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barstädten zum Sircit, weil dcr ein: Mcistcr behauptete, cr könne und werde am folgenden Tage da» 6-Psund-Brod zu 66 Pkg. verkaufen. Für diese für die Verzehrer erfreuliche Mit- theilung erhielt er seitens der „Collegen- thätliche Beweise für Nichtübereinstimmung. Aus Johanngeorgenstadt wird unterm 1. August geschrieben: Gestern Nachmittag wurde ein Karlsbader Geschirrsührer ober halb Salmthal ermordet ausgesunden. Der That verdächtig ist ein mit dem Geschirr nach Sachsen entflohener Sohn eines hiesigen GastwirtHS. Der Thater ist bis jetzt noch nicht verhaftet. WaS für Blüthcn die leidige Konkurrenz zeitigt, kann man auS den Inseraten zweier Geschäftsleute in dem Orte R. bei Treuen ersehen. Während der Eine unter sein EmpfehlungS- inserat schreibt: „Jeden mich beehrenden Kunden werde ich mit einer Tasse Kaffee und ein Stückchen Kirmeskuchen auswarten," offen« dessen Konkurrent „jedem Besucher seines Geschälter eine der Größe der Einkäufe entsprechende Bratwurst." Da beideGeschästeKonsektionSartikel konsumiren, ist cs nur wünschenS- we«h, daß bei Einem die Stoffe von Kaffeeflecken, bei dem Anderen dagegen die Stoffe von Fettflecken verschont bleiben. Die „todte Saison" macht die Inhaber großer Vergnüg- ungSetabliffemmts erfinderisch. So sind seit vorigem Jahre in Leipzig die Strohwittwer-Bälle entstanden, die zum Leid wesen der in den Sommersrischen weilenden Hausfrauen den Eheherren bei vorzüglichem Concert und Ball Gelegenheit geben, auf Stunden sich über ihre Verlassenheit zu trösten. — Eine neue Bereicherung des VereinslebenS ist in Aussicht — bei genügender Betheiligung soll sich in Leipzig ein Verein der Aquariumliebhaber bilden! Hoffentlich hilft man dann auch einem längst gefühlten Bedürfniß dadurch ab, daß man einen Verein der erfolgreich Geimpften gründet. Der deutschsociale Reform-Verein zu Leipzig hat, auf eine Anregung vr. Erwin Bauers, beschlossen, aus die Ermittelung des Mörders des Knaben Jean Hegemann in Lunten einen Preis von 500 Mk. auszusetzen. Das vom Stadtrath zu Radeberg unterm 23. Juni er lassene, die Sonntagsruhe betreffende Regulativ hat auf An ordnung der Königs. KreiLhauptmannschaft mehrfach geändert werden müssen und ist durch ein neues ersetzt worden. In wohlmeinender Absicht waren in ersterem dem Handelsverkehr einige Verkehrserleichterungen, den Fleischern z. B. der freie Handel außer der Zeit des Gottesdienstes, gestattet worden. Diese Erleichterungen sind von der Oberbchörde beanstandet worden. Das neue Regulativ, welches am Sonntag in Kraft getreten ist, gestattet nun nach einer noch rechtzeitig getroffenen Abänderung den Fleischverkaui früh 7—8, mittags 11—12 und abends 6—9 Uhr unter Wegfall der Zeit 2—4 Uhr. Im Ganzen dürfte man mit den nunmehrigen Bestimmungen zu frieden sein in der Erwartung, daß gegenwärtig damit noch verbundene Einbuße mit der Zeit von selbst Wegfällen werden. Aus Hcrruskrctschen wird unterm 2. August geschrieben: Der gchcimuißvolle Doppelselbstmord hat j tzt seine Aufklärung gefunden. Bekanntlich wurden am 12. v. M. in einem Walde bei HcrrnSkretschen am Eingänge