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Gerichtssaal von Nyiregyhaza spielende Drama so reich ist, denn während sonst überall die Staatsanwälte die Verurtheilung der,An- geklagten zu beantragen pflegen, übernimmt in Nyiregyhaza der Staatsanwalt das Geschäft der Vertheidigung! Nach Szeiffert nahm der Vertreter der Wittwe Solymossy das Wort und suchte in sehr erregter Weise darzulegen, daß in dem gegenwärtigen Falle ein ritueller Mord vorliege. Funtak, der Vertheidiger des Salomon Schwarz, beklagte, daß dieses Märchen selbst in gebildeten Kreise» Glauben finde; er wies sodann auf die Haltlosigkeit der von Moritz Scharf gemachten Aussagen hin und plaidirte natürlich für die Freisprechung seines Clienten. Die Verhandlungen wurden am Sonnabend fortgesetzt. Frankreich. Die Verhandlungen der französische» Deputirten- kammer über die Eijenbahnconventio«en nehmen einen für das Ca- binet Ferry durchaus günstigen Verlauf. Trotz der heftigen An griffe der Nadicalen genehmigte die Kammer ani Freitag die mit der Lyoner Eisenbahn abgeschlossene Convention mit 340 gegen 134 Stimmen, was darauf schließen läßt, daß die Kammer auch den übrigen Conventionen mit den Eisenbahngesellschaften zustinunen wird. Somit dürfte die Eisenbahnfrage in dem von der Negierung gewünschten Sinne gelöst werden und eine andere Lösung, als die großen Eisenbahngesellschasten im Besitze ihrer Betriebe zu lasse», er scheint auch kaum möglich. Denn um die Eisenbahnen, wie die Nadicalen wünschen, für den Staat zurückzukaufen, dazu fehlt es der französischen Negierung gegenwärtig an den nöthige» finanziellen Mitteln und so wird dieselbe die Gesellschaften wohl oder übel im Besitze ihres Monopols lassen müssen. — Weder über die Tonkin- Expedition noch aus Madagascar liegen irgendwelche Nachrichten vor und läßt sich daher über den Stand der Dinge in Tonkin wie auf Madagascar nicht das Geringste mittheilen. England. Beide Häuser des englischen Parlaments beschäf tigten sich am Freitag u. A. auch mit der Choleragefahr. Im Ober hause theilte der Unterstaatssecretär im Kriegsministerium, Graf von Morley, mit, daß bis zum 26. Juli von den englischen Besatzungs truppen in Egypten 2 Officiere und 34 Mann an der Cholera er krankt und daß von diesen die beiden Officiere und 23 Mann ge storben seien; weitere Mittheilungen machte Morley nicht. Im Unter- Hause erklärte der Präsident des Local-Regierungsamtes, Dilke, auf eine Interpellation aus der Mitte des Hanfes, daß bis jetzt noch kein Fall der asiatischen Cholera in Europa vorgekommen sei; in England sei die Sterblichkeit an odoiern nostras (der europäischen Cholera) in diesem Jahre hinter dem gewöhnlichen Durchschnitt zurückgeblieben und habe in der letzten Woche nur die Hälfte des gewöhnlichen Durchschnittes erreicht. Im weiteren Verlaufe der Unterhaussitzung wurde der Antrag Stanhope, daß es nothwendig sei, die indischen Ausgaben zu beschränken, abgelehnt, dagegen lehnte das Haus ein Amendement Onslow's, das Haus möge sein Bedauern darüber aussprechen, daß Indien mit zu den Kosten der egyptischen Expedition herangezogen worden sei, mit 210 gegen 55 Stimmen ab; der Premier Gladstone hatte das Amendement als ein Miß trauensvotum gegen das Cabinet bezeichnet. — Nachrichten aus Durban (Capland) bestätigen, daß der Zulukönig Cetewayo in einem Kampfe mit dem Häuptling Usibepo gefallen ist. Ob das Reich Cete- wayo's dem glücklichen Sieger zufallen wird, oder ob es die Eng länder einstecken werden, ist noch unbestimmt. Belgien. In Belgien kämpft das liberale Ministerium Frere- Orban gegenwärtig einen harten Kampf um seine Existenz. Es kann sich