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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.09.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000912016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900091201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900091201
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-09
- Tag 1900-09-12
-
Monat
1900-09
-
Jahr
1900
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Dieser Artikel, der die Ueberschrift führt „DaS römisch-deutsche Reich unter den Saliern und Hab-burgern und das neudeutsche Reich unter den Hohenzollern", leistet sich Verdäch tigungen und Hetzereien gegen Preußen, die den Neid deS I)r. Sigl erregen müssen. In diesem Artikel wird auS- geführt, daß es mit der Macht und Herrlichkeit des neuen deutschen Reicks sehr windig stehe im Vergleiche zu der Welt stellung Deutschlands unter den römisch-deutschen Kaisern, insbesondere zu den Zeiten Kaiser Maximilians 1. Damals Kälten zu Deutschland außer dem gegenwärtigen Reiche noch Oesterreich, Italien, Burgund und die Niederlande gehört. So sei damals der deutsche Kaiser der mächtigste Herr der Welt gewesen, während gegenwärtig nicht Deutschland, sondern Rußland in der Welt den Ton angebe. Jenes deutsche Reich sei aber eben auch von der katho lischen Weltkirche errichtet worden. Damals aber seien auch die Freiheiten der Volksstämme und der Reichs fürsten geachtet worden. Wie eS heute damit stehe, darüber giebt das führende Centrumsorgan Bayerns folgende Auskunft: „Das Streben Preußens geht nach dem Einheitsstaat, d. h. nach der allmählichen Umgestaltung der deutschen Bundes staaten zu einem einzigen preußischen Staate und eine sehr zahlreiche bayernfeindltche Presse ist sür den preußischen Einheitsstaat thätig." Die Thätigkeit dieser Presse — gemeint ist damit die gesammte nationale Presse — wird wie folgt charakterisirt: „Die eigenartige Thätigkeit dieser Preßmänner bekundet sich hauptsächlich in der häufigen Verunglimpfung Bayerns und seines Regentenhauses wegen ihrer treuen Anhänglichkeit zur katholischen Kirche . . . Diese preußisch-liberal-journalistische Reichsclaqueurs-Armada ist den Bayern und den Katholiken gegenüber stets brutal-liberal und betbätigt ihre liberale Brutalität mit Vorliebe Bayerns Königshause gegenüber." Auf diesen Artikel des Näheren einzuzehen, ist, wie schon erwähnt, auS mehrfachen Gründen gerade gegenwärtig von großer Wichtigkeit. Zunächst ist es eigenartig, daß der Artikel gerade in dem Augenblicke erscheint, in dem der Termin der Einberufung des Reichstags abermals er örtert wird. Der Artikel kündigt einen bayrisch-klerikalen Vorstoß gegen die Chinapolitik der Reicksregierung an, der man den Vorwurf macht, unter einer beleidigenden Zurück setzung der Bundesstaaten und speciell Bayerns eine specifisch preußische Politik in der ostasiatischcn Angelegenheit zu treiben. Mit dem Artikel des führenden bayerischen Organs der Centrumspartei stimmt in höchst auffälliger Weise ein Artikel des führenden preußischen CentrumSorgans. der „Köln. Volksztg.", überein. In einem Münchener Briefe des rheinischen Blattes heißt eS nämlich: „Wir haben Grund zu der Annahme, daß wenigsten- in Kreisen der bayerischen Regierung verschiedene Phasen der jüngsten deutschen Chinapolitik mit lebhaftem Unbehagen verfolgt worden sind." In erster Reihe beabsichtigt man also, die Chinafrage zu particularistischen Zwecken auszubeuten. Der