der „böhmischen Schweiz" ein schwerverletzter Mann und neben ihm die Leiche einer etwa zwanzigjährigen Frau ausgefunden, die eine tödtliche Kopfwunde hatte. Neben dem Manne lagen die Pistole und ein Kistchen mit Patronen. Der Mann, der gleichfalls eine schwere, aber nicht tödtliche Kopfwunde hatte, wurde in das Aussizer Kranken haus gebracht. Er gab auf alle Fragen keine Antwort, auch die Gerichts-Commission konnte nichts aus ihm hcrauSbringen, und der Mana starb, ohne angegeben zu haben, wer er sei. Am Freitag Nachmittag kam nun hierselbst ein junger Mann an, welcher sich nach dem vor Kurzem erfolgten Leichenfunde erkundigte und Wäschestücke vorwieS, welche dieselben Merk zeichen tragen, wie die bei den Leichen vorgefundenen. Die Nachforschungen erwiesen, daß die Leichen die Eltern der jun gen Mannes waren, der 54jährige Webermeister Rößler aus Roßlau (Regierungsbezirk Potsdam) und dessen 41jährige Ehegattin. Wie der junge Mann erzählte, habe sein Vater eine auf seinem Grundstücke haftende Forderung von 12,OM Gulden nicht bezahlen können und habe sich deshalb an seinen Bruder um Ucbernahme der Realität gewendet. Dieser sei dem Ansuchen nicht nachgekommcn, worauf Rößler in vollster Rathlosigkeit auf Selbstmordgedanken verfiel, von denen ihn seine Frau abzubringen suchte. Vor Wochen verschwand das Ehepaar Rößler aus seinem Wohnorte und nach längerer Zeit lasen die Kinder von der Affaire bei HerrnSkretschen in den Zeitungen. Der Sohn, ein junger Bursche, brachte so viel Geld zusammen, um die Reise bezahlen zu können; als er hier ookam, mußten ihn wohlthätige Leute mit Essen versorgen. Er glaubt, daß sein Vater die Mutter im Schlafe und dann sich erschossen Hobe. Die beiden unmündigen Kinder hoffen, daß sich jetzt der vermögende Onkel ihrer annehmen und die Realität übernehmen werde. Da die Leichen bereits beerdigt find, konnten dem jungen Manne nur noch die vorhandenen Effecten auSgefolgt werden. Aus Dresden wird geschrieben: Er gehört gewiß zu den großen Seltenheiten, daß aus einer Stadt wie Dresden, welche ja nicht Universitätsstadt ist, ein Arzt zur Konsultation nach Wien, dessen Universität bekanntlich eine berühmte medicinische Fakultät besitzt, berufen wird. Thatsächlich war dies aber in vergangener Woche der Fall. Ein hiesiger hochangesehener Arzt, der als Spezialist einen bedeutenden Ruf genießt, wurde telegraphisch zu einer Patientin nach Wien berufen. Nach nur cimäglgem Aufenthalt trat cr Abends die Rückreise von dort nach hier wieder an, doch sollte dieselbe nicht ohne einen kleinen Zwischenfall verlauten. Um ruhig schlafen zu können, hatte der Reisende den Schaffner verständigt, ihn möglichst un gestört im Coupe zu lasten und er selbst hatte von Innen die Coupeihüre abgeschlossen. Indessen am der Station Jzlau ward p.