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Nr. 18. 1.5.1925. Der Deutsche Erwerbsgartenbau 231 Krankheiten, die durch Mangel an Ergänzungsstoffen oder unter Beteiligung eines solchen Mangels entstehen. Von ihnen sind schon eine große Anzahl (ca. 30) festgelegt, die ganz oder unter dem Miteinfluß von Vitaminen hervorgerufen werden können. Wir müssen uns nun die außerordentlich wichtige Frage vorlegen, welche praktische Folgerungen wir aus den besproche nen Forschungen über bisher unbekannte, in kleinen Mengen wirksame, für den normalen Ablauf des Stoffwechsels unent behrliche Stoffe zu ziehen haben. Interessant und zutreffend sind da folgende Aeußerungen von A. Denebitz: Zunächst muß mit allem Nachdruck hervorgehoben werden, daß nur dann Schädigungen beim Menschen eintreten werden, wenn seine Ernährung längere Zeit künstlich oder durch äußere Umstände, wie Krieg, Seefahrt, Forschungsreise usw., einseitig gestaltet wird. Eine solche einseitige Ernährung ist im großen und gan zen selten, nur in einer Periode unseres Lebens werden wir von Natur aus einseitig ernährt. Es ist dies die Säuglingsperiode, und darum eröffnen sich für die Ernährung des Säuglings durch die Vitaminlehre wichtige ernährungsprophylaktische und ernäh rungstherapeutische Maßnahmen. Im späteren Leben ist für unseren Organismus die gemischte Nahrung, wie sie in Europa bei Erwachsenen üblich ist, wobei mit Vorteil die Pflanzenkost im Uebergewicht ist, die normale. Es ergibt sich ganz von selbst eine mehr oder weniger große Abweichung. Eine Zu lage von besonderen Nahrungsstoffen ist in keinem Falle er forderlich. Ebensowenig zwingt man die Erkenntnis, daß ein Teil der Wirkung durch den Kochprozeß verloren geht, Vege tarier oder Rohkostler zu werden. Es könnte leicht der* Fall eintreten, daß mit einer Pflanzenkost allzu wenig voll wertige Eiweißkörper zugeführt werden und daß mit den pflanz lichen Fetten und Oelen zu wenig „Immunkörper“ in der Nahrung enthalten sind. Verschmähen wir frisches Gemüse, Früchte, Fett, besonders Butter, Milch, Ei und Fleisch nicht und im übrigen, je weniger wir in unsere Ernährung hinein regieren, je freier wir sie entfalten lassen, je mehr wir den natürlichen Bedürfnissen und Verhältnissen Rechnung tragen, um so weniger laufen wir Gefahr, daß Störungen in der Er nährung mit ihren Folgeerscheinungen auftreten. [1454 Interessante Rückblicke im Erwerbsgartenbau. Von Robert Mayer, Großgärtnerei, Bamberg. Wenn wir das große Gebiet des Erwerbsgartenbaues als Ganzes betrachten, müssen wir leider feststellen, daß unser Beruf nicht die Entwicklung und Ausdehnung genommen hat. wie wir es uns eigentlich wünschen möchten. Während in der Vorkriegszeit das deutsche Wirtschaftsleben einen unge ahnten Aufschwung genommen hat, während unsere Industrie sich in einem Zeitraum von etwa 25 Jahren den gesamten Weltmarkt erfolgreich eroberte, ist es dem deutschen Garten bau leider nicht möglich gewesen, hier gleichen Schritt zu halten. Sie alle kennen die Ursachen und Hemmungen unseres Berufes in der Vorkriegszeit. Am eigenen Leibe haben es die meisten von uns erfahren müssen, daß infolge der jährlich gesteigerten Einfuhr von ungeheueren Mengen S c h n i 114 blumen aus Italien, Frankreich und Holland, ungezählten Wag gons Blumenzwiebeln, Baumschulenartikeln und Koniferen ebenfalls aus Holland, endloser Eisenbahnzüge voll belgischer Gartenerzeugnisse, der deutsche Gärtnerstand als solcher verkümmern mußte, da es ihm nicht möglich war, gegen diese Ueberschwemmung von allen Seiten erfolgreich anzukämpfen. Wenn wir versuchen, die Ursachen hier zu ergründen, und das halte ich für außerordentlich notwendig, dann müssen wir leider feststellen, daß Gedankenlosigkeit der großen Masse unserer Berufsvertreter, Mangel jeder Organisation, Zerrissen heit in unseren eigenen Reihen, Rückständigkeit in unserer Betriebsweise und leider auch vielfach ungenügende Ausbildung unserer Berufsangehörigen es gewesen sind, die der in sich geschlossenen uns gegenübertretenden Auslandskonkurrenz, der kaufmännischen Durchbildung der Auslands betriebe, nicht zum wenigsten aber auch die Geschäfts tüchtigkeit und Anpassung gerade der Holländer und Belgier den Verkauf ausländischer Gartenerzeugnisse in Deutschland 'so leicht gemacht haben. Gewiß, es soll nicht verkannt werden, daß auch einzelne, wenige deutsche Firmen gerade durch diese Vorkriegsver hältnisse ihren Vorteil sahen und sehr gute Geschäfte machten. So wissen wir doch, daß in den meisten Großstädten all jährlich Firmen nach Holland und Belgien fuhren und dort waggonweise die Erzeugnisse dieser Länder nach Deutschland herein warfen. Am Wiederverkauf dieser Artikel an die kleinen Gärtnereien lag für sie ein lohnendes Geschäft und die eignen Erzeugnisse in anderen Artikeln