Tätigkeit führen oft zu einem Gedächtnistraining, das wenig Aussichten auf erfolgreiche ärztliche Tätigkeit in der Zukunft bietet. Reines Gedächtniswissen ist noch lange nicht eine Garantie für spätere gute ärztliche Leistungen. So wird mir manchmal vor dem reinen Schulwissen, das man „ge trost nach Hause tragen kann", angst und bange. Wird nicht auch in dem medizinischen Studium sehr oft Pädago gik und Psychologie vergessen und an Stelle von Hilfeleistung eine über mäßige Gedächtnisleistung exerziert?