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Beilage zu Ur 104. Sonnabend, 1. September 1d23. 75. Jahrgang. Steuerreform — Wirtschaftsreform. Nu» dm Kreisen fast aller Gewerbetreibrnden find dringende Warnungen laut geworden, die Be lastung der Wirtschaft nicht über das Maß det Er kläglichen hinaus zu steigern. Jahrelang hat man in Deutschland die öffentlichen Finanzen in verfall geraten lassen und auf ein Wunder gewartet, durch welches die Katastrophe verhindert werden würde Selbstverständlich hat kein deutscher Finanzminister in Reich und Ländern bewußt und absichtlich der W«rt schäft Lasten erspart and daS öfftntliche Finanzwesen ruiniert; man hat vielmehr im Glauben an ein« Art wirtschaftlicher und finanzieller Natur Heilmethode erwartet, daß die Erholung unserer Wirtschaft nach den schweren Kciegrsahren allmählich und von selbst auch eine Gesundung unserer öffentlichen Finanzen zur Folge haben werde, ohne daß außergewöhnliche Maß nahmen ergriffen zu werden brauchten. PoircaiL hat einmal von dem .skandalösen Aufblühen" be- deutschen Großgewerbet gesprochen und mit dieser Brhauprung im Autlande und auch bei manchen Deutschen Klauben gefunden. Ek ist erst sehr spät für alle deutlich zu. tage getreten, daß die „Rtrsengewinne" der deutschen Wirtschaft Schein gewesen find, und daß kaum ein einziger gewerbliche» Unternehmen von sich au» sagen kann, daß r» in seiner Kopitalkrast und in seiner Ertragfähigkeit heute ebenso dasteht wie vor dem Kriege. Bis zum Ueberdruß ist von einsichtig«» Wirt schaftkkritikern versichert worden, daß die Schulden, welche die öffentlichen Organe auf sich nehmen, letzten Ende» von der Wirtschaft getragen und abgetragen werden müßten. In den ersten Jahren nach Be- endigung de» Kriege» hat di« Umwandlung der aus feste Beträge lautenden Prioatoermögrn in immer wertloser werdende Popiermark den großen F hlbetrag gedeckt, den unser« VolkkWirtschaft auswte». Wenn j tzt die innere Verschuldung Deutschland» eine Höhe von SOO Billionen Papiermork erreicht haben mag, so de- deutet da» — in Edklvaluta umgrrkchnet — rin« Summe von vielleicht 300 Millionen Goldmark Sorgfältige Berechnungen haben ergeben, daß dir deutsche Industrie ihr Kop tal auch nicht w-hr an- gemessen verzinsen kann. Nur ein geringer Bruchteil der deutschen Unternehmung«» ist in drr Lrge, dir jetzt beschlossenen und neu zu beschließenden Steuern aus altem Fett zu decken; für dis Mehrzahl drr Unternehmungen bedeutet die bereit» durchgeführte und noch bevorstehende Steurrbelastung di« Umwandlung der geringen Ueberschüssr in große Fehlbeträge. Ber Pfändungen und Veräußerungen großen Stil» werden in den nächsten Wochen und Monaten vor sich gehen, obwohl wenig davon an die O ffentlichkeit dringen dürfte. Dis verzögert« Ftnavzreform ist zu einem Krisenfaktor ersten Range» für die Wirtschaft geworden. Wiederholte Darstellungen unserer La?« du.ch amtliche und private Organe haben daZ Ausland nicht zu überzeugen vermocht. ES scheint, al» wüßten wir der Welt da» Schauspiel einer Katastrophe bieten, eh« man erkennt, daß wir unter den gegenwärtigen Be. dtngungen wirtschaftlich nicht lekentsähig und auch nicht zahlungsfähig sind, und e» auch nicht werden können. Da» Reformwerk, welche» da» Kabinett Stress Mann H lferding eingeleitet hat, ist erst in feinem ersten mechanischen Teil in Angriff genommen worden; der zweite — wichtigere und schwierigere — Teil steht uns Noch bevor. Er sollte selbst dem härtesten Kopf ringeheu, daß durch die Verhängung .brutaler Steuern" di« No! nicht zu hrtlen tst. Zar Steuerreform muß die Wirtschaftkreform, d. h. ein« großzügige N-ubilanzierung Unserer gesamten Produktion, treten. Wir haben nur die Wahl, die Massen unsere» Volke» hungern za lassen oder aber sie notdürftigst zu versorgen; eine Wtedereroberung der Lebenshaltung der Vorkriegszeit ist ein in den nächsten Jahren, vielleicht gar Jahr- zehnten unerreichbare» Z el. Die Kapttalreseroen und die laufenden Erträge der Wirtschaft werden bi» hart an die Grenze de» Erträglichen von der O ffentlichkeit in Anspruch genommen werden, nicht minder aber auch di« Arbeitskraft jede» einzelnen. E» wäre Wahn sinn, wenn sich di« politisch«« und wirtschaftlichen Vertretungen der Massen auch weiterhin