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110 dcn uns dankbar erweisen und euch nach und nach die Krone der Gewalt zuwenden. Bald sollt Ihr die Herrschenden dienstbar und verächtlich, die Geistlichen lieblos und verlacht sehen. Dann ist eure Zeit ge kommen. Und so geschah es. — Adel und Geistlichkeit ver kosteten diese neuen Früchte' der Thälcr und Tiefen. Die Moden schmeckten den Königen und Fürsten, die Meinungen machten die Geistlichkeit gallig. So ent standen auf der einen Seite Lustbarkeiten, Hoffeste, Prunk, Spiel und Liederlichkeit; auf der andern krachen Kämpfe aller Art aus, die mit Feuer und Schwert geführt wurden. Dort sah man die alten festen Güter des grundhcrrlichcn Besitzes von dcn beweglichen Gütern der bürgerlichen Thätigkeit, wie einen Fels von Wogen, bestürmt. Hier wurden die festen Sätze der Glaubensherrlichkeit von den be weglichen Gedanken Ler Forschung bestritten. Die Gedanken wirkten viel rascher, unaufhaltsamer, als die Güter; die geistigen Interessen sind viel leben diger, als die materiellen, weshalb denn auch um Jahrhunderte früher die Reformation ausbrach, wie ja im Frühling auch die Blüthen meist vor den Blät tern hervorkommen. Aber die Blätter bleiben darum nicht aus und so entsteht endlich für die materiellen Interessen dcS Staats die Revolution. Darin also liegt die Bedeutung der Revolution, daß sich das bewegliche Leben nicht von dem trägen Herkommen, von dem aufgeblasenen Dasein aufhalten, das natürliche Recht Al ler nicht von den erworbenen Vorrechten Einiger hemmen läßt. Wie aus dem verschlos senen Fels unter Sonnen - und Regcnwirkung eine vielfältige Vegetation hervorblüht, so hat die vom Adel bestimmte Königsgcwalt selbst die vielfäl tige Bürgerschaft hcrvorgctricben, die nun jene Adels- macht brechen wird. . Mußte die Reformation, die ältere Tochter der neuen Zeit, nolhwendig in Deutschland, unter einer für geistige und religiöse Interessen besonders glühen den Nation, geboren werden: so konnte die Revolu tion, die zweite Tochter, nur in Frankreich zur Welt kommen. Diese leichte, lebenslustige, lebcnskluge Nation der Franken ist am ehesten dem Sittenver derbnis ausgesetzt. In Frankreich nahm das Sittcn- verderbnis früh überhand. Die Verschwendungen des Hofes, die Anmaaslichkeit des Adels, die Liederlich keit der Geistlichkeit wurden dort aufs Aeusscrste ge trieben. Die Könige, durch Mänke und Kabalen des Adels gefesselt und versklavt, machten dcn Thron verächtlich. Die Priester setzten durch ihr weltliches Treiben die auf Himmlisches gerichtete Religion mit ihr selbst in Widerspruch. Ein solches Volk nun, klug und geistreich, um solche Wicdcrsplüche lebhaft aufzufasscn, wenig religiös, um das Bestehende für heilig zu halten, spottet erst und greift dann, wenn der Druck unerträglich wird, rasch zum Widerstand. Dazu kömmt, daß zu gleicher Zeit die französische Nation in Bearbeitung der materiellen Güter und in Vervielfältigung der Genüsse erstaunlich vorgerückt und in gleichem Grade für ein freithätigcs und be hagliches Leben empfänglich ist. Was soll nun cin solches Volk abhaltcn, cin mächtig und lästig gewor denes Kvnigrhum, einen übermüchigcn, drückenden Adel und eine ungebildete, schlemmende Priesterschafl zu verschmähen, zu vertreiben. Nachträgliches zu der „Frage" in Nr. 13 d. Vl. Sogleich »ach Bckanntwcrdung jener ,,Frage" wurde das beruhigende Gerücht verbreitet, daß das darin erwähnte Kapital aufgekündigt sei und am istcn Mai d. I. werde bezahlt werden. Heute schreiben wir nun den 1. Juni und noch ist weder das Kapi tal bezahlt, noch der Name des Erborgcrs den Rath- männern und Stadtverordneten bekannt gemacht wor den. — Es wird wol Niemanden befremden und kann auch Niemandem verwehrt werden, wenn über diese geheimnißvollc Sache gar sonderbare Muthma- sungen — umlaufen; aber in desto höherem Grade muß es befremden, daß bei uns so etwas geschieht und geschehen kann; ja daß dem ungesetzlichen Trei ben nicht einmal abgeholfen wird, nachdem dieses