zweite, viel leicht noch bedeutsamere Zweck des bayerischen Centrums organes besteht offensichtlich darin, das bayerische Königshaus an die Spitze einer particularistischen Bewegung zu stellen. Nicht ohne Absicht wird im Ein gänge der bayerische Thronfolger besonders er wähnt und es wird seine Loyalität gegen daS Reich hervorgeboben, um damit die in der zweiten Hälfte des Artikels gegeißelte angebliche Unloyalität Preußens gegen die Bundesstaaten wirksam zu contrastiren. Der Prinzregent ist hockbetagt und Prinz Ludwig kann deshalb gar bald be rufen fein, die Regentschaft und voraussichtlich bald auch die KönigSwürde zu übernehmen. Da gilt es denn, einerseits Preußen zu verdächtigen, andererseits die nationale Prcfse zu verleumden, damit Bayern« künftiger König ja nicht etwa von den Gesinnungen dieser Presse inficirt werde. Deshalb wird die lügenhafte Behauptung ausgestellt, die deutschgesinnte Presse verunglimpfe Bayern« Königshaus wegen seiner katholischen Gesinnung. Um aber den Artikel ganz besonder« auf den Prinzen Ludwig wirken zu lassen, kleidet man ibn in die Form einer historischen Parallele, weil man die Vorliebe de« Prinzen für historische ReminiScenzen kennt und ausnutzen will. Deshalb ist eS auch von Wichtigkeit, den „historischen" Betrachtungen de« bayerischen Blatte« ein wenig nachzugehen. Zunächst die Behauptung, da« erste deutsche Reich sei von der katholischen Weltkirche begründet worden. Kann man die Wahrheit stärker entstellen? Papst Leo III. kam als schmählich davongejagter Flüchtling zu Karl dem Großen und wurde von diesem nach Rom zarückgeführt. In Ver bindung damit ließ sich dann Karl rum Kaiser krönen, wobei ihm der Papst nach der Krönung knleend seine Verehrung zu bezeigen hatte. Seinen Sohn Ludwig ließ Karl, al« er sein Ende hrrannahen fühlte, nicht vom Papste krönen, sondern hieß ihn die Krone sich selbst aufsetzen. Da« römische Kaiser» thum war auch nur so lange machtvoll, als e« mächtiger war al« da« Papstthum. Der Verfasser de« klerikalen Artikel« erwähnt die Salier zwar in der Ueberschrift, aber er geht im Artikel selbst ganz über sie hinweg. Er weiß wohl, warum, denn unter den Saliern erhielt da« Kaiserthum einen tövt- lichen Stoß, und zwar von der Hand de« Papste«. Damals hetzte der Papst die Fürsten wider den Kaiser auf und dieser mußte sich vor den Fürsten und dem Papste beugen. Seit jener Zeit findet eine fortwährende Rivalität zwischen dem Kaiser und den Fürsten statt und meisten« siegen die Fürsten ob. Auch zu den von dem Verfasser so gerühmten Zeiten Maximilians I. ist di« Macht de« Kaisrrthum« nur «ine scheinbare. Thatsächlich regiert eine aus den Fürsten bestehende Oligarchie und dies wird ihr um so leichter, al« der Kaiser durch seine außerdeutscheu Besitzungen veranlaßt wird, seine Kräfte nur zum geringen Theile dem Reiche selbst zu widmen. Thatsächlich bedeutete so der Umfang der habsburgischen Besitzungen nickt ein Moment deutscher Macht, sondern ein Moment der Gefahr für Deutschland. Denn sowohl die Herrscher über da« Reick, wie die Fürsten kümmerten sich viel mehr um ihre speciellen Hausinteressen, al« um die deutschen Interessen. Die Folge ist ein immer schlimmerer Verfall des Reichs, der endlich zur Auflösung deS Reiches und dazu führt, daß die deutschen Fürsten zu Vasallen des corsischen Eroberers herab sinken. Dazu gehörte, wie nicht verschwiegen werden darf, auch Bayern, und die Großväter der Leute, die