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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020306017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902030601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902030601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-03
- Tag 1902-03-06
-
Monat
1902-03
-
Jahr
1902
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» «—»» M VE» ovrr WUU HM VMDW bqirk nnd den Vororte» errichtete« >,». gecheftAl« «b>«holt: vtertrljädrltch LöV, — zweimaliger täglicher Zustellnng ta» Hans 5lli0. Durch die Post bezog«« für Deutschland «. Oesterreich: vierteljLhrl. 6. Ma» abouuirt ferner mit entsprechendem Postanfschlag bei den Postanstaltrn in der Schwetz, Jälien, Belgien, Holland, Luxem burg. DLuemark, Schweden und Norweger., Rußland, den Dmumstaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Beüia »nr unter Kreuzband durch di» Expedition diese» Watte» mSgltch. Nedaction »nd Lr-äMss: JohanniSgaffe 8. Fernsprecher ISS und SSL. FUialenpeditinuen r Llstrh Hahn, Bachhaodlg., Unwersitit-str.8, 8. Asche, Katharineustr. 14, «. KönigSpl. 7. Hauvt-Filiale in Serliu: KüniggrLtzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. SSS3. Morgen-Ausgabe. WWM.TagMM Anzeiger. AMMatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes, Leipzig, des Aathes und Nolizei-Ämtes der? Stadt Leipzig. Anzeige«-Prei- die Sgespaltene Petitzeile S5 L,. Neelame» «ater dem R«Lactiou»strich (L gespulte«) 7Ü vor de» Familiennach- richte» (6 gespalten) KO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisuugeu und Offertenannahme LS H (excl. Porto). Extra-veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gab«, ohne Postbeförderung SV.—, mit PostbesSrderuug 70.—. A»«tz»rsch1«fi für Anzeigen: Ubend-Aubgabe: Bormittag» 1V Uhr. Marge».Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Umeiarn sind stet» au die Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochen tag» ununterbrochen ge»ff«t von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. Nr. 117. Donnerstag den 6. März 1902. 88. Jahrgang. Prinz Heinrich in Amerika. * Milwaukee, 4. März. (Telegramm.) Zu Ehren des Printen Heinrich hatte die Stadt ein Festgewand angelegt. Der Prinz, der um 4 Uhr Nachmittag» hier eingetroffen war, hat die Reise nach dem Osten um 10 Uhr wieder angrtreten. Während seine» sechsstündigen Aufenthaltes unternahm der Prin» eine Rundfahrt zunächst nach dem Geschäftsviertel. Auf den Straßen hatte sich eine ungeheure Menge angcjammelt. Admiral Evans und der Bürgermeister Rose fuhren mit im Wagen des Prinzen, der von einer Polizei» und Cavallsrie- Escorte umgeben war. In der Nähe des Bahnhofes be grüßten tausend deutsche Kriegsveteranen, die aus vielen Städten WiSconsinS herbeigeeilt waren, den Prinzen. Unter Geschützsalut und stürmischen Huldigungen traf der Prinz in dem überfüllten AuSstellungSgebäude ein, wo er mit einem deutschen Liede begrüßt wurde. Hierauf hielt der Bürgermeister von Milwaukee eine Begrüßungs ansprache, in der er darauf hinwies, daß die Bevölkerung Milwaukees größtentheil» aus Deutschen bestehe, den Ein- fluß hervvrhob, den daS besonnene deutsche Element hier gegenüber dem ungestümen Danker habe, und den Prinzen herzlich willkommen hieß. Im Namen der deutschen Be völkerung sprach der frühere Congreßabgeordnete DeuSler. Er sagte, die HeimathSerinnerungen seien unauslösch lich, und schloß: „Wenn Eure Königliche Hoheit zurück gekehrt find, möge das theure, alte Vaterland Ihr Zeugniß hören, daß wir nimmer vergessen können, weß Namen» wir sind. Im Namen von 20 zum Deutschen