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England. — Die englischen Maschinenbauer haben nach sieben monatlicher Dauer des Ausstandes die Arbeit wieder ausgenommen, ohne etwas erreicht zu haben, was ihnen nicht schon am ersten Tage bewilligt war. Die Arbeits zeit betrug schon vorher nur 9 Stunden, und der Hauptkampf drehte sich um den Achtstundentag, der von den Fabrikanten nicht bewilligt und schließlich von den unterlegenen Gewerkvereinen fallen gelassen wurde. Die Kosten des Ausstandes betrugen für die Gewerk schaftskasfen 740,000 Pfund Sterling, also fast 15 Millionen Mark. Türkei. — Die Kandidatur des Prinzen Georg von Griechen land beginnt Besorgnisse zu erregen. Rußland bleibt bei seiner Begünstigung, der Sultan bei seiner Ablehnung der Kandidatur, die namentlich Oesterreich sehr unangehm ist. In Sofia, Belgrad und Cettinje bereitet man sich vor, auch etwas von der Türkei zu verlangen, wobei Bulgarien und Montenegro bezeichnenderweise Hand in Hand vorgehen. Indessen bestätigt es sich, daß der Sultan an der Ablehnung der griechischen Kandidatur unverrückt festhält. In türkischen Kreisen verlautete kürzlich, wenn man ganz wider Erwarten Zwangmaß regeln .gegen den Sultan versuchen sollte, so würde er denselben Widerstand entgegensetzen. Brasilien. — Eine brutale Verwundung eines Deutschen, an deren Folgen der Mißhandelte nach 24 Stunden starb, ist durch einen brasilianischen Offizier in Curitiba im Staate Porana verübt worden. Dies ist innerhalb eines halben Jahres bereits der zweite Fall roher Ge- waltthätigkeit gegen ruhige deutsche Ansiedler. Das dortige deutsch brasilianische Blatt, der „Beobachter", schildert den Vorgang folgendermaßen: Am dritten Weihnachtsfeiettage war, wie das alte deutsche Sitte ist, Kindervergnügen im Theater Hauer und Abends Familien ball, wozu nur geladene Gäste Zutritt hatten. Trotz aller Vorkehrungen wußte sich auch ein Ossizier (der selbe heißt Joao Epaminaudos de Andrade Jambo und gehörte zum 14. Kavallerie-Regiment) Eingang zu ver schaffen. Ohne alle und jede Veranlassung suchte er mit dem nichts ahnenden, ruhig dasitzenden Luiz Adam anzuhinden, fuchtelte mit einem scharf geschliffenen Dolch vor dem Adam herum und sagte mit nicht wiederzu gebenden Worten, er werde diesem den Dolch in den Unterleib stoßen. Ein Sohn von Luiz Edam kam hinzu und ersuchte den Offizier in der höflichsten Weise, seinen Vater zu schonen, da dieser ihm keinen Grund zu einem derartigen Benehmen gegeben habe. Darauf geschah das Unerhörte, .der Offizier stieß die Waffe in den Unterleib seines Opfers, so daß Lniz Adam ohnmächtig zusammenbrach. Es entstand ein furchtbarer Tumult, und Alles flüchtete sich, da derselbe Offizier mit einem Dolch in der einen und einer Reitpeitsche in der anderen Hand Alles schlug und stach, was ihm in den Weg kam. Dieser Offizier, eine Schande für das brasilianische Heer, verwundete viele Personen, und auch Damen, welche in die Garderobe geflüchtet waren, wurden miß handelt. Der Mörder entkam, wurde aber in derselben Nacht noch verhaftet. Der Beerdigung des Ermordeten wohnten nicht nur Deutsche, sondern auch Italiener, Polen und Brasilianer bei. Der Distriktskommandant General Girard ließ sich den Mörder vorstellen und ihm seine Auszeichnung abreiße», wodurch er aus dem Heere ausgeschlossen ist. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein Ernstthal, den 8. Februar. — Der erste zum Festliegen gekommene Schnee, der nicht nach dem Erscheinen sofort wieder geschmolzen ist, trat in diesem Winter sehr spät, erst am 5. Februar, ein, während er sich in den letzten 20 Jahren an folgen den Tagen einstellte: 1877: 19. Dezember, 1878: 6. November, 1879: 14. November, 1880: 23. Oktober, 1881: 1. November, 1882: 15. November, 1883: 5. Dezember, 1884: 18. November, 1885: 8. Dezember, 1886: 19. November, 1887: 14. November, 1888: 10. Dezember, 1889: 29. November, 1890: 26. November, 1891: 