ötzlich die Thür geöffnet, Polizeibeamte traten ein und forderten den erstaunt DrcmbUckenücn Arzt auf, ihnen zu folgen, da er vermuthlich ein von der Wiener Staatsanwaltschaft ver folgter Graf Gersdorff sei. Nach LcgitimationSpapicren ge fragt, mußte der Reisende bekennen, daß er solche nicht bei sich führe, da sich seine Abreise von zu HauS ganz Plötzlich noihwendig gemacht habe. Dies schien natürlich doppelt ver dächtig und so mußte der Arzt den Beamten nach dem StaatS- bureau folgen. Doch alsbald löste sich die Bedrängniß für unseren Mubürger; denn durch einige Briefe konnte derselbe seine Perfönlichkeit glaubhaft Nachweisen und inzwischen war auch der richtige Graf Gersdorff in einem anderen Wagen des Zuges gefunden worden. Infolge des Genusses von Carbolineum starb am Sonntag der 24jährigc Sohn des SchmiedemcisterS Seifert in Altenberg Derselbe war am Sonnabend Abend im Kreise seiner Freunde in einem dortigen Restaurant noch heiter und vergnügt. Leider trank er aus einer von einem Anwesenden auf die Seite ge ¬ fitzten Flasche in dem Wahne, es sei Schnaps. Seiiert hat zwar das Carbolineum sofort wieder ausgespuckt und ist dann allein nach Hause gegangen, ist aber vor der Hausthür ermattet niedergesunkcn und eingeschlafen. Ein Feuerwehrmann, welcher infolge des Gewitters auf Gcwitterwach: gehen wollte, fand ihn gegen 4 Uhr Morgens todt liegen. Prozes; Jäger. Frankfurt a. M., 2. August. Am hculiac» Tage beginnt vor der Strafkammer des hiesigen Land gerichts der Prozeß gegen den Millionendicb Rudolf Jäger nebst vier zehn Genossen. Der Thatbestand der gewaltigen Defraudationen, die heute zur Aburtheilung anstehcn, ist im großen Ganzen noch frisch in Erinnerung. Am Io. April d. I., dem Eharsreitag, verschwand Rudolf Jäger, Hauptkassierer des Bankhauses M. A. v. Rothschild u. Söhne. Da am 1V. April d. I. wegen des Sabbaths, am 17. April wegen des Ostersonntags, am 18. April wegen des Ostermontags und PasfahfcstcS und am Ul. April wegen Passahcude das Geschäft geschlossen war, wurde er im Geschäft erst am 20. April d. I. vermißt. Für den Ostersonntag hatte sich Jäger durch den Kouponkajsierer Schäfer vertreten lassen. Dcr Verdacht, daß er Veruntreuungen verübt habe und deshalb geflohen sei, wurde bestätigt durch zwei Briefe Jägers, von denen der eine Darm stadt, 16. April, datirt, an Fran Dr. Hoch in Kassel, eine Bekannte der Jägerschen Familie, gerichtete von der Adressatin dem Hanse Rothschild zugesandt wurde, der andere Darmstadt l!>. April, datirte, an Jean Kirch, den Privatsekrelür des Chefs des Bankhauses, gerichtete eingeschriebene, nach dem Postaufgabestempel am 20. April d. I. 4 bis 5> Uhr Nach mittags in Darmstadt anfgcbeu, am 20. April d. I. noch an Kirch ge langte. In beiden Briesen erklärte Jäger, das; cr Veruntreuungen ver übt habe und daß er sich das Leben nehmen werde. Er bezifferte die Veruntreuungen aus 1 700 OM M. und bat, dem Chef seines Hauses den Wunsch auszudrückc»: „von dieser Sache nichts in die Ocjsentlichkcit ge langen zu lassen im Interesse der Meinen, da es ja keinen Zweck Hal! Das Geld ist und bleibt verloren, und der unglückliche Misjethüler hat seine Schuld mit dem Tode bezahlt." Die Untersuchung ergab indessen bald, day die angeblichen Verluste durch Börsenspekulationen entstanden waren und die Selbstmordänßeruugcn die Behörden irreleiten sollten. Jäger wurde am 10. Mai nebst seiner Reisebegleiterin, Josefine Klop, in Alexandrien verhaftet, im Besitze eines großen Theils der