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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000906028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900090602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900090602
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-09
- Tag 1900-09-06
-
Monat
1900-09
-
Jahr
1900
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Wenn Rußland einen Augenblick geglaubt hat, mit den übrigen Mächten Zusammengehen zu müssen, so geschah das doch nur mit dem Vorbebalt, wieder eigene Wege zu gehen, sobald eS die Umstände gestatten. Im Interesse der russischen Politik liegt, wie die „Frkf. Ztg." sehr richtig bcrvorhebt, weder die exemplarische Züchtigung Chinas, noch die Herstellung geord neter Zustände, weder ein starkes China, noch ein Protektorat der Mächte. Rußland ist der mächtigste Landnachbar Chinas; ihm muß das ungeheure Reich allmählich von selbst zufallen, wenn es sich nicht nach der Art Japans reformirt. Mit Gewalt ist nichts zu macken, weil die Gewalt nicht blos China, sondern auch die Mächte gegen sich hätte. Bester gebt es mit einem tbatsächlichen Protektorate; Rußland rettet China vor der Züchtigung durch die Mächte und erhält dafür greifbare Vortheile und ewige Dankbarkeit. Der Chinese haßt den Russen lange nicht so, wie er die übrigen „Civilisirten" haßt. Der Russe ist dem Chinesen verwandt; in beiden fließt mongolisches Blut und beide genießen die Segnungen des gleichen patriarchalischen RegiernngssysteniS, der übrigen Berührungspunkte nicht zu gedenken. So sieht der Chinese ein russisches Protektorat mit viel günstigeren Augen an, als eine Herrschaft der übrigen Mächte. Rußland weiß diese Stimmung auszunützen. In einer vom 27. August datirten Depesche meldet der Correspondent der „Times" in Tientsin, man beschuldige die Russen, daß sie die Drähte zwischen Tientsin und Peking durckschneiden und vielerlei andere Chikanen begehen. Ein Sack mit osficiellen und Prcßdepeschen, die sich auf den Ein zug in Peking beziehen, sei in einem russischen Kanonenboot nach Chifu geschickt worden, woselbst man ihn nicht empfangen haben will. Einer Meldung des „Daily Telegraph" auS Shanghai zufolge, glaubt man allgemein,Li-Huna-Tschang habe Rußland die drei mandsckurischen Provinzen versprochen, wenn Rußland den Rückzug der Mächte aus Peking herbeifiihre. Prinz Tuan habe die Acten geheimer Verhandlungen mit Rußland über diesen Punkt in Ver wahrung. Gewiß sei, daß Li-Hung-Tschang verschwenderisch Geld auSgebe, um für die Kaiserin-Wittwe gute Bedingungen zu erzielen. Li-Hnng-Tsckang kelegraphirte an den chinesischen Gesandten j» London, Losengluh: „Unser Petersburger Gesandter bat Rußland überredet, sich auS Peking zurück zuziehen. Sie sind nutzlos, wenn Sie nicht England über reden können, da« Gleiche zu thun." Friedcnsvcrhandlnngen. Die Kaiserin-Wittwe ertheilte Ljunglu die Vollmacht, Li Hnng-Tschang bei den Unterhandlungen zu unterstützen. Man weiß, daß Zjunglu den Plan erdachte, die Boxer zur Ricdermetzclung der Ausländer und chinesischen Christen zu verwenden, und sich an dem Angriff auf die Gesandtschaften hervorragend betheiligte. Wie auS Hongkong gemeldet wird, betrachten die dortigen Blätter die Zusammensetzung der chinesischen FriedenScommission al» einen neuen Beweis der ungrschwächten Arroganz der Kaiserin-Wittwe und al» eine Beleidigung für Europa. Nochmal» die deutschen Marinctrnp-en bei Tientsin. AuS London wird unS depcschirt: Die Admiralität ver öffentlicht einen Bericht des Admirals Seymour über die Ereignisse in Tientsin vom 30. Mai bis 27. Juni. Der Bericht ist sehr umfangreich; er giebt Einzelheiten über das erste Vorrücken auf Peking unter dem Befehle Scymour'S und spricht von der Mitwirkung