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Freitag, 2V. Januar 1S28 Beilage zu Nr. 17 8V. Jahrgang Finanzfragen im Lanvtag. A. Sitzung.) OL. Dresden, 19. Januar. In der heutigen Sitzung gelangte zunächst ein Schreiben tzeS Ministerpräsidenten zur Vorlesung, in dem mitgeteilt wird, daß da- Gesamtministerium seine Stellung zu dem Beschluß de» Landtages auf Gewährung von Notstandsbeihilsen an die »aatlichen Forstarbeiter nicht geändert habe. Die Vorlage über den Geschäftsbericht der Landesbrandversicherungsanstalt für da- Jahr 1926 wird ohne Aussprache an den Haushaltsaus- schuß verwiesen. E- folgt die erste Beratung über einen sozialdemokratischen Antrag wegen Übernahme der vom Reich zurückverlangten Baudarlehen per Fertigstellung stilgemäßer Wohnungsbauten aus das Land. Abg. Müller-Planitz (Soz.) begründet den Antrag. Die (Zvarlehensnehmer würden durch das Verlangen des Reiches t» eine schwierige Lage gebracht. Seine Partei wünsche, daß dl, aekündiaten Darleben auf das Land übernommen werden. Mn Regierungsvertreter erklärt, die Hoffnung aus Be schaffung von Ersatzdarlehen für die gekündigten Darlehen habe sich nicht erfüllt. Erreicht wurde vom Reiche nur eine Verlängerung der Kredite bis zum 31. Mürz 1928. Auf Grund der Kündigungen seien bisher rund eine halbe Million Reichs mark zurückgezahlt worden. Weitere Rückzahlungen stünden in Aussicht. Auf Vorschlag der Regierung habe der Verteilungs- ausschutz de- staatlichen Wohnungsbaustockes seine Genehmi gung dazu erteilt, daß bei der Verteilung für das Jahr 1928 rin Betrag eingesetzt wurde und die Rückzahlung dem Reiche gegenüber in solchen Fällen vorzunehmen, in denen durch die Aufrechterhaltung der Kündigung die Darlehennehmer in eine schwierige Lage gebracht werden würden. Dem vorliegenden Anträge sei also seitens der Regierung bereits Rechnung ge tragen wordtn. Abg. Nebrig (Soz.) begründet den sozialdemokratischen Antrag aus Änderung des Gesetzes über die Steuer- und Ge- bührenfreiheit für Wohnungsbauten. Ein RegierungSvcrtretcr erklärt, die Regierung werde demnächst ein Abänderungsgesetz vorlegen, da das alte Gesetz abSnderungsbedürstig sei. Die sozialdemokratischen Anträge und ein sozialdemokratischer Entschließungsantrag gingen an Wetter ae/migtt zur Beratung ein sozialdemokratischer Antrag, die Regierung zu ersuchen, ihren Vertreter in der Konferenz der Ministerpräsidenten zu beauftragen, gegen das Programm der wirtschaftlichen Spitzenvcrbande der deutschen Industrie zu stimmen. Ministerpräsident Heldt erklärt, das sogenannte Not- drogramm der Spitzenverbände der deutschen Industrie ist in der Konferenz der Ministerpräsidenten i» Berlin überhaupt nicht zur Besprechung gelangt. Zu Punkt 2 der Tagesordnung der Länderkonferenz besteht Einigkeit darüber, daß Maßnahmen zur Sicherstellung sparsamster Finanzgebarung in Reich, Ländern und Gemeinden getroffen werden sollten. Ein Beschluß, in dem bestimmte Maßnahmen in Vorschlag ge bracht Werden, ist nicht gejaßt worden. Zur Bearbeitung dieser Frage ist unter dem Vorsitz des Reichsministers der Finanzen ei» Ausschuß eingesetzt worden. Zu den Vorschlägen, die dieser Ausschuß ausarbeiten wird, wird die sächsische Regierung noch Gelegenheit haben, Stellung zu nehmen. Abg. Böttcher (Komm.) meint, die Tendenz des Einheits staates sei eine Tendenz zur Stärkung der kapitalistischen Herrschaft. Der Antrag der Sozialdemokraten ging hieraus an den MechtSausschuß. Hieraus begründete Abg. Lippe (Din.) einen Antrag seiner Partei aus Beseitigung der Stempelkosten für Urkunden nnd vankbürgschasten und Avantkredite der Zigarettcnindustrie. — Der Antrag Wird ohne Aussprache an den Rechtsausschuß derw^eleu^ - - Ein Antrag der Wirtschastspartei, der vom