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EIN NÄHRING DER URNENFELDERZEIT VOM OYBIN, KREIS ZITTAU Von Rudolf Moschkau Nach verbreiteter Annahme ist die Nadel in ihrer Urform eine Nachbildung des naturgebotenen Pflanzendornes. Zunächst in Knochen oder Horn gear beitet, soll sie Kleiderhüllen am Körper oder Haarsträhnen am Kopfe zu sammenhalten. Die Verwendung langer Pflanzendorne kann beispielsweise noch heute bei abessinischen Frauen beobachtet werden, und die schlichten, beiderseits zugespitzten Knochenstäbchen aus der älteren Steinzeit sind wohl gleichfalls zum Teil als Nadelhaften für Felle oder auch als Haarpfeile zu deu ten. Im Jungpaläolithikum finden sich aber auch recht zierliche und bei aller Feinheit noch geöhrte Nadeln, die auf den ersten Blick nicht als Haften, son dern als Nähnadeln in unserem Sinne anzusprechen sind. Und hier zeigt sich auch spurenhaft, was damit genäht wurde. So müssen die fast tausend durch bohrten Nassaschnecken in der „Kindergrotte“ des Gebietes der Grimaldi höhlen bei Mentone, die um die Beckengegend beider Kinder lagen, auf einen Schurz oder auf ein Röckchen aufgenäht gewesen sein; ebenso die gleichen Schnecken und Hirschzähne von der Kopfpartie einiger Skelette dieser Höh len, die als Hauben-, Mützen- oder Kopfbänderbesatz anzusehen sind. Das gleiche gilt von dem Muschelschmuck am Schädel des Skelettes von Combe- Capelle bei Montferrand, Perigord, das wie die vorigen Funde der Aurignac stufe angehört. Ähnliche Befunde hat für die nacheiszeitliche Stufe von Mas d’Azil die Ofnethöhle bei Nördlingen geliefert. Und so ist Nadelarbeit auch für das folgende Neolithikum und die Bronzezeit aus interessanten Befunden zu erschließen. Eine Art Perlenstickerei, die älteste dieser Art, ist durch den neolithischen Gewebefund vom Murtensee, Kanton Bern, belegt 1 ). Hier sind durchbohrte Fruchtkerne als Zier mit einem Faden in regelmäßiger Weise auf genäht. Auch die V-förmig durchbohrten Knöpfe, wie sie z. B. in einem Grabe Von Glis bei Brig im Wallis in großer Menge gefunden wurden, sind als auf genähter Schmuck anzusehen 2 ). Zierstickerei als feinere Näharbeit scheint durch die gemusterten Quadrate am Gewandsaum der weiblichen Tonfigur aus dem Laibacher Moor bezeugt 3 ). Gleich frühe und rein technische Näh- 1) E. Vogt, Geflechte und Gewebe der Steinzeit, 1937, S. 36, Abb. 62. 3) J. Heierli, Urgeschichte der Schweiz, 1901, S. 155, Abb. 93. 3) M. Hoernes, Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa I, 1898, S. 238 und Fig. 63.