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Zweite Rede. Die Zerstörung Jerusalems durch Titus im Jahre 70 stellt eine bedeutsame Epoche dar nicht bloß in der Geschichte des jüdischen Volkes, sondern noch mehr in der Entwicklung der christlichen Kirche und des christ lichen Schrifttums. Mit der Zerstörung der Stadt hatten die christlichen Gemeinden ihre Zentrale verloren, da die Urgemeinde, welche bisher in der jüdischen Hauptstadt ihren Sitz ge habt hatte, in alle Winde zerstreut war. Wenn nun auch diese Zerstreuung der Ausbreitung der neuen Lehre zu statten kam, so war doch derjenige Verein messias gläubiger Juden verschwunden, welcher ausschließlich die Überlieferung von Jesu Leben und Lehre gepflegt und in allen Zweifelsfällen die unbestrittene Entscheidung ab gegeben hatte. Nunmehr mußte sich das Bedürfnis fühl bar machen, alles das, was in der Urgemeinde mündlich fortgepflanzt worden war und bei der vermeintlich kurzen Spanne Zeit bis zur Wiederkunft Jesu eine Niederschrift auch gar nicht verlohnte, schriftlich aufzuzeichnen und zu sammeln, zumal da nach der Hinrichtung Jesu sicher lich schon der Tod manche Lücke in den Kreis der Jünger gerissen hatte, die berufensten Gewährsmänner also an Zahl zusammengeschmolzen waren und in absehbarer Zeit ganz zu verschwinden drohten. Diese Erwägung stellt sich als zutreffend heraus, wenn man die uns erhaltenen