nur mit Mühe der von clericaler wie von radicaler Seite aus gehenden Angriffe erwehren, doch ist es ihm gelungen, mit seinem Vorschläge, die Branntweinsteuer von 53 Franken auf 75 per Hecto- liter zu erhöhen, in der Deputirtenkammer durchzudringen. Mit 70 gegen 67 Stimmen wurde in der Dienstags-Sitzung die betreffende Vorlage angenommen, deren Ablehnung gleichbedeutend mit dem Sturze des Ministeriums gewesen wäre. Egypten. Alle Berichte aus Egypten besagen übereinstimmend, daß die Cholera in diesem unglücklichen Lande ganz anarchistische Zustände herbeigeführt hat. Die egyptischen Behörden und voran das Ministerium, scheinen vollständig den Kopf verloren zu haben, ihre Maßregeln sind theils nur halbe, theils gänzlich verkehrte und die unglaubliche Indolenz der einheimischen Bevölkerung vermehrt dazu noch die Schwierigkeiten der Lage. Die Niederbrennung der Vorstadt Bulak, desjenigen Stadttheiles, in welchem die Cholera am meisten wüthet, ist eine ebenso unnütze als grausame Maßregel, die der Ausbreitung der Keuche nicht im Mindesten Einhalt gethan hat. Nach einer zuverlässigen Zusammenstellung des „Reichsanzeigers" sind vom 9. bis 15. Juli 1115 Personen an der Cholera gestorben, während die Verluste, welche allein Kairo nach dem 15. Juli erlitten hat, mindestens auch ca. 1000 Personen betragen. Auf Irrwegen. Novelle von L. Calm. (Fortsetzung.) „Wissen Sie," lenkte Ferrandez ab, als er sah, daß Frau von Altenau im Begriff schien, ihn oder Roman zu sich zu rufen, „wo ich neuerdings meine schönsten Stunden zubringe? Bei jener Schau spielerin, die — doch ich glaube, die Damen verlangen nach Ihnen. Wahrhaftig, Fräulein Malvön selbst läßt sich herab, mit dem Fächer zu winken. Eilen Sie, Glücklicher!" Saremba ließ sich nicht zweimal auffordern. Er eilte davon, der Mexikaner sah ihm mit weichen, zärtlichen Blicken nach. In diesem Moment streifte ihn ein Damenkleid, ein Gegenstand fiel klir rend zu seinen Füßen. Er bückte sich und hob ein prachtvolles Dia- > mantenarmband auf, das ihm die Baronin Buchfeld mit huldvollem Lächeln abnahm. „Ich danke Ihnen, mein Herr. — Beiläufig, da sie ja mit Saremba so vertraut sind, und dieser wieder der Intimus aller Damen ist — es scheint etwas Geheimnißvolles im Gange, wissen Sie, warum es sich handelt?" „Ich habe nicht die Ahnung, gnädige Frau." Die Baronin hatte sich auf den Sessel in der Fensternische nieder gelassen und legte das Bracelet um ihren Arm. „Was es auch sein mag," sprach sie dabei, „meine beiden Schützlinge, Graf Saremba und Fräulein Malven, sind im Complot, das sehe ich wohl. Nun, vielleicht giebt ihnen das Gelegenheit, sich zu nähern. Glauben Sie, daß Roman meine Malven wirklich und ernstlich liebt?" „Giebt es eine ernste Liebe, gnädige Frau? Ich meine, eine, die kein Schwanken, keine Rücksichten kennt, auf welche Zeit und Umstände keinen Einfluß üben?" „Zweifeln Sie daran?" fragte sie mit mitleidigem Blick. „Aber," fügte sie dann ungeduldig hinzu, „nehmen Sie wenigstens mir gegen über nicht diese Maske der Frivolität und Herzlosigkeit vor, welche Ihrer wahren Natur so wenig entspricht." „Ich bin untröstlich, gnädige Frau, Ihnen diese schmeichelhafte Meinung von mir nicht lassen zu dürfen." sprach er wie erstaunt. „Aber mein Gott, Frau Baronin, wenn man zu hundert Malen sein Herz in Flammen gefühlt, wenn man im Sommer für Blondinen, im Winter für Brünetten geschwärmt, weim man sich oft genug Liebe durch ein Halsband, eine Schleife, selbst durch ein Glas Champagner erkauft hat, wen» man endlich auch seine kleinen Erfahrungen von Vergessenwerden besitzt — Sie wissen, gnädige Frau, dergleichen kommt wohl vor — wie soll man da noch an eine tiefe, ernste Nei gung glauben?" Sie erhob sich verletzt, aber in diesem Moment trat eine Gruppe von Offizieren vor die Nische und versperrte ihr den Ausgang. Sie blieb, in der einen Hand leicht die Falten des Kleides, in der an dern die Fächerkette haltend, mit dem vollendeten Chic der Weltdame; wer hätte in dieser durchaus aristokratischen Erscheinung das der- einstige Dorfmädchen, die arme Pfarrerstochter wieder erkannt? Ferrandez betrachtete die reinen Linnen ihres Nackens und Halses, den goldigen Schimmer der Haare, das wie in Marmor gemeißelte edle Profil und sein Blut wollte heiß empor. Er sah auch die Blässe dieser Wangen, die dunklen Schatten unter den langen Wim pern, den schmerzlichen Zug um die Lippen — er folgte der Richtung ihres starren Blickes und gewahrte den Baron, der über Fräulein Malven's Stuhl gebeugt, leise zu ihr hinabflüsterte. — „Arme Frau," dachte er, „und sie liebt ihn so sehr!" Eine unsägliche Bitterkeit füllte sein Herz. Aber auch eine Ver stimmung, eine tiefe Unzufriedenheit über sich selbst bemächtigte sich seiner. Was kümmerte ihn, der für die Fehler seiner Mitmenschen ein so scharfes Auge hatte, der sich für die personificirte Gerechtigkeit ansah, das Weib eines Andern? Wollte er Andere richten und konnte seinem eigenen Herzen nicht gebieten? „Wollen Sie gütigst erlauben?" redete er den ihm zunächst stehenden Herrn an. Dieser machte bereitwillig Platz, der Mexikaner bot Frau v. Buchfeld den Arm und führte sie zu den andern Damen. Ehe er ihre Hand freiließ, wandte sie ihm noch einmal das schöne traurige Anlitz zu: „Bitte, widerrufen Sie, was Sie vorhin sagten," sprach sie bei nahe flehend. „O, gnädige Frau, haben Sie Mitleid mit mir! Verlangt es die Ritterlichkeit, daß ich durchaus widerrufe?" „Niemand verlangt es!" entgegnete sie kalt und zog ihre Rechte von seinem Arme. Er preßte die Lippen zusammen, sein Antlitz war bleich, aber entschlossen wandte er sich ab und schritt auf den in der Nähe befindlichen Buchfeld zu. In diesem Augenblicke eilte Sa remba herbei. „O denken Sie sich!" rief er, „es ist Alles vortrefflich arrangirt! Ich Glücklicher soll als edler Prinz mich über das erwachende Dorn röschen beugen — können Sie rathen, wer Dornröschen ist?" (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * In Schmölln, Sachsen-Altenburg, erdrosselte der Eisenbahn arbeiter Lippold seine Frau und ertränkte sich dann. Er hatte auf dem Felde die Grenzsteine auf dem Acker seines Nachbars verrückt und ward deshalb angeklagt. Seine Frau war als Zeugin vorge laden. Vor der Verhandlung von ihrem Manne befragt, was sie aussagen würde, erwiderte sie: „Die Wahrheit", da sie nicht wußte, daß sie die Aussage verweigern könne. Lippold gerieth darüber in Wuth und vollführte die That. * Klosterlaußnitz in Altenb. Im benachbarten Reichenbach wurde kürzlich der Restaurateur Louis Rosenkranz, welcher dringend verdächtig ist, der Hehler einer großen Falschmünzerbande im König reich Sachsen zu sein, verhaftet. Rosenkranz soll viel falsches Gelo in Cours gebracht haben. Dessen Bruder, welcher im sächsischen Vogtlands Holzhandel betreibt, soll wegen desselben Vergehens eben falls gefänglich eingezogen worden sein. * Greiz. Die vom hiesigen „Verein für Naturfreunde" im Fürstlichen Park daselbst ausgesetzten und gehegten Nachtigallen haben dort genistet. Jetzt sind in 7 Nestern junge Nachtigallen auögekrochen, die demnächst flügge werden, so daß sich also der Bestand um un gefähr 30 bis 40 Stück vermehrt haben dürfte und somit die Hoff nung vorhanden ist, diese lieblichen Sänger jedes Jahr wiederkehren zu sehen.