wurden dabei spielend leicht abgesetzt. Der holländische Blumenzwiebelhändler überschwemmte all jährlich mit Hunderten von Reisenden unser deutsches Land. Die Vertreter besuchten doch schon eine Reihe ganz kleiner Plätze und alle erreichbaren Privatgärtnereien, und so kam es, daß wir vor dem Kriege eine ungeheuere Uebersättigung in Blumenzwiebeln hatten, die während der kurzen Blütezeit niemals restlos und meist zu vollständig un genügenden Preisen abgesetzt werden konnten. Die Zwiebeltreiberei kostete Platz, Gewächshäuser, gute Heizun gen und Koks. Der Absatz bereitete dem deutschen Gärtner oft große Schwierigkeiten. In den großen Städten sah man den kleinen Marktgärtner mit dem. Hundekarren von Blumen geschäft zu Blumengeschäft fahren, und was wird man diesem dort unter solchen Umständen für seine Ware gegeben haben? Die Markthallen der Großstädte waren in den Frühjahrs monaten stets überflutet von Hyazinthen, Tulpen und Nar zissen. Die geschnittene Ware konnte oft, wenn überhaupt nur zu Schleuderpreisen abgesetzt werden. Nicht genug damit. Es kam im April der Holländer selbst mit seinen Tausenden von Kisten abgeschnittener Tulpen und Hyazinthen, um uns das Leben damit noch angenehmer zu machen. So hatten wir im Frühjahr alljährlich das gleiche Bild und die gleichen Sorgen, wenn im April die Rechnungen für den Belgier oder Holländer zu zahlen fällig waren. Vielen Kollegen mit großen oder kleinen Betrieben bereitete diese Tatsache oft große Schwierigkeiten. Auch in dieser uns deutschen Gärtner peinlichen Lage wußte der geschäftsgewandte Holländer oder Belgier dem deutschen Kollegen zu helfen. Mit weiteren 3 Monaten Ziel gegen Wechselakzept, unter Anrechnung der Spesen war die Situation gerettet und aus Dankbarkeit erhielt dann der holländische oder belgische Vertreter, der seine Preise schon meist nach der Zahlungsfähigkeit seiner Kunden reguliert hatte, einen um so größeren, bereits weit über den Bedarf hinausgehenden Auftrag und bei einer geschenkten Zigarre wurde der neue Kaufvertrag durch Unterschrift be siegelt und damit der Weg zu neuer Sorge für das neue Jahr wiederum beschritten. Nach den Zeitungsmeldungen sind wir schon wieder so weit, daß blühende Zwiebeln von Holland billiger hereinkommen als die Rohzwiebeln schon im Mai oft gegen Vorauszahlung gekauft wurden. Aehnlich wie beim Holländer und Belgier war es mit dem Bezahlen' der endlosen Schnittblumenrechnungen aus Ita lien und Frankreich. Hatten doch leider viele Kollegen in der Vorkriegszeit gutgehende Blumengeschäfte, aber schlecht geleitete Gärtnereibetriebe, aus denen sie mangels richtiger Kulturen und eines geeigneten Dauerpsrsonals nicht viel heraus- wirtschafteten, die im Gegenteil von dem Nutzen des Blumen geschäftes mit zehrten. Leider wurde diese Tatsache von vielen mangels jeglicher Buchführung überhaupt nicht er kannt. Man merkte wohl, daß es trotz großen Fleißes und ganz schönen Umsatzes im Geschäft nicht vorwärts gehen wollte. Das Grundübel dieser Betriebe war meist, daß man sich mit allen möglichen Dingen von der Binderei, über die Topf pflanzen, bis zur Landschaftsgärtnerei befaßte und dadurch bei dem beschränkten Rahmen im Betrieb nur mittelmäßige Leistungen und Kulturerfolge erzielt werden konnten. So lagen die Verhältnisse mit Beginn des Krieges und die Folge mußte naturgemäß ein gewisser Verfall unserer Topfpflanzen gärtnerei sein, da der deutsche Gärtner durch die bloße Ver arbeitung und den Vertrieb von Auslandsprodukten zum „Hausknecht“ der Auslandserzeugung geworden war, ohne sich dabei besondere Gedanken über seine bedauerliche Stel lung im Wirtschaftsleben zu machen. Es war auch vielfach unter den gegebenen Verhältnissen überflüssig, auf den Aus bau und die Unterhaltung von Gewächsanlagen großes Ge wicht zu legen. Die Zwiebeln blühten ja im Februar mit der Sonne schon in jeder Bruchbude des Pachtgärtners. Azaleen, Rhododendron und den ganzen übrigen „belgi schen Kram“ zur Blüte zu bringen, erforderte ebenfalls keine besondere Intelligenz, wenn man die geeigneten Sorten zur richtigen Zeit aufstellte. Was blieb uns eigentlich als Gärtner übrig, worauf wir uns etwas einbilden konnten? Doch halt, eines hatten, wir uns erhalten, Maiblumen wurden in Deutschland in der Vorkriegszeit in großen Mengen abge trieben. Aber der Preis war infolge der Auslandskonkurrenz ungenügend und brachte die Züchter auch auf keinen grünen Zweig. Nun einige Worte über Baumschulenartikel. Während in Deutschland in manchen Jahren aus übrig gebliebenen Hochstämmen und Rosen und überständigen an deren Baumschulenartikeln große „Scheiterhaufen“ er richtet wurden, auf denen man diese deutschen Wirtschafts werte dem Feuer übergab, kauften der deutsche Landschafts-, Friedhofs- und Stadtgärtner, aber auch ungezählte Gemischt-