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Nr. 70 PAPIER-ZEITUNG 2903 Deutscher Faktorenbund, Kreis VIII. Anläßlich des Be schlusses des Deutschen Buchdrucker-Vereins, seinen Mit gliedern zu empfehlen, für jeden beschäftigten Faktor an die Unterstützungskasse des Deutschen Faktorenbundes einen jähr lichen Beitrag von 12 M. zu zahlen, und wegen der zur Stellung nahme über diesen Beschluß zum 22 /23. September nach Berlin berufenen außerordentlichen Generalversammlung fand am 26. August eine außerordentliche Kreisversammlung in Berlin statt. Herr Kulbe referierte über den Stand der Angelegenheit und wies den gegen den Bundesvorstand gerichteten Vor wurf unstatthaften eigenmächtigen Vorgehens zurück, indem er nachwies, daß die einleitenden Schritte nur diskret behandelt werden konnten. Von anderer Seite wurde diesen Ausführungen beigepflichtet und darauf hingewiesen, daß der Deutsche Faktorenbund und seine Bestrebungen durch diesen Beschluß eine Anerkennung gefunden und nicht nur materielle, sondern auch eine für seine weitere Ausbreitung wichtige moralische Förderung erhalten habe. Einige Redner vertraten eine gegenteilige Ansicht und wollten in dem Vor gehen des Bundesvorstandes ein Aufgeben der bisherigen Selb ständigkeit des Bundes erkennen. Von den eingebrachten vier Resolutionen gelangten zwei zur Annahme. In der ersten be grüßt die Versammlung die seitens des Deutschen Buchdrucker- Vereins in München beschlossene Unterstützung des Bundes mit Freuden, nicht nur wegen des pekuniären als auch wegen des ideellen Erfolges; sie drückt dem Vorstande ihre Zu stimmung aus für die in der Sache unternommenen Schritte und ersucht die Delegierten zur Generalversammlung, in diesem Sinne zu wirken. In der zweiten Resolution werden die Delegierten — in Erwägung, daß die Mitgliedschaften noch keine Gelegenheit gehabt, sich zu den durch Annahme des Prinzipalsbeitrages geplanten Erweiterungen zu äußern — er sucht, dafür einzutreten, daß nichts beschlossen wird, was die seitherige Selbständigkeit des Bundes beeinträchtigen könnte, und daß durch keinerlei bindende Beschlüsse inbetreff der Verwendung der Prinzipalsbeiträge der nächsten ordentlichen Generalversammlung vorgegriffen werde. Als Kandidaten für die Delegiertenwahlen zur außerordentlichen Generalversamm lung, die in Berlin in den Räumen der Schlaraffia am Enckeplatz stattfindet, wurden aufgestellt die Herren: Deutsch, Eisemann, Kupfer, Richter, Schaffer, Siebert, Wangerin und Wieck; als Stellvertreter die Herren: Baumeister, Bergmann, Fiedler, Hübner, Lehmann, W. Schönherr, Selle und Weber. —n— Die Unterstützungskasse des deutschen Buchdrucker-Vereins wurde vom Deutschen Buchdrucker-Verein im Jahre 1892 be gründet, um denjenigen Gehilfen, welche dem Gehilfenverbande nicht angehörten, oder aus Anlaß des Streiks vom Jahre 1891/92 aus demselben ausgetreten waren, Gelegenheit zur Versicherung gegen Arbeitslosigkeit zu geben. Im Jahre 1894 wurde dieser Kasse eine Invalidenkasse angegliedert und im Jahre 1898 in der Kranken-Zuschußkasse ein weiterer Kassenzweig ge schaffen. Die Wochen-Beiträge zur Arbeitslosenkasse betragen 20 Pf.; die Hälfte dieses Beitrages zahlten für die bei Mitgliedern des Deutschen Buchdrucker-Vereins arbeitenden Gehilfen die Prinzipale. Der Beitrag zur Invalidenkasse beträgt ebenfalls 20 Pf.; für die Krankenkasse wurde zunächst ein Wochenbeitrag von 35 Pf. erhoben, der später auf 45 