WENDELRINGE VOM 0 ST S AALI SC H-WE S T SÄCH SI SC HE N SIEDLUNGSBODEN DER ÄLTEREN EISENZEIT Von Rudolf Moschkau, Leipzig In dem so reich variierten Ringschmuck der vorgeschichtlichen Kulturen ist der bronzene Wendelring die bei weitem einprägsamste Form. Er hat besonders in seiner scharflappigen Ausprägung ebenso die Aufmerksamkeit kunstfroher Laien wie der Kunsthistoriker gefunden, die damit von ihrer Wissenschaft her die geistige Seite handwerklichen Könnens in der Vorgeschichte beleuchteten. So hat Adama van Scheltema am Wendelring ein Grundproblem vorgeschichtlicher Kunstentwicklung, nämlich die Auflösung der Körperform beispielhaft erläutert: „In eindringlichster Form belehren uns über die optisch-malerische Tendenz in der Kunst der späteren Bronzezeit die sehr charakteristischen Halsringe der fünften Montelius-Stufe. Die frühesten Hals- oder Armringe waren aus einer runden Stange hergestellt; sie be saßen eine glatte Fläche, die durch ein geradliniges Muster aus Strichgruppen, Wolfs zähnen usw. verziert werden konnte. Schon in der Montelius-II-Stufe können diese Halsringe ihre glatte Oberfläche verlieren durch eine wirkliche oder nachgeahmte Drehung der Metallstange; der Ring wird schräg gerippt. Bei den sog. ,Wendel ringen 4 der späten Bronzezeit 1 ist aber die zugrundeliegende Bronzestange vierkantig und wird abwechselnd nach links und rechts tordiert. Infolgedessen wird bei diesen Wendelringen nicht nur die Fläche gänzlich aufgelöst, sondern der ganze Körper wird tief aufgerissen, seine Struktur zerstört, es wechseln unvermittelt tiefe Schatten und beleuchtete Kanten. Wir denken an verwandte Erscheinungen, Buckelverzie rung, Kannelierung usw., in der Keramik der mitteleuropäischen Bronzezeit als ein allgemein verbreitetes, höchst charakteristisches Merkmal: schräg kannelierte Gefäße finden sich z. B. in den schlesischen Urnenfeldern; schraubenförmig gewundene Hals ringe in der vierten —letzten — Stufe der ungarischen Bronzezeit; reichste plastisch malerische Ausgestaltung und schraubenförmige Einkerbung der vasenförmigen Köpfe zeigen gewisse süddeutsche Nadeln vom Ende der reinen Bronzezeit; spät bronzezeitliche Bügelnadeln vom Unterrhein können am Bügel die gleichen tief ein schneidenden Windungen ayfweisen wie die Wendelringe . ... Die Wendelringe der spätnordischen Bronzezeit zeigen, mit welchen radikalen Mitteln die ausgehende späte Stilphase die malerisch-optischen Tendenzen . . . aufgriff, dann aber auch, wie ihre rücksichtslose Durchführung auf Kosten des Trägers geschah, dessen Körper zu dein beabsichtigten Zweck ganz auseinandergerissen wird.“ Wie richtig hiermit die geschmacklichen Wirkungen beurteilt sind, die der Bronze gießer und -schmied bei Herstellung solchen Schmuckes einstmals erzielte, wird jedem Betrachter des Wendelringes von Canitz, Kr. Grimma, deutlich, der dessen Abbildung auf der Vorsatztafel bei M. Claus: Die thüringische Kultur der älteren Eisenzeit, auf Scheltemas These hin prüft. Die dort gewählte seitliche, d. h. perspek tivisch verkürzte Aufnahme des Ringes läßt zwar nicht dessen wahre Rundung, Wohl aber recht gut die dünn ausgehämmerten Grate der metallenen Windungen sowie das Spiel von Licht und Schatten erkennen. Der Ring ist damit das Glanzstück unter den wenigen Wendelringen westsächsischer bzw. ostsaalischer Herkunft. Wiederholt erwähnt und auch besprochen, ist er doch nicht im Zusammenhang mit 1 Gemeint ist Montelius-Stufe VI, die heute als ältere Eisenzeit zählt.