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Politische Rundschau. Deutschland. "Der Bundesrat hat in seiner Sitzung dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrts-Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Freistaat von Kolumbien seine Zustimmung erteilt. * Dem Bundesrat ist der Entwurf einer Branntwein - Reinigungsordnung zngegangen, der nach dem Anträge der Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Ha del und Verkehr, von denen er ausgearbeitet worden ist, mit dem 1. April in Kraft treten soll. *Jm Reichsjustizamt wird am 15. d. eine Kommission zur Beratung des Entwurfes eines deutschen Binnenschiffahrts-Gesetzes zusammentreten. Die Kommission setzt sich zu sammen aus Vertretern der Behörden und be- ^rufenen Vertretern der Schiffahrts- und Handels- interessen. * Die Kosten, die die Cholera im vorigen Jahre dem hamburgischen Staat ver ursacht hat, belaufen sich auf rund 4 500 000 Mark. Trotzdem wird der Jahresabschluß des hamburgischen Staates sich nicht so ungünstig steilen, wie man anfänglich befürchtete. . Den großen u ivorhergesehenen Ausgaben stehen Extra- Einnahmen von sehr erheblichem Umfange gegen über. So verstürben im letzten Jahre zwei Millionäre mit einer Hinterlassenschaft von mehr als 100 Millionen Mark, so daß eine ganz er hebliche Erbschaftssteuer zu erwarten steht. Die Ansicht geht im allgemeinen dahin, daß eine Unterbilanz vermieden wird. *Aus Ostafrika meldet ein amtliches Telegramm: Bei Uniangwira auf dem Wege von Mpuapua nach Tabora hat eine Abteilung der kaiserlichen Schutztruppe ein siegreiches Ge fecht bestanden. Die befestigte Tembe des feind lichen Häuptlings Maseuta wurde nach zähem Widerstande unter bedeutendem Verluste des Feindes erstürmt. Diesseits ist Feldwebel Erttel gefallen, Leutnant v. Bothmer leicht ver wundet, 10 Askaris teils tot, teils verwundet. — Zur weiteren Aufklärung wird dann noch hinzugefügt: Der vorstehend berichtete Waffen erfolg ist von der den Stationschef Sigl nach Tabora begleitenden zur Verstärkung der dortigen Besatzung bestimmten Truppenabteilung errungen worden, nach vorheriger Vereinigung mit der Be satzung der Station Uniangwira. Frankreich. * Die Armeekommission der Kammer beschloß, einen höheren militärischen Grad, als den eines Divisionsgenerals, nicht zuzulassen. * Im weiteren Verlauf des Panama - Be- stechungsprozesfes erklärte der frühere Minister Vaihaut mit bewegter Stimme: Ich bin schuldig! Kein Wort kann meine Reue und meinen Schmerz ausdrücken! Ich verstehe selbst noch nicht, wie ich mich habe so vergehen können. (Lang anhaltende Bewegung.) Ich bitte mein Laad um Verzeihung, dessen guten Ruf ich viel leicht kompromittiert habe! Baihaut führte so dann aus, er habe auf Antrieb von Blondin ge handelte der 75 000 Frank zurückerhalten habe. Er (Baihaut) habe den Betrag zurückstellen wollen, aber er fürchtete, sich zn verraten. Baihaut schloß unter anhaltender Bewegung der Zuhörer mit Ausdrücken des Bedauerns und der Verzweiflung. * Während der Matin' seine Leser bezüglich der Festigkeit der ru s s is ch en A l l ia n z be ruhigt, ist es einem Reporter der .Patrie' ge stattet gewesen, auf der russischen Bot schaft Erkundigungen über die sensationelle Meldung des ,Figaro' eiuzuziehen, wonach im August eine russische Flotte, voran die kaiserliche Jacht mit dem Thronfolger an Bord, in den Hafen von Havre einlaufen werde. Die Auskunft hat dahin gelautet, daß von