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29. Jahrgang» Nr. 131. Dienstag, den 10. Juni 1902. Amrahme der Inserate für die 10 Uhr. Größere Anzeigen Redaction und Expedition: Bahnstraße 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Crnftthal. Jnsertionsgebuhren: dre funfgespaltene 12 Pfg' Raum für den Verbrertungsbezirk 10 Pfg-, . h? Rabatt. Reclame 28 Pfg. Bei mehrmaliger Ausg B„rM. Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Austräger, sowie alle Postanstalten. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 28 Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. sm hW!chciii4rnW«l, NnlilWih, GMtts, Lugau, Wüstenbrand, Urspmng, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u. Deutsches Reich. — Aus Sibyllenort bringt der Berichterstatter der „Sckles. Ztg." folgenden Stimmungsbericht: „Im Schlosse zu Sibyllenort geht's stilt her, sehr still. Die inneren Theile des schönen, in herrlichster Frühsommerpracht prangenden, duftenden Parks sind abgespern. Nur Gartenarbeiter sieht man da bei der Arbeit, und auf kurze Minuten ergehen sich, meist mit der brennenden Cigarre im Munde, schweigsam einzelne, gerade ein wenig abkömmliche Herren des Gefolges Sr. Majestät. Lärm machen allein die Krähen auf den Bäumen vor dem südlichen Haupteingange des Schlosses, aber den hohen Kranken stören sie wohl kaum. Sein Schmerzens lager ist in einem ebenerdigen Gemache an der entgegen gesetzten, nördlichen Seite des Schlosse« aufgeschlagcn, unmittelbar westlich neben der dort dem Mittelbau vor gelagerten kleinen Terrasse, wo er Abends noch ein Stündchen im Lehnstuhle liegend verweilen durfte. Dort foltern ihn die Schmerzen, die besonders in den späteren Abendstunden ihren Höhepunkt erreichen, so zwar, daß z. B. Abend« gegen 10 Uhr der Hofkaplan Plewka es sich nickt nehmen ließ, in allernächster Nähe seines könig lichen Herrn zu verweilen. Wer aber unausgesetzt und unermüdet Tag und Nacht an König Alberts Kranken bette weilt, mit liebender Hingabe pflegend und lmdernd, das ist seine hohe Gemahlin, Königin Carola. Draußen vor den Fenstern des Krankengemaches, in dem nach dem Gutsbose zu gelegenen, mit Schwänen und buntem, fremdländischen Ziergeflügel bevölkerten Teiche rauscht der Springbrunnen seine eintönige, sänfligende Melodie, so recht gestimmt auf den Grundton dieser Tage der Thränen, in denen dem frohen Hoffen gar so wenig Raum gegeben ist. Die Aerzte schweigen, und wenn sie, in den knappen amtlichen Bulletins, das Schweigen brechen, dann thun sie es so, daß dem ferner Stehenden die ganze Wahrheit doch kaum erkennbar wird. Sie können ja auch gar nicht anders. Auch eines Königs Leben ruht in Gottes Hand, und die Möglichkeit ist immer noch gegeben, daß der hohe Kranke sich wieder erholt. Freilich, zu einer auch nur einigermaßen voll ständigen Wiederherstellung wird es selbst im günstigsten Falle, bei den diesmal so überaus schweren Angriffen der Krankheit, voraussichtlich vieler, vieler Wochen be- dürfen. Der Nachmittag bringt neue, theilnehmende Gäste auf« Schloß, weitere Glieder de« sächsischen Königs hauses, dessen Angehörige sich mehr und mehr vollzählig am Krankenlager König Alberts Stelldichein geben. Sorgenvoll sucht ihr Blick bei der Anfahrt die Zinnen des Schlosse«: ob noch von der Spitze des Flaggenstocke« aus dem Hauptthurme das königliche Banner von Sachsen weht. Von Ferne werden sie au« dem östlichen Theile de« Parkes von den träumerischen, langezogenen, fast traurigen Tönen einer späten Nachtigall gegrüßt, gleich als ob diese vom Scheiden und von der Vergänglichkeit alles Dessen, was irdisch ist, singen und sagen wollte. Langsam sinkt der Abend nieder. Wie geht es dem Könige? Die Abendstunden, namentlich die späteren, sind für ihn die kritischen. Wird er ihre Angriffe über winden? Wir wollen es hoffen trotz alledem und ihm von Herzen wünschen, daß