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1861. 216 Sonnabrud, den 14. September. d«m Raum mit i : > ' b«chmt. . , Amtsblatt ^deS König!. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der König!. GerichtsLmter und der Stadträtbe zu Freiberg, Sayda und Brand. ?rschei»t 1»« Wochmta, früh »Uhr. Jusaatew«. d« bt» Nachmittag« » Ubr für die nächst, «scheinend« Nummer aagmammm. Freiberger Anzeiger und gesM«. Zeil. od« Die amerikanischen Zustände. ES wird vielen Lesern nicht recht klar sein, woher eS kam, daß die große, stolze Bereinigung oder Union ron 32 selbstständigen Staaten drüben in Nordamerika auf einmal auseinander und die nördlichen und südlichen Staaten gegen einander in einen Bürgerkrieg gerathen find. Waren ja doch die »ordamerikanischcn Freistaaten, jeder für sich, so vollkommene demokratische Freistaaten, oder Re publiken, wie man sich eine Republik gar nicht demokratischer und volksherrschaftlichcr auödenken kann! Und waren ja doch alle 32 Freistaaten wieder in einem Gesammtsrcistaate nach Außen hin vereinigt, hatten als Gesammtheit ein gemeinschaftliches, auf 4 Jähre freigewähltes Staatsoberhaupt, einen Präsidenten oder Vorsitzenden, mit einem Ministerium, einem Landheere und einer Seemacht für alle zusammen; in Summa gab eS da drüben eine Freiheit, eine Selbstständigkeit jedes einzelnen Staatsangehörigen, jeder einzelnen Gemeinde, jedes Kreises oder Bezirkes, jedes einzelnen. Staates, eine Selbstregierung und Staatscinrichtung, in der der Geringste so viel Recht und Macht hatte, als der Reichste und Angesehenste, in der jeder Einzelne thun und treiben konnte, was er wollte, sobald er nicht gar zu plump gegen die Gesetze verstieß, wie kaum irgendwo weiter in der Welt. Und trotzdem Bürgerkrieg und wahrscheinlicher Zerfall des ganzen Staatengebäudesi? Wir gestehen ehrlich, daß es uns selbst bis heute noch nicht klar war und ist, wie dieß Alles kam und suchten es bisher lediglich im Allgemeinen außer i» der bodenlosen sittlichen Berderbtbeit noch in den religiösen und politischen Parteiungen da drüben. Es muß unS daher Alles willkommen^ sein, was näheren und besonderen Aufschluß über die Sache giebt. Du bringt nun ein Kenner der amerikanischen Zustände, Herr Otto Nnppius, in Nr. 36 der Gartenlaube, (die wir allen unsern Lesern in Stadl und Land angelegentlich empfehlen), einen so trefflich aufklärenden Artikel, daß wir uns nicht versagen können, ihn auszuziehen und wo nöthig und möglich noch mehr zu verdeutlichen, zu ergänzen. .ES ist recht gut, wenn in einem Staate jede einzelne Person und jede Gemeinde so wenig beschränkt ist, so viel Freiheit hat, als möglich, damit sie sich frei bewegen und entwickeln, thun und treiben kann, was zu ihrem Fortkommen, ihrem leiblichen und geistigen Wohlbefinden nöthig und nützlich ist. Aber ohne Schranke», ohne Gesetze und deren stramme Handhabung kann kein Staat dauerhaft bestehen. Zwei Menschen schon, die mit einander eine Reise machen, müssen Gesetze feststellen, an die sie sich binden wollen, sonst bleiben sie schwerlich lange beisammen. Und wen» in einem Staate jede gute Anlage, Neigung und Kraft Platz hat, sich zu entwickeln, sich geltend zu mache», ei, so haben die schlimmen Anlagen und Neigungen diesen Platz auch. Werden nun dann die Gesetze nicht straff vollzogen, haben die Gesetzcswächter keine Lust und Macht, die Gesetze pünktlich zu vollziehen, und find die Staats- einrichtungen und Gesetze selbst von der Art, daß die Gesetze un gescheut umgangen und mit Füßen zetteten werden könne», sind die