heute mit Entzücken jenen Artikel der „Neuen Bayrischen Zeitung" lesen, weil er den Preußen eins versetzt, mußten auf russischen Schlachtfeldern für französische Inter essen bluten. Zufälligerweise hieß jener bayerische Thron folger, der auf Frankreichs Befehl seine Soldaten bei PultuSk in die russischen Bajonette hineinführen mußte, auch Ludwig, wie der gegenwärtige Thronfolger, auf den der Artikel der „Neuen Bayrischen Zeitung" berechnet ist. Nun, Prinz Ludwig wird selbst wissen, was vorzuziehen ist: ein selbstständiger deutscher Fürst zu sein oder ein Vasall Frankreicks." So die uns gewordene Zuschrift, mit deren Verfasser auch wir hoffen, daß Prinz Ludwig von Bayern geschichts kundig genug sei, um die „historischen" Betrachtungen deS bayerischen CentrumSblattes als daS zu erkennen, was sie sind. Aber Geschichtskunde pflegt in der Politik nickt allein den Ausschlag zu geben. Hier wirken häufig Stimmungen mit, und wenn die bisher unwidersprocken gebliebene Behauptung de« Münchener Gewährsmannes der „Kölnischen VolkSztg." richtig ist und wirklich in Kreisen der bayerischen Regierung verschiedene Phasen der jüngsten deutschen China politik mit lebhaftem Unbehagen verfolgt worden sind, so wird dieses Unbehagen auck durch die schärfste Kennzeichnung ultramontaner Hetzartikel um so weniger beseitigt werden,/' je mehr die betreffenden Kreise Ursache zu ihrer Verstimmung zu haben glauben. Das Bestreben der klerikalen Blätter, den Prinzen Ludwig an die Spitze einer particularistischen Bewegung zu treiben, verdient daher auch da die vollste Be achtung, wo man es vielleicht noch in der Hand hat, daS Un behagen zu bannen, mit dem nickt nur in Bayern verschiedene Phasen der deutschen Chinapolitik verfolgt worden sind. Das freundschaftliche VerlMniß zwischen der weißen Bevölkerung in Samoa. Aus Apia, 10. August, wird der „Welt-Corr." geschrieben: Wer für eine lange Reihe von Jahren hier in Samoa Zeuge sein mußte, wie die Gereiztheit, ja Gehässigkeit der Ansiedler der verschiedenen Nationalitäten immer größere Dimensionen annahm und sich selbst im Verkehr der Regierungsvertretec und Behörden deutlich fühlbar machte, der begrüßt es mit großer Freude und Dankbarkeit, daß mit dem Wechsel der Verhältnisse, mit der Uebernahme der Verwaltung durch eine der Vertrags mächte «in völliger Wandel geschaffen worden ist. Daß das Entgegenkommen unseres Gouverneurs besonders von den hiesigen Nichtdeutschen dankbar anerkannt wird, ist schon ver schiedentlich berichtet worden; um so erfreulicher ist es, daß auch die fremden Behörden ihr Bestes thun, das artige Entgegen kommen des Gouverneurs in allen Beziehungen nicht nur zu würdigen, sondern auch öffentlich anzuerkennen. Wir hatten kürzlich eine würdige Feier, welche zu öffentlichem und höflichem Entgegenkommen passende Gelegenheit bot. Es handelte sich um die Errichtung und Ent hüllung eines Denkmals für die im April vorigen Jahres im Kampfe mit den Samoanern gefallenen englischen und amerikanischen Marineofficiere und Mannschaften. Die Gefallenen waren zwar seiner Zeit in Mulinuu, aber auf einem zur Errichtung eines Denkmals wenig geeigneten Platz beerdigt worden. Gouverneur Solf schlug nun den englischen und amerikanischen Kriegsschiffs-Commandanten vor, das Monument besser in der Nähe des sogenannten Präsi dentenhauses mit freier Aussicht nach der offenen See zu er richten und zu diesem Zwecke die Ausgrabung der Leichen vor