er bald wieder bei wenigsten« einigermaßen guter Gesundheit nach Dresden und nach seiner Villa Strehlen zurückkehren kann. Für diese Hoffnung spricht der Umstand, daß nach 7'/, Uhr Abends Prinz Georg und Prinzessin Mathilde, ohne Gefolge, durch ein Nebenpförtchen den Park an der Nordostseite nahe der Brauerei verlassend, über die Dorfstraße schreiten, um sich am Bache hin in der Richtung nach der Wildmeisterei Domatschine zu ergehen. Es ist ganz Abend gewcrden. Das königliche Banner wird für die Nacht von seinem Flaggenstocke heruntergeholt. Hell er glänzt der langhingesirrckle Bau des herrlichen Schlosses im Lick-terglanze, Heller als sonst. Denn groß ist die Zah! der besetzten Räume, besetzt nicht allein von den Mitgliedern des königlichen Hause«. Auch der Dienst Sr. Majestät und der. Königreichs Sachsen ist großen- theils besetzt. Der Vortragende Rath im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, Geh. Legationsrath Frhr. von Salza und Lichtenau, langte im Lause des Nachmittags an. Fast weiß schimmern im Hellen Lichte de« Juniabends die Parkwiesen, tiefdunkel ragen daneben die Wände der bet der ungewissen Beleuchtung fast gigantisch erscheinenden Baumgruppen, laut, fast schreiend in der Stille zirpen die Grillen. Auf dem Bahnhofe treffe ich mit Sr. Majestät Hofkaplan, Herrn Plewka, zusammen, der einen von Dresden herüber gekommenen und nun nach Dresden wieder zurückretsenden Confrater zur Bahn geleitet hat. Daß dieser sich zur Heimreise entschlossen hat, ist mir ein Trost und eine Beruhigung. Wäre Schlimmes nahe zu befürchten, er würde gewiß in Sibyllenort bleiben. So nehme ich sein Gehen als gute« Zeichen und hoffe mit allen Denen, die hier nah und fern um des König« lheure« Leben bangen, daß doch noch einmal volles Genesen ihm zu Theil werde, daß es ihm, seinem und seiner hohen Gemahlin leb haften Wunsche entsprechend, vergönnt sein möge, am 18. Juni nächsten Jahres das goldene Ehejubiläum zu begehen." — Aus Sibyllenort wird in Ergänzung der tele graphischen Nachrichten amtlich gemeldet: Am Donners tag abend hat Se. Maj. der König etwa eine Stunde auf der Veranda liegens zugebracht. Al« Se. Majestät nach 8 Uhr sich zur Ruhe begeben wollte und sich be reits im Schlafzimmer befand, trat plötzlich ein Anfall von Herzschwäche und Athemnoth ein, welcher zu den größten Besorgnissen Anlaß gab. Ein ähnlicher, schwächerer Anfall, vermuthlich durch eine Blutung ver anlaßt, war bereit« am Montag vorausgegangen. Ihre Maj. die Königin, Allerhöchstwelche sich im Zimmer be fand, ließ auf den Wunsch Seiner Majestät einen Geist lichen herbeirufen. Mit Andacht empfing Se. Majestät die heiligen Sterbesakramente, ihm selbst zu großer Be ruhigung. Bald darauf trat bei dem König eine Er holung ein, sodaß er selbst anordnete, die Umgebungen, welche inzwischen das Zimmer angesüllt hatten, möchten sich zur Rahe begeben. Dem schweren Anfall folgte tiefer Schlaf. Die Besorgntß erregenden Erscheinungen von feiten des Herzens kehrten nicht wieder. Am Frei tag verbrachte Se. Majestät mehrere Stunden schlafend. Trotz des vorhandenen Schwächegefühl« ist der Appetit rege und die Stimme kräftig. Se. Majestät verlangte wiederholt nach Zeitungen nnd nahm an den Berichten au« der Residenz lebhaften Antheil. Der Tag verlies ohne wesentliche Störung. Die Nachtruhe wurde durch asthmatische Beschwerden mehrfach unterbrochen. Heute Vormittag empfing Se. Majestät den Besuch Sr. Kgl. Hoheit de« Prinzen Georg, Höchstwelcher längere Zeit im Gespräch mit dem Monarchen am Krankenlager weilte. Ihre Majestät die Königin verläßt dasselbe nur auf kurze Augenblicke während der heiligen Messe in der anstoßenden Kapelle. Der König liegt in dem ge räumigen, rothseidenen Wohnzimmer nach der Garten seite hin. In dem Nebengemach hält sich stets einer der anwesenden Königlichen Aerzte, sowie Kammerpersonal aus. Die Theilnahme