der verschiedenen Rationali täten. Seymour spricht die Hoffnung auS, daß das ge meinsame Vorgehen zur Kräftigung der internationalen Sympathien beitragen werde. Er schrieb an die Osficiere und Commandanten der betreffenden Truppenabtheilungen, um ihnen für die treue Mitwirkung zu danken. Ganz besonders thut Seymour deS deutschen Capitäns v. Usedom Erwähnung und sagt, er habe für den Fall, daß er getödtet werden sollte, diesen Ofsicier zum Führer der Expedition bestimmt gehabt, und als sein Adjutant bei Peitsang verwundet worden war, ibn gebeten, als sein Generalstabschef zu fungiren. In dieser wichtigen Stellung habe Capitän v. Usedom, der bei Langfang leicht verwundet wurde, ihm sckätzmswerthe Dienste geleistet. Seymour spricht sich über die Osficiere und Mann schaften in lobender Weise auS, besonders über diejenigen, die sich der Gefahr ausgesetzt haben, gefangen genommen zu werden, weil die Chinesen ibreGesangenen enthaupten. Dem Berichte Seymour's sind Abschriften seiner Sckreiben an die Befehlshaber der ausländischen Detachements bei gegeben, darunter solche an den Viceadmiral Bendemann, Admiral Cvurröjollcs, Admiral Kempff und die Befehls haber der italienischen, österreichischen, japanischen und russischen Truppen. In dem Schreiben an den russischen Befehlshaber sagt Seymour, ibn zu den bewundernSwerthen Vorkehrungen deS Obersten SpirinSki beglückwünschend: „Derartige Ereignisse tragen zu der gegenseitigen Annäherung civilisirter Nationen, wir cö die uuserizen sind, bei." Das österreichische Kontingent. Die „Wiener Abendpost" theilt einen Auszug auS den Mittheilungen deS Kriegsschiffes „Zenta" über die Theil- nahme deS LandungSd etachementS der „Zenta" an den Operationen der Verbündeten gegen Peking und Tientsin mit. Danach beschloß der Commandant deS Kreuzers, Fregatten kapitän Thomann, auf die telegraphische Meldung deS öster reichisch-ungarischen Geschäftsträgers I)r. v. Rvstharn, sich nach Peking zu begeben. Am 3. Juni früh wurde das Detachement mit voller Feldausrüstung und sechstägiger Verpflegung nach Taku eingeschifft. Das Detachement traf am 4. Iunr Vor mittags in Peking ein. Auf telegraphisches Verlangen auS Peking vom 5. Juni wurde ein neues Detachement unter dem Commando deS Linienschiffs-Leutnants Indrvak mit feld mäßiger Ausrüstung und Verpflegung nach vorhergegangenem Einvernehmen des provisorischen CapitänS der „Zenta", wie den übrigen Marinechefs, über Taku nach Tientsin befördert, wo eS am 7. Juni Nachmittags eintraf. Inzwischen wurde die Lage in Tientsin selbst sehr kritisch und die Eisenbahnverbindung mit Peking unterbrochen. DaS in Tientsin befindliche Detachement der „Zenta" war den Befehlen des dortigen rangältesten BefehlhaberS unter stellt. Am 11. Junl gingen 25 Mann des Detachements der „Zenta" unter dem Commando des Seecadeltcn ProchaSka mit dem internationalen Detachement nach Peking. Da durch den Abgang jener großen Truppenabtheilung nach Peking die Besatzung von Tientsin stark geschwächt worden war, wurden die Befehlshaber der internationalen Schiffe ersucht, möglichst viel Leute zur Stärkung dieses Punktes zu entsenden. Von der „Zenta" konnten für diesen Fall höchstens 20 zugesagt werden. — Hier schließt der Bericht. * London, 5. September. Wie dem „Reutrr'ichen Bureau" au» Simla berichtet wird, sind die Befehle, durch die der Abgang der vierten Brigade nach China inhibirt wurde, aufgehoben worden. Die Brigade wird unverzüglich abgehen. Der Krieg in Südafrika. -9. Aus Lourenyo Marques verlautet: Präsident Krüger habe an den Premierminister Salisbury eine Erwiderung auf die Proklamation, in der die Anncctirung TranSvanlS ausgesprochen wird, gerichtet, und habe auch durch die Con- suln an die Mächte einen Protest gelangen lassen. AuS