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Nr. 87. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 25. Juli 1912. Seite 6. nach Lodz und Warschau verfrachtet wurden, verloren die Händler rund 20 000 M!. Dagegen erzielten sie durch den auf diese Weise erzielten Preisaufschlag für di« nach Oberschlefien abgesetzten Schweine einen Mehr betrag von rund 40000 Mk., so daß ihnen ein Mehr profit von rund 20000 Mk. in die Tafche floß. Köuig-brück. (Ueber den UnglückSsal l) auf dem Truppenübungsplatz wird ausführlich berichtet: Am Sonntag nachmittag ereignete sich in unmittel barer Nähe deS Dorfe» Otterschütz ein schwerer Un- glückSsall, wobei der zum Wacht- und ArbeitSkom- mando kommandierte Soldat Heinrich, 7. Kompagnie Infanterie-Regiment Nr. 102, sein Leben einbüßte. Heinrichs war mit einigen Kameraden seine» Kom- mando» auf den Platz gegangen, wo er ein abgeschos sene» Artillerie-Seschoß sand. Obwohl er von seinen Kameraden aus die drohende Befahr aufmerksam ge macht wurde, hat er sich trotzdem an diesem in höchst unvorsichtiger Weise zu schaffen gemacht. Hierbei ex plädierte da» Geschoß und verletzte Heinrich» so schwer, daß er noch am Abend an den erhaltenen Verletzun gen verstarb. — Aus Grund d'.ese» schweren Unglücks sei erneut mitgeteilt, daß da» Suchen und Nufnehmen von Munition»teilen, die aus dem Truppenübung»- platz« — einschließlich der Wege — liegen, untersagt ist und nach 88 242 und 291 de» R.-Str.-G.-B. bezw. nach 88 1--4 de» Gesetze» gegen den Verrat militäri scher Geheimnisse vom 3. 7. 1893 bestraft wird. Vor dem Berühren oder Aufnehmen von bltndgegangenen Geschaffen, Zündladungen oder Zündern mit Zünd ladung wird wegen der damit verbundenen großen Leb«n»gesahr eindringlichst gewarnt. Bei Auffindung derartiger Munition»1eile wird, nachdem der Finder nöttgensall» den Fundort kenntlich gemacht hat, um Mitteilung an die Kommandantur (neue» Baracken- lager) ersucht, welche die Unschädlichmachung der Mu- nttton»tetlr am Fundorte durch Zertrümmern mittel» Sprengpatronen veranlaßt. — (Srzgebtrgische Aurstellung Frei- berg 1912.) Der stetig steigende Besuch der Aus stellung beweist, daß das Unternehmen in allen seinen Teilen gut gelungen ist. Seit dem Tage der Gr- öffnung — 15. Juni — haben einschließlich der Dauerkarteninhaber 188 800 Personen die Ausstellung besucht. Diese hohe BesuchSziffer haben vornehmlich auswärtige Schulen und Vereine gebracht, denn allein in der verflossenen Woche waren 64 Vereine und 26 Schulen anwesend. Jeder Verein, mag er heißen, wie «r will, wird in dieser Ausstellung auf seine Kosten kommen. Bietet sie doch soviel N-ue- und Anregen- des, daß jeder Stand mit Interesse und Bewunderung die vielen Sehenswürdigkeiten in Augenschein nimmt. Namentlich bietet die Ausstellung auch der Schulju gend viel Lehrreiche» und Interessante». Fast jeden Tag treffen Schulscharen mit der Eisenbahn in der alten Bergstadt Freiberg ein, um nach einer Durch- Wanderung der herrlichen Promenaden, die in gleicher Schönheit wohl nur wenige Städte aufzuweisen haben und die sich wie ein bunter Kranz um die Reste der alten Stadtmauer schlingen, die AuSst-llungShallen staunend und jubelnd zu füllen. Bei dem niedrigen EintrittSprei» (26 Pf. die Person einschließlich Lehrer, sonstige Begleiter 60 Pf.) kann den Herren Schulleitern die Wahl Freibergs