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85, II, Februar 1SII. Nichtamtlicher Teil, Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 1789 wenigstens ist in neuerer Zeit nichts über die Tätigkeit der Schmutz- und Schundlieferanten und die Folgen dieser Tätig keit bekannt geworden. In Deutschland haben wie früher so auch jetzt namentlich die Vereine viel geleistet, Lehrer sind un ermüdlich tätig, durch Ausstellungen Belehrung zu schassen. Vereine zur Bekämpfung der Unsittlichkeit, zum Teil inter konfessionell, leisten viel, Frauenvereine treten stärker hervor, auch Vereine, die sich andere Aufgaben gestellt haben und bisher fern standen, fangen an, ihre Teilnahme durch Vorträge, Resolutionen, Petitionen zu beweisen. Besonders wertvoll ist es, daß sich mehr und mehr solche Vereine zu Orts-, Kreis- ja Landesverbänden — so in Württem berg — zusammenschließen und daß sich in den großen Städten immer häufiger aus den verschiedenen Ständen und Parteien Ausschüsse zu gemeinsamem Kampfe vereinigen, so in letzter Zeit in Magdeburg und Leipzig, — Auch die Presse beschränkt sich nicht mehr ausschließlich auf die Berichterstattung, sondern zeigt hin und wieder Neigung, sich selbständig am Kampfe zu beteiligen. Gegen das nutzbringende Unwesen der mehr oder weniger verhüllten Schmutz- und Schundinserate und die Nick Carter-Berichterstattung von Mordgeschichten wird besonders durch Vereine schärfer vorgegangen. Als wichtigstes Kampfmittel ist unbeschadet des Wertes von Untsrdrückungsmaßregeln doch meist die Borbeugungs und Ersatzmaßregel anerkannt worden, die durch Schmutz und Schund in Wort und Bild zumeist bedrohten Kreise unseres Volkes durch ausreichenden guten und billigen Lesestoff zu schützen und zu festigen, diesen Stoff leicht zugänglich zu machen und vor allem Kinder und Eltern auf ihn hinzuweisen, sie mit der Art und Gefahr des Schundes bekannt zu machen. Das geschieht wohl am besten in der von Professor Brunner neuer dings angewendeten Form, daß zunächst den Kindern, womög lich im Beisein der Eltern — unter Umständen durch Licht bilder unterstützt — eine Reihe der schönsten Märchen und anderer Jugendschriften gezeigt und erläutert wird mit an schließender Ermahnung, nur die von den Eltern und Er ziehern empfohlenen Bücher zu kaufen, und daß nach Ent lassung der Kinder die Eltern durch Vortrag und Bei spiele gründlich über die Art und die Folgen der Schund literatur aufgeklärt werden. Zahlreiche Sammlungen billiger Bücher, die alle gut sein wollen, sind in den letzten dreiviertsl Jahren zu den stark vermehrten alten getreten, beträchtliche Mittel sind von Behörden — namentlich den Magi st raten der größeren Städte — für Neuschaffung und Vermehrung der Schulbibliotheken bereit gestellt, und noch viel mehr werden in nächster Zeit zur Verfügung stehen, auch Vereine und Private tragen viel bei: es kommt wesentlich darauf an, Kapital und Bücher nutzbar zu machen. Dazu soll derBuchhandel beitragen. Der B ö r s e u v e r e i n hat sich mehrfach gegen Schmutz- und Schundinserate, namentlich diejenigen ausländischer Witz blätter gewandt, verschiedene Firmen aus dem Adreßbuchs gestrichen, sein Hauptaugenmerk aber hat er — und dies soll erst recht in Zukunft geschehen — darauf gerichtet, als immer mehr anerkanntes Hauptkampfmittel die richtige Massen verbreitung guten, billigen Lesestoffes anzuwenden. Er hat seine Organe, die Kreis- und Ortsvereine und ver wandte Vereine herangezogen und teils durch diese, teils selb ständig sich an maßgebende Behörden lStadtmagistrate, Kreis- schuldeputationen) gewandt, um stärkeren direkten Einsluk aus die bisher wesentlich durch die Lehrerprüfungsausschüsse be stimmten Verzeichnisse der zur Anschaffung für Kinder und Eltern, Volksbüchereien, Schülerbibliotheken