veruntreuten Gelder betroffen und mit der Klotz hierher abgelicfert. Die Personalien der unter Anklage stehenden Personen sind solgende: 1. Rudolf Jäger, früher Hauptkassierer des Bankhauses M. A. v. Roth schild u. Söhne, fehl ohne Geschäft, geboren am 13. April 1848 in Frank furt, wohnhaft Frankfurt; 2. Jojefiue Klan, ohne Geschäft, geboren am 5. Januar 185,9 in Frankfurt, ledig, wohnhaft Frankfurt; 8. Peter Müngersdorf, Oberlelcgraphenafsistent. geboren 1885»; 4. Karl Gustav Vogl, KoUektaul für das Wiesbadener Retlnugshans, geboren 185,0, wohnhaft in Wiesbaden; 5>. Heinrich Hensel, Kaufmann, geboren 1840; 6. Frau Helene Jäger, geboren 185,8 in Frankfurt; 7. Johanu Baptist Clemens (Vater der vorigen), Kaufmann, geboren 1822, wohnhaft Frank- siirl; 8. Frau Anna Clemens, geboren 1888 in Frankfurt; 9. Kälhcheu Messer, geboren 1865>, Frankfurt; 10. Nikolaus Josef Messer, Acker bürger, geboren 1864zu Hofheim ; 11. seine Fran Anna Marie (Zwillings schwester von N. 9); 12. Konstanze Ochs, geboren 185,4, Frankfurt, Ge sellschaftern«: 13. Friedrich Adolf Gerloff, früher Buchhalter im Bank- Hause Rothschild, fehl ohne Geschäft, geboren 185,4. 14. Wittwe Gerloff, geboren 1835», Frankfurt; 15,. Charlotte Gerloff, Klavierlehrerin, geboren 185,8, Frankfurt. Ter erste Anlaß zn den Unterschlagungen war eine Geschäftsgründ ung, die Jäger im Jahre 1879 unternahm, eine Geflügelmästerei, die aber nicht renssirtc, obwohl Jäger aus seinem Vermögen 10000 Mark dazu gegeben hatte. An Stelle des Compaguons Weck trat später der milbeschnldigtc Hensel. Tas Geschäft wurde nun in ein Eiergeschäft mu- gewandclt nnd Stockmeyer trat ans. Später trat auch Jäger aus nud Hensel wurde Schulduer Jägers. Hensel halte finanzielle Schwierigkeiten und Jäger gab, nm zu seinem Gelse zu komme», ihm Summen von 5M, 1000, 3000 und 5XXX)M. ans dem von ihm verwalteten Vermögen seiner Mntter und seiner Schwestern ohne deren Genehmigung. Bis 1888 oder 1889 betrug die Summe 102,OM Mark. Im selben Jahre griff cr Rothschildschc Gcldcr an. Am 31. December 1891 betrugcn dic an Hcnscl aus der Nvthschildschcn Kassc gcgcbcncn Gelder 410,000 Mark. Bei einer Kassenrcvisivu am 3. Januar 1892 wäre die Sache beinahe entdeckt worden. Einen gegen Bon der Kouponkasse entnom menen Betrag von 3M,(XX) M. zählte er dem Kassensaldo zu und hatte, da cr das Konponkasscnkonto in scinem frühcren vollcn Bctrag in fcincr Ansstcllnng bestchcn licß, cinen Ucbcrschuß von 600,000 M. Das Manko betrug jedoch nur 800,000 M. In dcr Bestürzung hatte Jäger vergessen, die IM,000 M. bei Seite zu legen; die getäuschten Revisoren führten dic IM,OM M. ans einen Additionsschler beim Kassenabschlnssc zurück. An diesem Rcvisionstagc gab Jäger dem Schwiegersohn des Hensel, Lehrer Zeising, für Hensel, um dic halbe Million voll zn machen, zn den bereits gegebenen 410,000 M. noch 90,000 M. in einem verschlossenen Briefumschläge. Das Manko von 5,00,000 M. erhöhte sich erst am 14. März auf 570,OM M., stieg dann täglich fast ohne Unterbrechung, erreichte am 28. März den Bewag von einer Million, die dann bis zum 11. April auf 1,700,000 M. amvuchs. Um das Manko zn