als Ausflugsort und der Besuch der Aurstellung nur warm empfohlen werden. Reichenbach i. B, (Sittlichkeit-Verbrechen.) Der Schuhmacher Wagner au» Mylau hatte sich vor der Plauener Strafkammer wegen SittlichkeitSverbre- chen (Z 176,3) und Blutschande in 16 Fällen zu ver antworten. Al» man an einem der letzten Tage früh an seine Zelle kam, hatte er sich entleibt. Man ver mutet, daß er der Lustmörder der 4 jährigen Ella Simon aus Reichenbach ist, die am 19. Juli 1905 im Mylauer Wald tot aufgefunden wurde, nachdem sie seit dem 25. Juni (Schützenfestsonntag) vermißt worden war. Wagner hatte ein Verhältnis mit einer Frau Strobel, deren Mann damals von Wagner der scheußlichen Tat beschuldigt wurde. Da diesem aber nichts nach zuweisen war, mußte er auf freien Fuß gesetzt werden. Jetzt hatte die 15jährigeTochter der Strobel auSgesagt, daß Wagner der Mörder sei. An diesem Mädchen hatte sich Wagner auch vergangen. Eine versalzens Suppe sckmerkt nie mals gut. Wenn unsere Hausfrauen im Haushalt etwa» auSprobieren, glauben ste oft etwa» gut machen zu können, wenn sie etwas mehr nehmen, als angegeben ist. Das ist nicht immer richtig. So z. B. ist es falsch, von dem neuen, erprobten Kaffee-Ersatz „perlka" mehr zu nehmen als 2 knappe Eßlöffel aus ein Liter Wasser. Auch jeder Zusatz ist vollkommen überflüssig. Perlka ist nämlich so kräftig und ausgiebig, daß man nur halb so viel braucht, wie man es bei anderen Kaffee- Ersatzmitteln gewöhnt ist. Deshalb ist „Perlka" auch im Gebrauch am billigsten, — und da er nicht nur billig, sondern auch wirklich gut und gesund ist, wird jetzt in vielen Haushaltungen nur noch „perlka« ge trunken. voraussichtliche Witterung am 26. Juli: Wettervorhersage der K. S. Landeswetterwarte zu Dresden. Süd-Ost-Wind, heiter, wärmer, trocken. Magdeburger Wettervorhersage- Wolkig, zeitweise heiter, warm, vielfach Gewitter. Nachrichten aus Sem AmSesM Pulsnitz. Zur Anmeldung gelangten im 2. Vierteljahr 1912 79 Geburten, 37 AufgebvtSverhandlungen, 44 Ehe schließungen und 41 Sterbefälle. Dieselben verteilen sich wie folgt: Ortschaften. Stadt Pulsnitz Pulsnitz M. S. Vollung . . . Ohorn . . . Obersteina . . Niedersteina Friedersdorf. . Weißbach . . 28 11 13 12 9 4 7 4 2 4 3 2 17 ' 10 9 11 8 3 6 4 9 4 6 7 3 1 1 1 3 — — — Vom 1. Januar bis Ende Juni in Summa >63 Geburten, 65 Aufgebotsverhandlungen, 63 Ehe schließungei:. 85 Sterbefälle, inkl. 5 Totgeburten Mrcksn - NaÄdrlübten. Pulsnitz Sonntag, den 28. Juli, VIN. nach Trinit.: V29 Uhr in der städtischen SchulturnhaNe Predigigottes- dienst (Matth. 21, 28-31). Pfarrer Schulze. 'Ä ", Tauft?'in der Sakristei. 4 „ Spaziergang des Jungfrauenvereins. IZolckendacd. Sonntag, den 28. Juli, Vlll. nach Trinit.: '/,9 Uhr Predigtgottesdienst. ,W« hat Dir d«»» da» so schön beigebracht k" meint« Leo. ,M«i» Himmel, da» hört «ad liest man doch überall." „Ab« man macht nicht überall solch« begeistert« Augen daw.» -Wa» «an nicht mit Begeisterung tu», wird überhaupt »ichtt", entschied Hertha kure. „Sehr richtig" nickt« Leo, „wenn st« Dich nur nicht noch «al vnleitrt, üb« de« Ozean ,« ziehen." „Und men» ich e» üb« Jahr und Tag einst täte", H«rtha» Augen flammt», „dann wär« di« Begeisterung eben so »roß, daß st« «ich Europa und alle» vergeffen ließ«. Du ««ißt, ich bi» «in Bollmensch, und dies« tut alle», wa» ste tu» mit ganz« S«rl«." Sie