Veteranenbund von Wisconsins zusammengefchlossenen Ver einen sprach Capitän Court, der die Zwecke und Ziele de» BeteranenbundeS erläuterte und mit der Versicherung schloß: „Wir theilen innig den Wunsch deS Kaisers nach Freundschaft zwischen Deutschland und Amerika." An diese Reden schlossen sich neue Ge- sangSvorträge an. Als der Prinz sich erhob, erschollen brau sende Hurrahrufe. Von dem AuSstellungSgebäude begab sich der Prinz durch die prächtig illuminirte Stadt nach dem Hotel Pfister, wo ein glänzendes Banket stattfand. In der Mitte des reichgeschmückten Saale» schwebte ein au» Blumen gebildetes Modell der „Hohenzollern". Nach Trink sprüchen auf den Präsidenten und den Kaiser Wilhelm und nach einem Toast auf den Prinzen erwiderte dieser, eS sei für ihn ein Vergnügen, seinen Dank für den ihm in Milwaukee bereiteten herzlichen Empfang auszusprechen. Besonders erfülle ihn mit Freude, daß die Stadt, wie er eben gehört habe, ihre Entwickelung zum größten Theike dem deutschen Elemente der Bevölkerung verdanke. Er betrachte dieses Element als eines der stärksten Bande zwischen Deutschland und de« Vereinigten Staaten. Der Prinz schloß mit einem Hoch auf das Wohl und daS weitere Gedeihen der schönen Stadt Milwaukee. Alsdann überreichte der Bürger meister von Milwaukee dem Prinzen ein prächtiges Album. Bei der Abfahrt des Prinzen hielt eine dichte Zuschauer menge den Bahnhof besetzt und begrüßte den Prinzen mit begeisterte« Zurufen. U. Milwaukee, 4. Marz. (Privattelegramm.) Auf dem Wege «ach dem AuSstellungSgebäude passirte der Prinz als Erster die neu eröffnete Grand Avenue und die WiSconsinstraßeabrücke inmitten brausender Hurrahrufe und unter dem Salut von 21 Schüssen, welche die Batterie am Seeufer abgab. Im AuSstellungSgebäude drängten sich 10 OVO Zuschauer, al» der Prinz mit Gefolge da» Gebäude betrat. In seiner Rede wies der Bürgermeister besonder» auf den Einfluß bin, den die Deutschen in Amerika in Wissenschaft, Literatur, Kunst, Ackerbau, Handel, Industrie und auf allen anderen Gebieten auSgeübt hätten. Der Deutsche sei conservativ, aber unternehmend, vorsichtig, doch muthig, liberal aber die Gesetze achtend. Auch in der ame rikanischen Kriegsgeschichte stehe der deutsche Name ehrenvoll verzeichnet. In Milwaukee, da» die größte deutsch-ameri kanische Stadt sei, sitze heute Nacht manches deutsche Mütterchen, mancher Greis benetze die Kissen mit Thränen in der Erinnerung an die glückliche Jugendzeit im theurcn alten Baterlande. Milwaukee öffne sein Herz dem königlichen Prinzen und bedaure nur die Kürze deS AusentbalteS. Aehnlich sprach derGouverneurdeSStaates,LaTollette. CapitänCourt, Führer deS Deutschen BeteranenbundeS von Wisconsin, gab al- Zweck de» Bunde- an, deutsche Tugenden, Pflichtgefühl, Ehrbarkeit, GesetzeSliebe und deutsche Sprache zu pflegen. „Wir gehören," fuhr der Capitän fort, „zum conservatrven Element. Wir werden gerechnet zu den Stützen von Kirche, Schule und HauS." Ale der Prinz nach dem Hotel Pfister fuhr, überspannten Hunderte von Reihen elektrischer Lichter die Grand Avenue und die WiSconsinstraße; vom RathhauS grüßte ein flammendes „^Velcoms w bis roval digtmess, krmck Henr>!'