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212, 12. September 1911. Nichtamtlicher Teil. HdrjeiMatt s. d. Ltjcha. Vuchhauve^. 10267 »publigusn I^utrsn unä 6lsdrauob« geöffnet Mittwochs und Sonnabends von 2—4 nachmittags. Das Amt des Bibliothekars lag, wie es damals allgemein üblich war, in den Händen eines Professors, in der Regel des Historikers. Die Vergütung betrug 25—40 Taler; um das Viertel Wein, das vordem noch für die staubige Arbeit entschädigte, hatte ein unwürdiger Bibliothekar, folger schnöde gebracht. Sind wir über die Geschichte der Bibliothek der Vjg.ärioa leidlich gut unterrichtet, so fließen die Nachrichten über die alte Bibliothek der I^sopolckina, der Breslauer Universität, um so dürftiger. Ihren Grundstock bildete die Bücherei des Jesuiten- Kollegs, die älter als die Universität und älter sogar als das Kollegium selbst ist; vermehrt wurde sie durch die Stiftung des Breslauer Weihbischofs N eander um 3000 sorgfältig katalogisierte Bände. Von den alten Beständen ist leider viel Wertvolles in Verlust geraten; auch sonst zeigt sich die Bibliothek um 1800 arg verwahrlost: seit einem halben Jahrhundert sind keine Anschaf- fungen gemacht worden; ein Bibliothekar, ein Katalog, jede Ord nung fehlt. 1811 entstand der Plan einer Schlesischen Zentralbiblio thek, die beide Universitätsbibliotheken wie die übrigen Biblio theken des Landes aufnehmen sollte; Lilssig-oa sollten abgesondert, Dubletten zur Errichtung von Bibliotheken in den Hauptstädten der einzelnen Fürstentümer, als Brieg, Schweidnitz, Liegnitz, Hirsch, berg mit besonderer Berücksichtigung der Gymnasien verwendet, der Rest zu Tauschzwecken verwertet werden. Büsching, der zu früh verstorbene Altertumsforscher, der, angeregt durch die bayrischen Säkularisationen, über den Plan mit dem Staats kanzler Hardenberg selbst verhandelt hatte, bereiste die säkulari sierten Stifter und Klöster und brachte ihre wissenschaftlichen und Kunstschätze zum großen Teil nach Breslau, wurde aber bald seiner Tätigkeit enthoben; verschiedene Einzelsammlungen, die er noch nicht besucht hatte, wurden fortan an Ort und Stelle katalogisiert und blieben selbständig weiter be stehen. Die stolze Selbständigkeit, die die Zentral-Bibliothek in Büschings Plan behauptete, wurde durch die Herstellung enger Beziehungen zur Universität beschränkt. Immerhin waren der Zentral-Bibliothek 70 000 Bände zugeführt worden, aus Frankfurt waren 28 000, von der Bibliothek der Leopoldina 9000 Bände übergeführt worden, so daß sich eine Gesamtsumme von rund 107 000 Bänden ergibt. Die Dubletten waren nach Berlin und Königsberg, Bonn und Greifswald abgegeben worden. Der Handschriftenzuwachs aus den Klöstern betrug 1700, die beiden Bibliotheken hatten nur 300 zugebracht. Gemessen an den Ergebnissen der bayrischen Säkularisation war der Wert der Handschriften nur unbedeutend; es zeigte sich der gewaltige Abstand in der Entwicklung des geistigen Lebens zwischen Süd- west und Nordost. Um so erfreulicher waren die Jnkunabeln- funde gewesen. Die neue Breslauer Universität wurde am 19. Oktober 1811 eröffnet. Da die geplante Zentralbibliothek noch längst nicht fertig war, wurden die beiden Universitätsbibliotheken einstweilen im »Sandstift« aufgestellt, um wenigstens ihre Benutzung zu er möglichen. Die »Vereinigten Bibliotheken«, wie sie von 1812—1816 hießen, wurden, wie vordem die Frankfurter Samm- lung, Mittwoch und Sonnabend 2—4 Uhr für Studierende und Nichtstudierende geöffnet. Die unmittelbare Leitung der ganzen, dem Departement unterstellten Bibliothek war in eine Hand gelegt. Der jährliche Etat war auf 5400 Taler festgesetzt, die sich auf Gehälter und Neuanschaffungen usw. fast gleich verteilten. Tausend Schwierigkeiten türmten sich dem jungen Unternehmen auf: unzulängliche Räume für die stark angeschwollene Samm lung, gänzliche Unordnung, Uneinigkeit und ständiger Wechsel im Personal, kein entschiedener Wille in der Oberverwaltung, kein Plan für Neuanschaffungen; die notwendigste Arbeit, die des Katalogisierens, schritt nur langsam, da planlos begonnen, vor wärts. Kurz eine Hilflosigkeit, ein ewiges Experimentieren ist die Signatur der ersten Jahrzehnte. Zudem war die Sammlung beschwert von allerlei Nebensammlungen, wie Gemäldegalerie, Kupferstich- und Münzkabinett, Altertums- und Waffensammlung, die erst später abgetrennt wurden. Unerhörte Diebstähle de- zimierten die Bestände. Einen Schritt vorwärts bedeutet die 1816 erfolgte Umwandlung der Zentralbibliothek