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2684 PAPIER-ZEITUNG Nr. 65 Einstellung von Arbeitern stattfindet, an dem alten Arbeitsplatz wieder eingestellt. Berlin, ir. August 1906 Schutzverband Deutscher Steindruckereibesitzer Dr. H. Gerschei, Paul Wundsch Deutscher Senefelder Bund O. Sillier, IV. Brall, P. Lange, A. Bessner Die Gewerkschafts-Kommission H. Müller, Joh. Haß, S. Pätzold, A. Melzheimer, P. Barthel Festgelegt wurde alsdann, daß in den Streikorten Mitte dieser Woche die Arbeit aufgenommen und zu gleicher Zeit vom Schutzverband Deutscher Steindruckereibesitzer in den Aussperrorten die Kündigungen unter obigen Be dingungen zurückgezogen werden. Eine vom Deutschen Senefelder-Bund einberufene Ver treterkonferenz aus den größeren Streik- und Aussperr orten stimmte obigem Vertrag zu. x. * * * Vom Schutzverband Deutscher Steindruckereibesitzer ging vor Schluss der Zeitung eine gleichlautende Mit teilung zu. Schriftleitung. Nachklänge zur Lohnbewegung im Buchbinder gewerbe In einer stark besuchten Versammlung der Buch bindereiarbeiter in Leipzig wurde von der Streikleitung berichtet, daß in Leipzig 1352 von 1956 Streikenden, in Berlin 512 von 752, in Stuttgart 520 von 578 Arbeitern wieder eingestellt sind. Der zurückgehaltene Lohn soll am 24. Dezember gezahlt werden, ohne daß gerichtlich vor gegangen wird. Ueberstunden werden nicht geleistet, so lange nicht alle Arbeiter wieder eingestellt sind. (Berl. Lok.-Anzeiger) Lohnbewegung der Lithographen in den Vereinigten Staaten Vergl. Nr. 60 S. 2474 Die Arbeitgeber sind fest entschlossen, den von den Arbeitnehmern geforderten 8 - Stunden-Tag nicht zu be willigen. Der Hauptkampf dürfte in der Stadt New York ausgefochten werden, wo über 70 lithographische Anstalten rund 4000 Mitglieder des Lithographenverbandes beschäftigen. Der Verband besitzt in den Vereinigten Staaten etwa 15 000 Mitglieder, und diese haben von Verbands wegen die Losung erhalten, am 1. September aus der Arbeit zu treten, falls die Forderung des Verbandes nicht bewilligt wird. Der Verband forderte in einem Rundschreiben die Arbeitgeber auf, ihre Antwort spätestens am 25. Juli zu erteilen. Die Verbandsmitglieder hatten durch Abstimmung beschlossen, daß sie vom 1. September an nur 8 Stunden im Tag arbeiten wollen. Die Arbeitgeber wollten über die Einführung der 8-Stunden-Schicht durch ein Schiedsgericht entscheiden, der Arbeitnehmerverband lehnte dies jedoch ab. Außerhalb New Yorks sollen mehrere Arbeitgeber in die geforderte verkürzte Arbeitszeit gewilligt haben. Streik Der Streik ist eine wirtschaftliche Dummheit und wird meist durch maßlose Verhetzung der Arbeiterschaft seitens bezahlter Agitatoren hervorgerufen. Hieraus ersieht man, daß die wirt schaftliche Dummheit nicht von den Arbeitgebern sondern von den Arbeitnehmern gemacht wird. Welchem einsichtsvollen Unternehmer fiele es auch ein, seinen Betrieb auf längere Zeit lahm zu legen, wenn er dazu nicht direkt oder indirekt von seinen Angestellten gezwungen würde? Nur durch gleichmäßige, ruhige Entwicklung läßt sich ein Unternehmen lohnend gestalten; somit wird auch nur dadurch für die Arbeiterschaft Gelegenheit geschaffen, Arbeit und Lohn zu finden. Wie wird aber heute der Arbeiter von seiner Gewerkschaft, der er angehört, und der er sich durch seine Beiträge gewisser maßen auf Lebzeiten verschreibt, zum Unfrieden gegen seine Arbeitgeber und zum Kampf gegen sie erzogen! Ihm werden Ammenmärchen aufgetischt, ihm wird berichtet, wie der Unter nehmer weiter nichts kennt, als seine Arbeiter zu schikanieren, und von ihrer schweren Arbeit ein herrliches [Leben führt. Man sollte es für kaum glaublich halten, daß derartige Torheiten noch immer willige Ohren finden. Der Unternehmer hat andere Sorgen als seine Mitarbeiter, und als solche sind doch alle An gestellten anzusehen, zu belästigen oder auszupressen. Er muß neue Märkte trotz der schlechten Handelsverträge erschließen, seine alten Beziehungen trotz des immer zunehmenden Wettbewerbs aufrecht erhalten, Neuheiten in kaufmännischer und technischer Beziehung hinsichtlich