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wiederum ein Beamter des König!, meteorologischen Instituts und noch andere Passagiere beteiligen. — Chemnitz, 20 April. Der „Altenb. Ztg." wird geschrieben: Ein Eisenbahnunglück von unberechenbaren Folgen hätte sich beinahe am gestrigen Freitag auf der Linie Dresden-Chemnitz-Reichenbach ereignet. Als der Zug Nr. 230 die Station St. Egidien verlassen hatte und in langsamem Tempo die ziemlich bedeutende Kurve hernmfuhr, ertönte plötzlich von der Lokomotive her das Notsignal. Es kam dem Personenzug, der offenbar auf ein falsches Geleis geraten war, der Eilgüterzug von Zwickau entgegen. Zum Glück gelang es den Führern beider Züge, dieselben noch rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Wäre der Pcrsonenzug in voller Fahrgeschwindigkeit gewesen, so wäre ohne Zweifel ein Zusammenstoß er folgt; denn die beiden Züge waren kaum einen halben Meter von einander entfernt. Nachdem der Zug zurückdirigiert und auf das rechte Geleis gebracht worden war, erfolgte die Weiterfahrt nach Glauchau. — Z w i ck a u, 20. April. Ein junger Mann, namens Otto aus Schönbrunn, war jüngst beschäf tigt, mit einem Ochsengespann Fichtenreisig aus dem Walde zu holen. Im Begriffe, an dem Zuggeschirr der Tiere etwas in Ordnung zu bringen, nahm er sein Taschenmesser zu Hilfe; plötzlich fuhr der eine Ochs herum und dabei stach sich Otto mit dem Messer iv's rechte Auge, welches leider die Sehkraft eingebüßt hat. — Glauchau, 22. April. Se. Maj. der König hat dem Pfarrer Herrn Christoph Gottlob Baltzer in Wernsdorf, welcher demnächst eine vierzig jährige Amtszeit in seinem Kirchvrt vollendet, nach dem er zuvor bereits mehrere Jahre als Geistlicher der preußischen Landeskirche thätig gewesen war, das Ritterkreuz I. Klasse des Kgl. Sachs. Albrechts ordens verliehen, und ist die genannte Dekora tion ihrem Empfänger durch die Mitglieder der Kgl. Knchcmnspektion Herren «Superintendent Wei dauer und Amtshauptmann Dr. Hempel in Gegen wart des Kirchenvorstandes zu Wernsdorf und des Vertreters der Erlauchten Patronats-Herrschaft, Herrn Kammerrat Schmidt, heute feierlich ausge händigt worden. — Glauchau, 22. April. Ein jäher Schreck erfaßte gestern einen Passanten der Lungwitzstraße, als er auf einmal unterhalb des Krankenhauies aus dem Fußsteig den Boden unter sich verlor und mit der stürzenden Erde bis unter die Arme in die ent standene Oesinung sank. Auf das Geschrei des Mannes eilte der in der Nähe wohnhafte Ziegelei besitzer Barth herbei, welcher den Geängstigten ans der V'.rseakung heraufbeförderts. Wie sich heraus stellte, war die unter der Straße wegführende große Schleuse eingestürrt und wurden sofort die nötigen Sicherheitsmaßregeln getroffen. — Kirchberg, 22. April. Seine Majestät unser König Albert hat Herrn Oberamtsrichter Küchler hier das Ritterkreuz I. Klaffe vom Albrechtsorden allergnädigst verliehen. — Annaberg, 21. April. Ein hier als Hausmann angestellt gewesener jüngerer Mann aus Stahlberg hat sich hier gestern nachts wegen verschie dener von ihm begangener Diebereien und aus Furcht vor der zu erwartenden Bestrafung erschossen. Wegen verschiedener Vergehen war derselbe schon während seiner Militärdienftzeit in die 2. Klasse des Solda- tenstandes versetzt worden. Der Vater des Selbst mörders aber verbüßt gegenwärtig eine wegen aus geführten Raubes ihm zuerkannte Zuchthausstrafe. — Eine seltene Vereinigung fand dieser Tage hier statt. Die Schüler der hiesigen Bürgerschule aus dem Ge burtsjahre 1839—1840 fanden sich zusammen, um den Gedenktag ihres vor fünfzig Jahren erfolgten Schuleintritts gemeinsam zu feiern. Ungefähr ein Drittel der gegen 150 betragenden Zahl ehemaliger Schüler war der Einladung gefolgt. Gegen 50 sind tu der Zwischenzeit zu dem ewigen Frieden eingegan gen, wahrend von der ungefähr gleichen Anzahl der Aufenthalt nicht zu ermitteln war. Ein damaliger Lehrer nahm an der Feier Teil. Es wurde ein Fonds begründet zur Anschaffung einer neuen Schulsahne. 