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trägcrS Hinterstübcheu, welches an Gemüthlichkeie mit dem Tha- ranber Passagierzlmmer wetteifert. Man kann da Doppelkümmel und sogenannten Kaffee haben, gegen besondere Pergütung auch bairische« Dier auS einem benachbarten BierhauS. Vollkommen befriedigt von diesen mancherlei Genüssen verschmähe ich eS, die ähnliche Gelegenheit in Oederan aufzusuchen. Abend,8 1O'/r Uhr langen wir in Chemnitz an. Da ich am andern Morgen früh mit der Post weiterfahren will, so versuche ich mich und meinen Koffer einschreiben zu lassen. „Heute nicht, mein Herr! Mor gen früh 5*/r Uhr." Gut! Also in den Römischen Kaiser mit meinem Koffer. Den römischen Kaiser kann ich Ihnen ernstlich empfehlen, und zwar nicht blos wegen seiner guten Cotelettes. Früh 4'/« Uhr meldet sich der Hausknecht. „Ich bitte um Ihren Koffer, er muß Punkt 5^ Uhr auf der Post sein; nur zwischen 5'/, und 53/« Uhr wird eingeschrieben." Gut; also nach Zwönitz. In einer Viertelstunde kommt er wieder: „Bis Zwönitz, das geht nicht; nur bis Stolberg wird hier eingeschrieben." Auch gut; so werde ich also in Stolberg das Vergnügen noch einmal haben. Wir fahren ab, ich bin glücklich ins Cabriolet gelangt, der C-on- ducteur neben mir revidirt seine Papiere, ein dickes Bündel Ta bellen, auf jedem Bogen steht etwas geschrieben; ich lasse mich belehren und lerne das Jnventarium unsere Ladung von A bis Z kennen: die Namen der Mitreisenden, ihre Koffer und Reiseta schen, die gesammte Aufschrift, das Gewicht, das Ziel und den Empfänger jeden Paketes. Es ist wirklich merkwürdig, was der Mensch, und besonders der Staatsdiener, in der Anfertigung von Tabellen leisten kann. Erstaunt über diese Umsicht, Sorg falt und Papierbenutzung frage ich nach dem Zweck solcher Aus führbarkeit, da die Post doch bereits das Numeriren der Ge päckstücke mit Zusatz des Abgangs- und Zielorts von den Eisen bahnverwaltungen angenommen habe und deshalb in den Ta bellen vielleicht nicht mehr die ganze Signatur, den Namen des Empfängers rc. nöthig hätte, welcher Letzterer auf der beigcge- tenen Adresse steht. Da kam ich aber schön an. „O, das ist ganz nothwendig", sagte der diensteifrige Mann. „Mit Hilfe dieser Tabellen weiß ich Alles, was da sein muß; da kann mir gar nichts wegkommen, und wenn doch etwas wegkommt, so bin ich dafür verantwortlich." Sie können denken, daß mich diese Rede mit Bewunderung erfüllte. Ich erlaubte mir aber doch noch die Frage: „Wie kommt cs wohl, daß man beim Einschreiben auf der Post immer noch seinen Namen nennen muß? Die Post ist doch keine Polizeianstalt, das Schreiben so vieler Worte erschwert das Geschäft; warum wendet man nicht blos numerirte und abgestempelte Billets an wie bei den Eisen bahnen, die dann für jedes beliebige Ziel überall mit Leichtig keit ausgegeben werden könnten?" „O nein, mein Herr, das geht nicht! da wüßte man ja gar nicht mehr, wer mitfährt, und wo jeder Reisende hingekommen ist. Nein, nein, das geht nicht!" Ich war besiegt. Wir kamen nach Stolberg, ich übernahm aber mals mein Gepäck, ließ mich cinschreiben, Lictirtc meinen vollen Namen und Stand, übergab mein Gepäck und gelangte in zwei Stunden glücklich nach Zwönitz. Von meinen Effecten fehlte nichts, ich nahm gerührt von der trefflichen Verkchrsanstalt Ab schied, die so mühevoll um ihre Passagiere besorgt ist. Daß ich Ihnen diesen