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Großenhainer UnterhMmgs- L Anzeigeblatt. Riüis^ntt äer Bönigk. lies Köililzk. Amisgmeiäs »«al lies Äiultmts«« zu GroHenimiu. Ersckuintn: DirnStag, Donnerstag, Sonnabend. Vierteljährliches Abonnement: am Schalter 1 M., durch den Boten inS HauS t M. 25 Pf., durch die Post l M. 25 Pf., durch die Post ins HauS l M. 50 Pf. Druck und Verlag von Herrmann Starte in Großenhain. Verantwort!. Nedacteur: Herrmann Starke 8eu. Inserate für die am Abend auszugebende Nummer werden bis früh 9 Ubr angenommen und Gebühren für solche von auswärts, wenn dies der Einsender nicht anders bestimmt, durch Postnachnahmt erhoben. 72. Jahrgang. Dienstag, den 28. Oetober 1884. Bekanntmachung. Die den 1. Oetober d. I. fälligen Brandversicherungsbeiträge sind nach 1 Pf. von jeder Beitragseinheit längstens bis zum 28. ^ctober d. I. an die Stadthauptcasse zu bezahlen. Großenhain, am 27. September 1884. Der Stadtrath. Bogel, Stdtr. Donnerstag, den 30. Oetober 188-4, Mittags 12 Uhr sollen im Gehöfte des Gutes Nr. 3 zu Böhla b. Großenhain zwei Kalben und ein Anbindekalb gegen Baarzahlung versteigert werden. Großenhain, am 22. October 1884. Morche, Bollstreckungöbeamter. Der Wahltag. Die weit durch alle Volksschichten ihre Kreise ziehende Wahlbewegung hat nun ihren Gipfelpunkt erreicht und un mittelbar darauf wird die Entscheidung fallen. Wenig Er folg versprechen jetzt noch Angriffe und Anfeindungen der Parteien, unnütz ist es daher auch, jetzt noch auf die Partei kämpfe zurückzukommen, die Nachlese im Wahlkampfe und die Ergebnisse der Wahlschlacht selbst müssen später ge schildert werden. Für die Gesundung und Ausbildung unserer politischen Verhältnisse haben wir jetzt einen anderen Wnnsch. Der selbe geht dahin, daß auch alle Wahlberechtigten von ihrer Ehrenpflicht Gebrauch machen und ihre Stimme zur Reichstagöwahl abgeben mögen. Die Ge legenheit dazu ist jedem Wahlberechtigten am Wahltage von früh 10 Uhr bis Abends 6 Uhr gegeben?') Im klebrigen sei uns gestattet, vor einigen ebenso bedauerlichen als ver werflichen Arten zn wählen, zu warnen, es ist das ge dankenlose Wählen und die Stimmabgabe aus niedriger Ge sinnung, aus Haß, Scheelsucht oder in Folge von Bestechung. Da wir für den Reichstag das allgemeine, gleiche und directe Wahlrecht besitzen, also weder Stand noch Ver mögen, noch Gelehrsamkeit irgend einen Vorzug bei der Ausübung des Wahlrechts einräumen, so kann eben unser politisches Leben bei den Wahlen nur dann zu einem ge sunden Ausdruck kommen, wenn die große Mehrzahl der Wähler von dem Wahlrecht einen ehrlichen Gebrauch macht, das heißt nach einer selbst erworbenen oder durch vernünf tige Belehrung von weiten Anderer erlangten Ueberzeugung wählt. Ist das Wählmotiv von einer Gedankenlosigkeit begleitet oder von einer wüsten Agitation, einem neidischen, scheel süchtigen oder gar revolutionären Geiste angestiftet, so kommt durch die Wahlen leicht ein ganz falsches Bild der Lage zum Ausdruck und die betreffenden Neichötagöabgeord- neten werden nicht im Staude sein, den wirklichen Bedürf nisfen Rechnung zu tragen. Es ist dabei noch in Erwägung zu ziehen, daß die Auf gabe des Reichstages heutzutage vorwiegeud auf dem socialen und wirtschaftlich-praktischen Gebiete liegt, auf welchem Theorien, Phrasen und Vorurtheile niemals etwas aus richten können, sondern lediglich die praktische auf kein Partei- iuteresse Rücksicht nehmende Hülfe. Unbeirrt von allen Unter- nnd Gegenströmungen verfolgt auch der Reichskanzler seine socialen und wirthschaftlichen Ziele, die er als Heil mittel für die inneren Gebrechen der Culturnationen er kannt und deshalb auf dem auswärtigen Gebiete gesicherten Frieden mit den ersten Brächten