Brüssel wird der „Internat. Corresp." gemeldet: Auf der Transvaal-Gesandtschaft batte man schon seit ge raumer Zeit mit der voraussichtlichen Annectirungs- Proclamation gerechnet und man wußte, daß in diesem Falle die belgische Regierung den Fortbestand der Gesandt schaft in Brüssel nickt zulassen kann, wenn sie sich nicht von englischer Seite heftiger Angriffe aussctzen will. Deshalb wird die Gesandtschaft hier aufgelöst werden, vr. LeydS wird vorläufig in Paris feinen Wohnsitz nehmen, während sein Stellvertreter Van Bouschovten nach Holland gehen wird. Ans der Gesandtschaft wird weiter erklärt, daß die Prokla mation jede Möglichkeit von FriedenSverbandlungen beseitigt Labe. Wie ein Privattelegramm auS Lourentzv- MarqueS besagt, hatten Krüger und Steijn gerade in den letzten Tagen. Geyeigtbeit zum Verhandeln gezeigt; doch in der jetzigen Lage müsse und werde der Kampf fortgesetzt werden. Wenn die Proklamation des Lord Roberts ernsthaft zu nehmen wäre und der Transvaal thalsächlich als britisches Gebiet betrachtet werden könnte, so würde die Königin von England über 119 139 Ouadratmeilen ihrem riesigen Welt reiche hinzugesügt haben. In Wirklichkeit ist sie aber natür lich noch weit davon entfernt, und trotz aller auf englischer Seite sabricirten Nachrichten von vollständiger Demorali sation und Depression im Heerlager der Boeren scheint eS Thatsache zu sein, daß die Letzteren unentwegt und mit hin länglich bekannter Zähigkeit an vielen Stellen deS Kriegs schauplatzes zu gleicher Zeit den Kleinkrieg fortsetzen und den britischen Truppen unendlich viel zu schaffen machen. Vor Allem aber muß erst abgewartet werden, was für Geschäfte di« Engländer weiter bei Lydenburg machen werden. Die amtlichen Depeschen überBuller'sVorrücken auf Lydcuburg werden ergänzt durch folgende Meldungen deS „Standard" aus Badfontein. Die erste ist vom 2. Sep tember und lautet: Botha bat mit zehn Geschützen, von denen drei lange TomS und zwei PompomS sind, unsere Vormarsch linie den ganzen Tag beschossen. Er hat die hohen Berg züge, die das Thal einschließen, besetzt und seine Ge schütze sind auf die Straße gerichtet, die unser einziger Weg nach Norden ist. Seine Stellung ist aus nahmsweise stark. Buller läßt die Stellung sorgfältig erkunden, ehe er angreift. Heute waren die Ope rationen darauf beschränkt, die Stärke und die Absichten des Feindes aufzuklären. Zeitweise war das Feuer der Boeren anhaltend. Wir machen bloS die unmittelbare Front durch Vorpostenarbeit und unsere Fünfzehnpsünder frei. E» heißt, Botha habe die Mehrzahl der Boeren bei sich, die bi» zum Aeußersten kämpfen wollen. Die zweite Depesche vom 3. September lautet: Die langen Tom« de» Feinde« feuerten gestern 101 Geschosse ab. Unsere Verluste sind jedoch gering. Die Boeren wollen anscheinend hier hartnäckigen Widerstand leisten. Ihre Stellung ist für uns schwieriger, al« die bei Vaalkrantz war. Sie ist ein zweite« Laing-nek. Ein Frontalangriff würde schwere Verluste bedingen. Ueber das Gefecht bei Badfontein, südlich von Lydenburg, wo Buller sich in sehr ungemüthlicher Lage den Boeren unter Botha gegenüber befindet, sind bis jetzt keine neuen Nachrichten eingegangen. AuS den mit- getheilten Depeschen, die jetzt iu den Londoner Abendblättern ungekürzt vorliegen, ist Folgende« nachzutragen. Die Boeren eröffneten das Feuer aus drei langen TomS und einem Schnellfeuerzeschütz, als die südafrikanische leichte Cavallerie und die berittene Infanterie sich bis auf etwa 3 km dem von ihnen besetzten Bergpasse genähert hatten. Zwei von den langen TomS waren zu jeder Seite de« PafieS ausgestellt, der dritte stanv auf der Rechten, womit der Berichterstatter jedenfalls die östliche Seite meint. Ein Regiment mit einer berittenen Batterie