zunehmen. Vorzüglicher Gedanke, aber nicht so leicht auszu- i führen. Die englische Regierung und die amerikanische hatten I sich seiner Zeit von dem temporären König Tanu für den Be- ! gräbnißplatz einen unwiderruflichen Besitztitrl ausstellen lassen und glaubten, den Vorschlag des Gouverneurs nur ausführen zu können, wenn ihnen für den vorgeschlagenen Platz in gleicher Größe «in ebenfalls für alle Ewigkeit sicherer Besitztitel von dem Gouvernement ausgestellt würde. Der Gouverneur war hierzu ganz bereit, und in amtlicher Verhandlung wurde der Austausch dieses wichtigen, 80 Quadratmeter großen Stückes Bodenr be werkstelligt. Nun konnte die Arbeit losgehen, und hier war cs wieder die deutsche Firma (D. H. L P. G.), welche zuvor kommend und helfend einsprang und Arbeiter und Material gratis lieferte. Als sich die Arbeiten ihrem Ende näherten, baten die Commandanten der fremden Kriegsschiffe den G ou - verneurSolf, di« feierliche Enthüllung vorzu nehmen. Am Sonntag, den 29. Juli, Nachmittags 6 Uhr, fand dieselbe statt. Der Platz war besetzt von der Polizei, unterstützt von je 10 Mann der Kriegsschiffe „Pylades" und „Abarenva". Recht« vom Monument standen Kommandant Tupper, Gouver neur Solf, der englisch« Conful Hunter; links davon Komman dant Lilley, der amerikanische Generalconsul Osborn und Richter Knipping. Etwa» entfernt stand zu beiden Seiten des Monu mente- je ein Detachement von 26 Mann unter Führung eines Leutnants der „Pylades" und „Abarenda", um den militärischen Ehrensalut zu feuern. Die Commandanten und Officier« der beiden Kriegsschiffe nahmen nach der Seeseite zu Stellung. Nach Verlesung deS kirchlichen Leichengottesdienstes durch den eng lischen Geistlichen Rev. W. Huokett feuerte die Ehrencompagnie drei Salven, mit Hornsignal nach jeder Salve. Darauf würde die Hymne „Dein Wille geschehe" gesungen, worauf Kommandant Tupper von H. B. M. S. „PyladeS" zu Gouverneur Solf ge- wandt wie folgt sprach: Als ältester Officier der im Hafen an wesenden englischen und amerikanischen Kriegsschiffe dank« ich Euerer Excellenz für die Güte und Zuvorkommenheit, mit welcher Sie uns einen so vorzüglichen Platz zur Errichtung eines Denk mals für unsere in Erfüllung ihres Dienstes gefallenen Kame raden überlassen haben, und ich bin sicher, im Namen der Ver wandten und Freunde der Gefallenen zu sprechen, wenn ich deren Dankbarkeit Ausdruck dafür verleihe, das Euere Excellenz aus freiem Antriebe die Absicht ausgesprochen haben, dieses Denk mal unter Ihren Schuh zu nehmen, so wie zu danken für die so bereitwillige Hilfe, welche Sie und Ihre Landsleute uns bei der Errichtung des Denkmals gewährleistet haben. Ich bitte nun Euere Excellenz, die Güte zu haben und das Denkmal zu ent hüllen." Nunmehr sprach Gouverneur Solf: „Indem ich die mir zur Ehre gereichende Pflicht, dieses Denkmal zu enthüllen, hiermit erfülle, drängt mich mein Gefühl, meine herzliche Teil nahme für die Gefallenen auszusprechen. Es hat mir zur großen Freude gereicht, in der Lage zu sein, den Herren Com mandanten Tupper und Tilley in der Wahl und Beschaffung eines passenden Platzes für dieses Denkmal behilflich zu sein, und ich werde es als eine Pflicht betrachten, dasselbe unter meinen Schutz zu nehmen und den letzten Ruheplatz der in treuer Er füllung ihrer Pflicht Gefallenen vor Beschädigung zu bewahren. Ich enthülle nunmehr das Monument." Währenddessen prä- sentirte die Ehrencompagnie die Gewehre. — Besondere