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11082 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 237. 10. Oktober 1908. sowie alte Freundschaftsbande zu erneuern. Nur wenigen ist es bekannt, daß der ursprüngliche Schöpfer und Veranstalter dieser Festlichkeit niemand anderes ist, als der Buchhandlungs- gehilfen-Verein zu Leipzig. Er lud am 23. April 1834 anläßlich der Messe seine Mitglieder, sowie die in Leipzig anwesenden Kollegen auf Dienstag, den 29. April 1834, zu einem gemein samen Mahle in den Saal des Herrn Aeckerlein, mit besonderer Hervorhebung, daß die Teilnahme der etablierten Herren Buchhändler zu besonderer Ehre und Freude gereichen werde. Dieses, wenn ich sagen darf, erste Kantate-Essen ver- zeichnete 128 Teilnehmer. Von ihnen 30 Vereinsmitglieder, die übrigen aber fast ausschließlich auswärtige und Leip ziger Prinzipale. Diese Festessen wiederholten sich in den folgenden Jahren, bis im Jahre 1866 der Börsenverein der Deutschen Buchhändler die Angelegenheit zu der seinigen machte. Neben den wissenschaftlichen Vorträgen boten die all wöchentlichen Zusammenkünfte Gelegenheit zu ernsten Ge sprächen und heiterer Geselligkeit, die auch bei den jeweiligen Stiftungsfesten zur Geltung kam. Aber auch an den großen öffentlichen Festen, die das deutsche Volk feierte, beteiligten sich die Mitglieder des Vereins freudig und rührig, ja sie erwarben sich sogar als Festordner besondere Verdienste, so z. B. im Jahre 1840 bei der 400jähcigen Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst und im Jahre 1859 bei der Feier des hundertsten Geburtstages unseres deutschen Nationaldichters Friedrich Schiller. Aber nicht nur bei Festzügen betätigte sich der Verein, nein, er leistete dem Vaterland auch seine Dienste, wenn es sich im Kampfe mit blanken Waffen um Leben und Tod handelte. Den ernstesten Beweis hat jene Zahl Mitglieder gegeben, die als achte Kompagnie der Kommunalgarde während des Straßen kampfes in unserer Stadt Leipzig in der Nacht vom 6. zum 7. Mai 1849 durch Tapferkeit die Insurgenten am weiteren Vordringen auf dem Augustusplatz und vor allem von dem geplanten Verbrennen des Postgebäudes abhielt. In das ereignisreiche Jahr 1849 fällt eine neue Einrich tung, die uns so recht vor Augen führt, daß der Verein neben dem Bestehenden auch praktischen Zwecken seine Aufmerksamkeit zuwendet, um seine Bedeutung zu erhöhen und einem großen Teil der Gehilfenschaft gewisse Garantien zu bieten. Es ist dies die am 4. August 1849 erfolgte Begründung der Leipziger Unterstützungskasse für hilfsbedürftige Buchhand lungsgehilfen, nach deren Satzungen die steuerzahlenden Mitglieder mit Unterstützungen besonders berücksichtigt, solche aber auch, soweit es die Mittel der Kaffe gestatten, an Gehilfen gezahlt werden sollten, die sich nur zeitweise hier aufhalten. Ausnahmsweise sollten auch Witwen und Waisen von hiesigen Buchhandlungsgehilfen unterstützt werden. Diese heute noch bestehende Unterstützungskasse zahlte im Jahre 1849 — 21 Taler, bis Ende des Jahres 1907 aber insgesamt 22 000 ^ an hilfs bedürftige Gehilfen oder deren Witwen und Waisen. Dieser Humanitären Einrichtung folgte im Jahre 1876 nach vielen Kämpfen die Begründung einer Krankenkasse für die Mit glieder, die im ersten Jahre ihres Bestehens 167 verausgabte, im letzten Jahre (1907) aber an Krankengeld 1827 an Ärzte honorar 700 ^ und für Heilmittel 522 also insgesammt den Betrag von 3049 ^ zur Auszahlung brachte. Im Jahre 1878 wurde die Pensionskasse gegründet, die aber erst im Jahre 1888 unter der Tätigkeit des verdienstvollen I. Vorstehers Paul Scholtze in Tätigkeit trat. Diese Pensionskasse gewährt den Mitgliedern nach zehnjähriger Mitgliedschaft im Falle einge tretener Arbeitsunfähigkeit eine Pension bis zu 600 ^ für das Jahr. Aber auch für die Hinterbliebenen verstorbener Mit glieder ist Fürsorge getroffen in Gestalt einer Witwen- und Waisenkasse, aus der eine jährliche Rente gezahlt wird. So kann der Verein mit Stolz auf seine für das Wohl der Mit glieder geschaffenen Einrichtungen blicken, zumal sie sich lange Jahre hindurch so glänzend bewährt haben, daß von ihnen auch für die Zukunft nur das Beste erwartet werden kann. Im Anschluß an die Humanitären Einrichtungen des Vereins muß das im Jahre 1858 herausgegebene Liederbuch des Leipziger Buchhandlungsgehilfen-Vereins erwähnt werden, dessen meiste Lieder von