weigern würden, die Intensivierung und Vermehrung der Arbrittleistung zu organisieren. Der Heb«! muß an dem einzigen Punkt angesetzt werden, an welchem die Welt in Bewegung ,» bringen ist: beim materiellen Interesse, und dt«se» kann nur durch gesteigert« deutsch« WtrtschaftSerträg« geweckt werden. Oertliche ««d sächsische Angelegenheiten. Pulsnitz. (PoIizeibericht.) Gestohlen wurde am 31. August zwischen 1180—12 Uhr aus der offenen Hausflur der Tommerz und Privat Bank ein Herren, fahrrad, Marks „Stöwer Greif", Nr. vermutlich 161339 schwarzes Gestell, gelbe Felgen mit zwei schwarzen Streifen, vernickelte, nach unten gebogene Lenkstange, Lontinental Bereifung und mit angebogenem Vorder- rahmen. Im Verdacht, das Rad gestohlen zu haben, kommt ein junger Mann, welcher sich in fraglicher Zeit in einer verdächtigen Weise an der Apotheke hsrumgedrückt hat. Personen, welche über die Person dieses Unbekannten nähere Angaben machen können, wollen dies dem nächsten Gendarmerie Posten oder Polizei Wache melden. Für Wiedererlangung des Rades ist eine hohe Belohnung ausgesetzt. — (Zunahme des Nonnenfalters.) Die Nonnenfalter treten in hiesiger Gegend ziemlich zahl» reich auf und machen einen durchaus gesunden Ein druck Gegenüber dem Vorjahre ist eine teilweise be» denklichs Zunahme der Faltermenge zu bemerken, so daß die Hauptgefahr für hier noch zu befürchten ist. Wenn auch die Kalamität durch Bekämpfung nicht restlos beseitigt werden kann, so können doch bei sorg samer Durchführung der Bekämpfungsmöglichkeiten die Fraßschäden wesentlich gemindert werden. Mag jeder durch Vernichten der Raupen, Puppen und Fal ter an seinem Teil dazu beitragen, die heimischen Wälder zum Wohle der Allgemeinheit zu schützen. — (Die Brotpreise) erfahren laut einer im amtlichen Teile enthaltenen Bekanntmachung der Amtshauptmannschaft für den Kommunaloerband abermals eine ganz bedeutende Heraussetzung. Vom 2. September ab kostet das 1900 Gramm Brot, für das jetzt 105 000 M zu zahlen sind, 260000 Mark. Wie überdies verlautet, ist in Kürze eine abermalige Steigerung des Brotpreises zu erwarten. — (Wegfall militärischer Formen im sächsischen Gefängnkswesen) Das Justiz ministerium hat kürzlich eine Verordnung erlassen, wonach in den sächsischen Gefängnissen bei der Be handlung der Gefangenen und bei der Ausübung des Dienstes der Gesängnisbeamten jede unangebrachte Nachahmung militärischer Formen zu vermeiden ist. Dresden. (Schnellzugs - Verkehr mit Breslau) Lie anläßlich der Leipziger Messe gegen wärtig eingelegten Schnellzüge v 123 ab Dresden (Hbf.) nachm. 4,16, in Breslau abends 9,16 und l) 124 ab Breslau norm 9 00, in Dresden Hbf. nachm 2 00 werden in Rücksicht auf die Breslauer Messe ohne Unterbrechung bis einschließlich 5. September (statt wie geplant ris S. September) regelmäßig täglich ab« gelassen Döbeln. (Hundertschaften der feind- lichen Brüder.) Die Ortsgruppe der VSPD gibt in der „Volkszeitung für das Muldental" be kannt, daß sie gemäß Beschluß des Unterbeztrks und Bezirksgeneralversammlung nach wie vor gemeinsame Hundertschaften ablehnt. Trotz entschiedener Verwah rung mißbrauche die KPD immer wieder den Namen der VSPD. bei Aufrufen jeder Art. Die Ortsgruppe der VSPD. bittet ihre Genossen in den Betrieben, sich scharf gegen solche Machinationen zur Wehr zu setzen. Die KPD. versuche heute mehr denn je Ver wirrung in di« Reihen der Arbeiterschaft zu tragen Leisnig. (P f e r d e m a r k t.) Der Landesver band sächsischer Pferdezüchter veranstaltet gelegentlich der Unternehmung des Landesverbandes sächsischer Herdbuchgesellschaften in Leisnig am 14 September mittags einen Pferdemarkt in der dortigen Fahr und Reitschule, der namentlich Gelegenheit bieten soll zum An- und Verkauf von Absatzfohlen und ev Hengsten. Leipzig. (Der Meß-Donnerstag) stand im Zeichen der weiteren starken Kursoerschlechterung der Papiermark, die im allgemeinen von Ausstellern und Ankäufern lebhaft erörtert wurde. Da die Warenpreise auf dieser Messe vorwiegend auf Gold- mark basieren, haben die Preise daher an diesem Tage automatisch eine starke Steigerung erfahren, von der es aber fraglich ist, ob sich die Kaufkraft des Publikums darauf in absehbarer Zeit einsteUen wird. Auf der technischen Messe hat sich das Geschäft