einem solchen Projekt niemals die Rede ge wesen und daß die Mitteilung des ,Figaro' ein Erzeugnis der freien Phantasie sei. England. * Im Unterhause gab Gladstone die Erklärung ab, er verschiebe die zweite Lesung der Homc- rule-Bill vom 13. auf den 16. d. Belgien. »Das Komitee, das die Volksabstimmu ig über die Verfassungs-Revision orga nisiert hat, suchte eine Audienz beim König Leopold nach, um diesem die Wünsche des Volks bezüglich des allgemeinen Wahl rechts vorzutragen. Der König lehnte den Empfang des Komitees als solches ab, weil auch der Sozialdemokrat Bolders Mitglied desselben ist. Jedoch empfing der König den Vorsitzenden des Komitees, Grimard. Im Laufe der Unter redung äußerte der König, dem Wesen nach sei er ein entschiedener Anhänger freiheitlicher Prin zipien. Er erinnerte sodann daran, daß er selber die persönliche Wehrpflicht und das königliche Referendum verlangt, aber weder das eine noch das andere erlangt habe. Und das sei natürlich, weil die Gesetze nicht im königlichen Palais ge macht, sondern durch die Nation beschlossen würden. Als man die persönliche Wehrpflicht und das königliche Referendum beantragt habe, sei zu deren Beschließung keine Majorität in der Kammer vorhanden gewesen. Heute bedürfe es zur Lösung dieser Fragen nach den Bestimmungen der Verfassung einer Zweidrittel-Majorität. Er könne nur zur Geduld mahnen. Schweden-Norwegen. * Im norwegischen Storthing wurden folge nde Vorschläge in einer Tagesord nung der Rechten und der Gemäßigten cinge- bracht: Das grundsätzliche Recht Norwegens festhulteud, wie solches in der Adresse des Storthings vom 23. April 1860 ausgesprochen ist, empfiehlt das Storthing, daß Verhandlungen mit der schwedischen Regierung eingeleitet werden, sowohl unter der Voraussetzung der Auflösung und der Abwickelung des gemeinsamen Konsu latswesens, als unter der Voraussetzung einer Reform mit Aufrechterhaltung der bisherigen ge meinsamen Konsulate. Das Storthing glaubt nach der Aeußerung der schwedischen Regierung in dem zusammengesetzten Staatsrate vom 14. Januar 1893, daß Verhandlungen ausge nommen werden sollten betr. eine befriedigende Ordnung der Behandlung der diplomatischen Angelegenheit auf der Grundlage der Selb ständigkeit der beiden Reiche und der völlig durch geführten Gleichberechtigung in der Union. Ruhland. * Das russische Weichselgebiet, d. h. das ehe malige Polen, soll in seinem Umsange beschränkt werden. Wie die ,St. Petersb. Ztg.' erfährt, wird während der Anwesenheit des General-Gouverneurs Gnrko in Petersburg die Frage entschieden werden. Ein Teil des zwischen Ostpreußen und den Gouvernements Kowno, Wilna und Grodno gelegenen Gouverne ments Ssuwalki mit litthauischer Bevölkerung soll den Gouvernements Kowno und Wilna zu geteilt werden. Balkanstaaten. * Der ,Standard' schreibt, ein Beweis für die vortrefflichen Beziehungen zwischen derPforte undBulgarien sei in der Thatsache zu er blicken, daß der jüngst von den in Serbien lebenden bulgarischen Flüchtlingen gegen das Leben des Fürsten Ferdinand geplante Anschlag, der durch montenegrinische Flücht linge ausgeführt werden sollte, durch die Wach samkeit des türkischen Gesandten in Belgrad ver eitelt worden sei. Die Pforte habe den bul- garischeu Agenten in Konstantinopel von dem geplanten Anschlag in Kenntnis gesetzt. * Ueber die Politik der rumänischen Regierung erwiderte am Mittwoch in der Deputiertenkammer Ministerpräsident Lahovary auf eine