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126 In der ursprünglichen unberührten Natur herrschte ein harmonisches, wohltätiges Gleichgewicht unter den Geschöpfen, unter der Pflanzen- und Tierwelt. Der Frie den in der Natur, von dem der Dichter singt, ist das allerdings nie gewesen; er wird auch niemals kommen. In der Natur ist vielmehr alles auf einen erbitterten, nie rastenden Kampf, den Kampf ums Dasein abgestimmt. Ein Geschöpf lebt vom andern und sorgt in weiser An ordnung der Natur dafür, daß sich das andere nicht ins Ungemessene vermehrt und darum schädlich wird. So war es wenigstens im ursprünglichen Zustande. Der Mensch hat das Gleichgewicht in der Natur gestört, als er die Kultur brachte, besonders als er Pflanzen kulturen anlegte, mag es nun das Saatfeld, der Forst oder der Obstgarten sein. Die den Pflanzen aus Gründen ihrer Fortpflanzung usw. Gefolgschaft leistenden In fekten wurden ungewollterweise ins Ungemessene vermehrt, als man bestimmte Pflanzen in großer Zahl anbaute. Die Insekten paßten sich schließlich auch anderen Pflanzen an, wenn die ihnen von der Natur zugewiesenen Gewächse für sie nicht mehr ausreichten. Ihr Einfluß auf andere Pflanzen war meist ungünstig, mit anderen Worten, sie wurden zu Schädlingen. Die Vögel, die den Insekten nachstellten, vermehrten sich nicht in der erforderlichen Zahl mit, zumal ihnen bei der Kultivierung des Landes die Existenzmöglichkeiten vielfach untergraben wurden. Wie mit den schädlich gewordenen Insekten verhält es sich auch mit den uns schädlichen übrigen Tierarten, namentlich bestimmten kleineren Vögeln, aber auch den Mäusen usw. Seit Jahrhunderten sind unsere Raub vögel im Abnehmen begriffen; viele Arten sind bei uns so gut wie ausgerottet. Der Rest wird von rücksichtslosen Jägern erbarmungslos abgeschosscn. Es ist nicht zu leugnen, daß sich viele Raubvögel an jagdbaren Tieren vergreifen. Als durch die fortschreitende Kultur die Nic- derjagd spärlicher wurde, machte man die Raubvögel zu sammen mit dem heimischen Raubzeug, namentlich dem Fuchs, dafür verantwortlich und ging ihnen schonungslos zu Leibe. Von der Sucht, Trophäen zu erlangen, mag ganz geschwiegen werden. Man hatte aber nicht beachtet, daß den Raubvögeln zunächst die schwächlichen, wenig zur Fortpflanzung geeigneten Tiere zum Opser fielen, sie also eine Art Sanitätspolizei bildeten, die für die Erhaltung einer kräftigen Art von größter Bedeutung war. Weiter war man sich der Folgen nicht bewußt, die die Vernichtung der Raubvögel für die Kleinvogelwelt nach sich zog. Die Raubvögel hielten ehemals das Gleichgewicht unter den lleinercn Vögeln aufrecht. Mit ihrer Abnahme, ja ihrem Aussterben kamen natürlich gute Tage für die jenigen kleineren Vögel, die sich der Kultur anzupassen verstanden, denen schließlich jeder Ort als Brutplatz, jedes irgendwie Genießbare als Futter recht war, wie den Krähen, den Sperlingen usw. Sie vermehrten sich ungeheuer und wurden durch ihre überzahl schädlich; bei normalem Vorkommen wird nian bei gerechter Beurteilung von einem Schaden nicht sprechen können. Der Mensch muß hier korrigierend eingreifen; denn es ist sein gutes Recht, das Naturqanze nach seinem Nutzen und Gefallen zu regeln. Die Pekämpsung muß jedoch mit Verständnis durchgeführt werden, man darf nicht an eine Ausrottung denken; denn diese hat noch nie etwas Gutes mit sich gebracht, wie wir es an den Raubvögeln gesehen haben. Neben den wirtschaftlichen gibt es ja auch noch ästhetische Werte; jede Tierart ist schließlich ein Denkmal der Natur, das unrettbar verloren ist, wenn sein letztes Glied vernichtet wurde. Es ist deshalb nicht zu billigen, wenn mit Massen mord gegen eine uns unbequem gewordene Vogelart vor gegangen wird; man wird mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. Jeder Kenner der Verhältnisse muß es deshalb mit Freude begrüßen, daß der Herr Vorsitzende des Landes-Obstbauvereins