verdecken, fälschte cr die Bücher. Jäger behielt für sich selbst nur 555>,0M Ak. .500,000 M. hatte er an Heusel gegeben, dcr am 15. April nochmals 50,OM M. em pfing, während cr cinc ganzc Reihc Personen mit dem größten Theil der Rcstsumme bedachte. Elisabeth Kahle und ein Schwager Jägers er hielten, ersterer 5000, später nach den Aufzeichnungen des Klop noch mals 15000 M. Letzterer als angebliches Erbthcil 50,OM M. Im Uebrigen versteckte Hcnscl 20,OM M. in seinem Hause, indem cr dem Dienstmädchen Messer die Verstecke bezeichnete. Der Ochs gab er eine Kassette mit 100,000 M., wovon die Hälfte für seine Frau, die andere Hälfte für die Ochs bestimmt waren. Weitere 50,OM M. gab er seiner Schwiegermutter, während Käthchcn Messer eine Kassette mit 70,000 M. erhielt, wovon 50,000 M. sür Fran Jäger nnd 20,000 M. für Käthchen bestimmt waren. Gerloff erhielt 100,000 M. für sich und 150,000 M. für Mutter und Schwester. Tie Klotz mußte sich mit weiteren 50,OM M. begnügen. In der Flucht waren die umsasscndsten Vorbereitungen getroffen, namentlich mit Hilse der Klotz. Josefine Klotz unterhielt mit Jäger, dcr Batcr von drei Kindcrn ist, seit 1890 ein Liebesverhältnis;. Im vorigen Jahre erhielt sic von Jäger 250 Mark zu einem Badeauscnthalt in Schwalbach. Während ihres Badcausenthalts empfing sie den Besuch Jägers, den sie sür ihren Onkel ausgab. „Chemiker Tr. Klotz aus Darmstadt" stellte sie ihu einer mit ihr bekannt gewordenen Wiesbadenerin, dcr Tochter des Hoteliers Ritter, vor, die später zur Entdeckung der Flüch tigen durch ihre Bekundungen nicht unwesentlich beitrug. Die Klotz hatte ein trotz ihrer wenig anziehenden Erscheinung einnehmendes Wesen. Bereits Anfangs März dieses Jahres fing sie an, ihren Haushalt ans- zulösen nnd ihre Mobilien zu verkaufen. Am 16. März d. I. ließ sie sich auf dem hiesigen Standesamte, angeblich im Anstrage des Fabrikanten Franz Otto Friedr. Wiesche, geb. am 9. Nov. 1841 in Frankfurt, cinen Geburtsschein aussertigen und suchte die Vermittelung des Standcsantts- gchilfcn König znr Beschaffung eines Passes nach. Anfangs April dieses Jahres bat sie wiederholt den Papierhändler Braner-Hub hier, der de» selben Barl wie Jäger trägt nnd letzterem aiich sonst von Gesicht etwas ähnelt, sich einen Paß für das Ausland anfcrtigcn zu lassen und ihr denselben zn überlassen. Sie bemerkte dabei, es handle sich um cinc hcimliche Sache; ein Geisteskranker solle ins Ausland gebracht und 500 Mark sollten gegeben werden, davon 200 Mark sür sie nnd 3M Mark sür Brauer-Hub. Auch licß sie sich zn wicderholtcnmalen einen Atlas geben und dic Route »ach Italien nnd Eghptcn zeigen, bemerkte mich, daß sie über Leipzig reisen wolle. Den Rest ihres Hansgcrüths gab sie sür längere Zeit in Aufbewahrung nud meldete sich am 10. April d. I. nach Heidelberg ab. Auch hinterlegte sic ein Testament. Als die Klotz einen Paß von Braner-Hnber nicht erhalten konnte, sah man sich nach einem andern um, dcr Jägcr ähncltc. Man fand diesen Mann in Müngers dorf, dcr dcnn auch cine Paßkartc sür sich und seine Ehefrau ausstelleu ließ und diese dem Jäger direkt oder durch Heusels Vermittelung über ließ. Er