besetzte unvorsichtigerweise eine ungünstige Stellung auf dem rechten Flügel, von der eS sich vor Eintritt der Dunkelheit nicht wieder zurückziehen konnte, und war den ganzen Tag dem ununterbrochenen Feuer der Boeren au«gesetzt, welcke die Entfernung mit großer Genauigkeit gefunden hatten. Die Infanterie versuchte zwischen Höhen nach Westen vorzudringen, wurde hier aber von Boeren empfangen, die in trockenen, mit Buschwerk zu gewachsenen Wasserläufen versteckt lagen. In Anbetracht deS Umstandes, daß die Truppen sich in einer Senkung befanden, waren die Verluste nach dem Reuterbericht erstatter verhältnißmäßig gering. Robert» erfuhr die unan- genebme Lage Buller's noch am 3. dS. Er schickte sofort eine HilfScolonne auf dem Wege Belfast-Bullstrom ab, der sich in einer Entfernung von 20 km westlich von der Straße Machado- dorp-Badfontein binziebt, an dem Buller steht. Wie stark diese Abteilung ist, theilt Roberts nicht mit; man darf als sicher annebmen, daß sie aus berittenen Truppen besteht. Offenbar ist Roberts' Absicht, durch dieses Detachement die Stellung der Boeren westlich zu umgehen und ihnen womöglich in den Rücken zu fallen. E« ist indessen anzunehmen, daß Botha für diesen Fall seine Vorkehrungen getroffen hat, und so die Hilfstruppe ebenfalls vor der Nothwendigkrit eine« Frontalangriffes steht. Buller erlebt da in den Gebirgen am Krokodilflusse wieder Aehnliches wie in Natal, am Tugela bei Colenso und am SpionSkop. Die Boeren haben einen Paß besetzt, der die einzige Möglichkeit bietet, das Gebirge zu überschreiten, und beherrschen von hier aus mit schweren Geschützen und andern I Kanonen da« Thal, in dem Buller festsitzt, und di« um- I liegenden Höhen so gründlich, daß Buller sich nicht zu rühren - wagt und ein Rückzug vor Eintritt der Dunkelheit unmöglich Feuilleton« — Ilonka. 13j Roman von C. Deutsch. Na-druS verbotln. „Du hättest sie lieber gewähren lassen sollen", antwortete Janos nach einer Weile, „so wär' das Andere nicht geschehen. Sie hat ihren Sinn auf Dich gerichtet, wie vor Jahren; Lajos war eifersüchtig bis zur Verrücktheit; gestern war die ent scheidende Stund'; sie hat das Haus verlassen sollen, vielleicht sogar das Dorf. Daß sie wirklich Hand an sich legen wollt', glaub ich nit — daß sie aber ihn umgebracht hat, weiß ich mit Bestimmtheit." „Was sollen wir thun, waS beginnen?" fragte Juran. Er befand sich in einer furchtbaren Aufregung, es war ihm, als ge höre ihm der größte Theil der Schuld. Jedes Wort, daS sie ge sprochen, stand mit entsetzlicher Klarheit vor seiner Seele. Warum hatte er sie nicht von sich gestoßen, wie er es vor Jahren gcthan? Warum war er gerade gestern anders, als sonst, milder, sanfter, nachgiebiger? Warum war überhaupt sein Benehmen anders gegen sie, als sie noch ledig, nicht die Frau seine« Bruders war? Damals hatte ihn ein Heiligthum beschützt, daß kein unlauterer Gedanke, keine unlautere Regung ihn erreichen konnte; eine reine, wahre Liebe. O, warum hatte er das sündige, schreckliche Weib nicht in die Tiefe stürzen lassen? Das Ent setzliche wäre nicht geschehen. ' „Ueberlaß mir die Sache, mein Sohn!" sprach der Blinde, er konnte sein Gesicht nicht sehen, aber an der Stimme merkte er die Aufregung des jungen Manne«. „Ueberlaß da« mir! Ich werd' die Sach' schon mit dem Weib in Ordnung bringen. Es giebt Dinge, die man bedecken muß vor den Augen der Leut', und wenn sie Einem das Herz schier abdrücken. Von der Schnur, nach der ich so sehr gegeizt, die ich mir selbst erwählt, soll man so etwas nit nacherzählen." Die Tage bis zum Begräbmß herrschte eine dumpfe Stim mung im Hause, kein lauter Ton, kein lautes Wort wurde hör bar. Marie war still und bleich, ihr Wesen war etwas Scheues, Gedrücktes; sie weinte viel, und die