Volltext Seite (XML)
Erscheint jeden Wochentag sriih S UHr. Inserate wer den bi« Nachmittag« 3 Uhr silr die nächst erscheinende Nummer angenommen. Freiberger Anzeiger . und Tageblatt. Prei« vierteljährlich IS Ngr^ Inserate werden die gespaltene Zelle oder deren Raum mit 8 berechnet. Amtsblatt drs Königl. Brstrksgrrichts zu Freiberg, somit drr Königl. Grrichtssmtrr und der Stadtrrithc M Freiberg, Sayda «nd Brand. ^56. Mittwoch, den LV. März. 1858. Tagesgeschichte. Aus dem Dresdner Krcisdireetionsbezirk, 6. März. Ueber die historische Entwickelung einer Thatsache, die für Frei berg mehr als eine empfindliche Seite hat, der Verlegung des hiesigen Schullehrerseminars nach Nossen, ist so wenig wahrhaft Beglaubigtes zur Ocffentlichkcit gelangt, daß es sich in der That der Mühe zu verlohnen scheint, noch einmal vor dem Publikum auf diese Sache zurückzukommen, um der Wahrheit zu ihrem Rechte zu verhelfen. Es dürfte dies aber um so nothwendiger befunden werden, da es nach der einen Seite hin nicht an Vorwürfen, nach der anderen hin auch nicht an Verdächtigungen gefehlt hat. Uebrigens ist die Sache inso fern wieder von einigem Interesse für uns geworden, als sie jüngst in beiden Kammern besprochen worden und dadurch in einen weiteren Kreis der Oeffentlichkeit eingetreten ist. Unsere Darstellung wird sich genau an die betreffenden Aktenstücke Hal- ten und sioo ira et stuüio daraus schöpfen. Die Scene wird eröffnet — man gestatte uns diesen Aus druck — durch ein Schreiben des ehemaligen Seminardirectors Niebold vom 11. Novbr. 1847 an das hiesige Armcnvereins- Direktorium. Dieses Schreiben setzt das genannte Direktorium davon in Kcnntniß, daß daS Hohe Kultusministerium die Ab- i sicht habe, für das hiesige Seminar ein geeignetes Lokal zu er werben und daß „jedenfalls auch dabei der Ankauf des von dem Seminar jetzt benutzten Grundstückes in Frage kommen werde", j Daran knüpft das genannte Schreiben folgende Fragen: 1) ob das Armcnvereins-Directorium geneigt sei, das von dem Semi- j nar jetzt benutzte Grundstück zu verkaufen, und 2) welchen Kauf- preis dasselbe tm Falle des Verkaufes fordern werde. Man ! säumte nicht, die erforderlichen Einleitungen zu treffen, um zu- ! vörderst den Verkaufspreis feststellen zu können. Die verpflich teten Baugewerken würderten das ganze Gebäude — das Wai- ! srnhaus genannt — auf 10164 Thlr. Der Bericht derselben ist > vom 6. Decbr. 1847. Man entschied sich auf dem legalen Wege, der in dergleichen Fällen durch die Städteordnung vor geschrieben ist, für den Verkauf des fraglichen Gebäudes. Die Armenversorgungsbehörde glaubte 8500 Thlr. fordern zu müs sen, während die Plenarversammlung sich für 8000 Thlr. ent schied. Die betreffenden Aktenstücke sind vom 15. und 31. Dec. 1847, ein Beweis, daß man die Wichtigkeit der Frage richtig erkannte und deshalb mit den gesetzlich erforderlichen Verhand- ! langen nicht im Geringsten zögerte. Der Stadtrath ertheilte am 28. Januar 1848 seine Zustimmung zu dem abgeminderten Kaufpreis, dem auch der größere Bürgerausschuß beitrat am 11. Februar 1848, doch unter zwei ausdrücklich hervorgchobenen Bedienungen: 1) daß das Waisenhaus dem Hohen Kultusmi nisterium nur für die Zwecke Leg Seminars für 8000 Thlr. käuflich überlassen werde, und 2) daß das Hohe Ministerium keinen Gebrauch von der Braugerechtigkeit mache, sondern* dir Nutzung derselben der Armenkasse überlassen bleibe. So vorbe reitet ward die Sache dem Hohen Kultusministerium vorgelegt. Am 19- Juni 1848 ging mittels Verordnung der Kreisdirection Seiten der Höchsten Behörde die Erklärung ein, „daß sie von dem Ankäufe des hiesigen Waisenhauses für die Zwecke der Seminaranstalt abzusehen beschlossen habe, dagegen aber der Ermiethung der zweiten Etage des genannten Hauses nicht ab geneigt sei". Jetzt ruht die ganze Sache bis zum 15. März 1853; an dem genannten Tage kam im Directorium des Ar- ! menvereins die Verkaufsfrage abermals zum Vorschein. Der schon oben bezeichnete Weg, um der gesetzlichen Form zu genü gen, wird zum zweiten Male eingeschlagen, die Verkaufssumme aber auf 9000 erhöht. Die Seminardirection erhielt nun auf