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Hohensleiner Tageblatt Erscheint jeden Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1.40; durch die Post Mk. 150 frei ins Haus. Geschäfts-Anzeiger für Inserate nehmen die Expedition bis Vorm. 10 Uhr sowie für Auswärts alle Austräger, desgl. alle Annonccn-Expeditionen zu Original- Preisen entgegen. Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Luga«, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rüßdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Leukersdorf, Seifersdorf, Erlbach, Kirchberg, Pteißa, Reichenbach, Grumbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, St. Egidien, HMtengrund u. f. w. Amtsblatt für den Verwaltungsbezirk des Stadtrathes zu Hohenstein. dir. 214. Dienstag, den 15. September 1896. 46. Jahrgang. 23. öffentliche Stadtgemeinderatbssitzung, Dienstag, den 15 September 1806, 8 Uhr abends. Hohenstein, den 14. September 1896. Der S t a d t r a t h. vr. Backofen. Tagesordnung: Bahnhoisumbau. In Kratzau i. B. ereignete sich am Sonnabend früh ein Mord und ein Selbstmord. Der 62jährige Weber Pischel lebte seit Jahren mit der Hausirerin Hiebet und deren Tochter zusammen. Mit letzterer scheint er ein Liebesverhältniß haben anknüpfen wollen, ist aber abgewiesen worden, da dieselbe be reits einen Bräutigam besessen und denselben bald zuheirathen beabsichtigt hatte. Nach dem Weggange des Bräutigams am Sonnabend früh und in Abwesenheit der Mutter des Mäd chens hat nun Pischel die Tochter überfallen und nach kurzem Kampfe ihr mit einem gewöhnlichen Taschenmesser einen tödt- lichen Stich in den Hals beigebracht. Die zurückkehrende Mutter schrie um Hilfe, während Pischel sich auf den Ober boden flüchtete, in eine Kammer einschloß und durch Erhängen seinem Leben ein Ende bereitete. Bei Eintreffen der Gerichts kommission lag das Mädchen, das sich tapfer gewehrt hatte, wie mehrere Schnittwunden an den Händen bezeugen, todt in einer großen Blutlache. Hohenstein, den 14. September. Die diesjährige Hauptversammlung der erzgebirgischen Pastoral-Eonferenzen (sog „Hohensteiner Conserenz") soll am Mittwoch, den 30. (nicht 20.) September 11 Uhr Vorm, in der Hüttenmühle hierselbst gehalten werden. Herr Prof. Or. Kirn-Leipzig wird über den Stand der Christologie in der Gegenwart, Herr Pfarrer Jäger-Eutritzsch-Leipzig über die Stellung der sächs. Landeskirche zur Einführung der revidirten Bibel sprechen. Alte Freunde der Kirche sind zum Besuche der Versammlung herzlich eingeladen. Bei der gegenwärtig in Kiel stattfindenden Versammlung der „Deutschen Gesellschast für öffentliche Gesundheitspflege" hielt Professor Fränkel Halle einen Vortrag über die Bekämpf ung der Diphtherie und bezeichnete als Hauptüberträger den Menschen und als Hauptursache der Insertion die „Disposition". Er forderte schleunigste Uebersührung aller Diphtherie-Kranken in ein Krankenhaus und die Errichtung von Beobachtungs stationen für alle Diphtherie-Verdächligen. Betreffs des „Serums" erklärte der Redner, die Heilkraft sei zweifellos, wenn auch die Ansichten über den Werth der Jmmunisirung durch das Serum auseinander gingen. Er sei überzeugt, daß in nicht allzu ferner Zeit die Serum-Impfung gleich der Schutzpocken-Jmpfung obligatorisch eingeführt werden