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aller Völker, welche der Blumenkönigin huldigen. Da die Frage nun so dornig ist, so hätte ich es nicht ge wagt, dieselbe vor dieser erfahrenen Versammlung zu erörtern, wenn ich nicht im voraus auf Ihrer aller Mit hülfe und Nachsicht gerechnet hätte. Sie wollen mir daher ihr Wohlwollen nicht versagen. M. H.! Es tauchen alljährlich 50 — 80 Rosenneu heiten auf. Darunter befindet sich durchschnittlich die eine oder andere, welche ihre Vorgängerinnen um Kopfes länge überragt, und regelmässig auch einige, welche sich über die gewöhnlichen Erscheinungen des Rosenmarktes erheben, während die Mehrheit nicht besser, selten aber auch schlechter als die der Vorjahre ist. Durchmustern wir z. B. nur die Neuheiten der 5 letzten Jahre. Gegen Ende von 1880 erschienen etwa 50 neue Rosen; da runter ragt die Princesse Stephanie et Archiduc Podolphe hervor, welche sich kühn neben unsere schönsten Schön heiten stellen kann; ausgezeichnet sind ausserdem: Antoine Devert, Mme. Caro. Mme. Ch^dane Guinoisseau, Crown Prince, Dr. Sewel^ Duke of Tech^ Francois Le- vet, Mme. Isaac Pereire. Mrs. Harry Turner und Ro- sieriste Jacobs. — 1881 sah 77 Neuheiten erstehen; hier finden wir: Etoile de Lyon und Beaute de l’Europe, welche der schönsten Rosensammlung zur Zierde ge reichen ; hervorragend sind überdies: Mme. Cusin, Ca- moens, Abbe Girardin, Archiduchesse Elisabeth d’Au- triche, Adelaide Gote, Helene Paul, Mme. Crosy, Ullrich Brunner und Violette Bouyer. — 1882 schenkte uns 78 Neuheiten, worunter die beiden Gaben des alten Levet von Lyon, nämlich Mme. Euyene Verdier und Souvenir de Therese Levet, sowie Lady Marie Fitzwilliam N<m Bennett und Merveille de Lyon von Pernet pre einen Ehrenplatz in unsern Rosarien verdienen. Merkwürdig sind daneben: Hermance Louisa de la Rive, Honourable Edith Gifford, Jeanne Abel, L’Elegante, Mme. Remond, Distinction, Duke of Albany, Marie Closon und White Baroness. — 1883 verstieg sich bis zu 80 Neuheiten, worunter jedoch nur eine, Etendard de Jeanne d’Arc, besonders ausgezeichnet ist. Als ehrenvoll können noch erwähnt werden: Baronne de Sinety, Edouard Gautier, Mme. de Watteville, Souvenir du rosieriste Rambaux, Joseph Metral und Queen of Queens. Vielleicht lässt sich noch die eine oder andere hier anreihen, nachdem sie noch ein weiteres Jahr beobachtet und geprüft wor den. — 1884 brachte uns wieder 79 Neuheiten. Leider ist es heute noch unmöglich, dieselben nach Verdienst zu sichten, weil sie noch nicht im Freien geblüht haben; nach der Blüte im Treibhause zu urteilen, werden aber Bennett’s Grace Darling und Cochet's Mme. Pari Marmy höchst wahrscheinlich sich den schönsten eben bürtig anreihen und Miniature, Bedford Belle, Souvenir de Gabrielle Drevet, Gloire Lyonnaise und Mme. Massi- cault Blumen ersten Ranges sein. Wenn Sie, m. H., dieses Urteil über den Wert der Rosenneuheiten der 5 letzten Jahre im allgemeinen als ein einigermassen richtiges annehmen — als durchaus massgebend mag es manchem allerdings nicht gelten — und das Ergebniss der Deutlichkeit und leichteren Ueber- sicht halber in der mathematischen Sprache des Alltags lebens ausdrücken, so ersieht man daraus, dass 1880 22°/0 der damals ausgegebenen Rosen wirkliche Neu heiten waren, 1881 16°/ 0 , 1882 160/0, 1883 9°/ 0 und 1884 nochmals 9°/ 0 . Als weitere Schlussfolgerung sei noch hinzugefügt, dass durchschnittlich jedes Jahr we nigstens Ceine aussergewöhnliche Erscheinung aufzu weisen hat. Und der Rest? Nun, der Rest mag auch nicht ganz wertlos sein; doch übertrifft er das bereits Vorhandene nicht und ist daher nicht wertvoll genug, um weiter gezüchtet und weiter