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Allgemeiner Anzeiger : 24.01.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-24
- Sprache
- Deutsch
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- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
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Monat
1900-01
- Tag 1900-01-24
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1900
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- Allgemeiner Anzeiger : 24.01.1900
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ner er- Herr t. Ich h weiß, st z. B. chenden warmer eisgabe vor der Unsere ch halte daß die Meinung cn. Sie die werdm ch kann Energie Tag zu Herr > Weih er vcr- !s. Ja n auch er Auf besteht, ff einen Konflikt nzelnen Die Politik Politik ubcrg ellation m deut- wungen aufge- iß man hier im prochen us die Köller ! Abg. r Kon- misierte sich für mg des bezug Stand wandte lcrs am ndigkeit betonte. Provinz stürzte er das nmord- suchten m Ver- f Jahr rochen. Guts- hältnis emann, a töten as ge- ft zur Lotsen- :rmann bezw. 50 Mk. :r dem Leucht- iebens- roviant henden den im itreten. öchent- Sanzig, laufen öchent- 'fichtigt ;n von Leipzig. Die gesamte aus Ehepaar und zwei Kindern bestehende Familie Meßdorf wurde am Donnerstag mit dem Tode ringend aufge funden. Die Behörde hat Vergiftung festgestellt. Der Zustand der beiden Kinder hat sich erheblich gebessert, das schlechte Befinden der Eheleute da gegen ist unverändert. Zweifelhaft erscheint es nach den bisherigen polizeilichen Untersuchungen, ob die Eheleute überhaupt die Thäter find oder das Verbrechen von Dritten begangen wurde. Wie verlautet, sollen die Erkrankten geschenktes ver giftetes Fleisch genossen haben, doch bedarf das Gerücht noch der Bestätigung. Auch eine bloße Fahrlässigkeit seitens der Eheleute erscheint nicht ausgeschlossen. Magdeburg. Ein rätselhafter Vorfall wird gegenwärtig in Sudenburg viel besprochen. Dort war dieser Tage das Dienstmädchen einer Herr schaft plötzlich spurlos verschwunden und es konnte sein Verbleib nicht ermittelt werden. Die Kammer des Mädchens war, wie auch sonst während des Tages, verschlossen. Ms die Ver mißte auch am andern Tage nicht zum Vor schein kam, ließ die Herrschaft die Kammer durch einen Schlosser öffnen und man durchsuchte nun jeden Winkel und das Bett, doch das Mädchen war nirgends zu finden. Da hob der Schlosser meister auch den schweren Deckel eines verhält nismäßig kleinen Koffers empor, aus welchem heraus ihn das verschwundene Mädchen mit verglasten Augen ansah. Nur mit vieler Mühe gelang es, die freiwillig Gefangene, welche wie geistesabwesend vor sich hinstarrte, aus dem engen Behältnis herauszubekommen. Als fie sich einigermaßen wieder erholt hatte, gab fie auf Befragen an, daß sie in den Koffer hinein- gesallen sei, worauf sich der Deckel desselben sofort fest verschlossen habe. Diese Angabe er scheint aber durchaus unwahrscheinlich. Was aber sonst das Mädchen veranlaßt haben könnte, den Koffer als Versteck zu benutzen, ist bisher ein Rätsel, zumal es bei seiner Herrschaft eine sehr gute Stellung und Behandlung hatte. Lübeck. Eines unserer schönsten alten Häuser, das Mertelmeiersche Haus am Kohl markt, wird schon demnächst einem modernen Neubau weichen müssen. Der Besitzer hat nun den wundervollen Renaissance-Giebel des Hauses dem Senat zum Geschenk angeboten, damit er eventuell bei einem anderen Bau, ähnlich einem Vorgang in Braunschweig, wieder Verwendung finden kann. Der Senat hat sich noch nicht erklärt, ob er das Geschenk annimmt. Sollte er es ausschlagen, was aber kaum anzunehmen ist, so wird der Kunstgewerbe-Verein den Giebel zum Geschenk erhalten. München. Der bayrische Eisenbahnverband hatte für solche Mitglieder, die 25 Jahre im Eisenbahndienst zurückgelegt hatten, eine Ehren medaille, nach Form