Staatsangehörigen i» ihrer Mehrheit selbst so schwach und schlecht, daß sie dieß ungestraft zulassen — dann geht ein Staat zu Grunde, auS dem Leime. DaS muß so komme»; denn wie ohne sittlichen Halt der einzelne Mensch und die Familie, so reitet eine kleine Gemeinde oder ein Staat sich durch Schlechtigkeit und Sittenlosigkeit ins Verderben. So war's in alten Zeiten, so war eS, seil eö Staaten giebt und so wird eS auch bleiben. Drüben in Amerika wird jeder Beamte in der Gemeinde und im Einzelstaate alle vier Jahre vom Volke frei gewählt. Jeder — vom Bummler bis zum Millionair hat dabei seine Stimme, die gleichviel gilt. Der Präsident über den gesammten Bund von 32 Staaten wird ebenfalls vom Volke gewählt, hat aber das Recht, die Ministerstellen, die Gesandtschasspostcn, die Stellen für Post« und Zollbeamte für die ganze Union zu besetzen. Und dieß sind viele Acmter, mit denen er gewöhnlich die Männer seiner Partei belohnt, die ihm hauptsächlich zu seinem hohen Amte verholfen haben. Es gehört daher in einem Staate, wo Jeder seine Stimme zur Wahl eines Beamten abzngeben hat und abgiebt, Geld und zuweilen viel Geld dazu, um paffende Leute zu bezahlen, die Stimmen werben und Stimmen durch Bestechung kaufen; je einträglicher oder höher dar gewünschte Amt ist, desto höher steigen die Kosten. Mancher Bewerber hat da schon sei» Vermögen aufgrwendet und sich in Schulden gesteckt und das Amt schlüßlich doch nicht erschnappt. Hat er's aber doch errungen, ei, so will er vor allen Dingen nicht blos das dafür ansgewendete Geld wieder aus dem erschnappten Amte heransschlagen, sondern noch viel mehr dazu, denn die vier Jahre sind bald um, und die gesetzliche Besoldung-ist das Wenigste. Die Haupteinkünfte komme» aus dem Nefas, auS der Spitzbüberei, mit der das erschnappte Amt benutzt wird, zu unredlichen Neben« einkünften. So hat z. B. ein Beamter, der das Grundeigenthnm „ der Bürger und Bauern wegen Feststellung der Grundsteuer abzu^ß schätzen hat, 300 Dollars festen Gehalt; er läßt sich aber bestechen, schätzt das Grundeigenthum niedriger und schlägt auS seiner Stelle 5000 Dollars heraus. Ein Bürgermeister läßt für Straßenbauten, städtische Arbeiten rc. sich Rechnungen zum doppelten Betrag aus« stelleu, weist sie als richtig zur Zahlung an und theilt den Ueber« schuh mit dem Unternehmer. Da hat Mancher in wenigen Jahren ein fürstliches Vermögen zusammengestohlen. Ein Stadtcasfirer speculirt mit den cingegangenen Stadtgeldern und wenn Stadt gläubiger die Anweisungen bezahlt haben wollen, die sie für ihre Forderungen erhalten, sagt er, eS sei kein Geld in der Kasse, kauft aber dem Geldbcdürftigen die Scheine mit 10 Procent Abzug ab. Die einflußreichen Landtagsabgeordneten treiben Handel mit ihre» Stimmen, wenn eS gilt, einträgliche Staatsbanken oder Privilegien u. s. w. Jemandem zu verschaffen. Da kostet manchmal so eine Stimme Tausende und Zehntausende von Dollars. Der Richter oder Amtmann läßt sich bestechen, wie der Gerichtsbote, der Ge- richtSwacktmeistcr, die Minister und der Präsident. In Summa ist Alles faul und hohl von Unten bis Oben. Was dabei für eine Rechtspflege, Verwaltung und Regierung herauskommt, mag Jeder sich denken. Eö mag wohl hi» und wieder auch in den deutschen Ländern solche Schufte von Beamten geben, aber diese sind nur vereinzelte schlechte Ausnahmen von der guten Regel- Die Ehrenhaftigkeit der Ungeheuern Mehrzahl läßt Bestechen gar nicht zu, und die Wachsamkeit des Gesetzes läßt sich auf die Dauer nicht täuschen. Drüben aber ist diese Schurkerei hergebracht,