Pf. erhöht wurde. Die Kasse zahlt nach Ablauf der Karenzzeit pro Woche im Falle der Arbeitslosigkeit täglich 1 M., bei mit Erwerbsunfähigkeit verbundener Krankheit wöchentlich 10 M. 50 Pf., nach rojähriger Karenzzeit bei völliger Invalidität täglich 1 M. Die Kasse zählt zurzeit rund 3200 Mitglieder und besaß am Ende des Jahres 1905 ein Vermögen von rund 700000 M. Der Verband der deutschen Buchdruckergehilfen, dem die Kasse seit ihrer Begründung ein Dorn im Auge war, weil sie den nicht zu ihm gehörigen Gehilfen einen Rückhalt für die Zeiten der Not gewährte, hat dieselbe dadurch zu schwächen gesucht, daß er seine Mitglieder im Falle des Beitritts mit dem Ausschluß aus dem Verbände bedrohte, und bereits vor einer längeren Reihe von Jahren war zwischen der organisierten Prinzipalität und dem Gehilfenverbande ein Abkommen getroffen worden, nach welchem die Prinzipale ihre Gehilfen nicht zum Beitritt zu der Kasse zwingen, d. h. die Beschäftigung nicht von dem Beitritt zur Kasse abhängig machen wollten, die Leitung des Verbandes aber sich verpflichtete, die Mitglieder des Ver bandes nicht durch Maßregelungen zum Austritt aus der Kasse zu veranlassen. In den Großstädten, und besonders in Berlin, waren die finanziellen Ergebnisse der Kasse wegen der viel vertretenen Ueberversicherung der Mitglieder im Erkrankungsfalle, und weil die Krankenkassen hier nachweislich einen großen Teil der Lasten der Arbeitslosigkeit tragen müssen, nicht günstig, zumal die Hauptverwaltung der Kasse den Krankenzuschuß neuerdings auch in allen Fällen zahlte, wo es sich nicht um eine akute Er krankung, sondern um vorbeugende Gewährung eines Land aufenthalts handelte, und dadurch eine erhebliche Steigerung der Ausgaben herbeiführte. Ein großer Teil der Kassenmitglieder, ganz besonders in der Provinz, ist im Falle der Arbeitslosigkeit und Invalidität. auf diese Kasse allein angewiesen, während im Krankheitsfalle die Ortskrankenkassen — vielfach aber in völlig unzureichender Weise — eintreten müssen. Darum haben die Mitglieder ein lebhaftes Interesse an der Existenz der Kasse, deren Lebens fähigkeit zu erhalten von seifen des Deutschen Buchdrucker- Vereins bisher stets als eine Ehrenpflicht der Prinzipalität be zeichnet worden ist. Umsomehr muß es befremden und Er regung unter den Kassenmitgliedern hervorrufen, wenn — wie bei Gelegenheit einer Gehilfenversammlung in München ge schehen ist — von sonst unterrichteter Seite behauptet wird, es werde beabsichtigt, die Kasse aufzulösen, um nach Abschluß eines beide Teile befriedigenden neuen Tarifvertrages zwischen dem Deutschen Buchdrucker-Verein und dem Gehilfenverbande, den letzteren dadurch zu stärken. Bekanntlich gehören der Kasse eine größere Anzahl von Personen an, denen der Anschluß an den Verband versagt ist, und die bei Auflösung der Kasse der durch lange Jahre hindurch geleistete Beitragszahlungen er worbenen Rechte verlustig gehen würden. Diese aber haben das lebhafteste Interesse an der Erhaltung der Kasse. —e— Pflicht zu außergewöhnlichen Arbeiten Die Frage, ob ein Arbeiter verpflichtet ist, eine ihm für ge wöhnlich nicht obliegende Arbeit seines Berufszweiges zu er ledigen, wenn sie ihm im Notfälle auferlegt wird, wurde, wie Dresdner Tagesblätter berichten, dieser Tage vom Gewerbe gericht entschieden. Ein Steindrucker, der einen Wochenlohn von 43 M. bezog, hatte sich geweigert, einer an ihn gestellten Anforderung, Umdruckarbeiten