- hernieder. In seinem Danke für den herzlichen Empfang in der reizenden, herrlichen, sympa thischen Stadt, der größten WiSconsinS, wies dec Prinz auf die industrielle Bedeutung Milwaukee» hin und sagte, daß ihm die hübschen, liebreizenden Gesichter der Damen Mil waukee» ganz besonder» ausgefallen seien. Er trank aus da» Wohl und die Prosperität der reizenden Stadt Milwaukee. * Chicago, 4. März. (Telegramm.) Der Zug mit dem Prinzen traf um 12»/« Uhr Abend» aus Milwaukee hier ein und setzte, nachdem die Uebersührunz deS Zuge» von de« Gleisen der Chicago-Milwauker-St. Paul-Babu auf diejenigen der Lakeshore-Michigan-Southern-Dahn erfolgt war, um Uhr die Fahrt nach Buffalo fort. >V. Washington, 4. März. (Privattelegramm.) Marinesekretär Long reist morgen nach Boston, um an dem zu Ehren des Prinzen stattfindenden Diner theilzunehmen. * Boston, 5. März. (Privattelegramm.) Während de» Bankets zu Ehren de» Prinzen wird der Großmeister der Germanialoaen, Hauser, dem Prinzen ein goldenes, diamantbesetztes Freimaureremblem überreichen und al» Ge schenk der typischen Amerikanerin Frau Goovre in ein Emblem au» Goldklumpen hergestellt, den ihr Gatte 1849 in Californien gefunden bat. * New Vork, 5. März. (Telegramm.) Der Lieder kranz „Arion" veranstaltete gestern in der Liedcrkranz- Halle eine Abendunterhallung zu Ehren der Osficiere der „Hohenzollern". Rußlands Abwehr des englisch-japanischen Lvndnilsrs. V. 8. Früher, als man es erwartet hatte, ist die Ant wort Rußlands auf das englisch-japanische Bündniß er folgt. Es hat, wie seiner Zeit gemeldet, mit Korea ein Abkommen geschlossen, das auf den ersten Blick zweischneidige Bestimmungen zu enthalten scheint, in Wirklichkeit aber seine Spitze mit Entschiedenheit gegen Japan richtet. Die Vereinbarung der beiden Staaten gehl nach den bisherigen Mittheilungen dahin, daß Korea „die Insel Kvjedo l— Kodschedo), die gegenüberliegende Küste oder einen Theil der Küste bis Tschemulpo weder einem Staate, noch einer Gesellschaft, noch einer einzelnen Person verpachten oder überlassen darf". Der Wortlaut des Vertrages ist noch nicht veröffentlicht worden, cs ist daher noch fraglich, ob Rußland ebenfalls von einer künftigen Niederlassung auf der Insel aus geschlossen ist. Wir wollen diese Möglichkeit keines wegs bestreiten, aber -och gleichzeitig betonen, daß nach Ser Sachlage das Zarenreich weniger die Erwerbung einer Flottenstation an der Südküste von Korea, als vielmehr die Entfernung Englands und Japans von Kojedo und dem benachbarten koreanischen Festlande wünscht. DaS hat man offenbar durch den Vertrag mit Korea erreicht. Um die Bedeutung der Abmachungen zwischen den Ne gierungen von Petersburg und Söul zu ermessen, ist es erforderlich, einen Blick auf Kojedo und die Südküste Koreas zu werfen. Die Insel liegt in der Straße von Korea, nicht weit von der Südostküste der gleichnamigen Halbinsel. Sie besitzt eine Anzahl trefflicher Buchten, die sich zur Anlage von Häfen eignen und selbst großen Ge schwadern einen sicheren Zufluchtsort gewähren. Es ist nur nöthig, einige nothwendige Befestigungen in Kojedo anznlegen, um die Insel zu einem ausgezeichneten Jlvttenstützpuncte zu machen. Der Besitz Kojedo» bedeutet in gewissem Sinne die Herrschaft über die Straße von Korea, womit die Beeinflussung des Japanischen und des Ostchinesischen Meeres in weitestem Sinne verbunden ist. Das Gleiche gilt von -er Südküste Koreas iw. Allgc- meinen. Es ist unter diesen Umständen vollkommen begreiflich, wenn die Russen und die Japaner schon wegen ihres an grenzenden Landgebietes der Insel ihr besonderes Inter esse zuwandten. Von beiden Seiten wurden nicht geringe diplomatische Anstrengungen gemacht, um eine Festsetzung oder doch Verdrängung des Gegners zu erzielen. Bald hieß es, die Russen hätten im Süden Koreas einen Platz erworben, der scheinbar als Kohlenftation, in Wirklichkeit aber als Stützpunct zu militärischen Actionen dienen sollte,- bald sollten die Japaner durch Kauf einen ge schützten und eisfreien