Europas herstellte. Und so mag auch der neue Reichstag eine Zusammensetzung zeigen, die das innere Friedenswerk, praktische, sociale und wirthschaftliche Reformen fördern hilft. '0 Tie Wahiiecaie befinden sich im Nnthhause, nnd zwar für den I. Wahlbezirk «Meißner Viertel mit Vorstadt» in der Ex pedition des Standesamts, I. Etage; für den H. Wahlbezirk < Wilden ha in er Viertel mit Vorstadt! im Vorzimmer des Stadtverordnetensaales, 2. Etage; für den III. Wahlbezirk «.Naundorfer Viertel mit Vorstadt! im reservirten Parterre zimmer deS N a t b S teil e r S, Eingang von der Apothekergasse; für den IV. Wahlbezirk «Dresdner Viertel mit Vorstadt! in der Expedition deS Herrn Stadtrath Vogel, I. Etage, neben dem StandeSamte. Tagesnachrichten. Sachsen. Ihre Majestäten der König und die Königin sind am Sonnabend Vormittags 10 Uhr von Sigmaringen wieder in Dresden eingetrosfen. Se. königl. Hoheit der Prinz Georg ist am 26. October früh halb 1 Uhr von der Beisetzungöfeierlichkeit in Braun schweig nach Dresden bez. Hosterwitz zurückgekehrt. Auf Antrag des Neichöschatzamleö fordert das Mini sterium des Innern alle ihm unterstehenden kgl. Behörden und Verwaltungsstellen, welche Kassen haben, sowie alle Stadträthe und Sparkassenverwaltungen auf, am 30. lau fenden Monats beim Kassenschlnsse festzusteUen, welche Be träge nach Reichöwährung n) an Reichsgoldmünzen, 6> an Einthalerstücken, e) an Reichssilbermünzen und G an Neichs- kassenscheinen in ihren Kassen vorhanden sind, und das Er gebniß bis zum 5. November d. I. dem Ministerium des Innern anzuzeigen. Die Reichsbanknoten sind nicht unter der Rubrik „NeichSkassenscheine" aufzunehmen, sondern von von der Bestandsermittelung auszuschließen. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing in den letzten Tagen wiederholt den Reichskanzler in längerer Audienz. An Stofs für diese Conferenzen des greisen Monarchen mit seinem ersten Berather fehlt es nicht, und liegt die Annahme nahe, daß es sich zunächst um die braunschweigische Erbfolge frage und die für den preußischen Staatsrath, dessen Eröff nung am letzten Sonnabend durch den Kronprinzen erfolgte, vorbereiteten Vorlagen gehandelt hat. Dem Bundesrathe ging in der braunschweigischen An gelegenheit folgender, von dem Reichskanzler unterzeichneter Antrag zu: Der Bundesrath wolle beschließen, daß die von dem Regentschaftsrath nach Maßgabe der Reichöverfassung zu bestellenden Bevollmächtigten als Vertreter Braunschweigs im Bundesrath im Sinne des Art. 6 der Reichsverfassung anerkannt werden. Zugleich wird dem Bundesrath die Mit- theilung gemacht, daß der Kaiser die im Artikel 66 der Reichöverfassung dem Herzog von Braunschweig vorbehal tenen 9iechte rücksichtlich des herzoglich braunschweigischen Contingents, gestützt auf Artikel 63 und 64 der Reichö- verfafsung, während der Dauer der provisorischen Re- gieruugöverwesung auöüben werde. Der neuernannte englische Botschafter am Berliner Hofe, Sir Edward Malet, wurde am Freitag von L-r. Majestät dem Kaiser in feierlicher Audienz empfangen. Braunschweig. Die feierliche Beisetzung der Leiche des Herzogs im Dom hat am Sonnabend Mittags unter Theilnahme vieler fürstlichen Personen und Vertreter von dergleichen programmgemäß stattgefunden.. Die Straßen waren von der dichtgedrängten Bevölkerung gefüllt, welche dem Herzog die letzten Ehren erwies. Oesterreich. Wie die „Militär-Zeitung" mittheilt, hat der Erzherzog Eugen, welcher mit mustergiltigem Eifer und großer Gewissenhaftigkeit den zweijährigen Cursus an der Kriegsschule durchgemacht hat, seine Schlußprüfuugen mit vorzüglichem Erfolge bestanden und wird nun dem Generalstabe zugetheilt werden. Es ist dies der erste Fall, daß ein Prinz des Kaiserhauses dem