derart günstig entwickelt, daß die Aussteller beschlossen haben, bis zum lehren Tage durchzuhallen Politische Rundschau Deutsches Reich. Hamburg, 31 August. (Von der inter parlamentarischen Konferenz in Kopen hagen.) Nachdem von der interparlamentarischen Konferenz in Kopenhagen eine entsprechende Ent schließung angenommen worden war, hat sich die interparlamentarische Gruppe de» schwedischen Reichs tages durch seinen Vorsitzenden an die schwedische Regierung gewandt, mit der Bitte, sie möge im Völkerbunde einen Eingriff in die Reparationssrag« erwirken. Der Antrag wird damit begründet, daß Schweden durch einen solchen Schritt keine außer ordentliche politische Schwierigkeiten zu befürchten haben, da das ganze Volk hinter diesem Anträge stände. — (Der italienisch griechische Kon flikt hat sich unheildrohend verschärft. Die Athener Antwort wird in führenden römischen Kreisen als „lächerlich" bezeichnet und für eine „Straferpedition? wegen Griechenland wird in ganz Italien Stimmung gemacht. Dabei ist die griechische Antwortnote so entgegenkommend abgefaßt, wie es einem Lande das nationale Würde aufrecht erhalten will, nur eben möglichst ist. Aber es scheint, als ob Mussolini, da die Fiumefrage nicht zu einer von den italienischen Nationalisten gewünschten Regelung kommen kann; eines außenpolitischen Erfolges auf jeden Fall be- darf und diesen auf eine leichte Weise suchen will, indem er das zerrissene und widerstandsunfähige Griechenland in einen Krieg hineintreibt. In Frank reich scheint man dem italienischen Spiel mit dem Feuer einige Unterstützung gewähren zu wollen, offenbar mit der Berechnung, die italienisch-englische Annäherung auf diese Weise zu stören. England spricht offen und rückhaltlos seine Mißbilligung aus; aber es kann nicht erwartet werden, daß es über diese Geste hinaus irgendetwas wesentliches für sein unglückliches Hilfsvolk tun wird. Nur in Jugos lawien, daß sich mit Aeußerungen auffallend zurück- hält, dürfte man die italienischen Kriegsvorbereitungen die gebotene Aufmerksamkeit widmen und nicht zögern, sich auf alle Möglichkeiten einzustellen. Bericht «der die öff. ZtMonardMcMmg am 31. August 1923. Anwesend Herr Vorst«h«r Nier und 11 Stadt« verordnet«. Am Rat»tische Herren Bürgermeister Kanne« gießer, Stadträtr v-yrr, Garten, Köhler und Pamp«l. 7 Uhr 40 Min. «röffnet Herr Vorsteher Nier di« Sitzung. Vor Eintritt in di« Tagerordnung erklärt Herr Vorsteher Nier in persönlicher Angelegenheit, daß di« von Herrn Schulleiter Röb«r wider ihn «rhoben« Pri vatklage wegen Beleidigung in zwei Instanzen kosten- pflichtig« Abweisung erfahren habe. Er hält dies« Erklärung für notwendig, da die Angelegenheit s. Zt. in die Oeffentlichkeit getragen worden sei. I. Kenntnisnahmen: 1 . daon, ooß die für unterstützungSbrülfttge Sozial, und Kleinrentner von der Stadt gezahlten Kravkenkassenbeiträge zur freiwilligen Krankenversiche rung dieser Personen von der Ori»krnnk«nkasse infolge der Geldentwertung erhöht worden find; 2 daß der Rat in Verfolg einer Anregung de» Herrn Hartmann in der letzten Sitzung, brtr. Verlän gerung der für Jaucheabfuhr festgesetzten Zeit «» ab- gelehnt hat, eine Aenderung der bestehenden örtlichen Bestimmungen, die bisher sehr milde gehandhabt wor den find, h»be(zuführen; 3 von der vom Be»irk»v«rband drr Amtrhaupt- mannschaft Kamenz eingrsührten Schankerlaubnissteuer; 4 . von der Genehmigung de» Rate» zur Anfer tigung städtischen Notgelde»; 6 daß der Rat nach Einleitung de» Einigungs- verfahren» unter Aufgabe de« früher eingenommenen ablehnenden S andpurtke» die Erhebung deS von den Stadtverordneten beschlossenen 25»/vigen Zuschlages zur Grundsteuer genehmigt hat; S . von dem E ngange von 1286 000 M vom Ministerium des Innern für Wohlfahrt»einrichtungen; 7 von der Einladung de» Turnvereins ,Turner bund" Pulsnitz zu seinem 60. Stiftung»frstr. II. Nichtigsprcchung: Die Feuerlöjcht ssenrechnung vom Führe 1922 wird einstimmig richtig gesprochen. III. Beratungen und Beschlussfassungen: 1 . B-.Hilfe für die Sanitättkolonne. Dem Rats» b.fchl, ssr. di« bi»her gewährte Beihilfe von 50 M auf 500 000 M zu erhöhen, wird einstimmig ,»gestimmt. 2 F-uerschutzstmer. Zur Deckung eine« T-il«s de» Aufwandes der d«r Stadt durch das Feuerlöfch.