Interpellation des Liberalen Fleva, wobei er in bezug auf die etwaigen Nach kommen des Thronfolgers erklärte, dieselben würden die orthodoxe Taufe erhalten. Die Mitglieder der liberalen Opposi tion erklärten, Fleva sei nicht berechtigt gewesen, in ihrem Namen zu sprechen. Asien. »lieber die Grenzfestsetzuugen im Pamir- gebiet ist zwischen China und Rußland eine Differenz zu Tage getreten, weil die chinesische Regierung eine falsche Auslegung des Vertrags von 1884 seitens Rußlands behauptet. Der frühere Vertreter Chinas in Rußland, Hong- Chün, wird von den Zensoren bei dem Kaiser von China beschuldigt, chinesische Territorialrechte über gewisse Teile des Pamirgebiets abgetreten zu haben. Afrika, * Neber die letzten Vorgänge inSansibar bringt der .Standard' einige genauere Angaben, aus denen hervorgeht, daß das geringste Zeichen von Unentschlossenheit seitens der Engländer ohne Zweifel eine sofortige Erhebung der Araber zur Folge gehabt hätte. Bezüglich der Thronfolge bemerkt das Blatt: In mohammedanischen Ländern ist es meistens die Regel, daß das älteste Mitglied einer königlichen Familie zum Nachfolger ernannt wird. In Sansibar wurde diese Regel bis unlängst befolgt. Daher kam es, daß bei den letzten Gelegenheiten ein Bruder dem andern folgte. Demgemäß würde Abdul Assiz, der letzte überlebende Bruder, der recht mäßige Nachfolger sein. Die Nachfolge dieses Fürsten würde jedoch nicht mit der jetzigen Lage des Landes verträglich sein, denn, während das selbe unter britischem Protektorat steht, ist Maskat, wo er herrscht, — dem Namen nach — noch unabhängig und er würde sich in Sansibar schlecht in die Rolle eines englischen Vasallen finden. Aus guten Gründen mußte deshalb Abdul Assiz übergangen und der Thron dem Großneffen des verstorbenen Sultans übergeben werden. Uon Uah und Fern. Der seltene Fall, daß Drillinge gemein schaftlich konfirmiert werden, wird diese Ostern sowohl in der Familie eines Gutsbesitzers in Niederschindmaas bei Glauchau wie auch in der Familie eines Steueraufsehers in Döbeln zu ver zeichnen sein. Im ersteren Falle handelt es sich um drei Mädchen, im letzteren Falle um zwei Knaben und ein Mädchen. Wegen eines Obstbaumes zum Mörder geworden ist ein Gärtner in Wolfeubüttel. Es wird darüber von dort berichtet: Der Gärtner Höltje und der Bierbrauereibesitzer Aug Dieth hatten sich wegen des Eigentumsrechtes an einen an der Grenze der beiderseitigen Grundstücke stehenden Obstbaum arg verfeindet. Als nun Dieth den Baum fällen ließ, geriet Höltje in solche Aufregung, daß er sein Gewehr holte, den bei dem gefällten Baum stehenden D. durch eine Kugel in den Kopf erschoß und sich dann durch eine zweite Kugel selbst den Kops zerschmetterte. Der Ermordete, ein Mann in den 40er Jahren, hinterläßt zahlreiche Familie, der Mörder bezw. Selbstmörder ist etwa 30 Jahre und unver heiratet. Einen wahrhaft teuflischen Charakter zeigt die Person, die, wie der .Gesell.' berichtet, in dem Gute Gergehmen bei Saalfeld im Kreise Mohrungen dem Heizer Schubert in der dortigen Meierei die Tabakspfeife halb mit Schießpulver füllte und darauf Tabak stopfte. Sowie beim Rauchen daS Feuer das Pulver erfaßte, erfolgte eine Explosion, durch die dem Unglücklichen das ganze Gesicht buchstäblich zersetzt wurde. Ein Kirchenstreik ist in dem Dorfe Parchau bei Burg ausgebrochen. Vor einigen Jahren war dort ein Pastor S. für die Pfarr- stclle gewählt worden, die mit ihrem etwa neun tausend Mark