Generalstabscorps einverleibt wird. Der kroatische Landtag hat am Freitag die vom Prä sidenten zur Aufrechthaltung der Ordnung und der Freiheit der Verhandlungen getroffenen Maßregeln einstimmig gut geheißen und ebenso einstimmig die Ausschließung von 15 Mitgliedern der Rechtspartei (Starcevicianer) auf die Dauer von acht Sitzungen beschlossen. (Den Ausgeschlossenen ward der Eintritt durch Gendarmen verwehrt.) Am Sonnabend wurde die verschärfte Hausordnung und die Einführung des Debatteschlusses in der Specialdebatte genehmigt. Italien. Wie die „Gazzetta uffiziale" meldet, ist die Entlassung deö Kriegsministers Ferrero angenommen und General Ricotti zum Kriegsminister ernannt worden. Am Freitag kamen in sieben Provinzen 51 Erkranknngen und 37 Todesfälle an der Eholera vor, davon in der Stadt Neapel 14 Erkrankungen und 12 Todesfälle. Frankreich. Die Deputirtenkammer beendete am 23. d. die Berathung des Haftpflichtgesetzes. In der zweiten Lesung der Vorlage soll ein Artikel eingeschaltet werden, welcher den Arbeitgebern die Versicherung ihrer Arbeiter gegen Un fälle zur Pflicht macht. Belgien. Wie verlautet, ist dem König von dem bis herigen Minister für Landwirthschaft und Industrie, Bernaert, für die Umbildung deö dermaligen Eabinets eine Minister liste vorgelegt worden; eine Entscheidung deö Königs war aber bis zum 25. October noch nicht erfolgt. England. Das Unterhaus vertagte am 24. October die Adreßdebatte auf Diontag und nahm sodann nach nicht erheblicher Debatte die Reformbill in erster Lesung an. Lord Churchill kündigte an, er werde bei der zweiten Lesung eine Resolution beantragen, in welcher jede Reformbill, die nicht eine Neueintheiluug der Wahlbezirke umfasse, für un genügend erklärt werden soll. Rußland. Der Kaiser hat von den acht im letzten HochverrathSprocesse zum Tode Vernrtheilten sechs, darunter die Vera Figner und die Ludmilla Wolkenstein, zu lebens länglicher, resp. fünfzehnjähriger Zwangsarbeit begnadigt. Die übrigen Beiden, der frühere Flottenlieutenaut Baron Alexander Stromberg und der Artillerielieutenant Nogatschew, haben am 22. October den Tod durch den Strang erlitten. Sechs weitere Angeklagte, dabei die Priesterstochter Liubow Tschemodanowa, wurden zu Zwangsarbeit von 4 bis 20 Jahren verurtheilt. Ein längeres amtliches Commumqu» beschreibt ausführlich die von jedem Einzelnen der Ver- urtheilten begangenen verbrecherischen Handlungen. Am vorletzten Sonntage verhaftete man in St. Peters burg ein Mitglied der nihilistischen Partei namens Lopatin, auf welches die Polizei längst gefahndet; in seiner Wohnung wurden Wassen und Dynamit gefunden. Aus Baku wird gemeldet, daß der dort im Gefängniß sitzende Midshipmann der Kaspiflotte, Baron Rehbinder, der unter einer unbekannten Ursache verhaftet wurde, durch den Schornstein auözubrechen versucht habe, aber auf dem Dache von der Schildwache bemerkt und durch zwei Schüsse tödtlich verwundet worden sei. Egypten. Lord Northbrook, welcher am Freitag auf dem Aviso „Iris" nach Marseille abzureisen beabsichtigte, wird in Paris einige Zeit verweilen, um mit dem Eonseils- präsidenten Ferry zu couferiren. Locale, sächsische rc. Nachrichten. Großenhain, 27. October. — Die heurige Großenhainer Eph orale onferenz tagte am 13. Oetober im Hotel de Saxe. Es hatten sich die Geistlichen der Ephorie fast vollzählig eingefunden. Als Ver treter des hohen Landesconsistoriums nahm HerrOberconfistorial- rath IN Anacker an den Verhandlungen theil, die mit Gesang nnd Gebet gegen 11 Uhr begannen. Die erste Ansprache hielt der Vorsitzende Herr Snp. O. Harig. Je drei Sonntagstexte, io führte er ans, liegen vor uns nnd hinter uns. Alle betreffen sie das Wort, die Rede. Das Wort sei jetzt gewaltig, aber nicht der Hanptheil der geistlichen Arbeit, denn Gottes Reich stehe in Kraft. Gleichwohl sei es ein gut Theil pastoralen Wirkens mW nicht umsonst spreche der Herr in dem Evangelium des letzten Sonntags: Sorget nicht wie und was ihr reden sollt — des Vaters Geist ist's, der da redet. Matth. 