kleinen Abriß der Erfahrungen meiner Reise mit- thcile, ist eigentlich müßig, denn sie ist ja aktenkundig, und wer sich dafür interessirt, kann sie jeder Zeit in den Tabellen der Post nachschlagen und lesen." Stuttgart, 24. Febr. (D. A. Z.) Auf kirchlichem Ge biet ist bei uns die Ruhe von ehedem noch immer nicht wieber- gekehrt und es scheint mehr ein Waffenstillstand als ein Friede zwischen den verschiedenen Parteien zu walten. Mit alter Heftig keit aber brennt die Fehde des weltlichen und geistlichen Gemeinde raths von Heilbronn, der zweitbedeutendsten Stadt unsers Lan des. Bekanntlich haben sich die eifernden Geistlichen Heilbronns durch ihre unglaublichen Jnvectiven gegen vr. Schwarz in Gotha, welchen sie ziemlich unverblümt mit einem schlechten koburger Sechser verglichen, einen Ruf in ganz Deutschland erworben. Cs ließ sich erwarten, daß ihre liberalen Gegner, die bürgerli chen Vertreter der Gemeinde, diese und andere Auslassungen der Geistlichen nicht ruhig in die Tasche stecken würden. Heute erscheint im Schwäbischen Merkur wirklich eine einen Druckbo gen umfassende Erwiderung. Obgleich oder vielmehr weil sehr ruhig gehalten macht dieselbe einen schneidenden Eindruck und zeigt namentlich auch das Gewaltthätige, ja geradezu Wider sinnige, das heutige bürgerliche Leben alten Sabbathordnungen, gehandhabt von einer geistlichen Polizei, preiszugeben. Der eifernde Pfarrgemeinderath Heilbronns, die Geistlichen an der Spitze, haben seit 1852 die mit den heutigen gewerblichen Ver hältnissen rein unverträglichen Sonntagsverordnungen vom 16. und 17. Jahrhundert hervorgeholt und die besten Betriebe der Stadt mit ihrem geistlichen Huudeschwanz (den ans der „c^no- sura eeclesiastica etc." hervorgeholten Verordnungen) gequält. Am meisten geplagt von dem geistlichen Gericht wurde der In haber der weltberühmten, auf den Ausstellungen gekrönten Schäuffelen'schen Papierfabrik. Es half nichts, daß Hr. Schäuf- felen, der 250 Arbeiter beschäftigt, Sonntags freiwillig alle Ar beiten unterließ, welche ohne grobe Benachtheiligung unterlassen werden konnten, er sollte auch zum allergrößten Nacktheit seine» Betriebs seine Holländer einstellen; es half nichts, daß er gel tend machte, seine Arbeiter würden dadurch um drei, nicht blos um einen Tagelohn per Woche gebracht, und daß mit 4 Tage- löbnen eine Familie nicht leben könne; es half nichts, daß er geltend machte, er könne seine Feuer nicht löschen, er müsse den für die Holländer nöthigen Dampf auf gehöriger Spannung erhalten und ihn auch ordentlich entlassen können, weil er sonst durch die Ventile entweichen und durch furchtbares Brausen den stillen Sonntagsfrieden weit empfindlicher stören würde; vergeb lich machte er geltend, daß er bei der Kälte auch während des Gottesdienstes arbeiten müsse, weil sonst seine Röhren einfrieren und springen. Herr Schäuffelen wurde vielmehr bis ins Ein zelnste gestört, citirt, bestraft und gequält.