Erwäh nung verdient es ferner, daß Commandant Tupper die Vermitte lung des Gouverneurs nachsuchte, Mataafa ein Dankschreiben für seine Beileidsadresse und für den herrlichen, an dem Denkmal niedergelegten Blumenschmuck zu zustellen. Auch vermied der Commandant Tupper geflissent lich jedweden directen Verkehr mit den führenden Häuptlingen und verweigerte mehrere erbetene Audienzen. Daß wir seit der plötzlichen Abfahrt S. M. S. „Seeadler" nach China ohne ein deutsches Kriegsschiff in Samoa sind, wird der Leser aus obiger Schilderung ent nommen haben. Die Wirren in Ehina. FriedenSverhan-lungen und Räumungsfrage. „Reuter'S Bureau" meldet auS Washington, 10. Sep tember: Der chinesische Gesandte Wu-Ting-Fang überreichte dem Staatsdepartement ein vom Kaiser erlassenes Edict, das von heute vor vierzehn Tagen und wie man annimmt, aus Paotingfu datirt. Das Edict betraut Li- Hung-Tschang mit der Vollmacht zur Beilegung der Streitigkeiten und ermächtigt ihn, nach seinem Gutdünken jeglichen Vorschlag zu machen, ohne zuvor an den Kaiser sich wenden zu müssen. Die „Times" berichten aus Shanghai unter dem 9. September: Li-Hung-Tschang hat an den Thron eine Denkschrift gerichtet, in welcher er bittet, daß der Hof nach Peking zurückkehre. Gleichzeitig hat Li-Hung- Tschang an den Viccköniz von Wutschang die Botschaft gerichtet, eS sei schwer, die Rückkehr deS HofeS anzuratben, da es augenscheinlich die Absickt der Mächte sei, sich der Person der Führer der reactionären Be wegung zu bemächtigen. Wenn auch die Denkschrift Li- Hung-Tschang's an den Thron diese Absicht der Mächte er wähnt, so ist die Rückkehr des Kaisers nicht wahrscheinlich; wenn die Denkschrift hingegen darüber schweigt, wird Li-Hung- Tschang künftig als Verräther anzusehen sein. Weiter läßt sich „Reuter'S Bureau" in Washington unterm 10. September ans Peking telegraphiren: Am 1. September meldet General Chaffee: „Tie Anzeichen mehren sich, daß hier auf lange Zeit die diplomatischen Be ziehungen nicht wieder ausgenommen werden. Die russische Gesandtschaft begiebl sich baldigst nach Tientsin. Mir erscheint es sicher, daß die chinesische Regierung, so lange die fremde Armee in Peking bleibt, nicht hierher zurückkehrt. Wenn diese Annahme richtig ist, kann unsere Gesandtschaft keine diplomatischen Aufgaben erledigen. Meine Meinung gebt dahin, daß Peking nur als Lager der verbündeten Armee dienen soll, bis die Mächte sich an anderen Puncten festgesetzt haben." Man ersieht hieraus, daß bei den Vereinigten Staaten auf eine entschiedene Opposition gegen den russischen Vorschlag noch immer nickt zu rechnen ist. Nach der „Times" hat Japan seine Bereitwilligkeit zu verstehen gegeben, seine überflüssigen Truppen aus Peking abzuberufen, daß es aber sür angezeigt halte,! die militärische Besetzung den Winter hindurch! aufrecht zu erhalten. — Die „Times" berichten ferner aus Tokio unter dem 8. September: Japan antwortete aus den Vorschlag, Peking zu räumen, daß eS gegen die Ab berufung der Gesandten und die anderen vom Concert der Mächte empfohlenen Maßnahmen nichts habe, zumal da seine geographische Lage ein unverzügliches militärisches Eingreifen stets gestatte; eS sei bereit, seine überflüssigen Truppen abzu rufen. Nach einem glaubwürdigen Gerücht bereitet sich Rußland vor, 15000 Mann in Petschili über wintern zu lassen. Ein weiteres Telegramm der „Times" auS Peking vom 8. September besagt: Der chinesische Gesandte in