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lassen?" und in heftiger Erregung fügte er hinzu: „Es hat jetzt feinen Zweck erfüllt. Das Schriftstück war für mich bestimmt und ich habe es erhalten. Es ist genug des Un heils, das es angestiftet. Und der bald darauf genommene Vorsatz wurde zur That. Nach wenigen Augenblicken flammte ein hellloderndes Feuer im Ofen empor, welches eben so schnell, wie es entstanden, wieder erlosch und mit diesen Flammen erstarb die traurige Selbstanklage des alten Brandt. Walther stand noch lange da und blickte träumerisch in die verglimmende Asche des Schriftstückes, als er plötzlich durch ein eigenthümliches Pochen und Hämmern, das von unten zu ihm herauftönte, aus seinem Sinnen aufgeschreckt wurde. Jetzt hörte er das Erbrechen der Thür und die Stimme des ihm wohlbekannten Revierlieutenants, welcher staunend ausrief: „Ein Selbstmörder!" Jetzt vermochte sich Walther nicht langer zu beherrschen, er eilte hinab und blickte bald darauf in die gräßlich ent stellten Züge desjenigen, der sich selbst gerichtet. Er stand erschüttert und abgewandt und hörte nur halb die Anord nungen des erschienenen Arztes und der Behörden; was in diesem Augenblick in Walther vorging, läßt sich unschwer errathcn, er mochte wohl denken, daß den Mann eine schreck liche Strafe für seine große Sündenschuld ereilt hatte. Da hörte Walther plötzlich eine ihm wohlbekannte Stimme die Worte ausrufen: „Drenker ist todt, sagen Sie? es ist nicht möglich!" „Jawohl!" antwortete Einer aus der die Leiche zahlreich umstehenden Menge, „hier können Sie sich überzeugen, er hat sich selbst das Leben genommen!" Die Stimme des Fragenden war Walther nur zu gut bekannt und er hätte sie bis in alle Ewigkeit nicht vergessen können, diese Stimme, die ihm einst das schneidenste Weh seines Herzens verursacht und die ihm fast höhnend gesagt hatte, „meine Tochter wird sich an demselben Tage, wo ich mich wieder zu verehelichen gedenke, mit Meinhardt ver mählen !" Mächtig drangen die Erinnerungen der letzten Zeit beim Hören dieser Stimme auf Walther ein und ein tiefer Groll erfaßte ihn, als er den in's Gesicht blickte, der nicht allein über seine Eltern so großes Elend gebracht, sondern der auch sein Lebensglück und seine Hoffnungen jäh zer trümmert hatte. Walther hatte sich umgewandt und seine Augen begeg neten den über den Verlust seiner irdischen Güter bleichen und angstverzerrten Zügen Wernheims, der herbeigeeilt war, um die Entflohenen zu erjagen, statt dessen aber die Leiche eines Selbstmörders und — den Sohn des von ihm zur Verzweiflung gebrachten Händel fand. Auch Wernheim hatte Walther bemerkt und er glaubte, daß dieser hier sei, um die Leiche und ihn anzuklagen vor den ebenfalls mit anwesenden Gerichtspersonen, welche um die Bahre standen und Wernheim wurde um so mehr von dieser Ansicht bestärkt, als er den tiefgrollenden, haßerfüllten Blick sah, welchen ihm Walther zuwarf. Wernheim senkte vor diesem Blick unwillkürlich die Augen zur Erde, ihm wurde es jetzt zur Gewißheit, daß Walther um seine elende That wissen müsse; im Geiste fühlte er sich schon vor dem Richter geführt, der ihm die Worte: „Du bist ein Betrüger und Fälscher!" in's Gesicht schleuderte, er sah sich verhöhnt, entehrt, gebrandmarkt! Aber nein, noch war er frei! noch war das vernichtende Wort: „Sie sind verhaftet!" nicht erfolgt. Er wandte sich um und wie von Furien der Hölle gepeitscht, ergriff er sein Heil in der Flucht! Ein mitleidiges Lächeln spielte um Walther's Lippen, der den Gedankengang Wernheims errathen haben mochte. „Der Elende!" hörte man ihn lispeln, „er hatte den Muth, eine schlechte That zu begehen und nun ist er zu feige, der Strafe in's Auge zu schauen! Fahre hin, Du Thor, der Arm der rächenden Nemesis hat Dich bereits erreicht!" 11. Ein volles Jahr liegt zwischen dem letzten Theil unserer Erzählung und demjenigen, welchen wir jetzt vor den Augen unserer Leser entrollen wollen. Die hochgehenden Wellen, welche verursacht waren durch den Selbstmord Drenkers und durch sein nachher aufgerolltes verbrecherisches Lebensbild, hatten sich bereits gelegt und waren von neueren Ereignissen überfluthet. In dem Leben unseres Freundes Walthers war im Verlauf dieses Jahres nur die eine Veränderung einge treten, daß er den Staatsdienst quittirt und sich zur Be- wirthschaftung seines Gutes ganz dorthin zurückgezogen hatte. Die alte Elsbeth waltete wieder wie ehedem auf dem Gute, nur mit dem Unterschied, daß dieselbe, während sie früher nur Haushälterin des Inspektors war, jetzt die erste Violine bei dem neuen Gutsherrn spielen durfte. Und sie bildete sich nicht wenig daraus ein, das ganze weibliche Per sonal kommandiren zu dürfen. Die langen Bänder ihres unvermeidlichen weißen Häubchens bildeten sozusagen einen Ersatz für das Haar, von dem ihr das Alter nur wenige dünne Strähnen gelassen hatte und lächelnd blickte ihr Walther ost nach, wenn sie in ihrem weitbauschigen Nock mit der blendend-weißen Schürze gravitätisch einherschritt, um nach Küche und Keller zu sehen. Walther hätte sich keine bessere Wirthschafterin wählen können, sie war, wie man zu sagen pflegt, goldtreu und wußte ihn oft durch ihren derben Witz und ihren sprudeln den Humor zu erheitern. Walther selbst vollführte als Gutsherr ein Einsiedler leben. Mit den Gutsherren der Nachbarschaft pflegte er keinen Umgang und seine einzige Zerstreuung blieb die Fortsetzung seiner Studien, denen er sich mit großem Eifer hingegeben hatte und er war eben mit der Bearbeitung eines größeren mathematischen Werkes beschäftigt, das später der Oeffentlichkeit zu übergeben gedachte. (Schluß folgt.) An eine Akume. Sprosse, zarte Blume, Aus der Erd' empor! Laß uns staunend schauen, Wie du trittst hervor! Welke, zarte Blume, Schließ die Augen nun! Lieblich war dein Anblick, — Es ist Zeit, zu ruhn. Blühe, zarte Blume, Holde Sonnenbraut, Wind und Regenschauern Und der Nacht vertraut! Stirb, du zarte Blume, Stirb im Sonnenschein! Aus ist nun dein Tagwerk, Aus ist deine Pein! Glanz ward keinem Tage Mehr, als dir sich bot; Unser Loos ist deines: Leben — Lieben — Tod! Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Paul Weber in Pulsnitz.