dürfte. In der Zeit vom 26. bis mit 28. d. M., und zwar in den Räumen des Gewerbehauses in Dresden, wird der 16. Congreß des Verbandes deutscher Zithervereine tagen. Das hierzu aufgestellte Programm bezeichnet als hauptsächlichste Punkte: Sonnabend den 26., nachmittags 5 Uhr, Vorstands sitzung, abends 8 Uhr Empfang und Begrüßung der Congreß- theilnehmer und Gäste, nachdem erste Congreßsitzung. Sonntag vormittags 11 Uhr und nachmittags 4 Uhr Concertproben, abends * 28 Uhr Concert im großen Saale des Gewerbehauses. Montag vormittags 9 Uhr Fortsetzung und Beendigung der Congreßsitzung. Abends 8 Uhr Abschicdsfamilicnabend im kleinen Saale des Gcwerbehauscs. Die zwischen den einzelnen Punkten verbleibende Zeit soll der Geselligkeit dienen und zwar sind für Sonntag und Montag 1 Uhr gemeinschaftliches Mittag essen im Löwenbräu beziehungsweise bei Helbig in Aussicht genommen, ebenso am Montag nachmittags 3 Uhr Dampf- schissparthie nach Loschwitz. Die Truppen sind nunmehr in die Garnison zurückgekehrt und wie alljährlich in der zweiten Hälfte des September werden in den nächsten Tagen die zur Reserve entlassenen Mannschaften überall wieder eine hervortretende Erscheinung bilden. Der Reservist kehrt zu seinen! bürgerlichen Berufe zurück. Der schmucke Glanz der Soldatenzeit ist wesentlich abgestreift, er gleicht einem Schmetterlinge, von dessen Flügeln die zarte Farbe abgestrichen ist. Fidel genug schreitet er vom Bahnhof zur Stadt oder auf der Landstraße in den Heimathsort, die Jahre beim Commiß sind vorüber, und mit vielen Tropfen ist in der Garnison zuin Abschied der Freude über den bevorstehen den Wechsel Ausdruck gegeben, aber wenn nun der Fuß wieder die Straßen des Heimathsortes betritt, regt sich nicht selten in der Brust doch ein wunderliches Gefühl! Donnerwetter! Wie schneidig trat er aus, wenn er auf Urlaub nach Hause kam, blitzblank, es war ein Ereigniß, und die bekannten jungen Mädchen flüsterten und kicherten miteinander. Und daheim am großen Famüientische gabs so unendlich viel zu erzählen. Jung und Alt, Männlein und Weiblein hockte um ihn herum, schaute andachtsvoll zu den Lippen des jungen Schwereuöthers auf und getraute sich natürlich nicht, auch nur ein Wort zu be zweifeln. Er mar Haupt- und Respeetsperson, wo er sich zeigte. Das gab ein Hochgefühl sondergleichen, und wenn die Fest tagskiste von Muttern wieder gehörig vollgepockt war, Vater ihm ein paar Thaler in die Hand gedrückt, auch diese oder jene alte Tante aus Freude über den schmucken Jungen tief in ihre Spartasche gegriffen, dann klopfte das Herz noch ein mal so leicht, das Blut rollte schneller durch die Adern und mit lustigem Liede wurden die Thürmc der Garnisvnstadt bei ihrem ersten Erscheinen wieder begrüßt. Und nun? Da fehlt vor Allem der Stolz der Soldaten, die Waffe. Die Uniform, die dem Reservisten mitgegeben wird, ist auch nicht immer die Extragarnitur, die Achselklappen sind aufgerollt. Uebermüthig schwingt dft Hand wohl das Reservistenstöckchen, aber die Sache ist doch nur halb, das glänzende Auftreten vorüber. Und er merkts selbst. Rasch verschwinden diese letzten Erinnerungen an die Soldatenzeit, das Leben und der Rock des Bürgers sordern wieder seine Rechte. Nicht immer vollzieht sich der Uebergang leicht; die zwei Jahre