Petersburg telegrapbirt an Li-Hung-Tschang, der Räumungsvorschlag Rußland« habe zur Voraussetzung, daß genügende Versicherungen Chinas betreffs der Rückkehr deS HofeS nach Peking unmittelbar nach der Räumung Pekings gegeben würden. In einem zweiten Telegramme desselben Gesandten ersucht dieser Li- Hung-Tschang dringend, sich darum zu bemühen, daß er die Zustimmung der Mächte zur Räumung Pekings erhalte, da, wenn Rußland sich genöthigt sehen sollte, seinen Vorschlag abzuändern, dies nothwendiger Weise eine Verminderung ferne« Prestige« zur Folge haben würde. La« Massacre der Misfinnare. „Reuter'S Bureau" berichtet au« Shanghai unter den, 8. September: Der amerikanische Generalconsul Goodnow erfuhr nach eingehenden Nachforschungen, daß nachgewiesener Maßen während der letzten Unruhen 56 Missionare, darunter 34 englische und 22 ameri kanisch«, rrmordrt worden feien. E« liege ferner große Wahrscheinlichkeit vor, daß noch 37 Missionare in Taijuenfu ^getödtet worden seien. Die Liste der Vermißten weise 109 Engländer und 61 Amerikaner auf. Es sei »unmöglich, die Zahl der ermordeten Katho liken festzustellen; sie schließen jedoch viele französische Priester und barmherzige Schwestern ein, die theilweise in dem Gebiete ermordet worden seien, in dem die Russen kämpfen. Auch verschiedene schwedische und dänische Pro testanten seien getödtet worden. DaS Morden und die Verfolgung dauern unter den chinesischen Christen fort. Ueberall seien von chinesischen Gelehrten und kleinen Beamten Denkschriften an die Kaiserin-Regentin gesandt worden, in denen gedankt wird, daß sie das Land von den Fremden befreie. Eine Nachricht aus dem Inneren beweise, daß, abgesehen von dem durck die fremden Truppen besetzten Lande, die chinesische Bevölkerung glaube, die Kaiserin habe große Siege errjungen und die Aus länder aus dem Lande vertrieben. Weitere Meldungen. * London, 11. September. (Telegramm.) Die „Times' berichten aus Shanghai unter dem 8. September: Aus angeblich guter Quelle wird berichtet, ein französisch-belgisches Syn- dicat verhandle in Hanlson mit Unterstützung der französischen Regierung wegen einer dem Bicekönige Tschantschitung zu gewährenden Anleihe von 150 000 Pfund Sterling, wofür gewisse Bergwerk-rechte als Sicherheit dienen sollen. * Odessa, 11. September. (Telegramm.) Der Dampfer „Pisa" ist mit dem zwanzigsten Schützen-Regimente von hier nach Ostasien abgegangen. * Berlin, 11. September. (Telegramm.) DaS Kriegs ministerium theilt mit: Die Truppentransportschiffe „Palatia" und „Darmstadt" sind am 11. September in Port Said an gekommen. An Bord ist Alles wohl. — S. M. S. „Wörth", Commandant Capitän zur See Borckrnhagen, ist am 6. Septembe* in Taku eingetroffen. Hine französische Verdächtignng Tentschlands. Der „Köln. Ztg." wird officiös aus Berlin, 10. Sep tember, gemeldet: Gegenüber der ruhigen und von sachlichen Erwägungen ausgehenden Beurtheilung, die die Vorgänge in China bisher gefunden haben, setzt es einigermaßen in Erstaunen, daß die „DöbatS" eine Zuschrift veröffentlichen, die in böswilliger Entstellung der deutschen Politik ihresgleichen sucht. Zunächst verbreitet sich das französische Blatt des Länger» über die alte, in ihrer Grundlosigkeit schon oft genug widerlegte Be hauptung, daß dir Besetzung von Kiautschau den Anstoß zu den gegenwärtigen Wirren gegeben habe. Sodann wird ein Vergleich zwischen der russischen und der deutschen Politik gezogen: die russische