10, 19—20. Ja „Ivas reden?" so frag' sich mancher Pfarrer in mancher Stunde, vor manchem Text, von der Studentenzeit her. Nicht dem Leichtsinn rede der Herr das Wort, der gar nicht wrgt, sondern: ans die Kraft und den Reichthum der Schrift weist er hin. Die Welt snche mühsam ihren dürren Stoff, wenn sie redet. Gottes Wort sei nnerschöpflich , klar, entschieden, löse die höchsten wissenschaftlichen Fragen, richte Arme auf, und wie Ehristns der wahre Volksfrennd gewesen, so sei noch heut sein Wort des Volkes Segen. Wenn man's nicht hören wolle, dann trügen nicht die Pfarrer die Schnld und Verantwortung. — Auch das wie gebe der Herr. Nicht so, daß der Geistliche Kunst nnd Wissenschaft vernachlässigen solle, sondern rede ge trieben vom heiligen Geist, der das Organ veredele, eine schlichte Sprache gewaltig mache, alle natürliche Redegabe verkläre. Mit ihm werde man anch zur rechten Zeit, am rechten Orte reden — oder schweigen, stets vom Drange nach Wahrheit beseelt und darauf aus, Seelen selig zn machen. Dann werde der Geistliche von Herzen zu Herzen reden: „ein heilig sorgloses Kind, das den Donner unterm Gewände trägt" (Liebner». Ein guter Kanzelredner werde der rechte Seelsorger nnd der, welcher lebe wie er predigt. Christi Geist müsse er haben, und eben dann sei er es nicht, welcher rede, sondern Gottes Geist rede durch ihn. Mit dem Lebensbild eines Heimgegangenen Freundes schloß die ergreifende Ansprache. Von dem Vorsitzenden hier auf herzlich begrüßt, erwiderte Herr Oberconsistorialrath IN Anacker mit 2. Tim. C. 12. „Es komme für den Theologen Alles an anf die christliche Gewißheit. Sein Leben müsse be weisen, daß er wisse, an wen er glaube. Wie oft sei ein armer Psarrer iu Gesahr, an Gottes des Vaters Fürsorge, ein junger Pfarrer an der Gnade Jesu Christi, jeder Pfarrer an der Heili gung deS heiligen Geistes irre zn werden! Da gelte es zu wissen, an welchen man glanbe. Zu dieser Gewißheit gelange man weniger durch die Männer der Wissenschaft, als vielmehr dnrch die eigne Erfahrung, wenn Gott die eigne Gerechtigkeit zerbricht, daß das Herz ruhelos wird und nach Trost und Hülfe sucht. Diese Gewißheit möge Gott anch heute geben." Wahr lich, ein schönes, tiefes und warmes Wort, das so recht das Eentrum des pastoralen Amtes trat! Jetzt folgte, worauf die beiden Ansprachen schon lüngewiesen hatten, ein wissenschaftlicher Vortrag von Herrn l'. Jahn-Merschwitz über Frank's Svstem der christlichen Gewißheit. Unmöglich können wir die ganze Fülle deS Gebotenen mittbeilen. Nur soviel sei mitgetheilt, daß Frank Mr. und I'im. tlwat. Erlangen! in geistreicher, schrift- gemäßer Weife der christlichen Dogmatik einen festeren Unterbau damit zutührt, daß er sich auf die innere Lebenserfahrung des Wiedergeborencn bernst. In sehr fesselnder und den Stoff voll ständig' beherrschender Wene legte der Herr Referent dieses System dar. Der ganze Vortrag und die sich daran knüpfende Debatte, an der sich vornehmlich I'. Preil-Lenz, I'- Pötzich- Staßgen, 1'- Klette-Medingen, 1'. 0. ttlemm-Zeithain :c. be- theillgten, bewies, daß es m unserer Ephorie ein ächt wissen- schaftlicbeS Streben und eine stille Arbeit des Geistes giebt, die sich aucb an den höchsten Problemen nicht olme Frncht versuchen darf. Dies, sowie die Bedeutsamkeit des ganzen Frank'schen Systems war es denn auch, worauf Snp. IN Harig sind Ober- Consistorialrath IN Anacker, diesen Theil der Verhandlungen