ihren desfallsigen erstatteten Bericht mittels Verordnung der Kreisdirection von dem Hohen Kultusministerium am 13. April 1854^folgenden Bescheid: „Das Königl. Ministerium findet zwar das Anerbieten einer sorgfältigen Erwägung Werth; allein abgesehen von der Frage einer Reform der Semtnarien würden für die laufende Finanzperiode die Mittel zum Ankäufe deS Grundstückes gänzlich mangeln.. Ist sonach daS Königl. Mi nisterium einerseits außer Stande, dermalen näher auf die Sache einzugehen, so glaubt Es anderseits, daß doch die Möglichkeit, auf das fragliche Geschäft späterhin zurückzukommen, dadurch nicht ausgeschlossen werde, da ohne Zweifel der Stadtrath, wie der Armenverein zu Freiberg, von der Wichtigkeit des Seminars für die Stadt überzeugt, es vermeiden wird, inmittelst Schritte zu thun, durch welche das Königl. Ministerium möglicherweise in die Nothwendigkeit kommen könnte, das Seminar zu verle gen". Dieser Bescheid bildet eigentlich den Wendepunkt in der ganzen Frage: denn das Hohe Ministerium stellte die Frage nicht blos mehr unter den finanziellen, sondern zugleich auch unter den administrativ-pädagogischen Gesichtspunkt, ließ aber doch wenigstens der politischen Gemeinde Freibergs den Weg zu einer finanziellen Transaktion offen. Das Armendirectorium erklärte nun in einem Schreiben an die Seminardirection vom 19. April 1854, daß man von der Wichtigkeit deS SeminarS für die hiesige Stadt gebührend überzeugt sei, daß man auch von der Veräußerung des fraglichen Gebäudes zu anderen Zwecken bis aus Weiteres absehen werde, zumal da die Absicht von jeher dahin gegangen sei, dieses Gebäude nur dem StaatüfiScus zu Seminarzwecken zum Kaufe anzu bieten, fügte aber zugleich den Antrag bei, das Hohe Kultus ministerium um Erhöhung des jährlichen MiethzinseS von 250 Thlr., wie am 20. November 1848 stipulirt worden war, auf 400 Thlr. zu ersuche». Das Hohe Ministerium, sich auf tz. 15 des Miethkontraktes berufend, schlug dieses Gesuch insofern ab, als es sich wenigstens vom 1. Jan. 1855 an nicht für verpflich tet erklärte, auf die beantragte Erhöhung des MiethzinseS ein zugehen. Das Armendirectorium beschloß indeß am 8. Januar 1855, daS Hohe Ministerium noch einmal um Bewilligung eine» erhöhten MiethzinseS von 400 Thlr. zu ersuchen: es geschah Lies einmal durch die Seminardirection, und als die Antwort länger, als man geglaubt hatte, ausblieb, dann unmittelbar an das Hohe Ministerium selbst. Am 19. Febr. 1856 ging nun von der Kreisdirection an den Seminardirector folgende Ver ordnung ein: „er habe der Armenhirection die Anzeige zu ma chen, daß, nachdem Letztere den zwischen derselben und der Se minardirection am 30. Nov. 1848 abgeschlossenen Miethvertrag über das gegenwärtig von dem Seminar innegehabte Gebäude gekündigt, die Fortsetzung desselben aber gegen einenerhöhten Miethzins von jährlich 400 Thlrn. ««geboten, daS Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts beschlossen hat, den gedachten Miethvertrag bis Michaelis d. I. zu pro- longiren und den verlangten Miethzins auf das halbe Jahr von Ostern bis Michaelis 1856 zu gewähren". Durch die Auf fassung des Hohen Ministeriums, daß das Gesuch um Erhöhung des MiethzinseS als eine Kündigung des Vertrages überhaupt anzusehen sei, wogegen ein Schreiben an die Seminardirection vom 30. Juni 1856 entschieden protestier, sowie ein Protokoll des Armendirectoriums vom 1. Juli 1856 war die Sache in das Stadium der Verlegung der Seminaranstalt eingetreten, und bereits am 16. Septbr. des genannten JähreS erfolgte die Uebergabe deS Seminargebäudes nebst Inventar an die Ver treter der Stadt-, Schul- und Armengemeinde durch die Di- rection des Seminars. So ward auS Freiberg «ine Anstalt verlegt, die vor mehr als 50 Jahren durch den ehemaligen Amtsprediger an Petri, 0r. Frisch, als Prtvatinstitut gegründet worden und durch Gymnasial- und städtische Unterstützungsmittel zu einer Bedeutung gelangt war, daß den Werth derselben selbst Ler Staat anerkannte und die ganze Anstalt endlich übernahm: die Namen Döhner und Beyer find ganz besonders an dies Entwickelung und Stellung des Seminars geknüpft.