und Prägung den staatlichen Ehrenzeichen ähnlich, gestiftet. Das Staats ministerium hat nunmehr dem gesamten unter stellten Personal das Tragen dieser Ehren- Medaillen untersagt, da die Verleihung solcher Ehrenzeichen ein Hoheftsrecht der Krone bildet, die ja auch in Ausübung desselben verdienten Eisenbahnbediensteten selbst staatliche Auszeich nungen in großer Zahl zu verleihen pflegt. Aschaffenburg. Dem Wechselwärter Dölger wurde bei Heigenbrücken von einem Personen zuge der Kopf abgefahren. Kattowitz. Seit Anfang dieses Jahres ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht irgend ein Grubenunfall mit Verunglückten oder Toten zu berichten war. Vom Mittwoch wird gemel det : In dem Paulinenschacht der fürstlich Hohen- loheschen Alfredgrube bei Hohenlohenhütte wurde von herabstürzenden Kohlen ein Bergmann er schlagen und ein anderer schwer verletzt. Ostrowo. An Blutvergiftung ist der hiesige Erste Staatsanwalt Buchholz gestorben. Meerane. Der Weber Karl tötete sein elfjähriges Kind mit einem Rasiermesser und er hängte sich dann selbst. Paris. Der Baron von Kastellane, welcher die Tochter des amerikanischen Millionärs Gould zur Frau hat, erlitt bei Börsenspekulationen Verluste von mehreren Millionen Frank. Er hat sich deshalb in Begleitung seiner Gattin nach New Jork eingeschifft, um von seinem Schwiegervater die nötigen Gelder zur Deckung seiner Schulden zu erhalten. Die Mitgift seiner Gemahlin betrug 75 Millionen Frank, wovon fie jedoch nur den Nießbrauch der Zinsen haben. London. Die Fachzeitung .Paper and Pulp' stellt eine „Hungersnot" in Papier fest infolge der enormen Nachfrage, die wegen des Krieges von den Zeitungen ausgeht. Die meisten der großen Londoner Tageblätter verbrauchen 20 bis 100 Prozent mehr Papier, als vor zwei Monaten! Die Tagesausgabe der .Daily Mail' z. B. ist von 620000 Exemplaren im Oktober auf 1052 000 gestiegen. Die große Papierfirma von Edw. Lloyd Ltd. erklärt fich außer stände, neue Aufträge anzunehmen. Ihre Fabriken arbeiten Tag und Nacht und fie hat Extra dampfer gemietet, um alles erhältliche Roh material von den Wäldern nach den Fabriken zu schaffen. Die Firma hat ferner die Vorräte kleiner Fabrikanten aufgekauft und erklärt fich im Stand, der Nachfrage noch für ein paar Monate zu genügen. Wenn der Krieg aber länger dauert, wird sie die kleinen Kunden fallen lassen müssen. Aehnliche Berichte kommen aus den englischen Provinzen. Die Papiernot wird dadurch erhöht, daß kein Papier mehr aus Amerika erhältlich ist, da auch in den Staaten die heimische Nachfrage das Angebot über stiegen hat. Mailand. Wie aus Aquila in den Abruzzen gemeldet wird, treibt die außergewöhnliche Kälte dieses Winters zahlreiche Wölfe, die fich seit Jahren in die unzugänglichen Bergwälder der Abruzzen geflüchtet hatten, aus ihren Schlupf winkeln heraus in die Nähe der Dörfer und Bergweiden. Bei dem Dorf Camarda hat ein Rudel Wölfe unter den Schaf- und Ziegen herden der Bauern arg gewütet. Vor einigen Tagen griff ein anderes Rudel ein Maultier an, das in der Nähe eines Bauernhauses weidete. Die Wölfe töteten und zerfleischten das Maul tier, ohne daß der Bauer es gewagt hätte, fie bei ihrem Raub zu stören. Der Bürgermeister von Camarda veranstaltete mehrere Treibjagden gegen die Wölfe, ohne Erfolg. Nun hat man mehrere Esel getötet und ihr Fleisch mit Strychnin vergiftet. Man hofft, daß die Wölfe dieses Fleisch fressen und a r dem Gist sterben werden. Petersburg. Im Oktober v. erkrankte hier der bekannte russische Schachmeister E. Schiffers. Geistige Ueberanfirengung. hieß es, war die Ursache, daß Schiffers in eine Petersburger Irrenanstalt gebracht werden mußte. Dort be findet fich dec Bedauernswerte auch noch, und die Hoffnung, daß er, der schon früher einige mal vorübergehend geisteskrank war, genesen werde, ist jetzt geschwunden. Schiffers