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kanonischen Evangelien auf ihre Entstehungszeit hin untersucht: das nachweislich älteste unter ihnen, das Markus-Evangelium, nimmt in dem Gleichnis von den Weingärtnern, die den Sohn des Weinbergsherrn töten und dafür umgebracht und ausgetrieben werden (12,1—9), und in den Prophezeiungen des dreizehnten Kapitels klar erkennbar auf die Zerstörung Jerusalems Bezug. Die vier in unserem Neuen Testament gesammelten Evangelien werden nun aber durch eine andere Erwägung in zwei Gruppen zerlegt, deren ältere noch etwa vor dem Jahre 100 entstanden ist. Im Markus-Evangelium (8,38; 9,1) wird nämlich berichtet, daß Jesus allen, die sich seiner schämen, entsprechende Vergeltung, „wenn der Sohn des Menschen kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln“, in Aussicht gestellt und zugleich die Versicherung hinzugefügt habe: „Es sind einige unter denen, die hier stehen, welche den Tod nicht kosten werden, bis sie das Reich Gottes kommen sehen mit Macht.“ Dasselbe wird im Matthäus- Evangelium (16,27.28) und im Lukas-Evangelium (9,26.27) überliefert. Da nun jeder der drei Evangelisten darauf abzielt, Jesus als den Messias zur Anerkennung zu bringen, so konnte er schlechterdings nicht eine Prophezeiung mitteilen, welche nicht in Erfüllung gegangen war und damit zugleich sein Messiastum widerlegte: mithin müssen die angeführten Worte bei allen drei Evangelisten ge schrieben sein zu einer Zeit, da die jüngsten Zuhörer Jesu noch am Leben waren und seine Worte immer noch sich bewahrheiten konnten. Nimmt man an, daß Jesus im Jahre 3536) hingerichtet ist, so dürften auch die jüngsten seiner Zuhörer nach fünfundsechzig Jahren, d. h. um das Jahr 100 tot gewesen sein; folglich können das Markus-,