Hafen im Süden Koreas in ihre Hände bekommen haben. Alles dieses wurde aber rasch widerrufen. Grundlos waren die Nachrichten nicht,- Ver handlungen zwischen Korea und Rußland, beziehungs weise Japan, haben jedenfalls stattgesunden, aber sie konnten kein greifbares Ergebniß zeitigen, weil die Eifer sucht der beiden Großmächte die Pläne des Gegners immer wieder zu durchkreuzen wußte. Rußlands Interesse an^ Kojodo war, wie erwähnt, vielleicht mehr negativer Natur. Es wünschte weniger selbst in -en Besitz der Insel zu kommen, als jede andere Macht von dort zu entfernen. Ts wollte die Freiheit -er Schifffahrt durch die Straße von Korea sichern, damit der Verkehr zwischen Wladiwostok und Port Arthur jederzei ungehindert vor sich gehe. Wenn aber Japan wirklich Kojedo oder einen anderen Hafen an der Südküste der Halbinsel erwarb, so lag die Gefahr allerdings recht nahe, daß die russischen Kriegsschiffe, wenn sie von Wladiwostok nach Port Arthur oder umgekehrt dampften, bei Korea auf ernste Schwierigkeiten stießen und nicht weiter durften Die Jsolirnng Wladiwostoks und Port Arthurs wäre aber für Rußland der schwerste Schlag, der es militärisch in Ostasien treffen könnte. Für Japan liegen die Verhältnisse insofern anders, als die Festsetzung in der Straße von Korea seine Groß machtstellung im Osten Asiens erst wirklich sichern würde. Was besonders die Insel Kojedo betrifft, so ist diese ihm deshalb von besonderem Berthe, weil sie von den japa nischen Häfen, die sich am Eingänge zum Japanischen Meere befinden, nicht sonderlich ent fernt liegt. Japan hat freilich im Vertrage mit Eng land auch die Ausrcchte/Haltung der territorialen Unab hängigkeit Koreas verbürgt, aber das ist in allgemeiner Form geschehen und würde eine „Pachtung", wie es die Russen in Port Arthur machten, keineswegs ausschließen. Es ist deshalb unwahrscheinlich, daß Japan für immer auf einen Hafen in Kojedo oder an der Küste -er Halb insel Korea verzichten sollte. Aber die Erwerbung ist ihm jetzt bedeutend erschwert. Die Vereinbarung, welche Ruß land cingcgangen ist, stellt den letzteren als „Schützer" des Kaiserthnms Korea dar. Sollte Japan wirklich Versuche machen, um durch Svnderverhandlungen die Söuler Re gierung doch für diesen Plan zu gewinnen, so ist es selbst verständlich, daß Rußland Protest dagegen erhebt. Und es-würde ohne Zweifel damit durchdringen. Vielleicht kommt man in Tokio allmählich zur Erkennt nis;, daß der Vertrag mit England weil mehr dem letzteren als den Japanern nützen muß. Rußland hat man ohne Frage gereizt. Man hat sich verpflichtet, Rußland in der Mandschurei entgegen zu treten, aber man hat nicht be dacht, daß diese» mit Korea ein eigenes Abkommen schließen könnte, welches Japans Interesse näher berührt, als die Besitzergreifung -er Mandschurei. Die russischen Unter nehmungen in dieser Provinz sind für Japan überhanpt nur sofern von Bedeutung, als es fürchtete, daß das Zarenreich die Grenzen des kleinen Kaiserthums nicht achten werde, sondern sich bis hinunter nach Masampo ausbreiten könnte. Und nun hat das,Zarenreich mit einem Schlage doch den bestimmenden Einfluß in Stznl ge- wonnen. Es ist abzuwarten, was die Engländer Md Japaner jetzt thnn werden. Im britischen Parlamente sind an die Regierung bereits die üblichen Anfragen gerichtet worden, ein sicherer Beweis, daß die öffentliche Meinung be unruhigt ist. Die Antwort lautete, wie gewöhnlich in solchen Fällen, ausweichend und vorsichtig. England ist übrigens bedeutend weniger wie Japan bei der Sache interessirt. Aus diesem Grunde glauben wir nicht,, daß es zu einem