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neben Erwachsenenleichenbrand mit Frauenbeigaben oft Kinderleichenbrand fest gestellt. Man kann annehmen, daß die Mutter dem Kinde oder viel wahrschein licher das allein noch nicht lebensfähige Kind oder der erziehungsbedürftige Sproß der Mutter im Tode naehfolgte. Ein gleichzeitiger natürlicher Tod dürfte in dieser Häufung kaum anzunehmen sein. Nicht selten wurden „Scheingräber“, also Anlagen ohne Reste von Leichenbrand, gefunden 139 . Auszuscheiden sind eventuelle Körperbestattungen, deren Skelette , vergangen sind 140 , oder auch Brandschüttungen, deren Leichenbrände das gleiche Schicksal erlitten. Gegen vergangene Skelette spricht in unsererZeitstufe der geringe Umfang der Gräber, die nicht einmal extreme Hocker zu fassen vermögen, ganz abgesehen vom gänzlichen Fehlen der Skelettgräber in der entwickelten Lausitzi- schen Kultur Sachsens. Alle Scheingräberitreten außerdem in Brandgräberfeldern auf, was gleichzeitig (ganz abgesehen von der gleichen Grabausstattung und dem gleichen Aufbau der umgebenden Gräber) gegen Agdes Vermutung 141 von Töpfer horten spricht 142 . Vergangener Leichenbrand kann zumindest dann kaum ange nommen werden, wenn bei nahen Gräbern in gleicher Tiefe und bei gleicher Boden beschaffenheit der Leichenbrand erhalten ist 143 . Das Zöhdaer Grab ist ein guter Beweis für die Deutung als Scheingrab, zeigt es doch als Hauptgefäß einen mit Erde gefüllten Doppelkegel mit nachgewiesenem Seelenloch 144 . Einen Grund für das Zustandekommen solcher Scheingräber sieht Kleemann 145 auch darin, daß die Überreste der Verbrennung so gering waren, daß sie nicht bestattet wurden. Gründe für die Errichtung der Scheingräber können verschiedenster Art sein. Es kann sich um Ehrengräber für in der Ferne Verstorbene, Gefallene oder Verschollene han deln, um Gräber für Ertrunkene 146 , um Ehrengräber oder „Denkmäler“ für Große und schließlich um Gräber für Feinde, deren Tod man sich wünschte 147 . Nach all dem müßten wir bei dieser Grabart fast ausschließlich Männerbeisetzungen vor uns haben, denn die Frauen dürften mehr oder weniger an den heimischen Herd ge bunden gewesen sein und in Politik und Kriegsfragen nur untergeordnete Rollen gespielt haben. Tatsächlich ist uns noch kein nachweisliches Scheingrab mit Fraueninventar bekannt geworden, während Männergräber aufgezeigt werden können 148 . 139 Bahra, 1 (Gefäße mit schwarzem Sand gefüllt); Bautzen, 7 (Scherben unter einer Deckplatte); Cannewitz; Caßlau II, 29 (Scherbenhaufen ohne Leichenbrand); Großsteinberg, Scheingrab (im Unterteilrest eines großen Gefäßes standen 6 Gefäße verkehrt; der Kegelhals einer großen Terrine war sorgfältig mit Schottern angefüllt), 5 (Gefäße verkehrt in großer Schale); Kobeln, I; Marksiedlitz, 9 (Buckelgefäßreste unter Bruchsteinpackung); Niederrödern, 12, 19 (Buckel terrine verkehrt), 23; Pausitz, 28; Radebcul-Niederlößnitz, 2; Riesa, Felgenhauer Str.; Riesa- Göhlis, ehern. Exerzierplatz, 3, 18; Rohna (Scheingrab oder Siedlung); Stauchitz, 3 (gestört); Wessel, 2G (Gefäßsäule von verkehrt stehenden Gefäßen umgeben); Zöhda, 8 (Doppelkegel mit Erde und Seelenloch). 140 Kleemann, Bronzezeit; Agde, Mittelelbe. 141 Agde, a.a.O. 142 Der Hort von Dresden-Laubegast (Tafel 39) war ein Einzelfund ohne gleichzeitige umliegende Gräber, vielmehr aus einer Siedlung. 143 Caßlau II, 29; Wessel, 2 G; Niederrödern, 12,19,23; Radebeul-Niederlößnitz, 2; Großsteinberg; Bautzen; Riesa-Göhlis, ehern. Exerzierplatz, 3,18; Bahra, 1; Marksiedlitz, 9; Pausitz, 28; Zöhda, 8. 144 Weiteres s. unter Seelenloch. 145 Kleemann, Bronzezeit. 146 Boege, Chronologie (beide Fundorte liegen am Wasser). 147 Man denke nur an das Verbrennen des bösen Mannes, das Winteraustreiben usw. 148 Pfeilspitzen: Riesa-Göhlis, ehern. Exerzierplatz, 18; Burk 2a? 32