des Ein- und Verkaufs prüfen. Fernerhin Anleihen behufs Vergrößerung oder Ver vollkommnung seiner Betriebe günstig abschließen und dafür sorgen, daß der ganze Betrieb Hand in Hand zusammenarbeitet, denn nur so ist es möglich, seine Stellung in dem sehr schwierigen wirtschaftlichen Kampfe zu behaupten. Die Leitung eines großen Betriebes ist also verantwortungsvoll und arbeits reich genug, und kein vernünftiger Mensch wird sich daher noch die Last aufbürden, Unfrieden durch schlechte oder schikanöse Behandlung seiner Mitarbeiter hervorzurufen. Doch der Arbeiter ist durch die bezahlten Agitatoren seinem Unternehmer ent fremdet und glaubt den hetzerischen Reden seiner Führer, die von den vorerwähnten müheraubenden Arbeiten auch nicht die leiseste Ahnung haben, die nicht beurteilen können, ob und inwieweit es möglich ist, Lohn- und Arbeitsbedingungen zu ver bessern. Was ist die Folge dieser Belehrung? Die Arbeiter kommen plötzlich insgesamt um Verbesserung ihrer. Arbeits bedingungen ein, infolge falscher Führung meist zur un gelegensten Zeit, und die Losung ist dann, bessere Bedingungen für alle, auch für die untüchtigsten Leute ohne Kündigung. Bewilligen die Unternehmer nun, da sie befürchten, im lang dauernden Streik noch mehr zu verlieren, so haben sie die Arbeiter zu neuen Forderungen gereizt, und es wird nicht lange dauern, so erscheinen sie mit weiteren Forderungen. Doch schließlich besinnen sich die Unternehmer und schließen sich, dem Beispiele der Arbeiter folgend, zusammen. Der lokale Verband der Arbeitgeber, der nunmehr von den Arbeitern wieder mit Lohn- und Arbeitsaufbesserung angegangen wird, erklärt: wir können Euch nicht mehr bewilligen, und läßt es, um endlich Ruhe zu haben, auf einen langen Streik an kommen, der sich schließlich durch die Hartnäckigkeit, besonders der Führer, die ja, wenn ein Streik verloren wird, ihre Existenz aufs Spiel setzen, durch Aussperrung von der Zentralleitung der Unternehmer auf das ganze Gewerbe ausdehnt. Dieses einzige Mittel, um durch Sprengung der Streikkasse Ruhe und Frieden im Gewerbe wieder herzustellen, geht stets zuungunsten der Arbeiter aus, denn die vereinigten Fabrikanten können einen solchen Kampf länger aushalten als die Arbeiter. Die Gewerk schaftsgelder sind trotz der Schenkungen von befreundeten Gewerkschaften rasch verbraucht, und es müssen Verhandlungen mit den Unternehmern, die durch den langen Kampf ja auch geschädigt und durch die ganze Taktik, mit welcher meistens von Seiten der Gewerkschaft ein Streik geführt wird, erbittert sind, angebahnt werden. Millionen von Werten sind auf diese Weise im unnützen Kampfe vernichtet, und nur die ausländische Konkurrenz hat den Nutzen davon. Manche heimischen Werke haben zu große Verluste erlitten und lösen unter Umständen ihren Betrieb auf oder schränken ihn ein, und hierdurch sowie durch die in zwischen eingestellten Arbeitswilligen werden so manche Arbeiter arbeitslos. Man sieht hieraus, Schäden entstehen auf beiden Seiten, aber der am meisten Geschädigte ist und bleibt der Arbeiter. Die gewerkschaftliche Unterstützung für ihn ist zu klein, um damit auszukommen, und er gerät in Schulden. Diese müssen abgetragen und der Gewerkschaft neue Opfer gebracht werden, mit einem Worte, seine Lage wird durch einen solchen Streik schlechter als früher. Daher besinne sich ein jeder Arbeiter wohl, ob es besser ist, seine Ersparnisse wenigen Führern an zuvertrauen, als für sich für spätere Zeiten zurückzulegen. Ein tüchtiger, selbständiger und geschickter Arbeiter wird von jedem Unternehmer gern angestellt und gut bezahlt werden. Daher fort mit dem alten Vorurteil, gegen den Unternehmer zu arbeiten! Nur mit ihm, der gute Arbeit wohl zu würdigen und zu be zahlen weiß, läßt sich eine gute Lebensstellung erringen und ist es möglich, die deutsche Arbeit, die in der ganzen Welt ihre Anerkennung findet, trotz des immer stärker werdenden Wettbewerbs zu behaupten. M. Berliner Buchgewerbesaal. Wegen anderweiter Benutzung bleibt der Buchgewerbesaal am Sonntag, 26. August, für das grössere Publikum geschlossen.