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Frau? — Er hat keine Fran^ Die ist ihm vor vier Jahren ge storben, und er hat nicht mehr heiraten wollen. Freilich hab' ich ihn seit anderthalb Jahren nicht gesehen, und in der Zeit konnte er seine Meinung darüber geändert und sich wieder verheiratet haben." „Gewiß ist er wieder verheiratet, er hat es mir selbst gesagt," erwiderte Missis Oktavia. „Verwunderlich ist dabei nichts, da die Männer doch nie konsequent sind!" „Aber ich bitte, Missis Fitz Gerald!" wehrte Kapitän Hunt ab, „in diesem Falle sollten Sie doch die Inkonsequenz gelten lassen." Die Fitz Gerald verfügte sich wieder auf ihren Platz, denn die Geigenfee erschien auf dem Podium und begann das „Miserere". Sima Simic hörte es mit viel Vergnügen an; ihm war sehr lustig zu Mute, denn Jabine hatte, nachdem sie sich nach dem kleinen Einleitungsgespräch eine Weile angeschwiegen, das Wort wieder an ihn gerichtet und sich so freundlich mit ihm unterhalten, daß er die besten Aussichten zu haben glaubte. Er hatte sich auf seinem Stuhle ein wenig seitlich gesetzt, so daß sein Blick Jabine streifen konnte, und während er die larmoyante Melodie an seinen Ohren vorüberzichen hörte, ergötzte er sich an den reinen Zügen des schönen Mädchens. Freilich war sie damit nicht einverstanden gewesen, denn sobald die Fee geendet hatte, erhob sie sich und ging hinüber zur Tür. „Ich muß einen Augenblick frische Luft schöpfen," sagte sie, „es ist furchtbar heiß hier!" Nachlaufen konnte er ihr nicht, und so verfügte er sich denn Wieder zu seinem Freunde Hunt, der eben ein neues Glas Whisky in Angriff nahm. Er war darin sehr leistungsfähig. Der Engländer empfing ihn mit einem „Hallo!" und drückte ihm so kräftig die Hand, daß sich Simic mit einer heftigen Be wegung von ihm befreite. „Was ist Ihnen denn plötzlich?" sagte er lachend. „Das war ein Händedruck mit Volldampf!" „Ich hörte soeben, daß Sie wieder verheiratet sind, und wollte Ihnen gratulieren." „Ich?" fragte der Kapitän erstaunt. „Wie kommen Sie dazu?" „Wie? Missis Fitz Gerald hat es mir eben erzählt, und die hat es von Ihnen selbst." „Ach ja, die hat mir das so herausgelockt," sagte der Kapitän, denn er wollte die Dame nicht bloßstcllen. Zugestehen, daß er da mit geflunkert habe, wollte er aber auch nicht gern, denn die Fitz Gerald, die nun mit dem „Star of Asia" fuhr, würde möglicher weise mit dem Kapitän wieder darüber sprechen, und wer konnte wissen, was dieses rabiate Frauenzimmer anstellte? Und da er die feste Hoffnung hatte, daß er sich mit Jabine Bogena verloben werde — denn wenn sie ihm nicht wohlwollte, würde sie doch, nach dem er ihr sein Bild ins Zimmer gelegt, nicht so freundlich ge- ivesen sein —, so sagte er mit lustigem Augenzwinkern: „Wissen Sie, Hunt, es ist vorläufig noch eine heimliche Ehe. Meinetwegen brauchte es nicht zu sein, mir ist's sogar sehr unangenehm, aber die Verwandten meiner Frau sind dagegen gewesen. Freilich braucht sie niemand mehr zu fragen, aber da ist so ein alter Onkel, der es noch nicht wissen soll. Er ist gegen die Seeleute,, und meine Frau Will ihn erst umstimmen!" „Aha," meinte Hunt, „da gibt es mal etwas zu erben. Na, gratuliere nochmals." Sima Simic war froh, als er wieder auf seinen Platz zurück kehren konnte. Wenn ihn Jabine wirklich abwies, dann hatte er sich lächerlich gemacht und mußte sehen, für die Zukunft eine Be gegnung mit Kapitän Hunt zu vermeiden. Aber er wollte sein möglichstes tun, damit sie „dem Menschen da oben" den Laufpaß gebe und ihn erhöre. Missis Oktavia saß in Aengsten auf ihrem Platz, denn ihr An beter wurde immer sentimentaler. Sie schalt mit sich über ihre Unvorsichtigkeit, diesen Menschen, der nichts hatte und nichts war, ermutigt zu haben, aber sie sagte sich auch wieder zur Beruhigung, daß sie morgen früh abreisen werde, und daß der Herr dann nach ihr suchen könne. Inzwischen aber wollte sie seiner eindringlichen Beredsamkeit, die er seit heute entwickelte, sich möglichst entziehen und benutzte deshalb die eben beginnende Pause zwischen zwei Musikstücken, wieder mit einer gleich-giftigen Frage zu Kapitän Hunt ans Büffet zu gehen, und dabei kam das Gespräch wieder auf Simic. „Es ist schon so, wie Sie sagten, Missis Fitz Gerald," berichtete ihr der Kapitän, „er ist wieder verheiratet, dieser Simic, und lebt romantischerweise in einer heimlichen Ehe. Seltsam für einen so alten Burschen!" „In einer heimlichen Ehe?" fragte Missis Oktavia gespannt. „Aber dann ist ja die blonde Dame neben ihm seine Frau. Denn ich habe sie überrascht, wie sie zusammen ausgeflogen sind, er hat ibr einen Esel nachgesandt, nachdem sie