Zusammenstöße kommt. England wird sich ruhig verhalten und Japan kann auch nichts Anderes thun, als sich mit der Thatsache abzufinden, daß es zunächst Feuilleton. Die Harvard-Universität. Zur Begründung des „Gcrmanic Museum", ö. März. Bon F r a n k R o b in s o n. Vtachdrnck verboten. Mit lebhaftestem Interesse ist in in allen gebildeten Kreisen Deutschlands die Nachricht ausgenommen worden, daß man in Amerika in Anwesenheit des Prinzen Heinrich am t>. März ein „Germanic Museum" cinznrichten be absichtigt, das in Originalen und Nachbildungen die Ent wickelung und die Leistungen -er deutschen Eultur dar stellen soll. Zweifellos würde eine solche Sammlung die Eigenart des deutschen Volkes durch die Kraft der An schauung viel eindringlicher verdeutlichen, als es das be redteste Wort vermag, und es besteht die Hoffnung, daß ein solches Institut sich zu einem Mittelpunkte für alle Bestrebungen entwickeln könnte, die den Zweck haben, die Art deS deutschen Volkes den Amerikanern verständlich zu machen. Diese Hoffnung ist um so begründeter, al» da» „Germanic Museum" gerade von der Harvard-Universität unternommen und mit ihr verknüpft fein soll, und Har vard ist nicht allein die älteste und angesehenste amertka- nische Hochschule, sondern auch die, die in vieler Hinsicht dem deutschen Geiste und den deutschen Universitätseinrich tungen am nächsten steht. Diese Universität geht bj» in» Jahr 1686 zurück, in welchem sie al» eine Theologenschule begründet wurde. Zwei Jahre später vermachte ihr ein puritanischer Geist licher Namen» John Harvard einen Fond und seine Bi bliothek, und seitdem trägt sic seinen Namen. Ist Harvard also auch eine junge Universität, verglichen mit Oxford oder Cambridge, mit Padua oder Bologna, mit Prag oder Leipzig, so ist sie doch die älteste in den Bereinigten Staaten, die in ihr bis zum Jahre 1701, dem Gründung»- jähre von Kale, die einzige Pflegestätte der Wissenschaft besaßen, und e» fehlt Harvard nicht an jener Verehrung»- Würdigkeit, die Menschen wie Dingen nun einmal nur das Alter und der damit verbundene Reichthum an Er lebnissen geben kann. Als Harvard gegründet wurde, hieß die damals erst wenige Jahre cxistirendc Stadt, zu der die Hochschule gehörte, Newton, und erst später nahm sie in dankbarer Erinnerung an die berühmte XImn marer in England den Namen Cambridge an. Cambridge ist eigentlich eine Dorstadt von Boston; auf mehreren Brücken über den CharleSriver erreicht man sie von Boston au». SS ist ein gewerbfleißtgrr Ort, der nun schon gegen 100 000 Einwohner zählt, dennoch aber nicht den Charakter der amerikanischen Fabrik- und Geschäftsstädte angenommen hat, weil er durch die Weitläufigkeit seiner Anlage und durch die reiche Bepflanzung seiner Straßen etwas Be hagliches hat. Dazu trügt nun natürlich auch die Hoch schule sehr wesentlich bei. Nicht mit Unrecht hat man Harvard „kaii- Uarvnrä" genannt. Die Universität bildet einen geschlossenen, sehr ausgedehnten, in frisches Grün gebetteten Evmplex von Gebäuden, aus dem der impo- nirende schwere Thurm der zum Andenken an die im Se- cessionskriege gefallenen Harvardianer errichteten Memo rial-Hall wie ein Wahrzeichen über daS ganze Viertel, ja über ganz Cambridge hinwegblickt. Auf breiten, stillen, schattigen Pfaden wandert man in dieser Universitätsstadt von einem bedeutenden Bau zum anderen; Hallen, Schulen, Laboratorien, Museen, Bibliotheken, Gymna sien ld. h. Sporthallen) u. f. w. wechseln mit einander ab. Die älteren dieser Gebäude sind meist schmucklos gehalten, die neueren aber, wie Seocr-Hall, Claverley-Hall, Gore- Hall, vor Allem aber