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Idir. „Ich habe Sie zu mir bestellt", sagte der Forstmeister Wolf zu dem vor ihm stehen den Forstaufseher Heidenreich, „um Ihnen drei sehr erfreuliche Dinge zu verkünden. Der Jagdschutzverein hat Ihnen für die bei der Ergreifung des Wilddiebs Naujoks be wiesene Unerschrockenheit diesen prächtigen Hirschfänger verliehen. Aus dem gleichen Anlaß hat Ihnen die Regierung eine Prämie von hundert Mark bewilligt und, was Ihnen wohl am wichtigsten sein wird, den Heirats konsens erteilt". Mit trübseliger Miene nahm der junge Grünrock die schöne Waffe und das amtliche Schreiben in Empfang. Verwundert sah ihn der alte Herr an. „Was ist denn mit Ihnen los? Freuen Sie sich garnicht?" „Ach ja, Herr Forstmeister, ich habe ja alle Ursache dazu. Bloß der Heiratskonscns nützt mir nichts mehr." „Was, Sie haben sich einen Korb geholt?" „Nein, meine Braut will schon, aber der Vormund will nicht." „Was ist das für ein Kerl?" „Ihr Nachbar und Freund, Herr Guts besitzer Winchenbach." Der alte Herr nickte bedächtig. „So, die Emma wollen Sie ihm wegholen! Das wundert mich garnicht, daß er nein sagt. Er hat das Mädel erzogen, um an ihr eine Stütze für sein Alter zu haben." „Das hat er mir auch gesagt, Herr Forst meister. Das ist aber bloß krasser Egoismus. Vielleicht, wenn Sie für uns ein gutes Wort einlegen möchten?" „Wird wohl nicht viel helfen", erwiderte der alte Herr achselzuckend. „Der gute Winchenbach befindet sich jetzt unter der liebe vollen Obhut seiner Nichte wie im Himmel und denkt garnicht daran, sie gegen eine ge mietete Person auszutanschen." „Na, dann danke ich Ihnen gehorsamst, Herr Forstmeister, dann muß ich eben noch drei Jahre warten, bis meine Braut mündig wird." Einige Tage darauf saßen die beiden alten Freunde in der Stadt gemütlich bei einer Flasche Rotwein zusammen. Der Gutsbesitzer hatte sich bei einem Geschäftsabschluß geärgert und war in kräftiger Stimmung. „Ja, und zu Hause auch nichts wie Ärger. Die Emma heult den ganzen Tag... ach so, das weißt Du noch nicht. Dein Günstling, der Heiden reich, will mir das Mädel wegfischen. Na, ich habe ihn ordentlich auf den Trab gebracht." „Das ist allerdings von Deinem Stand punkt aus wenig erfreulich. Aber darauf mußt Du doch immer gefußt sein, daß die Emma mal heiraten will." „Das soll sie tun, wenn sie mündig ist, bis dahin schreibt Paulus nichts davon an die Epheser." Der Forstmeister, der sich in diesem Augen blick nichts von einer Fürbitte versprach, brach das Gespräch ab. „Hast Du schon einen Bock geschossen, Winchenbach?" „Einen kräplichen Gabler", erwiderte der Gutsbesitzer gereizt. „Seitdem ihr die schönen Kuksiwiesen mit Klee und Timotheum in der Forst eingerichtet habt, laßt sich kein Bock mehr auf dem Feld blicken. Am liebsten möchte ich Dir ein Paar vor der Nase weg holen." „Du, das würde Dir schlecht bekommen", erwiderte der Grünrock lachend, „der Heiden reich greift Dich beim ersten Mal, das ist ein Deuwelskerl." „Mich greifen? . . . Das käme auf den Versuch an. Wollen wir wetten, daß ich Dir drei Böcke aus dem Revier hole, ohne ab gefaßt zu werden? Selbstverständlich dürstest Du Deine Beamten nicht aus mich aufmerksam machen." „Das ist nicht gut möglich, alter Freund." „Weshalb nicht? Ach so, Du glaubst auch, daß ich die Wette gewinnen würde." „Daran ist kein Gedanke. Nur Du könntest Dir Unannehmlichkeiten zuziehen, weil ich Dich auf Grund der Wette nicht in Schutz nehmen kann." Der Grünrock hatte seinen Freund richtig beurteilt, daß er sich durch den Widerspruch nur noch fester in seine Idee verbeißen würde. „Das ist meine Sache. Also: ich hole Dir drei Böcke aus der Forst. Werde ich abge faßt, zahle ich die Strafe und für jeden Bock noch extra drei blaue Lappen. Gewinne ich, gibst Du ein solennes Frühstück für alle Deine Beamten, bei dem Du die Ursache der Fest lichkeit bekannt zu geben hast." „Mit der letzten Bedingung bin ich ein verstanden", erwiderte der Forstmeister ruhig, „mit der anderen nicht. Dabei kämst Du zu leicht weg. Dein Risiko muß größer sein. Wirst Du abgefaßt, dann mußt Du dem Heidenreich