an der Erkrankung Sr. Majestät ist eine allgemeine. Da« Telegraphenpersonal im König!. Schloß mußte verstärkt werden, um die zahlreichen ein- und ausgehenden Telegramme zu bewältigen. — Die „Kölnische Zeitung" bemerkt im Anschluß an die am Freitag su« Sibyllenort eingetroffenen Telegramme: „Die Nachrichten au« Sibyllenort über da« Befinden de» König« von Sachsen lauten in hohem Grade besorgnißerregend. Gestern Abend hatte schon die Herzthätigkeit ausgesetzt, dock gelang es sie wieder zu beleben. Dre Nacht wa König« aber leider ist der Kräftezustand des S sie ^'nr bedenklich. Die ganze Königliche Famme I Ernst der Lage benachrichtigt worden und da« Krankenlager de« verehrten Mit lebhafter Theilnahme folgt au» da» d »ftche Volt dem Verlauf der Krankheit. Der sieggekro F schall, der erfolgreiche, maßvolle und gereckt stets zuverlässige und opferfreudige Bera her - F dreier deutscher Kaiser, genießt weithin so w ehrung und so innige Dankbarkeit, duß aufrichtigsten Wünsche für seine baldige Genesung sich bekunden." , - Die Beseitigung der Fremdworte aus den Schulen und Unterriasisplänen hat der preußische Minister gefordert. Zum Theil ist die Forderung bereits erfüllt. Statt Geometrie heißt es Raum ehre aus Geographie ist Erdkunde, als Physik ^"iurku und aus der Botanik Pflanzenkunde geworden. Nur ein Unterrichtszweig hat bisher allen Versuchen, seine Benennung zu verdeutschen, Widerstand geleistet. Es ist die Chemie. Eine passende sinngemäße Uebertraqung des auL Aegypten zu uns gekommenen Wortes ist noch nicht gelungen. — Auf Verfügung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten hat die Eisenbahndirektion Berlin neue Signale zum Aufhalten eines Zuges bei plötzlich eintretendem Strcckenhinderniß erproben lassen. Die Versuche haben ein sehr günstiges Ergebniß gehabt. Die Signale be stehen darin, daß auf 200 bis 250 Meter dem anzu haltenden Zuge ein blendendes Licht von etwa 200 Normalkerzen entgegengeworfen wird, das sich außerdem durch einen scharfen Knall ankündigt. Jedermann kann die Signale ohne weitere Vorbereitung sofort ablassen. Auch sind mit gutem Erfolge Vorrichtungen erprobt worden, die selbstthätig in bestimmten Pausen die einzelnen Signale absenden, in den Wärter- und Blockhäusern sowie auf den Zügen und durch die Streckenaufseher mitzuführen sein, sodaß sie im Nothfalle jederzeit zur Hand sind. Feldkirchen bei München. Die seit Mittwoch in einem Brunnenschächte eingeschlossenen Verunglückten, die beiden Arbeiter, sind in der Nacht zum Sonnabend um 1 Uhr durch Pioniere als Leichen geborgen wor den. Oesterreich-Ungarn. — Eine mächtige Kundgebung der evangelischen Bewegung in Oesterreich war die Grundsteinlegung der evangelischen DreifaltigkeitSkirche in Deutsch-Horscho- witz bei Podersam in Böhmen. Gegen 3000 Personen waren nach dem kleinen übergetretenen Dorfe Horscho- witz geströmt. An der Spitze des Festzuges schritt die Schuljugend von Horschowitz und Fürwitz, die Knaben mit Fahnen und die Mädchen mit Blumenkörben. Da ran schlossen sich 40 weißgekleidete Jungfrauen, die Ge meindevertretung und die Vereine von Horschowitz und Umgegend. Pfarrer Pietsch aus Komotau hielt die Festrede, die die Versammlung mächtig ergriff, der Ku rator Patzl verlas die Urkunde, der O.tSgeistliche Vikar Held sprach da« Weihgebet. An die Feier der Grund steinlegung schloß sich ein erhebender, allen Theilnehmern unvergeßlicher Familienabend. Der Tag der Grund steinlegung ist der denkwürdigste, den Horschowitz bisher erlebt hat. Wenn glaubensbrüderliche Liebe den Horscho- witzern, die zuerst im Saazer Land dem Evanqel.um die Bahn frei gemacht und in Tagen schwerster An- fechtung treu ausgehalten haben, weiter hilft, werden sie noch in diesem Jahr ihre Kirche weihen können. Rußland. - Daß man nicht blos in Deutschland den für die Buren ungünstigen Friedensschluß bedauert lehrt ein