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ZUR ZE IT STELLUNG DER HALLSTATTKULTUR Von Friedrich Behn Vorgeschichte ist keine naturwissenschaftliche, sondern eine geschichtliche Disziplin. Das verpflichtet, über die engere, aus typologischen und stratigraphischen Beob achtungen gewonnene relative Chronologie hinaus, absolute Zeitbestimmungen an zustreben. Das ist auch für einen selbst noch vorgeschichtlichen, d. h. eigener schrift licher Überlieferung entbehrenden Kulturkomplex möglich, sofern er mit historischen so breite Berührungsflächen besitzt wie die römische Kaiserzeit und teilweise auch bereits die vorhergehende Latenezeit. Ein Schmerzenskind der absoluten Zeit bestimmung aber ist immer noch die ältere Eisenzeit, die sogenannte Hallstattzeit, auffallendeiweise in höherem Maße als die Bronzezeit, die eine ganze Reihe direkter Berührungspunkte zu den noch vorgeschichtlichen und den bereits geschichtlich gewordenen Kulturräumen der alten Welt aufweist. Der summarische Ansatz in den ersten Teil des letzten Jahrtausends, rund 1000—500 v. Chr., kann heute keinesfalls mehr befriedigen, und nicht nur der gesamte Ablauf dieser Kulturstufe, sondern auch ihre einzelnen Etappen verlangen schärfere Abgrenzungen. Die mitteleuropäische Hallstattkultur unterhielt einen überaus regen Güteraustausch mit der Villanova- kultur Italiens, naturgemäß mehr mit der Gruppe um Bologna als mit der durch den Apenninwall getrennten etruskischen. Das bedeutet, daß die hallstättische Chrono logie auf die der italischen Eisenzeit einspielen muß. Nun aber ist auch diese noch durchaus prähistorisch und muß erst selbst ihre chronologischen Grundlagen auf indirektem Wege aus Import oder aus formalen Beziehungen herleiten. Solange die italische Chronologie nicht feststeht, hängt zwangsläufig auch die hallstättische in der Luft und kommt über grobe Näherungswerte nicht hinaus, mit denen eine mo derne Vorgeschichtsforschung sich nicht zufrieden geben darf. Die Kernfrage der italischen Eisenzeit-Chronologie deckt sich mit der nach dem Ent stehungsgebiet der Villanovakultur. Lange konnte sich die Auffassung unwider sprochen halten, wonach diese in innerer Entwicklung mit gleichzeitigen ethnischen Verschiebungen aus der bronzezeitlichen der oberitalischen Terremare entstanden und langsam südwärts gewandert sei, sie wurde auch von deutschen Archäologen, wie F. von Duhn, vertreten. Danach mußten also die Erscheinungen der bolognesi- schen Gruppe die älteren, die der etruskischen die jüngeren Ausläufer sein. Als erster hat unseres Wissens der Franzose A. Grenier (Bologne villanovienne et trusque, 1912) die These der umgekehrten Wanderrichtung aufgestellt, die heute allgemein angenommen zu sein scheint. Sie wurde typologisch hinreichend untermauert durch einen Vergleich der Ornamentformen beider Gebiete, vor allem des führenden Motivs, des Mäander. Dieser zeigt an den etruskischen Urnen fast überall die sauberen, strengen Grundformen, an den bolognesischen dagegen ist er unverkennbar nach lässig behandelt, ja verwildert. Die Straffung eines Motivs aus nachlässigen An fängen zu Klarheit und Strenge würde aller Gesetzmäßigkeit widersprechen, nur der umgekehrte Weg kann ernstlich in Frage kommen. Es kann schon aus diesem Grunde (es gibt noch andere) kaum noch bezweifelt werden, daß der Formenkreis der Villa novakultur seine Heimat in Etrurien unter wirksamen griechischen Einflüssen hat und erst zu einem späteren Zeitpunkt (man vermutet wohl zu Recht als Grund das Ausweichen vor der machtvoll vordringenden etruskischen Kultur) nach dem nord östlichen Italien in das Gebiet von Bologna abgewandert ist, um dort steigender Ver wilderung zu verfallen. Eine Anzahl inhaltreicher Gräberfelder aus dem Stadtgebiet von Bologna und seiner nächsten Umgebung hat die Aufstellung einer chronologi schen Reihe ermöglicht, die nach den Eigentümern der betreffenden Grundstücke ihre Namen erhielt: Benacci I, Benacci II, Arnoaldi, Certosa. Das letztgenannte