8 Berlin, 22. Avril. In dem hiesigen Cen tral-Hotel hat sich ein Cadett aus der Cadettenan- stalt zu Großlichterfelde durch einen Schuß in die Schläfe getötet. Der junge, 20jährige Mann war schon längere Zeit aus der Anstalt verschwunden, ohne daß man von seinem Verbleiben etwas wußte. Die Gründe der That find noch in Dunkel gehüllt. § Berlin, 22. April. Zur Vorfeier des Ge- burtstages Sr. Maj. des Königs Albert von Sach sen fand heute nachmittag 6 Uhr im Hotel Kaiser hof ein Festmahl der hier lebenden sächsischen Staats angehörigen statt, bet welchem der Gesandte Graf v. Hohenthal und Bergen den Ehrenplatz einnahm. 8 Wieder ist es ein gerichtliches Urteil, welches ganz dazu angethan ist, rohen Patronen die Be gehung von Unihaten nicht als gefährlich erscheinen zu lassen. Vor einer Abteilung des Berliner Schöffengerichls stand ein 19jähriger Brauerbursche. Er hatte auf dem Potsdamer Platz zwei respektable Damen verfolgt und belästigt. Ein vorübergehender Invalide, Kem die Szene aussiel, richtete an den Brauerburschen die Worte: „Lassen Sie doch Vie jungen Mädchen gehen, Sie sehen doch, daß sie nichts von Ihnen wissen wollen". Darüber geriet der Bursche io in Wut, daß er den bejahrten und wider- standsunfähigen Mann zu Boden warf, auf ihm kniete und ihn dann in barbarischer Weise mit seinen Stiefeln und einem Schlüssel bearbeitete. Dem Miß handelten floß Blut aus dem Ohr, und er trug schwere Verletzungen davon. Der Gerichtshof erkannte auf 2 Monate G fängniS. Nach den Urteilen, welche bei ähnlichen Vorkommnissen vorliegen, darf man annehmen, daß im gleichen Falle in anderen Städten höchstwahrscheinlich statt der zwei Monate auf ebenso- viele Jahre Gefängnis erkannt worden wäre. Und in d-n Ländern, in welchem man es mit Recht als eine vornehme Ausgabe der Gesetzgebung betrachtet, namentlich schutzlose Damen vor Brutalität zu be- bewahren, wie in England und Amerika, würde der Uebelthäter wegen seines doppelten Vergehens kaum mit weniger als drei oder vier Jahren davongekom men sein. Es ist notwendig, solche Urteile immer von neuem zu registrieren und zur öffentlichen Kennt nis zu bringen. Denn in diesen milden Urteilen ist die Erklärung dafür zu finden, daß die Brutalität in g-wissen Kreisen durchaus nicht auszucotten ist. Das Strafgesetzbuch legt die Verhängung größerer Strafen ja in die Hand des Richters. Und es ist nicht ab zusehen, welchen Schrecken die Zuerkennung einer Strafe von 2 Monaten für einen Rowdy haben soll, der in einem Falle so erschwerender Art wie der vorliegende so billig davonkommt. 8 In Bezug auf die Notiz über das von dem Kaiser dem Hofprediger Frommel geschenkte Bild und seine Unterschrift wird dem „Volk" geschrieben: „Im Januar 1892 war ich bei Frommel und sah, während ich im Vorzimmer wartete, eine Photographie des Kaisers mit folaender eigenhändiger Unterschrift des Monarchen: „Wer Gott vertraut, Fest um sich haut, Kommt nimmermehr zu Schanden!" Ich halte xS vom Standpunkt historischer Wahrheit aus für meine Pflicht, Bedenken gegen die Annahme zu äußern, daß der Kaiser demselben Herrn ein Bild mit einer weniger schönen Variation obigen Wortes von Neuem geschenkt haben sollte". 8 Die Reichstagssitzungen, welche mit dem heu tigen Tage wieder ausgenommen worden sind, werden voraussichtlich doch nicht die lange Dauer haben, die man ihnen seither vorausgesagt hatte. In par lamentarischen Kreisen besteht die ausdrückliche Ab sicht, den Schluß der ReichslagSsession, wenn irgend möglich, bis Ende Mai herbeizuführen, da nach Pfingsten auf ein beschlußfähiges Haus nicht mehr gerechnet werden könne. In diesem Falle würde an eine Erledigung der Justizvorlage (Einlegung de« Berufung, Entschädigung unschuldig Verurteilter rc.) nicht mehr zu denken sein. Es ist dann auch in Reichstagskreisen der Gedanke verbreitet, das Man dat der Kommission für die Justizvorlage bis zur nächsten Session zu verlängern, um die bisherigen Arbeiten derselben nicht verloren gehen zu lassen. Zu einer Beratung der Umsturzvorlage, deren Schick sal nach dem übereinstimmenden Proteste aller Par teien, einzig das Centrum ausgeschlossen, als be siegelt gelten kann, wird es im Reichstage sicher noch kommen, wenngleich sich vereinzelte Stimmen für die Möglichkeit einer regierungsseitigen Zurückziehung der Vorlage tagtäglich erheben. 