Mitgliedern des Vereins gedichtet sind. Dieses Liederbuch verdient deshalb besondere Erwähnung, weil es zum Besten der Unterstützungskasse verlegt wurde und dieser viele Jahre hindurch erhebliche Erträgnisse einbrachte. Neben der Sorge für die Notleidenden, Kranken und Hilfs bedürftigen vergaß der Verein aber auch nicht die Besserung der materiellen Lage seiner Angehörigen. Schon im Jahie 1858 finden wir die ersten Spuren einer Stellenvermittelung, die dann wieder holt eine besondere Aufgabe des Vereins war, der dabei stets den Standpunkt vertrat, daß die Erzielung einer besseren materiellen Lage der Buchhandlungsgehilfen nur im gemeinsamen Ver ständnis mit den Arbeitgebern erreicht werden kann, daß ein befähigter leistungsfähiger Gehilfe eine bessere Bezahlung finden muß als ein Gehilfe, der eine nur geringe oder gar mangel hafte Ausbildung besitzt. Diese durchaus richtige Anschauung, die heute noch in dem Verein besteht, hat nicht wenig zu dem guten Einvernehmen beigetragen, das von jeher zwischen den Arbeitgebern und den Angehörigen des Buchhandlungsgehilfen- Vereins zu Leipzig bestanden hat und voraussichtlich auch noch recht lange bestehen bleiben wird. Mit der Stellenvermittlung beschäftigt sich der Verein jetzt nicht mehr, da er diese Tätigkeit dem Allgemeinen Deut schen Buchhandlungsgehilfen-Verband überlassen hat, der im Jahre 1872 aus ihm hervorgegangen ist und heute, nach sechsunddreißigjährigem Bestehen, 2000 Mitglieder zählt und in allen seinen Kassen ein Vermögen von einer Million Mark besitzt. bildet die Bibliothek des Vereins ein wichtiges Mittel zur weiteren Fortbildung seiner Mitglieder. Schon im Jahre 1834 und noch zu wiederholten Malen im Lause der Jahre war der Gedanke zur Gründung einer Bibliothek aufgetaucht, aber erst im Jahre 1858 wurde das Projekt durch eine reiche Bücher- stiftung des Königlichen Unioelsitätsbuchhändlers Ferdinand Hirt in Breslau von neuem angeregt. Durch die Stiftung ermutigt, wandte sich der Verein an eine Anzahl angesehener Verlagsbuchhandlungen mit der Bitte, geeignete Werke für die Bibliothek zu überlassen. Der Erfolg war ein erfreulicher, denn im Februar 1859 konnte der Verein 134 Geschäftsinhabern und 7 Gehilfen für die geschenksweise Überlastung von 1250 Bänden seinen Dank aussprechen. Heute zählt die Bibliothek, die mehr als zwanzig Jahre von Paul Meßerschmidt in um sichtiger Weise verwaltet wurde, einschließlich 1150 Bänden, die von dem Deutschen Buchgewerbeoerein als Leihgabe überlassen sind, rund 11000 Bände aus allen Gebieten der Literatur, die den Mitgliedern eine reiche Fundgrube für Belehrung sind. Werfen wir einen Gesamtblick auf den langen Zeitraum von fünfundsiebzig Jahren, den derBuchhandlungsgehilsen-Verein am heutigen Tage zurückgelegt hat, so können wir mit auf richtiger Freude und berechtigtem Stolz sagen: sein Wirken ist ein segensreiches gewesen. Hunderten von Gehilfen hat er durch Vorträge weitere Ausbildung vermittelt und ihnen dadurch ihr ferneres Fortkommen erleichtert. Hunderten von Gehilfen hat er in Krankheit und Elend geholfen, manchen Witwen und Waisen ihre Not gelindert. Cr hat alle Aufgaben, die er sich selbst stellte, glücklich gelöst und die Hoffnungen, die bei seiner Gründung gehegt wurden, in vollstem Maße erfüllt. Daß dies alles in so überaus glücklicher Weise gelungen ist, ist nicht zum wenigsten denjenigen Männern zu verdanken, die weder Mühe noch Arbeitslast scheuten, ihre volle Kraft und ihr ganzes Interesse dem Verein zu widmen. Die Namen der Begründer des Vereins, Eduard Avenarius und Otto August Schulz, dann die Namen der Vorsteher Otto Holtze, A. Refelshöfer, A. Schürmann, Or. Schmitt, Eduard Baldamus und vor allem Paul Scholtze, der während 17 Jahren die Geschicke des Vereins lenkte und unter dessen Amtssührung die Humanitären Ein richtungen des Vereins ihren vorläufigen Abschluß fanden, sind mit ehernen Leitern in die Geschichte des Vereins eingeschrieben. Allen diesen Männern aber wird der Buchhandlungsgehilfen- Verein zu Leipzig ein dauerndes ehrenvolles Gedenken bewahren. Hochansehnliche Versammlung! Dunkel liegt die Zukunft des Vereins vor uns,' was sie bringen wird, das können wir heute noch nicht sagen. Und doch möchte ich ihren Schleier etwas lüften. Das Schmerzens kind des Vereins war von seiner Begründung an: das Vereins lokal. In 55 Jahren mußte er nicht weniger als 26mal sein