Leute wunderten sich über die tiefe Trauer, die sie an den Tag legte. Man wußte ja, daß die Ehe keine der besten gewesen, und daß Marie die eheliche Treue nicht sehr hoch gehalten hatte. Juran hatte eine Art Grauen vor ihr, er konnte die Luft nicht ertragen, di« sie ein» athmete, und so war er dies« zwei Tage fast keine Stunde im Hause. Als er einmal in die Todtenstube kam, er glaubte sie nicht darin, trat sie auf ihn zu und redete ihn an. Er sah sie mit einem solchen Blicke an, daß sie innerlich erbebend zurück wich; jetzt wußte sie, daß sie ihn verloren, ganz und auf immer verloren. Am Abend nach dem Begräbnisse, als der Leichenschmaus vorüber und Alles schlafen gegangen war, kam der Blinde zu Marie in die Stube herein. Er nahm sie bei der Hand und führte sie vor das Bett des Sohnes. Eine Weile stand er still, dann sagte er, ohne ihre Hand loszulassen, und mit ganz leiser Stimme, als fürchte er, gehört zu werden: „Marie Kyraly, mein Sohn Lajos ist nit wie andere Menschen gestorben, der Schlag hat ihn nicht gerührt und das Blut ihn nicht erstickt, er ist an keiner Krankheit gestorben. Du hast ihn ermordet." Der Alte war blind und dunkle Nacht umgab ihn, er sah die fahle Blässe nicht, die ihr Angesicht bedeckte, er fühlte nur das heftige Erbeben ihres Körpers, das sich elektrisch bis in die Fingerspitzen fortpflanrte. Mit einer jähen Bewegung wollte sie ihm die Hand ent reißen, doch er hielt sie so fest, wie in einer eisernen Schraube. „Es ist nit wahr! Ihr seid wahnsinnig! Wie könnt Ihr mir so etwas zutrauen?" rief sie; sie that es in dem dumpfen Be wußtsein, sich retten zu wollen, aber nur heiser und abgebrochen kamen die Worte über ihre Lippen. „Du hast ihn umsiebracht, so wahr wie er heut' begraben worden ist, so wahr wie die Nacht sich über uns breitet, so wahr ein Gott über un« ist. Du hast ihn erwürgt, im Schlaf erwürgt; denn wär' er wach gewesen, Du hättest eS vielleicht nit voll bringen können." Eine schreckliche Pause trat nach diesen Worten ein. Marie stand wie niedergeschmettert, keine» Wortes fähig. „Du hast mit ihm mein Haus verlassen sollen, vielleicht das Dorf, da hast Du vorgezogen, Dich auf diese Weis' von ihm zu befreien. WaS Du damit bezweckt hast, wahnsinnige» Weib, ich weiß es nit. Was hast geglaubt? WaS gehofft? ... Daß Dich der Juran brirathen wird, Dich, seine Schwägerin, daS Weib, die Mörderin seines Bruders?" Und wieder ging ein heftiges Zittern über ihren Körper; wie im Fiebrrfrost schlugen ihre Zähne aneinander. „Du warst ein Fluch für mein Hau» seit der Stund', da Du Deine Augen auf meinen Juran geworfen, seit der Stund', da Du al» Weib meine» jüngsten SohneS meine Schwelle über schritten hast. Du bist schuld, daß ich den gemordeten Sohn nit so bcdaur', daß mir sein Tod nit so zu Herzen geht, wie'« sein sollt. Ich könnt' Dich jetzt wi« einen Wurm zertreten, ich könnt' Dich mit Schmach und Schänd bedecken, ich könnt' machen, daß Du zeitlebens nit aus dem Gefängniß herauskämst; ich thu'» nit, aber nit, um Dich zu schonen, nit der Tod ist mir so ver haßt, wie Du mir bist. Ich will nit die Schänd meines Hause« aufdecken, ich will nit, daß noch nach Jahren die Leute davon reden, und es ihren Kindern und Enkeln mit Grauen erzählen, was sich im Haus von Janos Molnar zugetragen hat. Begraben soll das schreckliche Geheimniß sein zwischen Dir und mir, be graben mit dem Sohn, den Du gemordet. Mit Gott mach einst Deine Sach' au«, mein Haus verläßt Du aber noch in dieser Nacht und näherst Dich nie mehr dieser Schwelle." Eine Viertelstunde später hatte Marie auf Nimmerwieder- kehren das Haus ihres Schwiegervaters verlassen; sie ging zu ihrer Mutter, die völlig verarmt war und in einem kleinen Hause zur Miethe wohnte. XXV. Es war wieder an einem