und ähnliche empfohlenen Jugend- und Bolksschriften zu gewinnen. Die Kreis- und Ortsvereine haben in ihren Versammlungen sich eingehend mit dem Kampfe gegen Schmutz- und Schundliteratur beschäftigt und wesentlich zur Klärung der Begriffe Schmutz- und Schundliteratur sowie zur Feststellung der besten Kampsmittel je nach Lage der Sache beigetragen. Einzelne Buchhändler haben, allerdings bisher nur in wenigen Orten, durch Behörden und Prüfungsaus schüsse Gelegenheit gefunden, ihre Ansicht bei Aufstellung der Verzeichnisse, Anschaffung der Bücher, Ausstellung von solchen zu vertreten; andere Buchhändler haben durch Vorträge und in Kampfausschüssen gewirkt. Obwohl der Kampf sich immer mehr ausdehnt: Rektoren höherer Schulen beteiligen sich häufiger, Studenten zeichnen sich aus in Arbeiterbildungskursen, in München wird sogar eine Universitätsvorlesung gegen Schundliteratur gehalten —, obwohl beträchtliche Erfolge unbestreitbar sind, bleibt noch genug zu tun übrig. Eine statistische Übersicht der Jugendschriftenwarte bringt wenig erfreuliche Ergebnisse, Aus besonderen Anlässen sind die Konfirmanden aufgefordert worden, die in ihren Händen befindliche Schundliteratur abzuliesern: in wenigen Tagen wurden, um nur einige Beispiele anzuführen, in Bremen 700—800, in Stettin in zwei Wochen über 6000 Hefte ab- geliesert. Den stärkeren Angriffen entspricht der Widerstand, der immer neue Formen findet zur Verbreitung und Ver hüllung des Schundes, Besonders wirksam scheint die Form des »K u n d e n r o m a n s«. Erst in den letzten Tagen meldeten wieder Zeitungen die Ausbreitung bedenklicher Kolportageromane auf dem Lande, Wo nicht die Schulbehörden einen Druck auszuüben vermögen, gelingt es verhältnismäßig nur selten, die Schundliteratur aus den Aus lagen — namentlich denen in den Haussluren — zu vertreiben, II, Aus der Bewegung im Aus lande das für Deutschland Wichtig st e, Frankreich. Die Pariser internationale Konvention hat beschlossen: I, Es muß bestraft werden, wer l, fabriziert oder aus Lager hält, um Handel oder Verschleiß zu treiben: Schriften, Zeich nungen, Bilder und Gegenstände unsittlicher Natur; 2, solche einführt oder einführen läßt, transportiert oder transportieren läßt, oder auf irgendeine andere Weise in Zirkulation setzt; 3, nicht öffentlichen Handel oder Verleihung damit treibt; 4, diesen Handel durch ein Beröffentlichungsmittel bekannt gibt, II, Die Personen, die gegen Artikel I verstoßen haben, sind vor die Gerichtshöfe der Staaten zu stellen, wo das Delikt vollzogen wurde oder wo eines der das Delikt bildenden Elemente sestgestellt wird. Sie können aber auch vom Ge richte des Staates belangt werden, dem sie angehören, wenn sie dort betroffen werden, auch wenn das Delikt in einem andern Staate verübt wurde. Auf Grund dieser umfassenden und ein schneidenden Beschlüsse hat die französische Regierung einen aus- führlichenGesetzentwurßder von der Deputiertenkammer bereits genehmigt ist, ausgearbeitet, der Gefängnisstrafe von einem Monat bis zu zwei Jahren und Geldbuße von 500—5000 Frcs. lvegen Vergehens der Verletzung der Sittlichkeit vorsieht, begangen durch Verbreitung von Gegenständen oder Dar stellungen »schlüpfriger oder unsittlicher Art«, sei es auch als Importeur, Zwischenhändler oder durch Inserate, — Die Tätigkeit der l-igue liraneniso cks la Noralits üubligno macht sich bemerkbar in einer Klage des Senators Verenger, die zur strafgerichtlichen Verfolgung von 180 Pariser Masseusen ge führt hat. Ein Pariser Verleger von zwei Aufklärungswerken ist nach Versendung der Prospekte an ein Brautpaar wegen Beleidigung mit vier Monaten Gefängnis und 4000 Frcs. Geldbuße bestraft. Als Gegenstück sei die Notiz des Temps erwähnt: man brauche sich nur die Auslagen in den Buden 2ZS