^ „Seit dem 3. Mal 1852", sagt die Erwiderung, „wurde Fabrikant Schäuffelen nicht weniger als 12 Mal von der Kirchenpolizeibehörde wegen Sonn - und Festtagsarbeit in Strafen verurtheilt, 10 Mal. in, solche zu 6, zweimal in solche zu je 12 Fl., und dies durch gängig in Fällen, in welchen er die fraglichen Arbeiten gar nicht zu vermeiden gewußt hätte." Mit Recht heißt es gegen den Schluß der protestirenden Erwiderung: „Wenn noch etwas gefehlt hätte, um die Anomalie einer aus dem Mittelälter her» rührenden Einrichtung zu bezeichnen, vermöge welcher kirchliche Behörden in die Betriebsbefugniffe der Landwirthschaft, Fabri ken und Gewerbe mit Polizeivorfchriften und Strafen eingreifen dürfen, so dürfte es wohl dieses Beispiel gewesen sein, wonach ein Fabrikant einer kirchenpolkzeilichen Erlaubniß bedarf, um die Wafferröhren, welche seine Dampfkessel speisen, durch entspre chenden Betrieb seines Werks vor dem Einfrieren und feine Dampfmaschinen vor dem Explodkren schützen zu dürfen; er deshalb, weil er diese Vorsichtsmaßregeln ohne Erlaubniß deS Kirchenconvents trifft, gestraft werden muß, recurriren muß rc. Wenn die bürgerliche Polizei die Versäumniß eines Fabrikan ten, welcher etwa durch Nichtbetricb seines Werks das Einfrieren verschuldete und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdete, verhüten und bestrafen würde, so würde dies Jedermann be greiflich finden; aber daß der Bürger die Erlaubniß zur Be obachtung dieser Vorsichtsmaßregeln von einer Kirchenbehörde sich erbitten muß, daß sie ihm kirchenpolizeilich abgeschlagen, daß er wegen ihrer Ergreifung kirchenpolizeilich gestraft werden kann, dies scheint uns ein Zustand, welcher in unserer Zeit in den Augen jedes Sachkundige« als ein wahrer Anachronismus erscheinen dürfte, der aber auf unserm Gewerbfleiß mehr als se° wie ein bleierner Mantel lastet. Wer kann uyter solchen Um ständen in Württemberg ein Gewerbe ohne den bittersten Miß- muth betreiben?" Die Behandlung Schäuffelen's ist nur das frappanteste Beispiel geistlicher Sonntagszucht neben vielen an dern. — In Ulm fand dieser Tage ein öffentlicher Jnjurien- prozeß statt. Der Beklagte, welcher in einem „christlichen Staat" den deutschkatholischen Prediger Albrecht lNedacteur der Ulmer Schnellpost und der Kirchenfackel) als „Jrrlehrer" durch eine, Druckschrift injuriren zu dürfen geglaubt hatte, wurde zu acht- ägiger Gefängnißstrafe und 36 Fl. Geldbuße verurtheilt. Verantwort!. Redakteur: I. G. W olf. Nkchtiche Nachrichten. <x Nicolai: Gesang des Kyrie. Vom 24. Februar bi» 3. März wurden angemeldet: Gebvrne: dem Bäckermeister Schuster I Sohn — dem Expedient Rei chardt 1 Sohn — dem Bergarbeiter Vitzthum in Fürstenthal I Tochter — dem Maurer Walther 1 Sohn — dem Gerichtsamtsregistrator Wolf in Friede- burg 1 Tochter — dem Unterwachmcister Schiffel 1 Sohn — dem Gasthofs besitzer Hasche l Sohn — dem. Telegraphenbureaudiencr Lindner t Sohn — dem Sattlcrmeister Spahrmann l Tochter — dem Bergarbeiter Schüttauf 1 Tochter — dem Bergarbeiter Müller 1 Sohn — dem Mühlenpachter Hart wig t Tochter — dem Bergarbeiter Mühlstädt 1 Sohn — dem Doppelhäuer Bernhard in Langenrinne 1 Tochter — dem Bergarbeiter Schneider in Frei- bergSdorf l Sohn — dem Handarbeiter Rost daselbst 1 Tochter. — Hier über L unehel. Tächter. — Ueberhanpt 18, als 9 Sohne und 9 Tochter. Getraute: der Bäckermeister Christian Friedrich Lauenstein mit" Fr- Johanne Emilie gesch. Fritzsche geb. Winkler — der MusleuS Carl Leberecht Otto Herrmann mit Anna Priska Richter. — Uebe,Haupt 2 Paare. Gestorbene: der Oekonom Albert Moritz Heine, 58 Jahr — der Gang häuer Friedrich August Schmieder, 38 Jahr 8 Mon. — deS GertchtSamt»- copisten Grabich Sohn, Amandus Bruno. 14 Wochen — de» Hüttenarbeiter Spillner vor der Taufe «erst. Sohn, 8 Stunden — de» Doppelhäuer Spärke