haben manche Gewohnheiten gebracht, die sich später noch hemmend bemerkbar machen, aber die Dienstzeit hat aus dem früher ost schlaffen Menschen auch eine kräftige, cnergievolle Mannesgestalt gemacht, die gar Manches kennen gelernt hat. Und mit festem /Willen und praktischem Sinn kommt der Reservist denn auch bald über die ersten schwierigen Wochen fort, er steht bald da als ganzer Mann. Die Erinnerung an die Militärzeit bleibt eine freu dige, alles darin erlebte Ungemach ist vergessen und wenn er im Kreise guter Bekannter von Soldatenfreuden und Soldaten leiden erzählt, besiegelt er seinen Bericht mit einem kräftigen Trunk und mit dem Ausspruch: „Schaden thuts Niemand, wenn er seine Zeit abdient!" Und der Reservist, der noch unter dem vollen Eindruck des irischen und flotten Soldaten- lebcns steht, muß es wissen. Eine neue Prägung von 50-Pfcnnigstücken wird zur Zeit in der Berliner Münze hcrgestellt nnd bereits in den nächsten Tagen zur Ausgabe gelangen. Die neuen Münzen zeigen auf der Müuzbezeichnungsseite einen Eichenkranz und ebenfalls einen solchen auf der Rückseite. Der Adler ist bedeutend kleiner als bei den bisherigen 50-Pfennigstücken nnd mit schräg ab fallenden Flügelfedern. Die Kette des Brnstschildes wird durch kleine Adler gebildet. Ein falsches Einmarkstück, das die Jahreszahl 1881 und das Münzzeichen trägt, an sich sehr gnt ausgeführt, aber auffallend leicht ist, wurde an einer öffentlichen Kasse in Zwickau angehaltk!. Von dem Chemnitzer Landgerichte wurde ein Schul mädchen, die 12jährige Helene Müller aus Lbersteinbach, wegen Brandstiftung zu einen! Jahre Geiüngniß verurthcilt. Das Mädchen hatte dos elterliche HauS niedergebrannt, um in ein schöneres Haus ziehen zu können. Auf dem Großer'schen Fabrikgrundstücke in Markersdorf verunglückte am Donnerstag der Handarbeiter Friedrich Wil helm Georgi aus Claußnitz, der mit Erdausschnchtungsarbeiten beschäftigt war. Durch plötzlich niedergehende Erdmassen wnrde Georgie sehr schwer im Unterleibe verletzt und ihm der eine Oberschenkel zerschmettert. Georgi, der Vater von sechs, zum Theil noch unversorgten Kindern ist, verstarb auf dem Trans port nach dem Stadtkrankenhause. Der bei der Gemeindeverwaltung in Blasewitz an gestellte Expedient R. ist am Sonnabend wegen Unterschlagung verhaftet und an das königliche Amtsgericht Dresden ab geliefert worden. In den Kassen, die ihm zur Verwaltung übertragen waren, hat sich ein Deficit von rund 3700 Mark ergeben. In Geher i. E entstand aus noch unbekannter Ver anlassung im Restaurant „Johannesgarten" am 11. d. Mts. Vormittags in dem anch mit Familienwohnungen überbauten Kegelbahngebäude ein Feuer, durch welches dasselbe bis auf die Grundmauern durch die Flammen vernichtet wurde. Es gelang, obgleich sich der Brand alsbald auf das Wohnhaus dieses Grundstückes ausgebrcitet hatte, und besonders der Dach stuhl desselben beschädigt wurde, das Mobiliar der daselbst wohnhaften Familien größtentheils zu retten. Am darauf folgenden Morgen, am 12. d. M., entstand jedoch früh 6 Uhr in letzterem Hause wiederum ohne ersichtliche Ursache ein Feuer, welches trotz sofortiger Hilfeleistung der Feuerwehr nicht ohne schweren Schaden für dieses Wohnhans gelöscht werden konnte. Aus Löbau wird unterm 12. dss. gemeldet: Nach