Abg. Aßmann begründet Wird, verlangt für die geschädigten Bewohner im Unwettergebiet Erlaß der seit der Unwetterkatastrophe bis zur Herstellung der geschädigten Grundstücke und Betriebe aus laufenden Steuern und ganze oder teilweise Befreiung der Geschädigten von der Mietzinssteuer, Grundsteuer und Ge werbebelastung. Abg. Dr. Kastner (Dem.) macht die Stellungnahme seiner Partei zu dem Anträge von der Haltung des Finanzministe riums abhängig. Abg. Siegel (Komm.) spricht sich für eine Staffelung in der Steuerfreiheit aus. Der Haushaltsausschuß S wird sich weiter mit der Ange legenheit befassen. Sodann beantragt die Kommunistische Partei, die Regie rung zu beauftragen, bei der Reichsregierung dahin zu wirken, das Gesetz über die Senkung der Lohnsteuer vom 19. Dezember 1927 so abzuändern, daß mit Rücksicht auf die Mietserhöhung und infolge der erheblich gesteigerten Le benshaltungskosten der vom Steuerabzug freiwerdende Ein kommenssatz um 50 Ps. erhöht wird. Ein sozialdemokratischer Redner spricht sich für den An trag aus, der darauf auch an den Ausschuß geht. Vor fast leerem Hause begründete schließlich Abg. Bleier (Komm.) einen Antrag seiner Partei, die Regierung zu beauf tragen, bei der Reichsregierung vorstellig zu werden, sofort Anweisung zu geben, daß die Erwerbslosenunterstützung an die Ausgesperrten der Mitteldeutschen Stahlwerke A.-G. in Riesa und Gröditz restlos zur Auszahlung gelangt. Abg. Dobbert (Soz.) kritisiert die Motive der Kommunisten im Kampfe der Hüttenarbeiter, erklärt sich aber im übrigen mit dem kommunistischen Antrag einverstanden. Ein Antrag der Kommunisten, ihren Antrag in sofortige Schlußberatung zu nehmen, fand Widerspruch, worauf der Antrag dem Haus- haltungsausschuß L überwiesen wurde. Nächste Sitzung Dienstag, 24. Januar, nachmittags 1 Uhr. Altbefitzrechte an städtischen Anleihen. In den Kreisen der Inhaber städtischer Anleihen herrscht eine starke Enttäuschung darüber, daß im ab gelaufenen Jahre noch keine Auslosung der Ablösungs anleihen erfolgt ist, obwohl die Altbesitzrechte nahezu von allen Gemeinden festgestellt worden sind und die Altbesitzer hierüber einen Bescheid von der zuständigen Stelle er halten haben. Diese Enttäuschung ist verständlich. Die Ursache der Verzögerung ist aber nicht bei den Gemeinden zu suchen, sondern die Ausreichung der Ablösungsanleihe und die Vornahme der Auslosung ist lediglich dadurch verzögert worden, daß in Sachsen im Gegensatz zu fast allen anderen deutschen Ländern, besonders im Gegensatz zu Preußen, noch immer nicht die Frage entschieden ist, ob es für die Gemeinden bei dem im Änleiheablösungs- gesetz als Regel vorgesehenen Aufwertungssatz (Ablösung mit 2,5 Prozent des Goldmarkwertes der Anleihe, ver bunden, mit einem fünffachen Auslosungsrecht für Alt besitzer) verbleibt, oder ob eine erhöhte Aufwer tung (Erhöhung des Einlösungsbetrages bis auf das Zehnfache des Ablösungsbetrages), oder eine ver kürzte Tilgungsdauer (Herabsetzung von 30 Jahren bis auf 20 Jahre) Platz zu greifen hat. Die von der sächsischen Regierung bestellten Treu- händer haben seinerzeit innerhalb der gesetzmäßigen Frist - für alle Gemeinden und für alle Gläubiger den Antrag aus erhöhte Aufwertung vorsorglich gestellt, über diese Anträge haben die zuständigen Spruchstellen, die Kreis ausschüsse, aber bisher nur in einer verschwindend ge ringen Zahl von Fällen, die nur kleinere Gemeinden be treffen, entschieden. Für die große Masse der Gemeinden, und vor allem für die größten unter ihnen, die Groß städte, schwebt das Prüfungsverfahren noch. Vor einer endgültigen Feststellung des Aufwertungssatzes ist es aber für die Gemeinden unmöglich, auch nur ab schlagsweise Ablösungsanleihen auszugeben und eine Auslosung zu