ist ein Deutsch-Russe. Nächst Tschigorin galt er als der stärkste Schachspieler Rußlands. Daß sein un ruhiges Leben nun diesen traurigen Abschluß gefunden hat, überrascht niemand, der Schiffers näher kannte. Er war ein unverbesserlicher Trinker und mußte deshalb auch so ost seine Stellungen wechseln. In den letzten Jahren redigierte er die Schachspalte des ,Petersb. Herold' und der bekannten russischen Wochen- schrift,Niwa'. New York. Bekanntlich find Dankee- trauungen schon per Telegraph und per Tele phon, in Stellvertretung und „auf Zeit" voll zogen worden. In der Kirche wie im Rathaus, in der eigenen Wohnung wie im Gefängnis, zwischen Gräbern und an Bord eines Ozean dampfers haben Pankre« Brautpaare den Segen des Geistlichen entgegengenommen. Die Idee aber, fich im Eisenbahnzuge trauen zu lassen, dürfte entschieden noch den Reiz der Neuheit besitzen. Im Staate Indiana hat jüngst eine solche weniger romantische als absonderliche Ehe schließung stattgesunden. Es ist freilich ein höherer Eisenbahnbeamter, der fich diese Extra vaganz geleistet hat. Unter dem Vorwande, nicht über genügend Zett zu verfügen, um die wichtige Zeremonie und das darauf folgende Festmahl auf festem Boden und in Ruhe über fich ergehen zu lassen, traf er die nötigen Vor bereitungen, damit die „Sache" während der Fahrt erledigt werden konnte. In einem schön dekorierten Salonwagen versammelten fich eine halbe Stunde nach Abgang des Expreßzuges die Gäste, die Trauzeugen, das Brautpaar und der Geistliche und in zehn Minuten war der heilige Bund geschlossen. Gerichtshalle. Leipzig. Ist die Stadtverordnetenversammlung eine politische Körperschaft? Diese Frage hat das Landgericht Aachen am 30. Oktober v. bejaht, als es den Verleger des ,Volksfreundes', Hubert Immelen, wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilte. Die Stadtverordneten-Versammlung in Aachen hatte sich durch einige Aeußerungen in seinem Blatte be leidigt gefühlt und Stragantrag zu stellen beschlossen, der dann vom Oberbürgermeister gestellt wurde. Später nahmen sämtliche Beteiligten den Strafantrag zurück. Das Gericht hat dennoch den Angeklagten verurteilt, weil es angenommen hat, daß es zur Verfolgung einer Beleidigung der Stadtverordneten- Versammlung nur der Ermächtigung (ß 197) dieser politischen Körperschaft bedürfe, diese Ermächtigung aber nicht zurückgenommen werden könne. — Das Reichsgericht trat der Ansicht des Landgerichts bei und verwarf die Revision. Ueber dir Deutscher» tu Brasilien wird der.Köln. Ztg.' geschrieben: Der Genersl- konsul der Ver. Staaten in Rio de Janeiro, Eugen Seeger, weilt zur Zeit in Washington. Im Laufe eines sehr interessanten und belehren den Gesprächs hat fich Herr Seeger über eine kürzlich von ihm ausgeführte Reise durch die Südstaaten der ungeheuren Republik — mit ihren 8 370 000 Quadratkilometern größer als Rußland, Deutschland, Oesterreich-Ungarn und die Türkei zusammengenommen —- eingehend ausgesprochen und dabei mit allem Nachdruck auf das große Uebergewicht der Deutschen hin gewiesen, die allein erfolgreich als Pionier des reichen unaufgeschlossenen Landes gewesen seien und noch heute an der Spitze ständen in allen kaufmännischen und industriellen Untemehmungen der Staaten Parana, Santa Katharina, und vor allem in Rio Grande do Sul. Alles war in den vom Generalkonsul bereisten Staaten durch und durch deutsch. Selbst in Porto Alegre, der Staatshauptstadt von Rio Grande, find die Firmenschilder und Inschriften auf den Haupt straßen sämtlich deutsch. Recht anschaulich schil derte Herr Seeger den behäbigen und behag lichen Eindruck, den die rein deutschen Ortschaften an den Abhängen der Serra Geral machte. In Blumenau z. B. gehe es noch völlig vorfint- flutlich und patriarchalisch zu, ohne Gas oder gar Elektrizität, ohne Telegraph und Fern sprecher, ja, nicht einmal