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Unterhaltungsbeilage V zum K Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger Morgen früh um fünf, da beginne ja nun der Ernst des Lebens wieder. Aber im Vertrauen gesagt, mit dem Fuchs sei auch kein gutes Auskommen. Trose schwitzte schon wieder vor Aufregung. Wenn ; doch der Timm jetzt endlich etwas antworten wollte. Trose i konnte ja eine Menge reden, aber schließlich blieb doch jedem mal die Spucke weg. „Morgen beginnt ja nun , wieder der Ernst des des Lebens, morgen früh um fünf", ; tastete er sich noch einmal vorsichtig an Timm heran. Aha, jetzt sah Timm endlich auf, er blinkerte mit den Augen wie jemand, der ins Helle Licht steht. „Na, endlich ganz wach, ja... Na, dann können wir > ja Wohl gehen... Ach so, waschen mußt du dich noch, bist l ja nicht schwarz. Aber waschen macht frisch. Kaffee gibt es I wohl in diesem ulkigen, vornehmen Hotel nicht. Mir ist ; nämlich so leer im Magen, und wenn wir dann jetzt zu- ' sammen ausgehen, nicht wahr?" Mit Worten und Bewegungen schob Trose den ande- » ren vor sich her. Steuerte ihn aus dem Zimmer, ach was, ! Fahrstuhl, über die Treppe in den Speisesaal: „Frühstück, ! bitte, zweimal, Kaffee recht schön stark", mit einem Seiten- I blick auf Timm, „nicht wahr, das darf man doch hier I ruhig sagen? Schön vornehm ist das hier", nickte er zu ; den weiß gedeckten Tischen und dem kostbaren Geschirr i hinüber. Für den Timm, ja für den habe man schon etwas , übrig, hätten die an der Verwaltung gesagt, als er den ! Urlaub sür Timm anmeldete — Timm habe das ja in I der Eile vergessen — flocht Trose mit harmlosem Ge- 1 sicht ein. Darauf kam es ja an. Mit harmlosem Gesicht mußte ! man ihm zwischen vielen Worten die Rosinen Hinhalten. ! Wenn er sie nur bemerkte und herauspicken wollte, dann l war alles gut. ! Timm pickte nicht und starrte unentwegt vor sich hin. Für den Timm habe man ja was übrig, wiederholte I Trose laut und betont, rührte mit dem Löffel klappernd i in der Tasse herum. Aber für den Trose, davon sei keine ! Rede gewesen. Wer sür den etwas übrig habe, davon sei ! nicht gesprochen worden. Aber schließlich sei man ja I Kummer gewohnt, und man finde sich damit ab. j Schließlich habe man ja nicht umsonst so viele Jahre mit dem Lokomotivführer Timm auf einer Maschine ge- i fahren. An alles gewöhne sich zuletzt der Mensch. Er macht ein so schmerzhaft ergebenes Gesicht, daß » Timm unwillkürlich lachen muß. Trose war hier und hielt seine Reden. Es war doch I der alte Trose geblieben. Diesmal hatten seine Worte I Haken, die krallten sich fest. Nichts von schämen hatte Trose ; gesagt. Waffeln gäbe es heute abend. „Wenn du wieder mal verreist, kannst du wenigstens I dein Zimmer ausräumen. Ich kann doch schließlich nicht an alles Lenken: Urlaub anmelden, Zimmer aufräumen ; und so... Heizer sind doch auch bloß Menschen..." Timm nickte: „Wieso Urlaub angemeldet, welchen I Urlaub..." Er fand sich zwischen Troses Redewendung > noch nicht zurecht. „Verstell dich doch nicht so", heuchelte Trose. Jetzt saß ! der Haken, anziehen... „na, deinen zusätzlichen Urlaub... I du denkst, den müßte man nicht besonders anmelden; ja, ! Mann, da bist du schief gewickelt, wir hatten schon mal den i Fall...'» und begann eine weitschweifige Geschichte von I einem Vorsteher, der seinen Urlaub nicht angemeldet hatte, j und der ja als Vorsteher schließlich keinen Heizer hatte, » der alle Wege für ihn erledigte. Am nächsten Tag also ! blieben alle Züge in der Station stehen. Nach vierzehn I Tagen, als er vom Urlaub zurückkehrte, waren sämtliche j Strecken versperrt. Siebentausend Züge, vielleicht noch » mehr, standen hintereinander... Gott, das war ein Un« , glück..." Jetzt lachte Timm schon lauter. Auch Trose lachte I sicherheitshalber über seinen Witz. ; „So, ich bin fertig. Dann können wir ja gehen.' Ueber Nacht war noch mehr Schnee gefallen. Die I Straßen lagen weiß und friedlich vor den Häusern. Die » Hast lag unter dem Schnee verdeckt. Die Menschen Hingen » mit fröhlichen Gesichtern wie Kinder. Schnee erinnert ! immer an die Ausgelassenheit der Kinderjahre. Timm ging leicht und beschwingt. Das Blut rauschte ; nicht mehr dumpf in den LHren, es sprang und stieß sich ; im Herzen. „Den Urlaub haben sie in der Verwaltung ohne Wei« I teres bewilligt?..." tastete er hinter Troses Worten her. - Urlaub. .Das Wort schwoll plötzlich zu einem gewaltigen ! Begriff an. Urlaub bedeutete Rettung, Ehre, Freiheit, I Pflicht. „Na ja, wenn Trose kommt und das so eilig macht.' ; „Was sagt denn Frau Gröber?' „Was soll sie denn sagen; die weiß ja, daß du Urlaub I hast. Na und, ganz nebenbei, willst du denn bei der nun > noch ewig wohnen bleiben... Morgenstunde hat Gold « im Munde und so...' Trose sah, daß Timm sich jäh verfärbte. Halt, stop, so I herum ging es also nicht weiter, warf er seine Rede auf ; die andere Seite, der alte Schmidt habe schweren Rheuma- ; tismus. Franzbranntwein eingerieben, scharfe Sachen i geschluckt, aber alles helfe nichts. Timm müsse mal mit t ihm reden. So ein Mann würde eben doch alt und stehe . allein. Ja, und dann dürfe man nicht vergessen, daß um i vier Uhr der Zug gehe. Jetzt wäre ja noch lange Zeit. Ja, aber wenn Trose noch einen Wunsch äußern dürse, dann möchte er gern im Eisenbahnmuseum gewesen sein. Mit der Linie zwölf könne man fast bis vor die Tür fahren, sei ihm gesagt worden.