zu verrichten, nachzukommen, da er bisher seit 2 Jahren als Autotypist beschäftigt worden war. Zu der leichteren Arbeit als Umdrucker hielt er sich nicht für verpflichtet. Der Senefelder-Bund, der dem Steindrucker Rechts schutz bewilligte, wie auch die Firma wünschten grundsätzliche Entscheidung, nachdem der Steindrucker wegen seiner Weigerung entlassen worden und auf Lohnentschädigung vor dem Gewerbe gericht klagbar geworden war. Das angerufene Gewerbegericht stellte sich auf den Standpunkt, daß der Kläger zu der leichteren Arbeit verpflichtet gewesen wäre, da sie innerhalb seiner Berufs sphäre lag und im Notfall gegeben war, der das Verlangen der Firma rechtfertigte. Infolge dieser Umstände wurde der Kläger mit seiner Klage abgewiesen. Eine von der Firma erhobene Widerklage auf Ersatz des durch die Weigerung entstandenen Schadens wurde gleichfalls abgewiesen, da kein Schaden infolge jener Weigerung entstanden war, denn der Steindrucker hätte mit seiner Arbeit noch 32 Tage zu tun gehabt, während sein Vertrag nur noch 14 Tage lief, er hätte also die Arbeiten auch im Falle der Nichtweigerung nicht vollenden können, —ch. Reichsdruckerei Die Reichsdruckerei hat, wie es im Berliner Lokal-Anzeiger heißt, im Jahre 1905 4,3 Milliarden Wertzeichen im Nennwerte von rund 550 Millionen M. geliefert. Diese Wertzeichen ver teilen sich auf 719 verschiedene Sorten. Mehr als ein Viertel der gelieferten Wertzeichen, oder 1,2 Milliarden, entfallen davon auf Briefmarken zu 5 Pf., deren Bedarf 1906 infolge der Abschaffung der Zweipfennigkarte ohne Zweifel noch steigen wird. Im Durchschnitt werden täglich 12 Millionen Postfrei marken, 11/2 Million gestempelte Postkarten und 200000 gestem pelte Postanweisungen verschickt, abgesehen von den Versiche rungsstempelmarken usw. Die Reichsdruckerei verwendet neuerdings Papier mit Wasserzeichen nicht nur für die Postwertzeichen, sondern auch für die Stempel- und andere Marken. Während die Briefmarken eine Raute zeigen, haben die Versicherungsmarken einen Ring, die Reichsstempelzeichen, Wechsel- und statistischen Marken den Vierpaß, die Eisenbahnmarken und die Wertzeichen verschiedener Bundesstaaten usw. Kreuz und Ring abwechselnd. Zu den ge stempelten Vordrucken für Postkarten, Postanweisungen, Karten briefen usw. wird ein Wasserzeichen verwendet, das in einem schräggestellten Rahmen eine römische Ziffer als Angabe der Fabrik, in arabischer Ziffer das Geschäftsjahr und die Buchstaben D. R. zeigt. Sämtliche Wasserzeichen sind für die Reichsdruckerei als Warenzeichen geschützt. Die notwendigen Schöpfformen und Wasserzeichenwalzen stellt die Reichsdruckerei in eigenen Werk stätten her. Von allen Wertzeichen ist in möglichster Entfer nung vom Hauptlager ein zweites Lager errichtet, das bei einer etwaigen Vernichtung des Hauptlagers so lange reicht, bis neue Wertzeichen hergestellt worden sind. Infolge der Steuer-Reform hat die Reichsdruckerei mit Hochdruck arbeiten müssen: In kürzester Frist waren 126 Sorten von Wertzeichen für die Zigarettensteuer, Frachtstempelsteuer und Personen-Fahrkartensteuer, sowie drei Sorten von Steuer karten für Kraftfahrzeuge herzustellen. Nun fehlten bei fast allen Sorten sichere Bedarfsangaben. Die Einrichtungen mußten daher so getroffen werden, daß allen wechselnden und unvor hergesehenen Anforderungen in kurzer Frist entsprochen werden konnte. Erst Ende Mai 1906 erhielt die Reichsdruckerei die Geneh-