Be endigung des Manövers hatte heute Kaiser Wilhelm mit König Albert und dem Prinzen Georg von Sachsen vom Manöver felde sich zu Wagen nach dem Bahnhof in Löbau begeben Während Kaiser Wilhelm nach Siegerndorf weiterzufahren be- TageogesHichte. Deutliche* Reich. Berlin, 12. September. Gegenüber der seit Jahresfrist in der Tagespresse der verschiedensten Richtungen immer wieder auftretenden Nachricht von einem kostspieligen Flottenvermeh rungsplane, der vom Contreadmiral v. Tirpitz an Allerhöchster Stelle vorgelegt worden sein soll, bemerkt der „Reichsanzeigec" : Herr v. Tirpitz sei zu einer derartigen Vorlage nie berufen ge- absichtigte, wollte König Albert mit dem Prinzen Georg nach Dresden reisen. Die Verabschiedung des Kaisers von den säch sischen Fürstlichkeiten war die denkbar herzlichste; man umarmte und küßte sich wiederholt. Der Kaiser befand sich in bester Reisestimmung. Um dem Kaiser das Einsteigen zu erleichtern, war der Kaiserliche Hofzug auf das dem Bahnsteig zunächst liegende sogenannte Ebersbacher Geleis gestellt worden. Die vor den Kaiserzug gespannten beiden Maschinen aber standen über die Weiche hinaus, welche der einfahrende Schnellzug Dresden-Görlitz kreuzen mußte. Durch ein folgenschweres Ver sehen, das seiner Aufklärung noch harrt, war für den Schnell zug die Einfahrt freigegeben morden. Der Kaiser war eben in leinen hinter der zweiten Zugmaschine befindlichen Salonwagen eingestiegen, als der Schnellzug in den Bahnhof einlief. Tas am dem Bahnsteig angesammelte zahlreiche Publikum brach in Angstruie aus. Man winkte mit Tüchern und rief immer wieder: „Anhalten!" Es war vergeblich. Der Locomotivnihrcr des Schnellzuges konnte, obwohl er sofort Gegendampf gab, den Zug nicht mehr zum Stehen bringen. Die Maschine des Schnellzuges fuhr in die zweite Locomotive des Kaiserzuges, hinter welcher, wie schon bemerkt, der Kaiserliche Salonwagen mit den>. bereits eingestiegenen Kaiser stand, hinein. Sofort nach den: Zusammenstoß, durch welchen die zweite Maschine des Kaiserzugs zerstört wurde, verließ Kaiser Wilhelm den Hofzug. Er hatte seine Geistesgegenwart bewahrt und ließ sich über die Sachlage Bericht erstatten. Auch König Albert und Prinz Georg, welche bereits in ihrem Sonderzug Platz genommen hatten, stiegen aus und ließen sich wiederholt berichten. König Albert zeigte über den Vorfall eine ganz außerordentliche Er regung. Der Kaiser wohnte dein Beginn der Ausräumungs arbeiten und der Freilegung des Geleises, die im Ganzen zwei Stunden währten, etwa Stunden bei. Inzwischen war der Ho^zug des Kaisers auf das sonst dem Güterverkehr vorbehaltene Gleis übergeführt worden. Sobald dies geschehen war, verließ der Kaiser den Bahnhof Löbau. Die durch den Unfall ver ursachte zeitweilige Sperrung der Strecke wnrde infolge der großen Militärtransporte besonders störend empfunden. Im Publikum herrschte eine große Aufregung über den Umall. Wäre der Kaiserzug nur noch eine Kleinigkeit über die Kreuz ung der Geleise vorgerückt, so würde ein schweres Unglück un vermeidlich gewesen sein. Verletzt wurde, wie schon mitgetheilt, glücklicherweise Niemand, nur die zweite Maschine des Käiser- zuges hat erheblichen Schaden gelitten. Die Untersuchung ist sowrt seitens der zuständigen Behörden eingeleftet worden.