die bereit» genannte Memorial-Hall, find in stattlichen Formen und unter reichlicher Aufwen dung schönen Materials errichtet. Ls zeugt dies für das Interesse, das die bemittelten Bürger der Bereinigten Staaten für dieses Kleinod ihres geistigen Lebens an den Tag legen, und cS vergeht in der That kein Jahr, ohne daß Harvard bedeutende Stiftungen und Zuwendungen zu verzeichnen hätte. Im Jahre 1Ä8 betrug das Vermögen der Universität rund 8 400 000 Dollars, das sind also in deutscher Münze gegen 85 Mill. Mark. Inzwischen aber ist da» Vermögen -er Universität wieder sehr erheblich ge stiegen. Die Zahl der Studenten dürfte ca. 4V00 betragen. Die amerikanischen Universitäten haben sich natürlich nach dem Borbtldc -er englischen entwickelt, sie sind also zunächst und ursprünglich Lernuniversitäten und ihr wesentlicher Unterschied gegenüber den englischen College» bestand lange nur darin, daß in England der Student zu gleich Alumne eine» dieser College» sein und in ihm leben muß, während Harvard -en Studenten wohl diese Mög lichkeit bietet, ihnen aber doch auch Freiheit läßt, für ihre Wohnung und Beköstigung außerhalb der Hochschule selbst zu sorgen. Uebrtgen» sind die Wohnungen, wenigsten« in den neueren Gebäuden von Harvard, so geräumig und angenehm und sind die gemeinsamen Mahlzeiten so gut und billig, daß die große Mehrzahl der Studenten und Studentinnen die ihnen gebotene Gelegenheit gern be- nutzt. Um jedoch auf die Organisation de» Wissenschaft- lichcn Betriebe» zurückzukommen, so hat gerade Harvard für uns Deutsche ein besondere» Interesse, weil e» sich in neuerer Zett -er Grundidee -er deutschen Universitäten genähert hat. Die Selter von Harvard haben sich da»« entschlossen, di» Organisation ihrer Hochschule s» aulzu bauen, daß sic nicht nur den Studenten die für ihren zu künftigen Beruf als Aerzte, Juristen, Sprachlehrer u. s. w. »öthigen Kenntnisse beibringt, sondern auch reiferen Män nern die Gelegenheit zu rein wissenschaftlichem Studium bietet. Diesem Zwecke dient die Errichtung der Graduate- School. Der Zweck dieser School, die als Abtheilung für höhere Studien bezeichnet wird, ist der, Männern, die die akademischen Grade bereits erreicht haben und sich dem Unterrichte oder unabhängigen wissenschaftlichen For schungen zu widmen wünschen, eine Stätte hierfür zu be reiten. Durch diese Einrichtung wird also das Grund- princip der deutschen Universitäten, die ja nicht Schulen im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern Stätte»! de» Studiums und der geistigen Eultur überhaupt sein wollen, in gewisser Weise auf das amerikanische Princip der Lern universität aufgepfropft, und wen», »vir aus diesem Fort schritte der Organisation von Harvard schließen können, daß die Leiter dieser Universität den Gefahren des ameri kanischen Lebens, das in rein praktischen Ideen anfzu- gehen die Neigung zeigt, nicht blind gegcnüberstchen, so wird diese Auffassung durch eine Reihe anderer Umstände bestätigt. So hat die Universität vor einiger Zett ihre Ansprüche an die Vorkenntnisse der aufzunehmenden Schüler gesteigert und dadurch zu erkennen gegeben, daß sie auf eine wirklich wissenschaftliche Bildung htnarbeiten will. Ls ist ferner bcachtenSwerth, daß ans keiner ameri- kanffchen Hochschule die philologisch-philosophischen Fächer, also die, welche in gewissem Sinne als die am wenigsten unmittelbar praktischen bezeichnet werden kön nen, eine so intensive Bearbeitung und Vertretung finden, wie in Harvard, und es mag bemerkt sein, daß die deut- schen Studie»« hier in neuerer Zett mit einer unzweifel haften Vorliebe