Pferdebahnen gebe es. Dafür seien aber die sozialen Zustände von einer erfrischenden Unschuld. Das Gefängnis hat in den letzten fünf Jahren nur einen Sträf ling aufzuweisen gehabt, was für eine Stadt von fast 50 000 Einwohnern schon etwas bedeuten will. In dem Gasthof, in welchem der Rettende abgestiegen war, ließ man alle Zimmer des Nachts offen, ja Schlösser waren nicht einmal angebracht, als ein überflüssiger Luxus in einem Gemeinwesen, wo der Diebstahl unbekannt zu sein scheint. In der Schenkstube des Hauses bedienten fich einkehrende Gäste ohne Zögern selbst, wenn der Wirt einmal ab gerufen wurde, und legten den Bettag für ihre Zeche beim Fortgehen einfach und ehrlich auf den Tisch. In der Nähe des Gasthofes befand fich eine deutsche Schule, und jedesmal hatte der Reisende seine Freude daran, wenn mittags die große Pause geläutet wurde, den langen deutschen Lehrer in Kleidern, deren Schnitt man in anderen Ländern längst vergessen hat, mit seinen Kindern hinausspazieren zu sehen, in den Händen eine ungeheure Butterstulle haltend, deren Umfang der Amerikaner wohl mit der dem Danker angeborenen Uebertreibungslust auf 24 X 36 Zentimeter angibt, während die Kinder zu zweien wie in Noahs Arche hinter ihm her auf und abwandelten, ihrerseits ebenfalls mit ungeheurem Appetit von etwas weniger riesen haften Butterbrötchen zehrend. Bettler und Tagediebe gibt es in Blumenau nicht, alles atmet Behäbigkeit und Zufriedenheit. Geld scheint reichlich vorhanden zu fein. Die Deutsch- Brasilische Bank in Rio, die ein Kapital von 12 Mill. Mk. besitzen mag, macht hier glänzende Geschäfte, fie kann 12 Prozent zahlen, ja 20, wenn fie wollte. Demnächst wird fie eine Zweiganstalt in Porto Alegre eröffnen. Noch ist in diesem glücklichen Lande, dessen Klima dem von Kalifornien nichts nachsteht, Raum für Millionen. Wenn einmal ruhige, gedeihliche Zustände in das von Revolutionen und kurzen, blutigen Aufständen arg heimgesuchte Land ein kehren, wird es eine ganz erstaunliche wirtschaft liche Entwickelung erleben. Archies Begräbnis. Mit vollen militärischen Ehren, wie fie der Ritus der Heilsarmee vorschreibt, wurde vor einigen Tagen der Einbrecher Archie, der in Fachkreisen eine gewisse Berühmtheit genoß, in London begraben. Archie — unter seinen ehe maligen Berufsgenossen unter dem Namen „Stais" bekannt — war kein gewöhnlicher Ein brecher. Er brachte seinem Berufe mindestens eine ungewöhnliche Hingebung entgegen. Dafür spricht der Umstand, daß er 40 Jahre seines Lebens im Gefängnis zubrachte. In feinen alten Tagen zog er fich ins Privatleben zurück, ging zur Heilsarmee und wurde einer ihrer eifrigsten und erfolgreichsten Missionare. Seine Misfionsthätigkeit betrieb er mit demselben Eifer, den er früher seinen Einbrüchen zugewandt hatte. Die Heilsarmee wußte wohl, daß fie mit diesem „bekehrten Verbrecher" einen unschätzbaren Propagandisten erworben hatte und drückte ein Auge zu, wenn er in seinen Bekehrungsreden manchmal die verkehrte Neigung zeigte, sich seiner früheren Triumphe mit einem gewissen Betragen zu rühmen. Uebrigens behaupten die Offiziere der Heilsarmee, daß er kein Heuchler war und auf seine früheren Freunde einen heilsamen Einfluß ausübte. — Das Leichenbegängnis fand unter Beteiligung zahlreicher bekehrter Einbrecher und sonstiger Mitglieder der Heilsarmee statt. Vor einigen Wochen gab die Heilsarmee die Porträts von sieben ihrer Missionare heraus, die zusammen 210 Jahre im Gefängnis gesessen hatten. Diese sieben „Honoratioren" waren beim Trauergottesdienst anwesend, Archie in seinem Sarge, sein ebenfalls berühmter Kollege Jack Smith auf der Rednertribüne und die übrigen in den vordersten Bänken der großen Kongreß halle der Heilsarmee, in der der Gottesdienst veranstaltet wurde. Jack Smith hielt seinem toten Freund den Nachruf und ließ in seine Rede auch ein paar