betragenden Einkommen zu den fetten zu rechnen ist. Das Konsistorium versagte die Bestätigung, weil lautbar geworden war, daß der Vater des Pastors, der in Burg Gast wirt ist, der Gemeinde Parchau eine größere Summe Geldes — es heißt 24 000 Mk. — zur Ablösung einer Kirchenschuld für den Fall ge boten hatte, daß sein Soh i zum Seelsorger ge wählt würde. Es entstand eine Zeit des Jnter- .regnums, in der Hilfsprediger das Pfarramt verwalteten. Vor kurzem war nun wiederum die Wahl angesetzt worden. Obgleich man mußte, daß Pastor S. die Bestätigung nicht erhalten würde, wählte man ihn abermals. Als Antwort darauf besetzte das Konsistorium die Stelle. Der Geistliche fand aber nicht nur keine Besucher in der Kirche, sondern der Gemeiudekirchenrat legte auch sein Amt nieder und gab die Erklärung ab, daß die Gemeinde aus der Landeskirche aus treten würde. Man hat denn auch bereits wiederholt den Sprecher der freireligiösen Ge meinde zu Magdeburg, Prediger Bursche kommen lassen, der in dem Saale des Wirtshauses gegen Zahlung von je 20 Mk. Vorträge hielt, der Ge meinde aber riet, zunächst nur eine freireligiöse Vereinigung zu gründen. Zunächst ist eine Ab ordnung aus Parchau nach Berlin gefahren, m» mit dem Konsistorium direkt zu verhandeln. Ueber den Kampf eines Gendarme« mit einem Verbrecher in Ohligs berichtet die ,S. Z.' folgendes: Der zu Mangenberg stationierte Gendarm M. wurde am 4. d. abends davon be nachrichtigt, daß ein steckbrieflich Verfolgter in Ohligs in einer Brennerei als Fuhrknecht be dienstet sei. Der Beamte machte sich sofort aus den Weg und suchte den Knecht in Begleitung mehrerer anderer Personen im Stalle auf. Als der Beamte den Knecht untersucht und Waffen bei ihm nicht gefunden hatte, wollte er ihn fesseln; in diesem Augenblicke zog der Mensch einen Revolver auS dem Rockärmel und feuerte einen Schuß auf den Beamten ab, dem dieser jedoch, die Gefahr erkennend, schnell eine andere Richtung gab, indem er nach der Waffe griff. Zwei weitere Schüsse, die der große starke Mensch wütend auf den Gendarmen abfeuerte, trafen denselben in den Oberschenkel und in das Schienbein. Trotz dieser schweren Verwundung ließ der pflichtgetreue Be amte von seinem Vorhaben nicht ab; es gelang ihm vielmehr unter Aufbietung aller seiner Kräfte, den vierten Schuß so abzuwehren, daß dec Schießende selbst leicht verletzt wurde. Als dann gelang es dem Gendarmen mit Hilst einger hinzugekommeuer beherzter Männer den gefährlichen Patron zu fesseln. Den dann hinzu- gerufenen Aerzten gelang eS, die Kugel aus dem Oberschenkel zu entfernen ; die Kugel in dem Schienbein konnte noch nicht gefunden werden. Der alte Weitzmann, der einst in ganz Deutschland bekannte Seiltänzer, der seine letzten Jahre in dem Städtchen Burgdorf verlebte, ist am Mittwoch morgen gestorben. Von der Gewalt des Eises hat man in diesem Winter an der südöstlichen Küste von Seeland einen recht deutlichen Beweis erhalten. Dort befindet sich am Vemmetofte-Strand der sog. „Mnssestein", ein Granitblock von mächti gem Umfange, dessen Gewicht auf mindestens 100 Zentner geschätzt wird und der bisher in einiger Entfernung vom Lande aus dem Wasser hervorragte. Nachdem dieser Granitblock bereits im Winter 1888 von dem Eise umgewälzt wor den war, haben die diesjährigen kolossalen Eis massen beim Zusammenschieben den gewaltigen Stein mit bis ans Land und ein Stück den Ab hang hinausgeführt, im ganzen wohl eine Strecke von etwa 70 