veranstalten. Das Ministerium des Innern hat zwar durch eine Verordnung vom 8. Oktober 1927 die Kreishauptmannschaften veranlaßt, für eine beschleu nigte Erledigung der bei ihnen anhängigen Fälle Sorge zu tragen. Die Prüfung der Anträge nimmt aber nicht den gewünschten Fortgang, so daß sich der Sächsische Ge meindetag veranlaßt gesehen hat, erneut beim Ministerium vorstellig zu werden, um einen für die Gemeinden wie für deren Gläubiger gleich uner wünschten Schwebezustand endlich zu beenden. Klageerhebung -es sächsischen Zentrums beim Gtaatsgerichtshof. Wie von zuständiger Stelle gemeldet wird, hat die sächsische Zentrumspartei beim Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich Klage gegen die Gültigkeit einzelner Be stimmungen des sächsischen Landeswahlgesetzes vom 6. Oktober 1926 erhoben und beantragt, die Paragraphen des Landeswahlgesetzes für verfassungswidrig zu er klären, in denen bestimmt wird, daß eine bisher im Land tag nicht vertretene Partei Wahlvorschläge bei einer Neu wahl nur dann einreichen darf, wenn sie gleichzeitig 3000 Mark beim Landeswahlleiter hinterlegt. Die Behauptung, die sächsische Negierung habe ver sucht, die Zentrumspartei zur Zurücknahme der Klage zu veranlassen, ist unzutreffend. Oie Stadt Dresden und Garrasani. Wie mitgeteilt wird, ist zwischen Direktor Stosch- Sarrasani und dem Rat der Stadt Dresden eine dahingehende Einigung zustandegekommen, daß der Rat der Stadt Dresden seine Bereitwilligkeit erklärt hat, dem Zirkus Sarrasani Erleichterungen zu schaffen, derer das Unternehmen zur Erhaltung seiner Lebensfähigkeit in Dresden und damit auch in Sachsen bedarf. Es sind Vereinbarungen in Aussicht gestellt, die das große Zirkus gebäude in Dresden dauernd betriebsfähig machen dürften. Anfechtung der sächsischen Landtagswahlen. Auf Grund der Entscheidung des Staats gerichtshofes. Wie eine Dresdener Zeitung meldet, haben sowohl die Zentrumspartei als auch die U. S. P. D. Klage beim Staats gerichtshof auf Ungültigkeit der sächsischen Landtagswahlen eingereicht, mit der Begründung, daß in Sachsen dieselben einschränkenden Bestimmungen im Wahlgesetz enthalten wären, die zur Ungültigkeitserklärung der Wahlen in Hessen, Bremen und Mecklenburg durch den Staatsgerichtshof ge führt haben. Mag auch die Liebe weinen ... Roman von Fr. Lehne. 8S. Fortsetzung. (Nachdruck verbeten.) »Gut und freundlich. Manchmal sieht er mich so durchdringend an, so fragend. Sissi sagte . ir mal, altklug wie sie ist: „Papa möchte Sie gern malen, Ma ma erlaubt es aber nicht." Die Gräfin ist so eitel; sie ist nur darauf bedacht, ihre Schönheit zu pflegen. Zwei Stunden des Morgens zur Toilette reichen nicht! Die Jungfer ist immer in Aufregung. Mal ist das Badewasser zu heiß, mal zu kalt. Und Kölnisches Was ser muß hineingetan werden! Ach, und ehe die Frisur so ist, wie sie sein soll, Mutterl, vu hast ja keine Ah- nung wie das zugeht " „Ist sie wirklich so hübsch?" „Ja, aber etwas Puppenhaftes hat ihre Schönheit. Sie ist klein und zierlich. Die drei Kinder glaubt van ihr kaum, so jung sieht sie aus." Frau Berger wurde nicht müde, zuzuhören und zu fragen; das geringste interessierte sie. Da sprang Lori endlich aus. „Mutterl, ehe es dunkel wird, lasse mich auspacken nein, du nicht — Rosa hilft mir, und Erich brennt derweilen die Kerzen am Weihnachtsbaum an; ich bin gleich wieder da." Heiter lief sie hinaus. Mutter und Sohn sahen sich lange schweigend an. Krau Berger brach plötzlich in ein krampfhaftes Schluch- zen aus. „Ach, Erich, er ist nicht glücklich geworden. Er hat nichts dafür eingetauscht, daß er uns aufgegeben! ist hie Strafe des Himmels. Und nun ist Lori, Tochter, in seinem Hause! Sie sieht mir so ähn- "ch — ob sein Gewissen erwacht ist?" »Mutter