erhielt hierfür zunächst 1000 Mark und später noch 2M Mark durch Heusel. Ehe man zur Ausführung dcr Flucht schritt, übergab Jägcr die an Kirch nud Frau Dr. Hoch adrcssirten Briese gegen Entgelt dem mit beschuldigten Vogt mit dem Auftrage, sie von Darmstadt aus wegzu schickeil. Endlich brachte er die Wcrthsachcu sür Frau und Kinder in frischen Umhüllungen unter, gab die von ihm verwalteten Privatver- mögcn zurück, verbrannte Briefschaften, sowie die Ansnahmcbücher 1890 und 1891, ferner dic Kontrolbücher I8M und 1891, die Duplikate dcr Rcichsbank-Giri nnd riß drci Doppelblätter ans dem von 1892 heraus. Tie Klotz war am 14. April schon nach Darmstadt vorausgereist. Jäger folgte ihr a« 15. April, traf mit ihr in Darmstadt zusammen, ließ fich in der Stadt rasiren und fahr mit ihr Abends 11 Uhr über Basel nach Marseille. Bon Marseille sichren Beide am 17. April nach Egypten. Aus dem Schiffe lernten sie den Dr. Nathan Kanin kennen, den Jägcr freigebig mit Geld beschenken wollte und an dessen Mutter in Lissa er 3000 Mark sandte: „aus Freigebigkeit", wie die Anklage sagt. Außerdem schrieb er unterwegs am 22. April d. I. einen Bries an den Mitbe- schuldigten Vogt und legte einen Bries für seine Fran ein. Am 24. April d. I. trafen sie in Suez-Kairo ein. Anch die Klotz hatte cine Postkarte an ihre Wiesbadener Freundin, die Ritter gesandt; die Karte wurde bei den polizeilichen Nachforschungen den Beamten ausaelicfert nnd sührte wahrscheinlich zunächst aus die Spur vo» den Vermißten. In Egypten hielten sich die Flüchtlinge für sicher, machten Aus flüge nnd verkehrten offen in Hotels. Inzwischen war eS gelungen, die Spur dcr Flüchtigen zu entdecken. Am 10. Mai d. I. wurden Beide durch deu deutfchcn Konsul unter Beihilfe der eghptijchcn Polizei zn Ramleh im „Hotel Miramar" verhaftet und die in ihrem Besitz befind lichen Effekte» beschlagnahmt. Es waren dies Baarbeträge in der Höhe von 589,779 Mark 21 Pfg., ferner Schmncksachen, eine Geheimschrift, Briese rc. In den Toilettekifscn der Klotz sanden sich zwischen dcr Pferdchaarsüllung und dcr Lcinwandhüllc zuerst 34,OM Mark, dann bei einer wiederholten Untersuchung nochmals 100,000 Mark. Auch fand mau in einem Kleide der Klotz zwischen den Schweißblättern einen Trau ring gezeichnet li. .1., Ostern 1890; 3. Iv. 17./4. 1892. In einem be schlagnahmten Notizbuche befand sich eine Zusammenstellung der vcrun- treuten Beträge und deren Verwendung. Jäger und die Klotz wurde» am 7. Juni d. I. hier eiugcliefcrt. Auf dem Transporte von Egypten hierher hatten sie während der Dampferfahrt Gelegenheit gefunden, sich durch Briefe zu verständigen. Ein Kassiber wurde im Schuhsutter der Klotz vorgefundeu. Interessant ist das Verhältnis; zwischen Jäger nnd seiner Frau, dic anscheincnd um dic Bczichungcu ihres Maunes zn der Klotz wußte und sie begünstigte, ebenso wie sie um seine Unterschlagungen und seinen Fluchtpla» wußte und auch diese begünstigte. Nach der Flucht ihres Mannes legte sie für sich und ihre Kinder Trancrklcider an, empfing Kondolenzbesuche und trug sich mit dem Gedanken, nach England ab- znreifcm Ja sie hatte sogar die Kühnheit, dem Hause