17. Dezember, 1892: 4. Dezember, 1893: 4. Dezember, 1894: 17. Dezember, 1895: 7. Dezember, 1896: 28. November. — Die Königl. Kreishauptmanuschaft Zwickau hat den Eiuberufern sozialdemokratischer Versammlungen er öffnet, daß in letzteren Hochruf auf die Sozialdemokratie oder sozialdemokratische Organisationen nicht ausgebracht, sowie sozialdemokratische Lieder nicht gesungen werden dürfen, znr Vermeidung von Stroke, die den Einberufer bezw. Leiter der Versammlung trifft. — Für die Sängerfahrt des Erzgebirgischcn Sänger bundes nach der Sächsischen Schweiz, wobei Sr. Atas, dem König in Pillnitz seitens des Bundes eine Serenade dargebracht werden soll, haben sich bis jetzt bereits 1100 Theilnehmer angemeldet. Der erste Liedermeister des Bundes, Herr Lehrer Emil Winkler in Chemnitz, hat aus Anlaß des 70. Geburtstages und des 25jährigen Regierumsjubiläums Sr. Maj. des Königs einen ebenso markigen als weihevollen Hymnus komponirt, welcher bei der Serenade vor seiner Majestät unter Leitung des Komponisten mit zum Vortrag gebracht werden wird. — Die zweite Kammer bewilligte in ihrer gestrigen Sitzung ohne Debatte 1 Million M. als erste Rate zur Erweiterung des Bahnhofes Gera (Reuß), deren Gesammtkosten auf 1,520,000 M. veranschlagt sind, ferner 75,000 M. zur Unterführung der Schleizer Straße in Gera und 265,800 M. zu Gnmdstückserwerbungen in Gera, die für die Sächsische Eisenbahnverwaltung in» Hinblick auf eine zukünftige Beseitigung des Niveau übergangs der Küchengartenallee, wo eine Ueberführung früher oder später wird erfolgen müssen, vortheilhaft erscheinen, so wie endlich 140,000 M. zu Grunderwerb behufs Erweiterung der Rangirstation Zwötzen bei Gera, da der Bahnhof Gera (Reuß) S. St. E. bei der schnel fortschreitenden Entwickelung der Stadt Gera, die sich hauptsächlich nach diesem Bahnhof zu bewegt, auch wenn dessen Erweiterung in der jetzt beantragten Weise zur Ausführung gelangt ist, voraussichtlich in einiger Zeit für den Lokal-Rangirverkehr und die Zusammenstellung der Güterzüge nicht mehr hinreichenden Raum bieten wird. — Gerade zur rechten Zeit, weil noch früh genug vor dem Beginn der Pflanzzeit veröffentlicht „der prak tische Rathgeber im Obst- und Gartenbau" au der Spitze seiner neuesten Nummer einen Aussatz „Der Obstbau der Zukunft", der viel Aufsehen machen wird und auf den wir an dieser Stelle die Aufmerksamkeit von Gutsbesitzern und der Laudwirthe überhaupt lenken mochten. In diesem Aufsatze empfiehlt Johannes Böttner, der Chef redakteur der Wochenschrift, auf Grund sorgfältiger, prak tischer Versuche, die, wie an andern Stellen, so besonders auf der mit dem praktischen Rathgeber verbundenen 45 Morgen großen Versuchsstation, der Hedwigsberg, ge macht sind, auch in Deutschland Obst im Großen nicht wie bisher üblich in Baumform, sondern in Buschform anzupflanzen, wie dies in Amerika seit einigen Jahren mit großem Erfolg geschieht. Die Vortheile solcher Pflanzung faßt Böttner in folgenden Punkten zusammen: Frühe Fruchtbarkeit — Leichte Pflege, leichte Ernte, — Geringer Schnitt, — Möglichkeit des Anbaus schwach wüchsiger, frühtragender Sorten, — Vollkommenes aus gebildetes Obst — Regelmäßiger Ertrag. — Der Auf satz, der sich, wie gesagt, auf praktische Versuche stützt, verdient die weiteste Verbreitung. Das Geschaftsamt des praktischen Rathgebers in Frankfurt a. Oder sendet die Nummer auf Wunsch gern umsonst und postfrei zu. — Limbach, 5. Februar. Eine Warnung enthält eine am 2. d Mts. vor dem hiesigen Schöffengericht abgc- halteue Verhandlung, in welcher ein unverheiratheter Malergehilfe aus Nicderrabenstein wegen Betrugs gegen die Ortskrankenkasse Limbach zu 14 Jagen Gefängniß verurtheilt wurde. Derselbe erkrankte infolge eines Be triebsunfalles, da ihm Kalk ins rechte Auge gespritzt war, und bezog zehn Wochen Krankenunterstütznng. Trotz mehrmaligen Befragens seitens des Kassirers, ob er sich wieder arbeitsfähig fühle, blieb er