Ellen. Unter dem Stein liegen aber auch die Eismassen in einer Stärke von 10 Ellen und über dem Stein gleichfalls zehn Ellen dick. Der Sage nach hat einst ein Riese den „Mussestein" von der Insel Möen aus nach dem Vemmetofte-Strand hinübergeworfen, aber nicht das Ufer erreicht. Ein orkanartiger Sturm wütete am Mitt woch während der Morgenstunden in den Straßen Wiens. In dieser Zeit war der Verkehr in den Straßen mit großer Gefahr verbunden, und thatsächlich sind auch viele Personen verunglückt, indem sie entweder durch den Wind zu Boden geschleudert wurden oder durch herabstürzendeS Mauerwerk und Fensterflügel Verletzungen er hielten. Selbst Wagen wurden durch die Gewalt einzelner (Windstöße umgeworfen. Um 9 Uhr vormittags wurde ein großer Teil der Blech- bedachuug des Thefeustempels im Volksgarten unter heftigem Getöse abgetragen. Besonders machte sich der Sturm an einzelnen Straßen- kreuzungspuukteu und nächst den über die Wien führenden Brücken fühlbar. Da sah man ost vier bis sechs Personen sich an Gaskandelabern festhalten, um der Gewalt des Sturmes wider stehen zu können. In der Alsterstraße wurde eine von Hernals kommende Wäscherin, die auf dem Rücken einen großen Wäschekorb trug , zu Boden geschleudert. Der Wind riß den Verschluß des Korbes auf, und die einzelnen Wäschestücke, die durch den Wind rasch aufgebläht wurden, flogen davon, so daß man Hemden und Hosen gespenstig durch die Luft irren sah. Beim Cafe Residenz auf dem Morzinplatze wurden zwei vor einem Bierwagen gespannte Pferde umgeworfen und der Kutscher vom Bocke geschleudert. Eisenbahn-Unglück. Ueber Wien wird l gemeldet: Ein vom Gmundener Seebahnhof ab- KerzenswanöMngen. «t <Fortfetzung.f Giuseppe stand, den Rücken gegen das Feuer gekehrt, und betrachtete mit einem Ausdrucke künstlerischen Entzückens in seinen schläfrigen, braunen Augen eine kleine Landschaft, welche über dem Sofa hing. Als Ida sich näherte, verbeugte er sich tief vor ihr. Ohne seiner Begrüßung Aufmerksamkeit zu schenken, nahm Ida ihm gegenüber auf einem niedrigen Stuhle Platz. „Nun, Giuseppe, was gibt eS wieder?" Giuseppe sah sie scharf an. Er war ein schneller Beobachter, selbst der kleinste Wechsel in der Stimme oder in dem Benehmen entgig ihm nicht, und es lag etwas in dem Tone, in welchem Ida zu ihm redete, was ihm vierriet, daß er nicht mehr auf demselben Standpunkte ihr gegen über stehe, wie bisher. Sie mußte einen Vorteil über ihn gewonnen haben, und er fragte sich, worin derselbe bestehe. „Die gnädige Frau belieben wohl zu scherzen," sagte er, etwas weniger demütig. „Sie kennen meine Armut, meine bescheidenen Ansprüche an Ihre Großmut. „Ihre Armut?" wiederholte Ida mit scharfer Betonung. „Giuseppe, wie lange ist es her, daß ich Ihnen fünfhundert Pfund gegeben habe ?" „Messen wir die Zeit nicht nach Stunden und Tagen ab, gnädige Frau, sondcni nach be dauernswerten UnglückSfälleu und Mißgeschicken. Ach, ich habe ein ganzes Me schenalter durchlebt, seit ich die gnädige Frau zuletzt sah. „Giuseppe, Sie vergeuden mein Geld am Spieltische," sagte Ida, den Blick fest^auf seine unstäten Augen heftend. . Er versuchte nicht, die Beschuldigung zurück zuweisen. ?