Rothschild einen Abschiedsbesuch zn machen; kurze Zeit darauf erfolgte ihre Verhaftung. Ta anznnchmen war, daß bei dem Bekanntwcrdcn von dcr Flucht Jä gers in dessen Wohnung Haussuchungen stattfindcn würden, hatte Jägcr im Hausc nur 20,01X1 Mark vcrstcckl. Dieses Geld war sür dic crstcn, an Frau Jägcr hcrantrelcndcn Ansordcrmigcn bcstimmt, ist der Polizei- Behörde verheimlicht worden und verschwunden. Befassung mit dem selben hatten Fran Jägcr und Käthchen Messer nnd cinen Theil da von Hal Fran Jäger an sich gebracht und verheimlicht. Außerdem hatte Konstanze OchS für Fran Jäger 50,OM Mark und für sich 50,000 Mark in zwei Packeten erhalten; sie behielt beide Packele eine Zeil lang bei sich und ließ sie an Gerloff gelangen, welcher sie wieder Frau Jäger übermittelte. Frau Jäger versteckte zunächst beide Pallete, nnd da fic fernere Durchfiichnngen fürchtete, gab sie dieselben ihrem Vater, der einen sicheren Verstell dafür ermittelte. Diese Pallete mit 100,000 Mark sind wieder beschafft woroen. Ebenso wurden die an Käthchcn Mcsser gegebenen 70,OM Mark wieder beschafft. Endlich hatte Gerloff 100,000 Mark bei Frau Jäger erhallen, die anch wieder be schaff! find. Tie Eheleute Clemens versteckten die ihnen übergebenen Gelder, Käthchen Mcsser nnd die Ehefrau Messers desgleichen. Niko laus Joses Messer vergrub die ihm von Käthchen übergebene Kassette mit 70,OM Mark. Dem Polizcirnty Eckhardt gelang es, den Fnndort zu entdecken nnd die Kassette wieder auSzugrabcn. Konstanze Ochs ist cine Jugendsrcundin Jägers, deren Vermögen er zusammen mit dem ihrer Schwester verwaltete. Als das Vermögen im Jahre 1889 Jäger über geben wurde, betrug dasselbe 1920 Mark; von Jäger erhielt sie zurück 5073 Mark. Beim Ausdruck der Freude über das starke Anwachsen erwiderte Jäger: „Eure Guatemala-Aktien sind gezogen worden." An diesem Tage übergab Jäger ihr eine eiserne, 1M,000 Mark enthaltende Kassette, an welcher zwei Schlüssel hingen, mit dem Bemerken, daß von dem Gelde 50,000 Mark für seinen Freund, 50,(XX) Mark für Kanstanze bcstimmt seien. Tic Ochs wollte anfänglich die hohe Summe für fich nicht amiehmcn, that cS jedoch aus Zureden. Kassette und Geld ver heimlichte sie bis zum 4. Mai d. I., au welchem Tage sie dic Sachen an Gerloff anShündigte. Letzterer war Buchhalter bei Rothschild und stand scheinbar mit scinem Vetter Jägcr stcts ans dcm Kriegsfuß. Er erhielt im Rothschildschen Geschästslokale von Jäger zunächst 1M,0M Mark für sich nnd dann 150,000 Mark für Mittler und Schwester. Tic beiden Geldbeträge nahm Gerloff an sich nnd verheimlichte sie. AIS ihm die Aufbewahrung des Geldes nicht mehr sicher erschien, ver suchte er die 15>0,OM Mark am 17. Mai d. I. bei seinem Vetter Fant- Haber hier nnlerznbringen, nnd als dies nicht gelang nnd auch andere Versuche fehlschlugen, gelangten die 150,000 Mark durch die Wittwe Jäger an die Polizeibehörde. Dic 100,000 Mark brachte Gerloff zu seiner Mutter und erklärte dieser in Gegenwart der Charlotte Gerloff, daß das Geld von Jägers Vernntrcnungen herrühre. So wurden auch die beiden Frauen in die Angelegenheit verwickelt. Von den übrigen Mitangeklagten haben wir