soll ohne jeden Hintergedanken nichts Anderes anstreben, als die Wiederherstellung der früheren, für die Handelsbeziehungen günstigen Verhältnisse; die deutsche dagegen soll voller Gefahren sein und die Verantwortung für alle möglichen Dinge in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in sich tragen. Der deutsche Kaiser wolle sich in Peking behaupten, unannehmbare Be dingungen stellen, dadurch der chinesischen Regierung ihre Ausgabe unmöglich machen und Len bedrohlichsten Ver wicklungen Thür und Thor öffnen. Welche „unannehm baren Bedingungen" wir zu stellen beabsichtigen, darüber fehlt den „Debats" natürlich jede Kenntniß. Dies dient dem Blatt aber auch nur zum Vorwand, um nachstebende Verdäch tigung gegen Deutschland in die Oeffentlichkeit zu werfen: „Man darf sich Wohl fragen, ob Deutschland nicht darauf hinarbeitet, in Europa freie Hand zu haben, während die andern Mächte in Ostasien beschäftigt sind. Entweder verstehen die Deutschen nichts von China, und sie verstehen es nicht, ihre Geschäfte vernünftig zu führen; wenn sie aber etwas davon verstehen und wenn sie mit Vorbedacht handeln, so könnte man zu dem Glauben gebracht werden, daß sie in Ostasien Verlegenheiten schaffen wollen mit bestimmten Hinter gedanken." ES ist schwer verständlich, wie die „Dvbats" auf den Gedanken kommen» daß Deutschland die Schwierig keiten in China ausbeutcn wolle, um in Europa eine Politik der Hinterlist und des UebersalleS zu ermöglichen. Der langjährigen Erfahrung, die Frankreich mit der deutschen Politik gemacht bat, ist das glückliche Ergebniß zuzuschreiben gewesen, daß selbst chauvinistische Blätter die Befürchtung einer ränkesüchtigen und sich mit Angriffspläueu tragenden deutschen Politik aufgegeben haben. Nichts, aber auch gar nichts, Hal sich in der letzten Zeit ereignet, was zu einer Aeußerung solcher Besorgnisse auch nur einen Vorwand bieten könnte. DaS von Deutschland in Bezug auf Ehina aufgestellte Programm deckt sich vollständig mit dem der französischen Republik. Keine Gebietsveranderung, Bestrafung der Schuldigen, Herstellung gesicherter Verhältnisse. In diesem Programm ist die Frage der Räumung Pekings kein politischer, sondern nur ein allerdings sehr wichtiger technischer Punct, eine Formsache. Wenn die „DSbatS" in dieser Beziehung auf abweichende Ansichten zwischen der deutschen und russischen Regierung Hinweisen und auS einer Mücke einen Elephanten machen, so ist darauf zu verweisen, daß auch andere Mächte und nicht Deutschland allein die Ansicht von den bedenklichen Folgen tbeilen, die eine Räumung Peking« nach sich ziehen würde. Wir wissen nicht, in welchem Sinne der Minister de« Auswärtigen, Herr Delcasss, auf die russische Note ge antwortet hat, aber wir haben sehr viele französische Zeitungen gelesen, die den Bedenklichkeiten Deutschlands volle Rechnung trugen und bei aller Rücksicht auf den nordischen Verbündeten sich nicht entschließen konnten, die Räumung zu befürworten. Wie man aber auch über die RäumunaSfrage denken möge, noch kein Blatt hat e« bi« heute fertig bekommen, der deutschen Politik den tbörichten Plan unterzuschieben, die Gewässer in China trüben zu wollen, um dann in Europa im Trüben zu fischen. Eine solche Annahme ist so thöricht, daß die Vermutbung, die franzMche Regierung könne in irgend welcher Beziehung zu dem Artikel der „DsbatS" stehen, ausgeschlossen erscheint.
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