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über örtliche und vaterländische S e ch st e r aan Angelegenheiten, g. ^oricr Wochcnöß Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 2l Neugroschcn, bei Beziehung des Blattes durch Botengelegenheit tä Neugroschcn. ^34. 26. Ang. 1841. Erscheint jeden Donnerstag. Ueber ^Preßfreiheit. Mit Bezug auf die Schrift von Friedrich von Gentz über Preßfreiheit. Von Nr. H. B. O. Preßfreiheit oder Ccnsur — die Bedeutung dieser Worte hat in den letzten Jahrzehnten so vielfach dem Sturme der Debatten zum Spiele gedient, daß selbst das Brockhaussche Eonversationslericon behauptet, Nichts neues swäre jmehr darüber zu sagen. Aber es ist nur deutsche Art, eine Idee für erledigt zu halten, ehe sie in's Leben eingeführt ist, und von einem neuen Resul tate zum andern zu schleichen, bis die Wirklichkeit dar über vergessen und vernachlässigt ist. Vollführt nur erst eine Euerer guten Ideen, und sehet dann, wie viel Neues jede einzelne practische Erscheinung bietet! — Wenn die Vertheidiger der Rede - und Druckfreiheit den Streit wieder aufnehmen, so geschieht das nicht, weil sie noch gar nicht wirklich bekämpft sind, weil man inmitten des Disputs ängstlich aus dem Hörsaale weglief, um die Polizei zu holen. Ob man Einen umbringe, oder ihm die Zähne ausbreche, in beiden Fällen wird er nicht gut sprechen können. So ist es ein seltsames Unternehmen, unter Ccnsur über Preß freiheit zu schreiben, im Kerker eine Charte der Men schenrechte proclamiren! — Wenn aber unter den gege benen Umständen eine Vertheidigung der freien Presse gewagt und schwierig scheint, so ist diese Stellung doch ehrenvoller, als die entgegengesetzte, weil ein ehren- werther Mann unterdrückte Tendenzen eher in Schutz nimmt, als anklagt. Daher kam es vielleicht, daß die Censur sich selber geschadet hat, indem das Publikum für die seltenen Fälle, wo sie bei uns auf eine ehrliche, offene und gründliche Weise vertheidigt wurde, doch in ihren verkappten oder namenlosen Schildträgern nllr Söldlinge erblicken wollte. Diese widerlegten sich selbst durch ihre Autorität, wie durch ihre Gründe, und konn ten denen nicht genügen, die, dem Prinzipe getreu, daß gegenseitige Erwägung der Wahrheit Spiegel ist, ihre eigene Wahrheit durch Polemik gestählt haben möchten. Wie schwach waren größtentheils die Argumente, welche bisher so oft, und noch neuerdings in einer anonymen Schrift (Preßfreiheit oder Censur; eine practische Frage, Frankfurt a. Main, 1839) gegen uns gedient haben! Da wird wieder einmal das alte Motto ^mißbraucht: Oäi proHnum vulxu» et »rce8, als ob die Censur das profane Volk abhielte! — Wenn man auf vornehme Weise über die Anhänger der Preßfreiheit spöttelt, wie über Leute, welche, die tiefe Stimme einer besseren Ein sicht überhörend, dem lauten Marktgeschrei des Zeit geists nachlausen, so hat man nur insoferne Recht, als die ganze Frage dem^ profanen Volke freilich ferner liegt, und blos die Schriftsteller und überhaupt die Ge bildetsten der Nation, welchen das geistige Wohl ihrer Zeitgenossen, ihre eigene zeitgemäße Aufklärung am Herzen liegt, sich eifrig nach Preßfreiheit sehnen. Man sucht natürlich stets den Standpunkt der Frage zu ver rücken, und schiebt der Censur sowohl eine andre Be stimmung, als einen anderen Wirkungskreis unter, um sie so in unsere unbewachten Herzen einzuschwärzen. Man stellt sich an, als wäre sie ein ästhetisches und philosophisches Geschwornengericht, dem die höchsten Capacitäten der Nation mit Recht untergeordnet wür den. Da wird sogar angeführt, daß in Deutschland gerade die schöne Literatur darniederliege, weil sie der weisen Fürsorge einer Hohen Censur zu sehr entrückt sei. — Mein lieber Freund, der dürren Wüste unserer Belletristik sieht man es leider! an, wie sehr es ihr an den bewässernden Interessen der politischen Zeitsragen fehlt, und unsere politische Journalistik liegt vollends darbend darnieder, weil sie durch Censur so sehr geläutert und destillirt ist, daß ihr alles Mark ausgeht. Der breite Nilstrom politischer Debatten, der in anderen Gegenden jährlich sein Bette übertritt, läßt doch jedesmal seinen befruchtenden Schlamm zurück. Wie man auch die Sache ansehe, das Gute kann nur gerettet werden durch daS Schleckte, und das Beste hielte sich nicht aufrecht, ohne Widerstand und Anfechtung. Politische Indifferenz macht immer schlecht. In Frankreich hörte die gemeinste obscene Winkelliteratur erst auf, als die Jugend an der befrei ten Presse zur politischen Debatte heranreifte. Der ein zige Literaturzweig, der bei uns blüht, der wissenschaft liche, ist von äller Censur gelöst, und daß auch er nur blüht, wo er von dieser Scheere nicht beschnitten wird, bewies schon mancher große Staat. Ein ncuersundenes Rarsonnement findet sich in der eben erwähnte» Schrift. Sie sagt, die Verstandeskräfte