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für Haheilftkiil-Krnslihlll, Lbnlilii^itz, 8cMrs Lugau, Wüstenbrand, Urspnmg, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u. 29. Jahrgang Freitag, den 14. Februar 1902 Nr. 37 Redaction und Expedition: Bahnstraße 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Crnftthal. TKgeKgsschrchte. Deutsches Reich. Berlin, 12. Februar. Reichstag. Die Berathung des Etats des RcichsjustizamIS, Titel Staatssecretär, wird fortgesetzt. — Abg. Lenzmann wendet sich gegen das Gawp'sche Verlangen nach einem Proportinalsysiem bei den Aussichisrathswahlen. Aktiengesellschaften könnten nur gedeihen, wenn innerhalb der Verwaltung Vertrauen herrsche, aber nicht, wenn in den Aufsichtsrath Personen hineingebracht werden könnten, die darin gleichsam nur das Krakehlen besorgen sollten. Gegen Betrügereien werde sich das Volk immer nur durch Selbstzucht helfen können. Redner wendet sich weiter gegen den Antrag Gröber, der die Tödtung im Duell als Mord angesehen wissen wolle. Das Duell sei nun einmal ein singuläres Delikt, das auch eine singuläre Strafe erhalte. Richtig sei, was der Antrag Schrader vorschlage: Entlassung der Duellanten aus öffentlichen Aemtern. Hauptsache aber sei, daß ein Duellgegner, der ein Duell ablehne, nicht um deswillen insawirt werden dürfe. Seine Freunde würden einrn diesbezüglichen Antrag stellen. Scharf zu verurtheilen sei die schematische Handhabung der Unter suchungshaft. Ganz irrig und verfehlt sei die Auffassung des Staatssecretärs über das fürstliche Begnadigungs recht zur Prügelstrafe. Es hätte in diesem Falle gegen den Fürsten von Neuß eingeschritten werden müssen, und man hätte es ja auf einen Kompetenzkonflikt ankommen lasten können, über den dann ebenso die Entscheidung dem Lundesrathe übertragen werden konnte, wie in dem Konfl kl Lippe und Lippe-Schaumburg. —Präsident Graf Ballestrem: Ich habe schon wiederholt erklärt, daß ich eine Besprechung des fürstlichen Begnadigungsrechts hier im Allgemeinen für zulässig halte, aber nicht ein Ein gehen aus die einzelnen Fälle. Hier liegt der Fall über dies so, daß die Sache nicht einmal offiziell feststeht, sondern nur au, Zeitungsnachrichten beruht. Ich muß Sie also bitten, diesen Fall nicht weiter zu erörtern. — Abg. Lenzmann: Nun, ich habe genug gesagt, der Herr Staatssecretär wird mich ja verstanden haben. Redner führt dann noch Klage über die Ueberbürdung der Richler und verlangt eine Revision des Strafgesetzbuches nach den verschiedensten Nichtungen^hin: MajestätSbeletdigungS- paragraph, Groberunfugsparagraph rc. — Staatssecretär Nieberding: Der Vorredner hat sich beklagt, daß der preußische Justizminister den Staatsanwalt Cuny nach Aachen „befördert" habe. Die Ansicht, daß das eine Beförderung sei, wird aber vom Justizminister nicht ge- theilt, er sieht die Versetzung nach Aachen in diesem Falle vielmehr als eine Korrektur an. In dem mir von Herrn Lenzmann ertheilten Lobe sehe ich leider nicht so sehr die Anerkennung für mich, als vielmehr ein Miß trauen gegen andere Leute. Ueberdies folgte auch gleich uach dem Lobe ein ganzes Sündenregister. Der Staats- secrelär führt dann gegenüber den vielen laut gewordenen Beschwerden über einzelne Fälle aus, der Reichskanzler könne sich mit solchen Beschwerden immer erst dann be faßen, wenn sich bereits die Landesregierungen damit befaßt hätten. Man möge sich daher immer auch erst an die Landesregierung mit solchen Beschwerden wenden. Mit Initiativanträgen könne sich der Reichskanzler auch immer befassen, wenn hier darüber Beschluß gefaßt worden sei. Die Neichsregierung treffe kein Vorwurf wegen dilatorischer Behandlung, wenn sie abwarte, was der Reichstag über seine Anträge beschließe, und wenn sie nicht schon an das Haus mit Vorlagen herantrete, den Reichstag treffe vielmehr der Vorwurf dilatorischer Behandlung, wenn er sich über verschiedentlich« seiner Initiativanträge, wie diejenigen der Reform von Straf recht und Strafprozeß, nicht zu einigen vermöge. — Abg. v. Levetzow: Im Falle Bredenbcck mißbilligen auch meine Freunde durchaus da« Verhalten der Polizei. Den Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage Säglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Austräger, sowie alle Postanstalten. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 2b Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. Die Sprache -es neuen Zolltarifgesetzes. Der Sprache des neuen Zolltarifgesetzes stellt ein sachkundiger Aussatz der Zeitschrift des Deuischen Sprach verein- ein sehr günstige» Zeugniß aus. Wer da weiß, wie solche amtliche Veröffentlichungen für weite Kreise des Volkes vorbildlich und erzieherisch wirken — man denke nur an das Bürgerliche Gesetzbuch —, der wird diesen neuen Bundesgenossen für die Pflege el»eS guten und reinen Deutsch mit Freude und nicht geringer Hoffnung begrüßen. Gerade die Waarenkunde und die gewerbliche Technik bildeten bisher einen wahren Tummelplatz der Sprachverwildernng. Da ist es ein be sonderes Verdienst der Neichsregierung, daß sie die Mühe nicht gescheut hat, hier einmal die bessernde Hand anzulegen, zumal da sich ihre Arbeit keineswegs auf die Ausmerzung entbehrlicher Fremdwörter beschränkt, sondern auch dem unschönen und verwirrenden Schwulst ver alteter Kanzleisprache den Krieg erklärt hat. Gleich im Anfang finden wir, daß die scheinbar so schwer zu entbehrende Sippschaft der Materialien, Uten silien, Effecten usw. ganz einfach durch Sachen oder Gegenstände ersetzt ist. An die Stelle der Producie und Fabrikate sind die Erzeugnisse getreten; manchmal aber war ein Ersatz überhaupt nicht nölhig, denn wo zu Oelsabrikate wenn Oele allein genügt? Weiter be gegnen wir der Bezeichnung getränkt als Ersatz für iin- prägnirt. Hier handelt es sich eigentlich nur um dis Vollziehung eines rechtskräftig gewordenen RlchlerspruchcS, da dieses Fremdwort bereits als veraltet zu bezeichnen ist. So tränkl z. B. die Eisenbahnverwaltung schon seit vielen Jahren die Hunderltausende von Eisenbahn schwellen, die früher imprägnict wurden. Kaffeesurrogate sollen künftig Kaffeeersatzstoffe heißen; die Liebhaber des echten schwarzen Trankes werden ganz damit einver standen sein, daß man diesen Heuchlern den Schleier erwas lüstet. Eine der sinnlosesten Bezeichnungen, die der Mensch je auSgeheckl hat, ist wohl das „denaturirt"; so nichtssagend, daß es beinahe nicht einmal verdient, durch das klare und verständliche „ungenießbar gemacht" ersetzt zu werden. Mit der eingedickten statt der conden- sirten Milch erwirbt sich der Zolltarif wiederum sicher lich den Beifall des Fachmannes. Hat doch die Bereit ung solcher Milch mit dem, was man im Deutschen ge wöhnlich unter Condensiren versteht (nämlich Nieder schlagen von Dampf) nicht das Mindeste zu schaffe». Das Wort stammt in diesem Zusammenhänge au« dem Englischen und hat dort eine ganz andere Bedeutung, etwa wie unser Concentriren. Seine Einführung bei un« ist die einfache Folge des Umstandes, daß die erste Gesellschaft, die sich mit Milcheindickung befaßte, von Engländern (in der Schweiz) gegründet worden ist, und daß der deutsche jede ausländische Benennung gedanken los zu übernehmen pflegt. Die eingedickte Milch hält sich dauernd nur in luftdicht verschlossenen Gefäßen; früher mußten sie hermetisch geschlossen sein. Die letztere Bezeichnung dürfte noch aus der Herrenküche der mittel alterlichen Goldmacher stammen. Was sie eigenlich be deutet, weiß wohl unter hundert unserer gelehrtesten Chemiker kaum einer. Aehnltchen Ursprungs sind die Essenzen, Extrakte, Tinkturen usw , die der Zolltarif alle ganz zutreffend als (wässerige oder weinige) Auszüge bezeichnet. Zwischen Alkohol, Spiritus und Weingeist besteht nicht der geringste Unterschied; der Zolltarif wendet daher mit Recht nur die letzte Benennung an. Diese Beispiele ließen sich mit Leichtigkeit um zahl reiche andere Verdeutschungen vermehren; aber auch die angeführten werden schon genügen, um den Eindruck hervorzurufen, daß in der Sprache des Zolltarifgesetzes ein ernstes Bemühen gewaltet hat und viele sorgsame und sachkundige Reinigungsarbeit geleistet worden ist. Duellantrag Gröber halte er nur ?