sich in der Sitzung des Landeskulturrates nachdrücklich gegen das Gistlegen als Krähenbekämpfungsmittel ausgesprochen hat. Abgesehen davon, daß das Gistlegen unwcidmännisch ist, würde man dabei auch viele andere, uns nützliche Vögel mit vernichten, die an die Giftbrocken gehen. Mit Pulver und Blei in der Krähenhütte muß man hier den unerquicklichen Zu stand wieder beseitigen, den man durch Vernichtung der Raubvögel geschaffen hat. Klengel. Bienenzucht. Im Juli und noch Anfang August surrt die Honig schleuder oder erhalten die Vorratsräume der Imker die kostbaren, gelblich-weißen Honigscheiben, den Tribut ihrer fleißigen Völkchen. Noch hat der Juli gut zu machen versucht, was Mai und Juni verdorben. Freilich, vielen Ständen fehlen die Flugbicnen, da die Jungmannschast — das Ammenvolk — vom Mai hinweggemäht wurde. Die Tracht kann nicht ausgenützt werden. In Gegenden, in denen Ende April die Völker noch nicht auf der Höhe waren, haben die Stämme unter der Maikrankheit nicht so viel gelitten, wie in den mit frühstarken Völkern. Sie dürfen sich einer guten Mittelernte an Honig erfreuen. Manche Gegenden gehen aber leider fast leer aus. Honig! Ja, was ist Honig? Der Verein deutscher Nahrungsmittelchemiker setzte 1908 seinen Begriff sprachlich wie folgt fest: „Honig ist der süße Stoff, den die Arbeits bienen erzeugen, indem sic Säfte von verschiedenen lebenden Pflanzen ausnehmen, umwandeln und zum Zwecke der Ernährung des Bienenvolkes in den Waben ausspeichern." Dr. Fiche sagt: „Echter Blütenhonig ist ebenso wie der edle Traubensast eine Gottesgabe, welche durch kein Kunstprodukt ersetzt werden kann. Kein Kunstwein vermag einen schwächlichen Körper zu kräftigen, und in keinen: Kunsthonig sind die heilkräftigen Stoffe vorhanden, welche wir am echten Bienenhonig so sehr schätzen." Er ist ein Nahrungs- und Gcnußmittel, ersteres indem er Wärme und Kraft erzeugt, besonders die Nerven stärkt, letzteres, indem er den Geschmack der Speisen verbessert, als Reizmittel auf die Absonderung der Verdauungsstoffe wirkt, die Gesamttätigkeit des Körpers, besonders aber die des Herzens wohltuend anregt. Da sein« Zuckerarten bereits im Bicnenmagcn vorverdaut wurden, hat der menschliche Magen beinahe keinerlei Arbeit mehr mit ihm, sondern gibt ihn unmittelbar ans Blut. Zucker — natürlich auch jeder Kunsthonig — muß vom Magen erst verarbeitet werden. Ist letzterer das nicht imstande, so erzeugen feine Gärungs produkte Magen- und Darmbeschwerden. — Kurzum: Honig ist neben der Milch das gesündeste Nahrungsmittel, namentlich sür Säuglinge, blutarme, bleichsüchtige Kinder, stillende Mütter, von schwerer Krankheit wieder erstandene und auch besonders sür alternde Männer und Frauen. Ein weiser Grieche rief bereits 400 vor Christo seinen Landsleuten die Lebensregel zu: „Willst du alt werden, so spare Honig nicht an deinem inneren, Öl nicht an deinem äußeren Menschen." Darum: Honig essen! Aber nicht im Übermaß, sondern in regelmäßigen normalen Portionen. — Und nicht Honigschmiere von fraglicher Herkunft, sondern reinen, unverfälschten Bienen honig. Man unterscheidet: 1. Nektarhonig. Ihn bereiten die Bienen aus dem Nektar der Blüten. Er verdient an erster Stelle genannt zu werden, denn ihm kommt an Aroma, Wohlgeschmack und Gehalt an ätherischen Ölen, an Salzen usw. keiner gleich. 2. Blatthonig: Er wird von den Bienen aus dem flüssigen Süßstoff gebildet, den Blätter und junge Triebe unter Einwirkung von großer Wärme und Luilfeuchtigkeit, wohl auch von Licht und Elektrizität ausschwitzen. Heidehonig ist Nektarhonig, nur nicht so fein und zart von Geschmack wie jener, der aus allen möglichen Blüten des Gartens und der Wiese, des Waldes und des Feldes zusammengeschöpft wurde. Die Farbe des Honigs ist außerordentlich verschieden. Der Frühjahrs honig ist mehr hellgelb, Lindenhonig grünlichgelb, Heide honig goldgelb, Akazien- und Kleehonig wasserhell, Honig