^ige Frau, das Spiel ist eine Kunst — ich studiere dasselbe — ich bete es an — ich verliere dabei, und bin zufrieden. Das Glück wird eines Tages seine Anhänger belohnen. Es gibt keinen Zufall — es gibt nur eine Theorie der Folgerungen, die sich nicht als un korrekt erweisen kann. Aber zum Erfolge bedarf es der Geduld." „Und auch des Geldes," sagte Ida trocken. „Die gnädige Frau haben es getroffen," stimmte Ginseppe kleinlaut bei. „Aber Giuseppe, das muß ein Ende nehmen. Ich kann nicht immer das Opfer Ihrer Habsucht bleiben." Giuseppe machte eine theatralische Handbe- wcgung, als wolle er das unangenehme Wort von sich abweisen. „Die gnädige Frau thun um Unrecht. Ich bin nicht habsüchtig. Ich bitte ia nur um ein Geringes von Ihrem Ucberflusse." „Ein Geringes!" sagte Ida bitter. „Wissen Sie auch, wie viel Geld Sie nach und nach von mir erpreßt haben?" Giuseppe zog die Augenbrauen in die Höhe. „Es ist besser, wir rechnen nicht nach." „Das sagen Sie, aber ich habe Grund, anders zu urteilen." „Gnädige Frau, wenn man das Schweigen, die treue Hingebung bedenkt, mit welcher ich ein Geheimnis bewahre, das —" Er stockte plötzlich, als Ida mit blitzenden Augen warnend die Hand erhob. „Giuseppe!" „Verzeihung, gnädige Frau, ich habe mich Hinreißen lassen, aber ich wünschte nur —" „Unsere Unterredung hat lange genug ge dauert," sagte Ida aufstehend. „Sie brauchen Geld, und ich bin bis zu einem gewissen Grade in Ihrer Gewalt." Giuseppe sah sie verwundert an, er konnte den Sinn ihrer letzten Worte nicht ganz begreifen, er neigte bejahend den Kopf. „Wie viel brauchen Sic?" „Nur eine Kleinigkeit, hundert Pfund würden —" „Genug — und wie lange wird daS Ihre Habgier befriedigen?" „Vorläufig werde ich Ihre Güte nicht so bald wieder in Anspruch nehmen." „Das sagen Sie jedesmal, Giuseppe." „Diesmal ist eS aber mein Ernst." „Gut." Ohne ein weiteres Wort zu äußern, setzte Ida sich an den Tisch, füllte einen Check auf Lary u. Komp, im Betrage von hundert Pfund aus und setzte mit fester Hand ihren Namen darunter. Giuseppe blickte erst auf die Unterschrift, dann aus Ida, als er das Papier nahm. ES war ihm ein Rätsel, für das ihm jetzt noch das Ver ständnis fehlte. „Seit ich zum letzten Male hier war," sagte er langsam, „habe ich sie zweimal gesehen. Ein mal unter dem Portale der großen Oper, aber die Juwelen glänzten wie Feuer, als sie dort auf ihren Wagen wartend stand; ein zweites Mal in der Straße, als sie an mir vorüber fuhr." „Hat sie Sie gesehen ?" fragte Ida erbleichend. „Nein, ich wünschte das nicht. Der Adler stürzt sich nur einmal auf seine Beute." „Was wollen Sie damit sagen, Giuseppe?" fragte Ida. „Ist sie nicht die Mörderin meines Herrn?" fragte er mit zuckenden Lkppen und blitzenden Augen. „Dann geben Sie mir meinen Check wieder," sagte Ida entschlossen die Hand ausstrcckeno. „Mein Geld ist an Ihnen unnütz vergeudet worden." „Gnädige Fran mißkennen mich schon wieder," sagte Giuseppe vorwurfsvoll. „Glauben Sie, Signorina, ich könnte vergessen, daß auch in Ihren Adern das Blut der L'Echelles fließt? Nein, niemals! Sie ist sicher vor mir, icdoch wird nichtsdestoweniger die Zeit kommen, wo sie erfahren soll, daß noch andere um das Ver brechen wissen, welches sie begangen hat." „Giuseppe," versetzte Ida kalt," Sie haben den Zweck Ihres Besuches erreicht, ich sehe keine Veranlassung, denselben zu verlängern, gehen Sie jetzt." Wortlos gehorchte der Italiener. Bis zu diesem Moment ihres Lebens war Ida ein gedankenloses, unselostäudiges Kind ge wesen, das bei den geringsten Kleinigkeiten des Alltagslebens sich aus das Urteil anderer ver lassen hatte. Jetzt war sie ein Weib, voll Selbstvertrauen, und zu raschem Ha..deln bereu — nichts weniger als ein Kind.