8 Der Reichsanzeiger schreibt über die Haltung der Regierung zur Umsturzvorlage: „Von den „Ber liner Politischen Nachrichten" und dem „Hamb. Corr." werden Andeutungen verbreitet, als ob an maßgeben der Stelle eine Zmückriehung der Umsturzvorlage aus den Beratungen des Reichstags in Aussicht genommen sei. Es ist dem gegenüber darauf hinzuweisen, daß die Einbringung der Vorlage auf einem Beschluß der verbündeten Regierungen beruht. Eine Entschließung des Bundesrats, durch die jener frühere Beschluß rückgängig gemacht werden würde, steht nicht in Frage. Die verbündeten Regierungen dürfen an der Erwar tung festhalten, daß es in den weiteren Beratungen des Reichstags gelingen wird, der durch die Kommis sionsberatungen erheblich umgestalteten Vorlage eine Form zu verschaffen, welche den von den verbündeten Regierungen bei der Einbringung verfolgten Absichten gerecht wirk." Aus dieser Erklärung des Rsichsan- zcigers, die allgemein lebhaft begrüßt werben wird, weil sie das Chaos der offiziösen und privaten An deutungen endlich lichtet, geht deutlich hervor, daß die Regierung mit der Kommissionsfassung der Vor lage ebenso wenig einverstanden ist als die Majori tät des Volkes und seiner Vertreter. Ob sich die in der Erklärung ausgesprochene Erwartung der Regie rung, daß cs den Reichstagsverhandlungen gelingen werne, eme befriedigende Form der Vorlage zu finden, erfüllen wird, muß abgewarter werden; es wird nicht an Stimmen fehlen, die in diese Regierungshosinung ihren Zweifel setzen werden. Z Zwei zuweilen offiziös benutzte Blätter, die „Norvd. Allg. Z'q." und die „Köln. Ztg." bringen gleichzeitig Auslassungen über die Stellung, welche die deutsche Regierung den Ereignissen in Ostasien gegenüber cinnimmt. Dieselben entstammen, sür jeden Eingeweihten leicht erkennbar, dem Auswärtigen Amte zu Berlin und betonen übereinstimmend, daß zwar das Berliner Kabinett eine vorzeitige Intervention zwischen den beiden kriegführenden Mächten abge lehnt habe, aber keineswegs gesonnen sei, der Neu ordnung der Dinge in Ostasien mit verschränkten Armen zuzusehen; daß Deutschland sich vielmehr mit Rußland und Frankreich verständigt habe, um zu hindern, daß China zum Schaden Europas in voll ständige Abhängigkeit von Japan gerät. Die Dar legungen der „Köln. Ztg.", deren offiziöser Charakter auch von dem . Wolsflchen Telegraphenbureau" durch wörtliche Weiterverbreitung bestätigt wird, bean spruchen besonderes Interesse, so daß sie hier im Wortlaut mitgeteilt werden mögen: „Die deutsche Negierung hat von Anfang an nach Ausbruch des Aus dem Walde. Roman von M. Brandruh. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Dann aber strich ihm seine Mutter zärtlich das dunkle Haar aus der Stirn, und tief in seine treuen Augen sehend, meinte sie noch: „Nach den schmerzlichen Erfahrungen, die Rinow durch seine einzige Schwester gemacht, ist's doch im Grunde genommen nicht zu verwundern, daß er gegen den Privatdienst eingenommen worden. Doch wie gesagt, mein Sohn, laß' ihm nur Zeit, sich in die veränderten Verhältnisse zu finden. Wenn er erst gesehen haben wird, daß Du fest in Deinem nunmehrigen Amte stehst und die Einkünfte desselben wirklich so bedeutend sind, wie sie Dir der Baron zugesagt, wird er schließlich doch noch zu Eurer Ver bindung „Ja und Amen" sprechen. Die Hauptsache ist nur, daß Anna Dir treu bleibt." „Dessen hat