grüble doch nicht." ,, .»Ich habe keine Ruhe mehr, Erich," murmelte sie. kwenn er durch die Achnlichkcit wirklich entdecken Lore seine Tochter ist? Das große Inter- Hs, da- er an ihr nimmt." „Er wird es nicht erfahren, wenn du schweigst, Mutter!" entgegnete Erich bestimmt. „Es hat alles kei nen Zweck, was du sinnest und rräumst! Am besten wäre es, ich nehme Lore dort fort. Deine Gedanken an Vergeltung reiben dich nur auf — und mir nehmen sie schließlich meine Ruhe und Sicherheit, die ich nö- tig brauche, — jetzt mehr als je —" fügte er leise hin zu. Dann schüttelte er mit einer unwilligen, hastigen Bewegung den Kopf und machte sich daran, Lores Wunsch zu erfüllen. Es dämmerte stark, und der feier liche Glanz der Weihnachtskerzen erhellte den greßen, niedrigen Raum. „Wie schön!" Beinahe geblendet blieb Lore auf der Schwelle stehen, in ihrem Arm zahlreiche Pakete haltmd. Mit nassen Augen blickte sie auf die brennenden Lichter. „Wie schön!" wiederholte sie leise und trat dann näher, um ihren Lieben zu bescheren, was sie ihnen mitgebrachr hatte. „Hier, Mutterl, für dich. Schilt aber nicht, wenn du auch manches für unnütz hältst. Es ist ja doch nur einmal Weihnachten. Einen Mantel hat dir ja Erich geschenkt — da dachte ich ein Kleid wäre dir auch will kommen." Frau Maria strich über den schwarzen, glänzenden Stoff; Lore hatte ihren Wunsch erraten: ein neues Kleid gebrauchte sie sehr nötig! Die seidene Schürze, warme Handschuhe, der weiche feinsarbige Schal — alles das war mit so vieler Liebe ausgesucht. Dazu die guten Leckereien, Nürnberger Lebkuchen, feine Scho kolade. i „Mutterle, dafür hab' ich wirklich kein Geld aus gegeben — ich sehe es dir an, du willst dich ärgern! — Das hab ich alles bekommen; aber warum soll ich es denn essen?" Sie hielt Erich lachend einen Künstlerlebkuchen ent- gegen, eine dicke Sennerin darstellend. „Die hab' ich dir zugedacht als Zukünftige! Und hier die Flasche Arak soll dir einen feinen Grog lie fern, wenn du durchfroren aus dem Revier kommst. Zigaretten rauchst du ja, diese Sorte wird dir schon schmecken Ich hab' sie selbst versucht." Ein Album mit Ansichten von München, zwei Kra- Watten und eine Jagdwcfle legte sie ebenfalls vor ihm hin. Voller Geschäftigkeit eilte sie von einem zum an- dem. Sie band der Mutter die schöne schwarzseidene Schürze vor, legte ihr den lila Chiffonschal über die Schultern und führte sie vor den Spiegel. „Erich, sieh nur, wie sein und vornehm unsere Mut ter aussieht! Wie eine richtige Gräsin." Sie lachte und war glücklich im Geben. Der Mutter stürzten die Tränen aus den Augen. „Kind, da hast du ja dein ganzes Gehalt für uns auSgegeben! Darum hast du noch nichts zum Sparen geschickt. Es sind doch alles gute, teure Sachen." „Still, still!" Lore legte ihr die Hand auf den Mund. „Ich hab's ja doppelt wieder! Hab's euch ja schon geschrieben — vom Grafen Allwörden bekam ich in einem seinen Portemonnaie, das in einer modernen Tasche steckte ein hübsches Geldgeschenk! Das hab' ich mitgebracht, damit Erich es mir einzahlt auf der Sparkasse. — Für Erich hätte ich gern einen echten Gemsbart gekauft — dcch die waren sehr teuer." Er zupfte sie am Ohrläppchen. „Närrchen du! Tu hast wohl ganz vergessen, daß ich schon einen habe und noch dazu von einem selbst geschossenen Gemsbock." Sie schlug sich vor die Stirn. „Ach ja, freilich!" Lachend schob sie ihm ein Smck Kcnfekt zwischen die Lippen; sie war ganz das lebhafte, holde Kind von ehedem. Durch ein niedergebranntes Licht fing ein Zweig Feuer: er sprühte mit leisem Glühen und Knisten aus, das Zimmer mit süßem, weihnachtlichen Tust ersüllend. Lore sah zu, wie Erich das Licht auslöschte. „Die schöne Tanne! Solche haben wir noch ni: gehabt!" — - . — ,