dabei, noch nicht arbeiten zu können, was sich aber später als unwahr herausstellte, indem er ca. 3 Wochen gearbeitet und nebenbei die Krankenunterstützung bezogen hatte, wodurch die Kasse um 15 Mk. 30 Pfg. geschädigt wurde. — In Döbeln und Umgegend treibt seit einiger Zeit ein dreister Schwindler sein Wesen. In Saalbach er schien bei einem dortigen Gutsbesitzer Ende v. I. ein Unbekannter, angeblich Reserveoffizier, mit Namen Jonas, und trat mit demselben wegen Ankaiffs des Gutes in Unterhandlungen. Beiläufig ließ er durchblicken, daß er 60,000 Mk. Vermögen in ungarischer Goldrente be sitze und daß ihm seine in Döbeln lebende reiche Tante das zum Ankauf des Gutes uvthige Geld vorstrecken werde. Der angebliche Jonas wußte dem Gutsbesitzer und dessen Ehefrau derart eiuzuuehmen, daß sie ihm bei einem späteren Besuche im Januar, bei dem der Kauf des Gutes perfekt gemacht werden sollte, bei sich auf- nahmen und bis Anfang Februar als Gast behielten. Während dessen nahm der Unbekannte verschiedene An leihen bis zum Betrage vo» etwa 150 Mk. bei seinem Gastgeber bez. dessen Frau auf und wußte Letztere auch eines Tages zu überreden, daß sie mit ihm nach Döbeln fuhr, woselbst er bei einem Tischlermeister eine Bestellung auf Möbel in Höhe von 800 Mk., angeblich für das zu kaufende Gut, machte. Einige Tage später erschien der Mensch allein bei dem Geschäftsmann und wußte auch diesem ein nicht unbedeutendes Darlehn zu entlocken. Als ihm der Boden zu heiß geworden war, verschwand er Plötzlich aus dem Wohnort des gastfreund lichen Gutsbesitzers, und zu spät bemerkte man, daß man es mit einem Schwindler zu thun gehabt hatte, denn seine Angaben waren sümmtlich erlogen. Wie das „Leipz. Tagebl." ersührt, soll der Schwindler auch anderwärts in ähnlicher Weise ausgetreten sein. Die polizeilichen Nachforschungen haben ergeben, daß derselbe wahrschein lich der Tischler Friedrich Franz Jonas, geboren am 26. Januar 1866 in Dalitzsch bei Borna, ist. Derselbe ist mittelgroß, hat blasses Gesicht, hervvrstehende Backen knochen, auffallend große Hände nnd auf denselben, sowie im Gesicht Sommersprossen. Großenhain. Das „Großenh. Tgbl." berichtet folgende schändliche That: Einem hiesigem Tischler meister war vor einiger Zeit die Katze abhanden ge kommen, die trotz allen Suchens nicht gefunden wurde. Am Freitag fand sie der Lehrling im Keller in einem Haufen Hobclspähnen, in den sic sich mit dem Kopfe gewühlt hatte. Der Katze waren beide Augen ansgestochen worden, und vor Schmerz und Hunger ist dann das Thier eines langsamen und qualvollen Todes gestorben. Leider hatten Nachforschungen nach dem Thäler noch kein Ergebniß. Leipzig, 5. Februar. Der.Vicekonsul der Ar gentinischen Republik, H. E. Müller, dessen Verhaftung bereits gemeldet wurde, denuncirte im Herbste 1895 seine 60jährige, bis dahin unbescholtene Aufwartefrau den Behörden, daß sie widerrechtlich an den Lumpenhändler Wolle verkauft habe, welche im Winter zwischen den Doppelfenstern eingeklemmt war, um die Zugluft abzu halte». Bei der Durchsuchung der Frau wurde auch ein viertel Pfund Strickwolle gefunden, die aus dep Waarenvorräthen des Herrn Vicekonsuls, der jährlich etwa 20 Millionen Mark in seinem Geschäft nmsetzt, herstammte. Die alte Frau wurde damals zu der Miuimalstrafe von einen. Tage Gefängniß verurtheilt und die Gerichtsverhandlung gab der „Leipz. Gerichts- Zeitung" Anlaß zu einem den „Gerechtigkeitssinn" des Herrn Vicekonsuls glossirenden Artikel. Der Redakteur genannter Zeitung wurde auf erhobene Offizialklage wegen Beleidigung des Vicekonsuls zu drei Wochen Gefängniß verurtheilt, welches Strafmaß iu der Berufungsinstanz auf zwölf Tage ermäßigt und schließlich im Gnadenwege in Geldstrafe umgewandelt wurde. Jetzt befindet sich der Herr Vicekonsul der argentinischen Republik mit dem hochentwickelten Rechtsgefühl, welches nicht schweigen konnte, bei der grauenvollen Thatsache, daß eine 60jährige