noch kurz Hensels zu gedenken. Die Summe der ihm von Jäger gegebenen Gcldcr ist, wie oben angeführt, 5.50,OM Mark; am l5. April d. I. versuchte er vergeblich, noch fernere 150,000 Mark von Jäger zu erhalten. Die Flucht Jägers begünstigte er durch Theiluahmc an der Beschaffung des MüngerSdorjfschen Paffes. Heusel betrieb das Eiergeschäft, nachdem Jäger aus demselben geschieden war, in immer größerem Maßstabe, er hatte eine Filiale in Mainz, trieb Wechselreiterei und versuchte sich aus alle Weise Geld zu verschaffen. Von dem Kollektanten Vogt sagt Frau Jäger noch ans, daß er seine Kenntnis; des Geschehenen zu Drohreden nnd einem Erpcessungsversuche benützte. Eageogeschichte. Deutsches Reich. Beilin, 2. August. Die Vorarbeiten für den neuen ReichS-- hauShaltSplau sind bereits im vollen Ganze. Es ist allen daran betheiligten Aemtern diesmal noch besonders die größte Sparsamkeit bei der Umstellung und die vorläufige Zurück stellung aller nicht unbedingt nothwcndigcn und dringenden Neusorderungcn zur Pflicht gemacht worden. Alle diese Arbeiten sollen derart gefördert werden, daß der RcichShaushaltSentwurs rechtzeitig bis zum Wiederzusammenlritt des Reichstages, also etwa bis Mitte November, vom Bundckrath fertiggcstellt werden kann. Besonder» umfangreiche Voibercitungen wird diesmal der Militäretat veranlassen, während, wie cS heißt, im Marine etat im Wesentlichen nur die durch frühere Bewilligungen de» Reichstages bedingten Forderungen erscheinen werden. Berlin, 2 August. Ja dcr letzten StaatSministerialsitzung sind die Miquelschen Stcucrreformvorschlägc sicherem Vernehmen nach angenommen wocden. Auf Grund derselben werden jetzt die Vorlagen für die Hcrbsttagung des Landtage.» auSgearbcitet werden. Da bekannt ist, daß Minister Herrfurth grundsätzlicher Gegner der Miquelschen Steuerreform ist, so hält man den Rücktritt Herrfurths für unmittelbar bevorstehend. Derselbe dürfte alsdann durch Graf Bolho Eulenburg ersetzt werden, der das Ministerium de» Innern zum Mlnistcrpräsidlum über nehmen würde. Berlin, 2. August. Dem Vernehmen nach wird der Kaiser bereits am 6. August nach dcm Marmorpalais in Potsdam zurückkehren. Berlin, 2. August. Zu dcm geplanten Distanzritt zwischen Wien und Berlin haben sich 130 österreichisch-ungarische Officiere gemeldet. Der angekündigtc Kamp* des CentrumS gegen die Social- dcmokratie wird mit allem Nachdruck und Eifer geführt. Aus der ganzm Linie, geht das Ccntrum gegen die Socialdemokratie vor, wenngleich dcr Aufmarsch dcr Ceutrumstruppeu sich mehr im Stillen vollzieht. Unausgesetzt werden sogenannte sociaje Conferenzen abgchalten, die sich zunächst mit, dcr Gründung von Arbeitervereinen und Unterftützungiik-isscn sür dic Arbeiter vereine beschäftigen. Eine solche sociale Conferenz für die Ober pfalz hat vor wenigen Tagen in Scheoandors stattgefunden Fast alle Orte der Nachbarschaft waren vertreten, alle Redner betonten, daß eS gelte, dic katholischen Arbeitervereine zu sammeln und den Unterstützungen dcr socialdcmokratischco Fachvereine gegenüber UnterstützungSkassen für die katholischen Arbeitervereine zu errichten. Professor Eckl, Gründer der-