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HL dich erhaben seyn mag, so stehe ich doch an Geistesbildung und Kenntnissen, und an dem, was zur wahren Glückseligkeit gehört, in de» ren Besitz du dich befindest, sehr weit unter dir. Nm dessentwillen habe ich mich entschlos sen, dich schriftlich zu mir einzuladen, über zeugt, du werdest meinem Wunsche nicht zu wider seyn. Versuche es demnach in alle Weise, mein Gesellschafter zu werden, und wisse, daß du hierdurch nicht nur mein, son dern des ganzen Macedoniens gemeinschaft licher Lehrer seyn wirst: denn wer den Be herrscher Macedoniens in Einsichten und Tu genden weiter bringt, der veredelt offenbar , sein ganzes Volk, da doch gemeiniglich der Gehorchende den Karakter seines Befehlha- habers ausdrückt." Hierauf des Philosophen Antwort: „Dem Könige Antigonus Zeno seinen Gruß." „Deine Wißbegierde erfreut mich um so mehr, je mehr sie auf einen wahrhaftguten und er sprießlichen Endzweck gerichtet und nicht von der gemeinherrschendcn, siltenverderbenden Tendenz unsers Zeitalters ist. Denn wer, bei seinem Wunsche nach philosophischen Kenntnissen, die allgemeingepriesene Wichtig keit, die schon manche Jünglingsseele ent nervt hat, zu vermeiden sucht, der legt nicht nur ein angebornes edles Naturell, sondern zugleich die besten Grundsätze dadurch an den Tag. Kommt nun zu jenem noch ein hin länglicher Unterricht und ein freimüthiger, edelherziger Lehrer hinzu, so läßt sich zu dem vollkommensten Besitze der wahren Tugend leicht gelangen. Ich selbst bin schwächlich und alt, und schon in meinen achtzigen, also nicht geschickt, dein Gesellschafter zu werden. Ich sende dir aber zwei meiner vertrauten Schüler, die an Geisteskräften mir nicht nach stehen, an körperlichen mich übertreffen. Ihr Umgang wird vermögend seyn, dir zum Ge nüsse einer wahrhaften Lebensglückseligkcit zu verhelfen." — So weit die originelle Korrespondenz. Die Namen der beiden Auserwählten, welche den Muth hatten, sich dem schlüpfrigen Auftrage zu unterziehen, hat uns gleichfalls die philoso phische Geschichte aufbehallen. Es waren Per- saus aus Cittium, und Philonides von Thebä. Da ein Sendschreiben des Epikurus an seinen Bruder Aristobulus ihrer, als solcher ausdrücklich gedenkt, so wäre dieses ein Beweis mehr für die historische Zuverlässigkeit der Sache. Der Ausruf, den Antigonus bei der Nach, richt von Zenos Tode hören ließ, ist wohl das ehrenvollste Zeugniß sowohl für den gehaltvol len Karakter des Betrauerten als für die unaf« fektirte und rechtliche Werchschätzung des Köni ges. „Welcher Genuß," rief er bestürzt aus, „geht mir da verloren! So groß und mannig faltig das Gute war, das ich ihm zufließen ließ, so hat es ihn doch weder schwindelig noch nie derträchtig in seinem Betragen gemacht!" Karakteristisch ist noch der Umstand, daß Athen die Schlüssel seiner festen Plätze dem Ze no in Verwahrung gav, Die Philosophen man cher