allein fortgegangen war, und ich habe ihn heute aus ihrem Zimmer kommen sehen!" Hunt sah gespannt nach dem Paare, das sich angenehm z» unterhalten schien. Er stieß einen Fluch durch die Zähne. „Das ist ja ein Prachtweib!" sagte er leise. Missis Oktavia war unangenehm dadurch berührt. „Was aber nicht ausschließt, daß er sie dennoch betrügt. De»» ich habe noch heute gesehen, wie die Geigerin da vorn in seine»' Zimmer neben ihm saß und ihm in unerlaubt freundschaftliche' Weise in den Bart griff!" Kapitän Hunt seufzte. „Ja, er hat stets ein beinahe unef laubtes Glück bei den Weibern gehabt, und ich glaube, er hat e? nicht einmal recht ausgenutzt. Nun, das ist seine Sache!" Das Bedauern des untersetzten Engländers mit dem dicke» Bulldoggengesicht, von dessen Röte der flachsblonde KotelettenM seltsam vbstach, ließ sich begreifen. Er hatte sich nach einer Reift ganz gleichmäßiger Mißerfolge darein ergeben, Junggeselle zu blei' ben, und die Flasche zu seiner definitiven Geliebten erkoren. U» empfänglich freilich war er nicht für die Reize der Damen geworden- und besonders wenn er viel getrunken hatte, konnte er sehr lieben?' würdig werden, womit er bei den Damen stets einen vollen Heiter keitserfolg erzielte. In der Brust der sittenstrengen Missis Oktavia vollzog sich ei»' Wandlung. Wenn die Dame mit dem Kapitän verheiratet Ivar, !f ließ sich dagegen natürlich nichts tun, und man mußte die Leiste N überlassen. Aber diesem heuchlerischen Manne, der ohne Eherin» herumlief, wollte sie noch eins versetzen, indem sie seiner Frau mit teilte, wie sie ihn mit der Geigenfee zusammen gesehen habe. T»? sollte ihre Rache seiwfür die unangenehme Behandlung, die er N am Mittag des vergangenen Tages im Speisezimmer hatte zu tö werden lassen. 13. Die Fee hatte sich nach -er letzten Nummer auf einen spärliche» Beifall sehr huldvoll nach allen Seiten verneigt und kam, nachdci» sie ihre Geige in dem Kasten untergöbracht hatte, zum Büffet, B sich um den dicken Engländer eine Anzahl anderer Herren schart' Das kundige Auge der Künstlerin hatte sofort herausgefunde»- welches die Herren waren, gegen die sie „sehr liebenswürdig" sei» mußte, denn schon nach wenigen Minuten machte man ihr den Vos' schlag, zur Feier ihrer Anwesenheit in Suez eine kleine Festlichsis zu veranstalten, — der Ort sollte nicht nur ihre unvergleichM Kunst genossen haben, sondern auch noch ein Gesprächsthema fit ihre Zeit erhalten. Jabine hatte sich erhoben, und Sima war ihr beim Anzieh«» der weißen Kordjacke behilflich. Dann schickte er sich an, sie zu ft gleiten, aber sie hielt, als sie seine Absicht bemerkte, im Gehen inft und noch in dem Konzertraum zog sie ein kleines Weißes Etwa' hervor und reichte es ihm. „Man hat heute aus Versehen eine Photographie von Ihn«» auf mein Zimmer gelegt; Sie werden sie wahrscheinlich schon VA mißt haben." - Er dämpfte seine Stimme zum Flüstern herab. „Ich war es selbst, Fräulein Bogena. Hat denn das M gar kein Interesse für Sie?" Sie sah zu ihm auf mit einem festen, ehrlichen Blick. „Nein," sagte sie ernst. „Ich weiß, was ich mir schuldig bn» Sie sollten wissen, was Sie zu tun haben. Das ist doch Wah»' sinn!" „Weshalb denn?" fragte er dringend. „Weil «ie da ober irgendwo einen Menschen haben, für den Sie eine Zuneigung )» haben glauben? Aber das ist ja gar nicht währ! Sie haben mft doch lieber als ihn!" Er hatte es hastig, aufgeregt gesprochen, und seine Blicke bohl ten sich in ihr Gesicht. Sie wandte sich ab und bemühte sich, fef zu scheinen. „Das hat doch keinen Zweck, dieses Reden. Lassen Sie mt doch meinen Frieden. Sie sind verheiratet —" „Ich?" fragte er erstaunt. „Wenn es nur das ist! Ich rvo» es. Aber meine Frau ist seit vier Jähren todt. Ich habe Ihne» ja auf die Photographie geschrieben: „Von einem ehrliche» Manne". Ich weiß Wohl, daß manche Mädchen einen Witwer mA gerne heiraten mögen . . ." Jabine stützte sich auf den Stuhl, neben dem sie stand. „Ach, lassen Sie doch, sprechen Sie nicht mehr — Sie mache» mir Schwerzen." Er drückte ihr die Photographie wieder in die Hand. „Wie Sie sich auch entscheiden," sagte er, „die sollen Sie be halten. Und jetzt lassen Sie uns zusammen nach dem Hotel gehe» und uns aussprechen!" „Nein — ich gehe allein," entgegnete sie. „Der Weg ist kurz Und scheu Sie, am Büffet beobachtet man uns, und die Fitz Gerast steht an der Tür und macht einen langen Hals!" - „Es ist eine so schöne Nacht," sagte er leise, „und schlafen Iver den Sie vorläufig so wenig wie ich. Kommen Sie doch dann her aus in den Garten oder in die Veranda — wir si^d dort allein — „Stein, nein!" sagte sie angstvoll. „Lassen Sie uns bis morgen