^EEN unter- der das Duell den allgemeinen Strass werfen und die besonderen Strasbest - frei- will, für unannehmbar. Er könne s 4 Ur sinnig zusammengesetzte Ehrengerichte aber tbeil sich der Beleidigte unterwerfen l , . h. zu Jemand seine Ehre für so verletzt, daß ll ^^n. dem Duell schreiten zu müssen, so muss ' Ar. - Abg. Stadthagen hält gegenüber dem Geh R-M) M. Börner an dem Vorwurfe der Klassenjus i polemisirt dann gegen die Oertel tchen lu s h 6 Duell. Wer solche qualifizirte Morde durch die rechtfertigen wolle, sei Begünstiger des Mo . die Sitte den Mord rechtfertigen solle, dam, re»tfe g sie wohl auch die Zuhälterei. — Sachs- H- R h Börner tritt noch dem Vorwurfe der Klasseniusttz em gegen. — Abg. Gröber empfiehlt sE Duellresol^ Was da» Verlangen nach schärferen Beleih,gungrstrafen anlange, so hätten seine Freunde emgesehen, daß me dagegen gellend gemachten Argumente in der -Vy schlagende feien. Was hülfen denn auch schärfere Be strafungen in solchen Verbältnissen, wo nickt Beleidigung, sondern wie im Fall Bennigsen-Falkenhagen Ehebruch und Verführung Ursache des Duells sei. Unbedingt nothwendig sei die Beseitigung aller Privilegien des Duells. — Abg. Müller-Meiningen plaidirt für bedingte Verurtheilung und bessere Behandlung der sozialdemo kratischen Redakteure. Da sollte der Staatssecretär wenigstens anregend einschreiten, aber gegenüber preu ßischen Ministern krieche man in's Mauseloch. Redner geht dann zur Duellfrage über. Oertel sei, wenn e« sich um Verschärfung der Duellfrage handle, gegen die Abschreckungstheorie, dabei habe Oertel gestern für höhere Beleidigungsstrafen und für die Prügelstrafe plaidirt, also in den beiden Fällen für Abschreckungstheorie. Wo bleibt da die Logik? Zu meiner Freude betritt Herr Oertel eben den Saal. (Abg. Oertel ruft: Ich bin ja in der ganzen Sitzung hier gewesen!) Entschuldigen Sie, Sie hatten heute die weiße Weste nicht an. (Stürmische Heiterkeit.) — Abg. Heine wendet sich ebenfalls gegen Oertel und gegen die Prügelmanie und verspricht sich von dem Duellantrag Gröber keinen Erfolg. Die Ne gierung thue den Duellfreunden nichts, denn diese brauchten die Regierung weniger nöthig, al« die sie. — Der Titel Staatssecretär wird sodann genehmigt, ebenso der ganze Justizetat. — In der Zolltarifkommission scheint man mehr und mehr auf den Boden sachlicher Berathungen zu ge langen, auch scheint, je länger je mehr eine Verständig, ung zwischen der zollpolitischen Mehrheit auf einer mittleren Linie sich anzubahnen. In der gestrigen Sitzung beschäftigte man sich in der Hauptsache mit 8 10 des Zollgesetzes, der unter anderen Verhältnissen vielleicht eine Woche und länger in Anspruch genommen hätte. Der Kommission gelang es, diese Paragraphen nach kurzer Berathung unter Dach und Fach zu bringen Die Rechte verzichtete auf weitergehende Anträge sie begnügte sich sim wesentlichen mit den Vorschlägen' der Regierung, die dahingehen, Zollkredite für Getreide Hülsenfrüchte, Rabs und Rübsamen nicht zu gewähren' m allen übrigen Fällen dagegen für die gemäht Kredite einen Zinssatz von 4 vom Hundert zu erheben. Man darf erwarten daß vielleicht schon in der nächsten Woche die Entscheidung über die künftige Löbe der Jnsertionsgebühren: die fünfgespaltene ^^A^rts 12 Pfg-, Raum )ür den Verbreitunasbezrrl 10 Pfg-- ü. f be Rabatt. N-elame 25 Pfg. sei mehrmaliger AuM^ Borm. """»'L WL -