biographische Daten ein fließen, die von den anwesenden Detektivs, deren in der Rede mit einem kleinen Seitenhieb ge dacht wurde, andächtig angehört wurden. Kom missar Cadmann sprach von den Verdiensten des Toten für die Sache, und Kapitän Robinson entwarf ein rührendes Bild von Archies letzten Stunden. Die Heilskapelle intonierte einen Totenmarsch, ein Trauerlied wurde angestimmt, und Archie trat seine letzte Fahrt an. Der Sarg wurde in einen offenen, mit den Farben der Heilsarmee geschmückten Wagen getragen, dem vier weiße Rosfe vorgespannt waren. Ein langer Zug von Heilskadetten schritt hinter dem Wagen einher. Im Abney Park wurde Archies sterb liche Hülle zur ewigen Ruhe bestattet. Kunte» Allerlei. Frauen als Trauzeugen. Das neue Bürgerliche Gesetzbuch läßt auch Frauen als Trauzeugen zu. Nun können wenigstens auch diejenigen Damen, die keine Hoffnung mehr hegen, selbst unter die Haube zu kommen, den Gang auf das Standesamt antreten. V * Hl Er hat recht. Sie: „Nun, wie gefiel dir heut die Primadonna?" — Er: „Ich fand fie reizend, wie einen Engel!" — Sie (eifersüchtig): „Hast du denn gesehen, wie gemalt fie war?" — Er: „Ja, hast du denn je Engel gesehen, die nicht gemalt waren?" Verblümt. Herr: „Glauben Sie, daß das Küssen ungesund ist, gnädiges Fräulein?" — Fräulein: „O ja, mich hat einmal einer nur zu küssen versucht, der bekam gleich eine geschwollene Wange davon!" O weh! Madame: „Die Dame hat Sie also sofort engagiert, als Sie sagten, Sie hätten bei mir gedient?" — Dienstmädchen: „Ja, fie meinte, ein Mädchen, das bei Ihnen drei Mona: aushält, müsse ein Engel sein." rbrigen schichte as der losen männ- in von rr mit ar ein t. Die kleine Baron wahrer l hatte, in den diesem ganzen Kinde m von Gattin Wunde er ihm r sicher zählte, r arm- . Der nnigste Mögen >er be- ihrem zügellos leidenschaftlichen Vater völlig ungleiches, ihm ganz entfremdetes Wesen, — das arme Kind spielte, da ihre Mutter längst gestorben war, eine traurige Rolle in ihres ruinierten Vaters überschuldetem Hauswesen. Der Baron von Falkensee lernte das junge, vereinsamte Mädchen kennen und lieben. Der physisch nicht weniger heruntergekommene Baron von Waldow starb noch, bevor er seine Tochter als Baronin von Falkensee sah, er konnte wenigstens mit dem Bewußtsein sterben, daß fie versorgt, von einem edlen Mann zum Weibe genommen werde. — Der Sohn dieses Verschwenders war gleich falls das Gegenstück zu seinem Vater, leider aber in einer ganz von seiner Schwester abweichenden Art. Er hatte, früh und mit Scharfsinn einsehend, daß das Gut Waldow vollständig für ihn ver loren sei, die Rechte studiert und war dann nach Hamburg gegangen. Hier blühte ihm das Glück; die reichen Hamburger Kausmannstöchter waren von jeher titelsüchtig. Um Frau Doktor zu werden, warfen fich schon damals hübsche Mädchen mit großem Vermögen Monstrums von Häßlichkeit in die Arme, und hier war der neuangelangte Doktor gar ein Herr Baron von Waldow und dazu kein häßlicher Mann. Der junge Baron von Waldow fischte fich aus dem Karpfenteich der plutokratischen Repu blik rasch ein Goldkarpfchen weg und wurde wohl bestallter Rechtsanwalt. Sein Unstern aber wollte, daß er der denk bar schlechteste Jurist war, er wäre sicher ein viel besserer Kaufmann gewesen, denn eine unersätt- . sornsaaen die Hanvwder seines Daseins, seines Lebens, seines ganzen Thuns. Dieser Mensch hatte längst im geheimen seine Berechnung aufgestellt, und als sein Schwager, der reiche Baron von Falkensee starb, erschien er unter heuchlerischer Maske des innig sten Müleids auf dem herrenlos gewordenen Der Besitz Falkensee war ganz schuldenfrei, die vierzehnjährige Bertha, die einzige Erbin des freiherrlichen Gutes, erbte außerdem noch ein Vermögen von mehr als einer Million, welches in guten ersten Hypotheken überall gut angelegt war. Der Hamburger