verbreitet zu werden. Wie Sie sehen, gehen meine Ansprüche an die neuen Rosen ziemlich hoch. Allzuhoch darf man die Anforderungen allerdings auch nicht stellen und die Neuheiten nicht über Gebühr herabwürdigen. Wollte man nur als Rosenneuheiten solche anerkennen, die nach allen Seiten hin, also inbezug auf Farbe, Grösse, Form, Geruch etc. gleichmässig alle vorhandenen überflügeln, so würde kaum jedes halbe Jahrhundert eine neue Rose sehen und manche schöne und wertvolle Rose ginge ver loren, und die Folge wäre die, dass alle Neuzüchter die Flinte in’s Korn würfen. Wenn man selbst nur bei meinen Anforderungen verbleibt, gemäss welchen der Prozentsatz der alljährlichen wirklichen Neuheiten sich nur zwischen 9—22, oder sagen wir immerhin zwischen 10—25 bewegt, so kann man schon mit Fug behaupten: die Ernte ist ziemlich mager und das Er scheinen aller anderen minderwertigen Rosen ist nach teilig für den Rosenfreund, für den Rosengärtner und für die Rosenzucht selbst. Der Rosenfreund möchte etwas Neues haben und kauft sich daher die als neu angekündigten Rosener scheinungen alle, oder doch teilweise und wartet mit Spannung aut den Augenblick, wo die für teures Geld erworbenen Blumen sich öffnen werden. Und wie herab gestimmt wird nun seine Erwartung, wenn er ihre Reihen durchmustert, und neben einigen bezaubernden Gestalten manche Gesichter gewahrt, die ihn allzusehr an alte Bekannte erinnern! Glauben Sie nicht, m. H., dass solche Erfahrungen ihn misstrauisch machen und ihm seine Lieblingskultur allmälig verleiden werden? Der Rosengärtner steht ungefähr auf demselben Standpunkte, wenigstens als Rosenfreund, der er fast ausnahmslos auch ist; und wenn er auch als reiner Rosen gärtner, d. h. als Geschäftsmann vor allem seinen Handelsstandpunkt zu wahren hat, so wird es ihm doch nimmer gleichgültig sein, welche Ware er abzusetzen hat. In der übelsten Lage befindet sich dabei der Spe zialist, d. h. derjenige Rosengärtner, der nur Rosen züchtet: will er sofort allen Nachfragen genügen können und auf der Höhe seiner Zeit stehen, so muss er die meisten der angekündigten Neuheiten, wenn nicht alle, im Herbste ankaufen, während des Winters unter grossen Opfern an Zeit, Mühe und Auslagen vermehren und im Frühjahr an den Mann zu bringen suchen. Wer will es ihm verargen, wenn er nicht 2 — 3 Jahre abwarten will, bis er sie allseitig geprüft haben wird? Und wer bürgt ihm dann dafür, dass sein Geschmack und sein Urteil stets von den meisten Rosenfreunden geteilt und gebilligt werden? Vor 10—20 Jahren war Europa noch ein wahres Eldorado für die Neuzüchter und die wenigen Nachzüchter, die es damals gab ; heute aber ist die Sach lage eine andere: die Neuheitssucht ist stark gedämpft, die Zahl der Nachzüchter ist grösser und das Geschäft geht flau. Glauben Sie, m. H., dass es heute dem Spezial rosengärtner eine leichte Aufgabe sein wird, seine Aus lagen nur teilweise zu decken? Dass unter so bewandten Umständen auch die Rosenzucht selbst leidet, bedarf kaum einer näheren Begründung; der entmutigte Rosenfreund zögert, der Rosengärtner erlahmt, und notwendiger Weise muss also die Rosenzucht in ihrem Aufschwünge gehemmt werden. Wen die Schuld an solchen Verhältnissen trifft, ob Unkenntniss der vorhandenen Sorten, Grosstuerei, Gewinnsucht oder gar absichtlicher Trug, ist hier für unseren Zweck ziemlich gleichgültig. Es genügt fest zustellen: schlimme Uebelstände haben sich im Laufe der Zeit herangebildet, die ausgerottet werden müssen und die zu beseitigen nicht in der Macht eines einzel nen oder einiger liegen. Man hat bisher verschiedene Mittel zur Abhülfe versucht, die aber alle ohne greifbaren Erfolg blieben.