Sonntage. In dem großen Wirths- hause am Markte belustigte man sich wie gewöhnlich; die Jugend tanzte, das Alter zechte. Ilonka war gegen Abend nach Hause gegangen, um nach dem Vieh zu sehen und etwas in der Wirth- schaft zu besorgen. AIS sie eine Stunde später zurückging und durch den dunklen Flur der Schenke schritt, fühlte sie sich plötzlich am Arm« festgehalten. „Wer ist da«?" fragte sie. „Ich bin es, Ilonka", sagte eine Stimme, die ihr nur zu wohlbekannt klang; es war die des Maler«. Der junge Mann weilte noch immer im Dorfe, der ruhige Aufenthalt that ihm wohl, und er hatte beschlossen, bi« nach der Weinlese zu bleiben. Er hatte sich dem Mädchen wieder zu nähern gesucht, jede Ge legenheit benutzt, mit ihm zu sprechen, war aber immer schroff und kalt zurückgewiesen worden. ,,Wa» wollen Sie denn wieder von mir?" fragte sie, und ver suchte ihren Arm loSzumachen. „Das fragst Du? Dich will ich haben. Ich kann noch immer nicht glauben, daß Du Alle« vergessen hast. Du bist nur ärgerlich, weil ich so lange nichts von mir hören ließ, weil ich erst nach fünf Jahren wiedergekehrt bin." „Meinetwegen sind Sie nit gekommen; denn Sie haben nit einmal gewußt, wie da« Dorf heißt, und meinetwegen haben Sie nit zu kommen brauchen. Sie existiren nit mehr auf der Welt für mich." „Ich glaube es Dir nicht, Schätzchen! Lippen, die mich einmal so heiß geküßt haben, können im Ernst keine solchen harten Worte für mich haben." „Hören Sie aus!" rief sie, und ihre Stimme bebte vor Thränen der Scham und Entrüstung. „Wenn noch etwa» von Ehre in Ihnen lebt, so mahnen Sie mich nit an dir Zeit, die ich am liebsten aus dem Gedächtniß reißen möcht, wie einen bösen Fleck, der nit rein werden will." „Du weißt gar nit, wie reizend Du geworden bist", sagte er. „So gefällst Du mir noch tausend Mal besser, und ich gebe Dich nicht frei, Du gehörst mir." „Ich gi hör Ihnen?!" „Ja, denn Du hast mich geliebt." „DaS war einst", sprach sie, sich gewaltsam zur Ruhe zwingend, „jetzt ist es anders, jetzt lieb' ich Sie nicht nur nicht, sondern . . ." „Sondern? Sprich es aus, Herzchen! Du belustigst mich ungemein. „Ich veracht Sie aus dem Grunde meines Herzen»", sagte das Mädchen. „Das macht nichts", versetzte er mit faunischem Lachen. „Du wirst mir doch einen Kuß geben." „Herr, lassen Sie mich los!" sagte Ilonka entrüstet und versuchte fortzukommen. „Du wirst mir einen Kuß geben, Ilonka, ich reise morgen von hier ab. Eine Umarmung und ein Kuß ist das wenigste, das Du einem alten Freunde geben kannst." „Kommen Sie mir nit nah!" rief Ilonka, von Zorn und Ekel erfüllt. „Ich fürchte Dich nicht. Ein Mund, der mich einst so heiß küssen konnte, wird mich jetzt nicht beißen." Er umschlang sie plötzlich. Ilonka wollte sich nicht gewaltsam frei machen; die Thür war in der Nähe und der Lärm konnte Neugierige herbeiziehen und es wäre ihr Tod gewesen, in seiner Nähe, im dunklen Fsur grsehen zu werden. Wer würde ihr geglaubt haben, daß sie es ge zwungen that? „Denken Sie an den Vater, der Ihnen da- Leben gerettet hat", bat Ilonka, „und geben Sie mich frei." „Dein Vater war ein braver Mann, aber ein Narr, und ich kann es noch nicht vergessen, daß er mir einen dummen Bauern lümmel vorgezogen hat. Wie hieß er doch? ..." . „Nennen Sie seinen Namen nit!" rief sie, alle Mäßigung ver gessend und mit tiefster Entrüstung. „Sprechen Sie ihn nit a««, daß er nit so unrein wird, wie Ihr eigene» Herz." „Ach so", sagte er mit frivolem Lachen. „Du hast Dich wieder mit ihm ausgesöhnt, wirst ihn vielleicht heirathen?" „Ich verdien' dies Glück nicht, drum wird e» mir nicht zu Theil werden. Nachdem ich Sie wiedergrsrhen und gesprochen hab', seh' ich erst, wie sündhaft und von allem Guten ich ent-
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