Rechtsanwalt besaß bereits einen Sohn, der über achtzehn Jahre zählte, — die Spekulation war die beste, welche er je gemacht hatte, sein Sohn sollte die reiche Erbin heiraten und Herr von Falkensee werden, Falkensee ging damit in den Besitz der Familie von Waldow über. Es war nichts natürlicher, als daß der Onkel Berthas, der angesehene Advokat aus Hamburg, Vormund der jungen Baroneß wurde. Das hatte er gar nicht zu erreichen gestrebt. Zur selben Zeit, wo Emil die abgerissenen Blätter aus dem Tagebuch seines Onkels Jasper las, beschäftigte sich noch eine andere Person im alten Herrenhause mit einem Tagebuche. Diese Person war Emils Koufine, die blinde Baroneß Agnes. Eine Blinde mit einem Tagebuch beschäftigt? Es ist ein gar lauschiges, freundliches, wenn auch nur kleines Zimmer, worin wir Agnes er- blicken. Das Boudoir stieß an die Schlafstube der Baroneß, es war so geschmackvoll wie ein fach dekoriert. Ein süßer Blumenduft würzte die Luft; die Fensterbank glich einem prangen den Paradies der schönen Kinder Floras und über denselben hing ein allerliebster Kanarien vogel in seinem Gitterhäuschen, der mit klugen Aeuglein hinabblickte auf die schöne Futter spenderin, dabei jene kurzen Schmeichellaute ausstoßend, welche die kleinen gelehrigen Vögel hören lassen, wenn fie gute Bekannte erschauen. Wie nur, mußte fich jeder unwillkürlich fragen, der diesen Raum betrat, war es mög lich, daß eine blinde Bewohnerin solche Akkura tesse hier walten ließ? Die feinen Nipp sächelchen, welche Damenhände so reizend zu gruppieren wissen, sah man hier ebenso sauber wie zweckmäßig arrangiert stehen, jedes Stück, jede Decke, jede Gardinenfalle zeugte von einem geübten Ordnungssinn — und die Hand einer blinden Dame schuf diese Ordnung! Von dem einzigen Fenster aus hatte man Aussicht auf den großen Rasenplatz, der in diesem Augenblick halb von dem trägen Sonnen schein erwärmt, halb von den großen Ulmen-j und Birkenbäumen, welche ihn umrahmten, be schattet wurde. Ein schöner Sommertag mü seinem stillen Frieden, seinem süßen Schweigen, seiner lauen Wärme, seiner schlaftrunkenen Lust verschönte Fluren und Wälder. Die junge Baroneß öffnete den Drahtkäfig und hielt den ausgestceckten Zeigefinger ihrer rechten Hand dem gelben, kleinen Sänger ent gegen. Das Vögelchen sprang von seinem Schuukelring, hüpfte durch die Käfigthür und nachdem es mit den klugen Aeuglein, unter Hin- und Herdrehen des Köpfchens einen Augen blick gelauscht, flog es auf den Finger des schönen Mädchens. Agnes hielt zwischen ihren roten Lippen ein Stückchen Zucker, sie führte den Finger an ihren Mund und der kleine Kanarienvogel tippte nach der süßen Schneeperle, welche aus einer schönen Rosenknospe hervorlugte. Als das Vögelchen genug genascht hatte, steckte Agnes den Zuckerrest zwischen zwei Drähte des Käfigs und der kleine Sänger flog in seine Behausung zurück. Die Tändelei mit dem Kanarienvogel ge schah von feiten des blinden Mädchens mü einer Sicherheit, die jeder Blindheü Hohn sprach. Dann ging Agnes an die Thür. Sie ver schloß dieselbe und öffnete nun die Schublade eines kleinen, schlichten Schrankes von Maha goniholz und nahm aus derselben ein blechernes Kästchen. Dies Kästchen stellte fie auf einen Setztisch, dessen Platz vor dem blumengeschmückten Fenster war. Agnes löste nun eine goldene Kette von ihrem Hals, an welchem verborgen ein kleines, aber sehr starkes Medaillon hing. Aus diesem Medaillon nahm fie einen kleinen Schlussel und öffnete das Kästchen. . Das blinde Mädchen setzte sich letzt vor den Tisch und während ihre Linke den Kafiendeckel hob, ergriff die andere ein Buch, auf dessen Ei r band in goldener Schrift das Wort „Tage buch" zu lesen stand. Tas Mädchen entnahm dem Kästchen ferner ein einfaches Schreibmaterial. LxH (Fortsetzung jülgu)
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