mich da« liebe Mädchen wiederholt versichert. Denn natürlich stehen wir — wenn auch in einem heimlichen — so doch fortlaufenden schrift lichen und persönlichen Verkehr", entgegnete Curt. „Dennoch kann ich nicht hoffnungsreich in die Zu kunft blicken. Freilich beabsichtigt Anna morgen, am Geburtstag ihres Vaters, noch einmal ihre Ueber- redungskunst aufzuwenden, um ihn uns wieder gün stig zu stimmen. Aber ich kenne die Starrköpfigkeit Rinow's, die sich mir bis dato freilich nur in ge ringfügigen Dingen bethätigte. Da sich der alte Mann es nun einmal in den Kopf gesetzt hat, keinem Privatbeamten sein Kind zu geben, wird er auch daran festhalten und — sobald sich ein ihm passender Freier um das Mädchen findet, auch mit aller Energie Anna drängen, diesem ihre Hand zu reichen. Dazu —" „Herr Gott von Danzig!" Die Thür, welche Curt Fernow bei seiner Ankunft vorhin wohl Unter lasten hatte zu schließen, ward in diesem Augenblick völlig geöffnet. Herr Knigge erschien nun im Rahmen derselben — sozusagen gestiefelt und gespornt — wie er soeben von feinem täglichen Spaziergange heim gekehrt war. „Herr Gott von Danzig!" wiederholte der Exbäckermeister jetzt. Und mit den gewichtigen Spazierstock um sich fuchtelnd, krähte er danach: „Aber ist denn der Kerl ganz und gar vernagelt, daß er uns mit einem Mal so'n Strich durch die Rech nung macht?! — Entschuldigt mich nur", setzte der komische Alte alsbald jedoch hinzu, „daß ich hier so 'reinplatze wie eine Bombe, und was noch viel schlim mer ist — vorher zum Horcher geworden bin! Da ran seid Ihr jedoch ein gut Teil selbst schuld. Wa rum schließt Ihr die Thür nicht vernünftig. — So — nun aber vor allem: willkommen, Curt!! Freut mich, daß Du wieder einmal hier bist. Uebrigens erfuhr ich von Deinem Eintreffen schon durch den Barbier am Markt. Brczypczytkawulcziewicz heißt der Kerl! Hol der Deixel die polnischen Namen — das Niesen kommt einem jedesmal an, wenn man sie aussprechen will! Nach diesen Worten hatte sich der kleine Mann aber auch schon auf die Zehenspitzen zu Curt erhoben, welcher ihm rasch entgegengetreten war. Nun küßte er das sich niederbeugende „Pätchen" schallend, zuerst auf beide Wangen, jodann jedoch noch auf den Mund. Als er den stattlichen Menschen dann endlich wieder ! aus den kurzen dicken Armen gelasten, kniff er die ! kleinen Aeuglein in dem feisten Gesichte ein wenig z zusammen, „na, Junge", meinte Herr Knigge nun, « „der Kummer hat Dich aber auch verdeiwelt mitge- s nommen". Er stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ah ja, die Liebe, die Liebe", deklamierte er jetzt mit Pathos — „die kann einem ehrlichen Christenmenschen schon was zusrtzen! — Könnte übrigens auch ein Liedchen von ihr singen : Als ich seiner Zeit — noch ein hübscher stattlicher Bursche — von der Wander schaft nach Nakel zurückkehrte, war mein Herz —. Na, na, ich schweig' ja schon von den alten Ge schichten", unterbrach sich der Meister hier jedoch. „Weiß ja, Ihr hört sie nicht gern. Doch, was ich noch sagen wollt: Gegen den alten Rinow mußt Du energisch vorgehen, mein Junge, und wenn alle Stränge reihen, es machen, wie ich es neulich in einem wunderschönen Buche gelesen, das meine „Kleine" sich von einer Gevatterin geliehen hat. Weißt Du, da liebt sich auch so ein junges Pärchen auf ganz unmenschliche Weise, die „Sie" war ein reiches Edel fräulein — der „Er" aber ein blutarmer Bursch, den der gnädigeHerrVater partout nicht zumSchwieger- sohn haben wollte. Als nun alles Weinen und Bitten des schönen Mägdeleins von dem gestrengen Papa un beachtet blieb, wasmeinstDu, das derjungeFreiersmann da auf Geheiß seines Schätzchens that? Nun, er legte eines Nachts Feuer an das einsam gelegene Schloß des widerhaarigen Edelmanns und stürzte sich dann in die Gemächer der schlafenden Gutsherr schaft. Zuerst rettete er nun die Alten und dann das ihn schon erwartende Liebchen. — Der Brand