Deine Nichte geben." „Das könnte Dir so passen . . . Dein Günstling bekommt einen Wink." „Winchenbach, sieh nach Deinen Worten. Das wäre unehrlich von mir gehandelt." „Ja, ja, ich sehe es ein, nimm nicht übel." Der Forstmeister hob sein Glas und stieß mit ihm an. „Wollen die Geschichte fallen lassen. Der Einsatz ist zu ungleich. Meine Grünröcke kennen Dich alle als meinen in timsten Freund, Du hast uns bei der Ein richtung der Wiesen mit Rat und Tat ge holfen, Du fährst oft in der Forst spazieren . . . kein Mensch hat Dich im Verdacht, daß Du wildern fährst ... da sind drei blaue Lappen zu wenig." „Na, denn tausend Mark für jeden Bock." „Nein, nein, mein alter Junge, das ist für Dich ein Aufwaschen. Du traust Dich eben nicht, etwas Ernsthaftes zu riskieren. Ich soll ein Fest zur Verherrlichung unserer Blamage geben und Du willst die Sache mit Geld ab machen. Nein: Einsatz gegen Einsatz." „Abgemacht, Basta! In vier Wochen feiern wir bei Dir den dritten Bock." „Oder Verlobung", erwiderte der Forst meister trocken. Er glaubte sich auf seine Grünröcke verlassen zu dürfen. Als der Naujoks in der Forst zu wilden: begann, hatte er die Einrichtung getroffen, daß jeder Schuß registriert werden mußte. Das hatte sich sehr bewährt und bewährte sich auch in diesem Fall. Schon nach wenigen Tagen hatte er die Meldung, daß ein. Kugelschuß gefallen war, der nicht aus der Büchse eines Grünrockes herrührte. Gegen Abend kam Winchenbach mit einem strammen Vock ange- sahren und lieferte ihn auf der Oberförsterei ab. „Ich mache Dich darauf aufmerksam", sagte ihm der Forstmeister, „daß Dein Schuß ge meldet worden ist und daß Du infolgedessen mit einer sehr verschärften Aufsicht zu rechnen hast." Lachend gab Winchenbach zur Antwort, daß er sich danach richten und trotzdem nur kapitale Sechserböcke schießen würde. Der erste Erfolg versetzte ihn in eine so vergnügte Stimmung, daß er abends zu Hause mehrere Gläser Grog trank, vor seiner Nichte große Reden führte und alle Grünröcke für Schlafmützen erklärte. Er würde sie alle in den Sack stecken. Emma verstand zwar nicht, was er damit meinte, ab es gab ihr doch zu denken. Wes halb fuhr ihr Onkel jetzt jeden Morgen mit der Pürschbüchse in die Forst? Um einen Bock zu wildern? Nein, das konnte sie ihm nicht zutrauen. Aber einen Haken mußte die Sache doch haben. Am nächsten Morgen fuhr Winchenbach schon vor Tau und Tag weg und kam nach zwei Stunden mit einem strammen Bock wieder, den er geschossen hatte. „Ludwig", rief er seinem alten Kutscher zu, „das ist Nummero zwei. Du brauchst nicht auszuspannen, wir fahren gleich nachher zur Oberförsterei, ich will bloß 'n Happen früh stücken. Kannst auch allein hinfahren, ich will den Forstmeister nicht mehr ärgern, als notwendig ist, bestell' bloß 'n Gruß von mir." Eine Stunde später kam Ludwig in die Küche, um zu frühstücken. Emma empfing ihn mit seinem Leibgericht, einer Schüssel auf gewärmten Pilzenbartsch. Sogar frische Pell kartoffeln hatte sie ihm dazu gekocht und ein großes Glas Kornus dazu eingegossen. Schmun zelnd nahm er seine Mütze ab und setzte sich an den Tisch. Ehe er zum Löffel griff, ver haftete er den Korn. „Dunncrlüchting, Fräu- leinchen, er ist gut. Der geht ja wie Feuer bis zum Magen runter." „Zur Belohnung für den zweiten Bock, Ludwig. Wo habt Ihr den geschossen?" „Gleich bei der zweiten Wiese. Wir mußten bloß so lange Watten, bis der Heidenreich wegging. Der hat mit dem Herrn so lange geredet. Na, Sie können sich wohl denken, von wem er geredet hat. Der Herr könnt' auch wirklich ein Einsehen haben und ja sagen." „Weshalb habt Ihr denn gewartet, bis der Heidenreich wegging?" „Ja . . . nei, Fräuleinchen, das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen." „So? Und weshalb soll sich denn der Forstmeister darüber ärgern, wenn Ihr ihm doch jeden Bock hinbringt?" „Ach Gott, Emmachcn", erwiderte der Alte in sichtlicher Verlegenheit, „das darf ich wirklich nicht sagen." „Mir darfst Du das nicht sagen? Ich bin doch Kind im Hause." „Das schon . . . aberst . . . nei, fragen Se lieber nich." „Ludwig, ich habe Dich drei Jahre gefüttert,