zur Königlichen und Universitäts bibliothek, wie seither ihr Name lautet: ein Reglement wird aufgestellt, das für andere preußische Bibliotheken vorbildlich wird. Doch die unerquicklichen Verhältnisse in der inneren Verwaltung sind damit nicht behoben. Bald ist Stillstand, bald Rückschritt zu beklagen. War die Vermehrung der Bibliothek um jährlich ca. 2500 Bände in den ersten Jahrzehnten eine immerhin recht statt liche — seit 1835 berichten jährliche Verzeichnisse darüber —, so stand die Bibliothek, die bei ihrer Gründung den ersten Platz in der staatlichen Fürsorge eingenommen hatte, nach 60 Jahren an sechster Stelle. Die Zahl der Pflichtexemplare, die dem Buch- Handel der östlichen Grenzprovinz auferlegt waren, wuchs zwar, aber nicht an innerem Wert; auch hier zeigte sich, daß der Schwerpunkt des Verlagshandels im Südwesten Deutschlands lag. Ein Erfolg in diesen erfolglosen Jahren ist die mustergültige Sammlung und Ordnung der 3000 Wiegendrucke, die die Biblio- thek besitzt. Auch der Zuwachs durch Geschenke war an Zahl und Gehalt bedeutend: eine schöne Kollektion orientalischer Drucke und Manuskripte, darunter das siebzehnbändige tunesische Manuskript von Tausend und Eine Nacht, mag hier erwähnt sein. Ein neuer Geist zog in die Bibliothek 1872 ein, als der erst dreißigjährige Dziatzko, der in Bonn unter Ritschl seine biblio thekarische Schulung erfahren hatte, an ihre Spitze berufen wurde. Bis dahin ein träges Beharren in abgelebten Formen, ein kraftloses, notdürftigesFortexistieren: jetzt ein frischesLeben. Gründ liche Reorganisation, Vermehrung des Personals, Erweiterung der Räume, Vermehrung der Anschaffungsmittel, gewissenhafte Katalogisierung, gründliche Änderung in der gesamten Technik des Bibliothekwesens, Ausfüllung der klaffenden Lücken in den Beständen rücken die Bibliothek, die viele tüchtige Bibliothekare heranbildet, bald in die erste Reihe. Die Bibliothek der »Schle sischen Gesellschaft für vaterländische Kultur« mit 68 000 Bänden, darunter 15 WO Bände Zilssiaos., wird der Universitätsbibliothek einverleibt, eines der größten Verdienste Dziatzkos. Bisher 8 Lese- und 4 Entleihungsstunden, jetzt 24 und 12. 1872 kaum 4000 Entleihungen, 1886 über 40000 im Jahre. Unter Dziatzkos Nachfolgern — D. übernahm 1886 die Leitung der berühmten Göt tinger Bibliothek — ist die Entwicklung eine weitere glückliche: 1886 240000 Bände und ein Etat von 45 000 ^l, 1911 380 000 Bände Druckschriften und 126 WO Etat; der Anschaffungsfonds stieg im gleichen Zeitraum von 27 000 auf 60000 ^c,die Benutzung von 42 WO auf 94 000 Bände. Mit froher Zuversicht klingt der Bericht aus: der Neubau eines Bibliothekgebäudes ist gesichert. So trocken sich in diesem Referat Tatsachen und Zahlen an einanderreihen, so frisch ist Milkaus Bericht geschrieben. Er hat es glänzend verstanden, das trockene Material zu beleben und be sonders die Beamten, die er uns im Wechsel eines Jahrhunderts vorführt und die so eng mit dem Institut verwachsen sind, so plastisch und lebensvoll hinzustellen, daß wir sie wandeln und wirken zu sehen glauben, und er tut es, auch bei der Schilderung trüber Zeiten, mit glücklichstem Humor. Und das ist ein Vorzug, der die Schrift vor vielen ähnlichen Veröffentlichungen auszeichnet. Iw. Kleine Mitteilungen. Das Rcichspoftamt über Postkarten mit Reklameauf druck. — Wie der »Inf.« mitgeteilt wird, hat das Reichspostamt vor kurzer Zeit zu der Herstellung von Postkarten mit Reklame aufdruck in einer Entscheidung Stellung genommen, in der gesagt wird, daß gegen den Reklameaufdruck auf der Vorder- oder Rück seite der Postkarten postseitig nichts einzuwenden sei, wenn der Inhalt der Reklame sonst nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt. Ferner darf auch durch die Reklame auf der Adressen seite nicht der für die Aufschrift vorgesehene Raum verkleinert werden. Zugleich hat die kaiserliche Oberpostdirektion eine Ent scheidung über die Größe dieser Karten, die bekanntlich von einer Berliner Firma seit kurzer Zeit hergestellt werden und wegen des Reklameaufdruckes für zwei Pfennig statt für fünf Pfennig zu kaufen sind, folgendes entschieden: Es wird als unwesentlich an gesehen, wenn derartige von der Privatindustrie hergestellte Post karten bis zu einem halben Zentimeter größer sind als die amt lichen Formulare oder wenn sie das Doppelte des Gewichtes dieser Formulare nicht überschreiten. Diese Bestimmungen gelten aber nur für das Inland. Im Verkehr mit dem Auslande sind 1334*