drückt« dem Brnd« kurz und kräftig di« Hand und wandt« sich zum Geh««. Lw sah ihr »ach. „Also doch", sagte «r halblaut, .ich würd« « d«m prächtige» K«l, dem F«l»dmff, rönne», er be. käme «i« recht« Frau für srin Herz und «ine« treue« Ka- «nad«« sik sei», Arbeit." Er senkst« ti«f und schw«; di« Mädel« hatte« e« fertig »Fracht, wouach er eck« Man« vergeblich »«strebt und gern«« gen, worum « sich gemüht mit alle« Mittel», — um di« ein« Anf-ab«, »glücklich pe «ach««," Ihm war «I nicht gelungen, « hatte d«r Frau an s«i«er Seit« dielen Sonnenschein nicht »«bracht. — Oft Hatta « nächtelang schlaflos ««lege» und aus »in Mittel gesonnen, «» »u erreiche», er hatte «» «i«st so leicht -«dacht, d«« kl«i»»u. zart«« Geschöpfch«« durch sei«« Person d« Himmel auf Erd«» »» sicher», — und nun war ihre Ehe »icht» «eiter, atz «in gleichmäßig«». freundliche» Nebeneinav, dclrb«. Jeder Versuch von sein« Seit« Ruth «äb«r zu tri- ta», scheitert« a» ihrer scheue», last schüchtern«» Zurückhaltung, wie «in« unsichtbar« Mauer stell'« sich «in Etwa» i«m«r zwi» sch«» ihn und sie, und diese» „Etwa»" mußt« wohl an ihm «r allein trug di« Schuld, denn Rutb war im««r lie« rdig, nie launisch, stet» bereit, sein« Wünsch« ui rrlül- l«n; aber in so ganz anderer Art, «l« einst al» Braut, wo ihm ihn große Aebi und Zärtlichkeit ost zu vi«l g«wes«n war, u»d welch« er jetzt zurücksehnt« mit hrißem v«g«hr«» und, die i, vrrlore« hatte sür immer. Ee achtete bei de» auf ihn »instürmende» Gedanken we nig auf di« Umgebung, und erwidert« di« Grüß« d«r ihm b«g«g»entr» Bekannt«, nur flüchtig; e» war ihm, al» ginge ma» ihm an» d«m Weg« und seh« ihn stltsam mitlridivoll a» aber e» mußt« wohl Täuschung g«wese« fe>n, di« Sedan- ke» konnte ihm doch kein« von der Stirn l«s,». Der Diener eilt« herbei, ihm Säbel und Mütze ab»uneh- men und sein« Stiefel vom Staube »u befreie». Auch er hatte ei»e» fo seltsam u»dnrchdri»glichr» Ausdruck, als er meldete: ,Die -»ädig, Frau ist i» ihrem Z mmrr." Nasch betrat Leo Ruth», I» lichtblau«, Seid« gehaltenes Gemach, um ihr sogleich di« Grüß« drr Elter» zu übermittel», — aber «schreckt blieb « auf d« Schwell» steh«», — in der Eck» de» Sofa» lehnt« Ruth und schluchzt« httiznbrtchend. „Ruth was ist geschehen, war fehlt Dir?" Sie schluchzte nur noch heftiger „Er legte den Arm um sie, bettete ihren Kopf an seine Schulter und bat weich: „Liebling, nun sage mir doch Deinen Kummer, ich kann ihn doch sonst nicht teilen oder Dich trösten." „Papa" — brachte sie mühsam heraus. Leo erschrak heftig — „ist etwa» passiert?" Ruth nickte. „Ist er krank oder ist er garnicht auszudenken, Sprich doch, Liebling." Ruth schüttelte den Kopf. „Gesund ist er, Gott sei Dank, aber — — —" Leo atmete auf. „Na, dann ist alle- gut, da» übrige ängstigt mich nun nicht mehr." „Doch", Ruth schluchzte immer weiter, „Papa hat den größten Teil seines Vermögen- verloren, er hat eine Bank, mit der er zusammen oft gearbeitet, halten wollen, um so und soviel Menschen vor dem Ruin zu schützen, Papa denkt ja immer zuerst an andere, aber die Bank ist nun doch mit sämtlichem Kapital ver kracht, der Kassierer ist mit einer enormen Summe ge flüchtet. Das Geschäftliche verstehe ich ja nicht näher, ich kann es Dir nicht au-einandersetzen, — ich weiß nur die Tatsache." Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. Leo sah sehr ernst au». „DaS ist furchtbar traurig. Ruth, und besonder» sehr schwer für Deinen Vater, der all sein mühsam erworbener Eigentum so plötzlich vernichtet steht, — ist er sehr außer sich?" Ruth sah durch Tränen zu ihm auf. „Papa? Garnicht, der ist sehr ruhig, Du weißt, er hängt nicht an dem Äeloe. Er hat vielen kleinen Handwerkern und Beamten, denn die waren in der Hauptsache daran beteiligt, doch noch die Existenz ge rettet, und daS ist ihm sein lieber Gedanke. Sie schluchzte von neuem. „Wo soll ich denn hin, wenn Du mich nun fort- schickst ?" „Ich Dich sortschicken?" Er sah sieh Verständnis- lo» an. „Warum willst Du denn nicht bei mir blei- ben? Ich hoffe, gerade die notwendige Einschränkung wird un» vielleicht näher zusammensühren." „E» war zu schwer", klagte Ruth. „Aber Ruth, Du warst doch sonst nicht so", ta- delte Leo, „man muß solch äußere Schickung nicht schwerer ansehen, als sie ist, sieh mal, un- bleibt im merhin noch so viel zum Leben, womit unzählige an dere auch au-kommen müssen. Ich werde um meine Versetzung in ein Ltnienregiment einkommen, wo man in einfach gemütlichem Verkehr zu weniger Verpflich tungen gezwungen ist, — wir suchen un» eine kleine hübsche, gemütliche Wohnung, man kann darin oft zu friedener und froher sein wie in Palastbauten", trö- stete er. „Dein Vater zieht zu uns oder in die Nähe, und Du sollst sehen, bald hast Du den früheren Glanz vergeffen. Jetzt haben wir oft das Gesicht verzogen, wenn wir in» Theater mußten, weil wir doch die Log« hatten, paß mal auf, mit welchem Hochgefühl wir einst den Musentempel betreten, wenn wir un» mühsam ein Billet spendiert haben, — und so werden un» un- zählig« kleine Freuden wie Sonnenfunken in der Ein schränkung grüßen, — die jetzt, al» notwendiger Ueber- fluß gar nicht geachtet, in unser alltägliche» Leben hin eingehören. Ich bin überzeugt, Ruth, Du wirst Dich sehr bald mit Deinem veränderten Leben aussöhnen, und ich will alle» tun, e» Dir zu erleichtern." „Ach, ich!" Ruth drehte an ihrem tränenfeuchten Tuch herum, — „ich mache mir gar nicht» au- dem dummen Mammon, aber Du, Du!" Sie schluchzte von neuem und stieß herau«: „Du verlierst alle», alle-, denn Du hast mich doch nur um de- Gelder willen geheiratet, ich habe es selbst gehört, wie e- Ellinor sagte." „Ruth", er war vor ihr niedergekniet und nahm ihr die Hände vom Gesicht. „Ruth, sieh mir mal fest in die Augen; glaubst Du da» heute noch; hast Du nicht schon seit längerer Zeit gefühlt und empfunden, wa» Du mir bist?" „Ich wollte e» nicht glauben, mich nicht zum zweitenmal jenem trügerischen Wahn hingeben." Voll tiefer Liebe sah Leo zu ihr aus. „Nun denn, so segne ich jene Stunde, welche Dir Dein Geld nahm, das uns trennte, um un- heute für immer untrennbar zusammenzuführen. Da» also war der Schatten, der zwischen un- schwebte, ja, Ruth, in gewißem Sinne, aber nicht in unedler Weise habe ich Dich um de- Geldes willen geheiratet, aber schon lange, lange ist er geschehen, daß ich Dich, um Deiner selbst willen, liebe, so tief und fest, wie man nur lie ben kann." Jetzt war eS gesprochen, da» Wort, nach dem sie gebangt, sich gesehnt, auf da» sie angstvoll geharrt und dem sie bereit» entsagt hatte, e» je zu hören. Fest ruhten seine Lippen auf den ihren, und sie schluchzte von neuem, aber jetzt waren e» Tränen un- erträglichen Glückes. - Ende. —