unbescholtene Frau sich ein viertel Pfund Strickwolle angeeignet hatte, seit Mitte Januar iu Untersuchungs haft wegen „großer" Unterschlagungen und es wurde sogar eiu Kautionsaugebot Müllers um Haftentlassung in Höhe von 100000 Mk. von der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Annaberg, 7. Febr. Mit Beginn des Februar jat sich bei uns im oberen Gebirge der Winter in einer Strenge und großer Ausbreitung eingestellt. Die zeither kahlen Flnren haben eine dichte schützende Schnee lecke erhalten und auf den Wegen und Straßen liegt o viel nnd so hoher Schnee, daß der Schlitten als allgemeines Fahrzeug hervorgeholt wurde. Mehrere Ge- ellschaften haben gestern Schlittenpartieu weit hinauf ns Gebirge durch die herrlichen Winterlandschaften bei dem geeignetsten Wetter zur geluugeneu Ausführung gebracht, denn das vorher starke Schneetreiben hatte nachgelassen und es zeigte das Thermometer bei ruhigem Wetter nur 4 Grad unter Null. Leider aber haben die Stürme in unsern Wäldern dnrch Bruch unzähliger Bäume erheblichen Schaden angerichtet Zittau, 5. Febr. Einen merkwürdigen Prozeß ührt zur Zeit die etwa 2000 Einwohner zählende Stadt Ostritz bei Zittau in der sächsischen Oberlausitz. Sie jat die Reichspostverwaltuug verklagt. Das Städtchen hat unter bedeutenden Kosten eine elektrische Lichtanlage »gelegt. Da erschien die Reichspostverwaltung auf dem Kane und verbot kurzer Hand den Weiterbetrieb dieser lnlage wegen Störung der durch die Stadt geführten 'elcphouleitungen, und gleich unter Androhung einer Geldstrafe in Höhe von 1000 M. Bereits vor sieben Monaten war die Stadtverwaltung bei der Behörde um die Genehmigung der elektrischen Anlage eingekommcu; in, Vertrauen darauf, daß die Genehmigung sicher er- theilt würde, baute mau ruhig fertig, und nun stellt sich heraus, daß, wenu die Reichspost ihren Willen durchzusetzeu vermag, ganz erhebliche Umbauten gemacht werden müssen. Die Stadtverwaltung von Ostritz hat aber nun den Spieß unigedreht und einen Prozeß gegen die Reichspostverwaltuug angestrengt, dahin gehend, daß dieselbe gezwungen werden soll, ihrerseits die Telephon- leitungeu zu verlegen, indem ein rechtsverbindlicher Ver trag zwischen beiden nicht besteht und die Stadt „Herr im Hause" bleiben will. Auf deu Ausgang dieses Streites kann man gespannt sein/ T ep l i tz-S ch ö u a u, 5. Februar. Wie der Sturm hier gehaust hat, geht aus nachstehendem Bericht hervor: Er erreichte eine solche Särke, daß es selbst kräftigen Männern auf der Straße Mühe kostete, sich aufrecht zu erhalten. Viele Fuhrwerke wurde« unigestürzt und die Leute klammerten sich an die Wände der Häuser, um nicht fortgerissen zu werden. Der Sturm hob zahl reiche Dächer ab und stürzte die bis zu 45 m hohe Schornsteine um. Ein schreckliches Bild der Verwüstung bietet der berühmte Schloßgarten. Etwa 150 der schönsten nnd ältesten Bäume sind zum großen Theile entwurzelt und niedergebrochen, sodaß der herrliche Park vollständig verheert erscheint. Fast sämmtliche Telephonleitnngen sind unterbrochen. In Teplitz wurde während des Sturmes eine Frau umgeworfen nnd lebensgefährlich verletzt. Am schlimmsten hat der Sturm in dem nahen Luftkurorte Eichwald gehaust. Der Wind bruch in der Nähe der Wasserheilanstalt „Theresien- bad" — die durchaus nicht vor mehreren Wochen ab gebrannt ist; der damals gemeldete Brand hatte die kleine Brechlersche Anstalt betroffen — bietet einen ge radezu erschreckenden Anblick. Das „Thersienbad", das durch seine schöne Lage inmitten eines prächtigen Hoch waldes einen Hanptanziehungspunkt für Kurgäste und Touristen bildet, ist gänzlich bloßgelegt, da von dem ausgedehnten Hochwalde bis auf den Kamm des Erz gebirges hinauf kaum ein Baum stehen geblieben ist. Von, „Theresienbade" an wird der zusammmenhängende Komplex des Windbruches auf 2—4000 Festmeter ge- chätzt. Auch sonst wurde an den Waldbeständen un geheurer Schaden angerichtet. Der gesammte Wind-