getrieben werden, wie auch deutsche Ge- leierte von Ruf, wie Professor Krancke und Professor Münsterberg, Lehrstühle bei Harvard innehaben. Daß dieser ganzen Richtung ein bewußtes Princip innewohnt, zeigen die Auslassungen von Charles Eliot Norton, der in seiner trefflichen Abhandlung über die Harvard-Uni versität e» al» ihre hauptsächliche Aufgabe bezeichnet, die Studien zu pflegen, „die die Seele nähren, unverstegltche Quellen von Freude und Erfrischung öffnen, Ideale er halten und jene Sympathien entwickeln, auf denen der Fortschritt und die Wohlfahrt der Gesellschaft beruht". Norton will durch diese Studien die Kraft der Phantasie bei seinen Landsleuten entwickeln. Mit einem Worte: Harvard ist ein Bollwerk gern den materialistischen Geist un- kämpft für die Vertiefung der amerikanischen Bit- -uug. Da» ist e», wa» gerade Lies« Hochschule für Amerika so unendlich wichtig, für un» Deutsche so überaus sym- pathtsch macht. In einer andern Beziehung aller-sngS Mterschetdet sich Harvard, und zwar sehr zu seinem Vortheil, scharf von unseren deutschen Universitäten, nnd zwar hinsichtlich der Fürsorge für die körperliche Ausbildung und Entwicke lung seiner Zöglinge. Harvard besitzt zwei „Gymnasien", die mit allen nur erdenkbaren Turngcräthen, mit Kegel bahnen u. s. w. ans das Reichlichste und Prächtigste aus gerüstet sind nnd den Studenten in der schlechteren Jahreszeit die bequemste Gelegenheit zu aller Art von Sport geben. Harvard hat die Betheiligung an diesen Uebungeu nicht, wie andere amerikanische Universitäten, obligatorisch gemacht, aber auch ohne Zwang betheiligen sich gnt zwei Drittel aller Studenten daran. Im Früh ling und Sommer werden dann natürlich die Sport übungen ins Freie verlegt, und was für England die Regatta zwischen Hellblau und Dunkelblau, zwischen Ox ford und Cambridge ist, das ist für Sie Vereinigte»! Staaten der alljährliche Kußballwettkampf zu Springfield, der Kampf zwischen Harvards Carmoisinroth und Aales Hellblau, an de»»« da» ganze Land -en lebhaftesten Authetl nimmt. Die ganze Lebensweise in Harvard hat etwas Gemüth- licheS nnd Anheimelndes. Studenten un- Lehrer halten treu zusammen, und jeder Student wird gleich bei seinem Eintritt in ein College einem bestimmten Lehrer zuge- wiesen, der als sein besonderer Rathgeber in allen Dingen, in denen er Rathe» bedarf, fungirt, z. B hinsichtlich seiner Studien, seiner socialen, ökonomische»» und moralischen Interessen. So erklärt sich die warme Verehrung, die Harvards Zöglinge ihrer ^.Iwa m«»er da» gau»e Leben durch bewahren. Dauernd hält den Zusammenhang mit der Hochschule das „Graduate » Magazine" aufrecht, iu den» die Schicksale -er Jünger Harvards verfolgt und er zählt werden. Am deutlichste»» aber kommt die Anhäug- lichkeit an die XIma matvi- alljährlich am „Bersammlnngs- tage" -um Ausdrucke. Dann reisen die alten Semester »»ach Cambridge, um mit ihren Studiengenossen zusam- meuzutreffen. Aus .'>0 Jahre zurück hat in Harvard jede Jahreselasse ihr eigenes Zimmer, un- so kann es ge schehen, -aß, nur durch wenige Zimmer von einander ge trennt, Vater und Lohn mit ihre» Com»nilitonen anse- totia karvarüensia der Bergattgcnheit auStauschcn und -er Enkel mit seinen Freunden der Gegenwart sich üingielu Heber 1800 alte Studenten pflege»» alljährlich, wenn die Frühlingslüfte wehen, zn diesem Tage nach Cambridge zu reisen und sich dort ihrer akademische,» Vergangenheit zu erinnern, die, wenn auch vom deutschen Universität»- leben völlig abweichend, doch auch wieder ihren eigenen Reiz besitzt.
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