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Allgemeiner Anzeiger : 11.06.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190406114
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040611
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-06
- Tag 1904-06-11
-
Monat
1904-06
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.06.1904
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politische Aunälckau. Der rusfisch-japanische Krieg. * Port Arthur haben die Japaner am Montag nach einer Meutett-Meldung ans Tschifu von der L a nd s eit e her und zuWasser angegriffen. Die Russen schickten ein Ge schwader aus, um eine Schlacht zu liefern und zu verhindern, daß die japanischen Schiffe mit den Landstreitkräften zusammenwirkten. Die Russen haben in Port Arthur wenig Kohlen und können deshalb ihre großen Schiffe nicht ins Gefecht bringen. Von allen Seiten kommen Gerüchte über „die Seeschlacht im Golf von Petschili", über Schießen innerhalb Port Arthurs und Kümpfe. Das wird auch wohl noch einige Tage so fortgehen, bis auf die eine oder die andre Weise eine Entscheidung gefallen ist. * Das japanische Hauptheer ver schanzt sich in der Gegend von Föngh- wangtschöng. Angeblich sind Japaner von Kintschou in nördlicher Richtung zurückgegangen. Jedenfalls ist ein Umschwung der Kriegslage eingetreten. Es scheint, als ob an verschiedenen Punkten des Kriegsschauplatzes die Vor bewegungen des russischen Heeres begonnen haben, dessen Lage sich täglich verbessert. Die Verluste der Japaner in den Kümpfen von Kintschou find außerordentlich hoch und betragen angeblich 15 000 Mann. * * * Deutschland. * E^i Besuch deS Kaisers am Hofe iu Dessau steht im Laufe des Monats bevor. Wie verlautet, beabsichtigt der Monarch, den dem Herzog Friedrich von Anhalt verliehenen Schwarzen Adler-Orden persönlich zu überbringen. Ergänzend hierzu wird aus Dessau noch ge meldet, daß der Kaiser um die Mitte dieses Monats dort eintrifft, um in der Oranienbaumer Heide auf Rehböcke zu pirschen. *Die Enthüllung des vom Kaiser der Stadt Rom geschenkten Goethedenmals in der Villa Borghese und zugleich die Übergabe an die Stadt findet am 21. d. statt. *Nach einer Meldung der Morning Poftt hat die deutsch-englische Grenz- kommission in Kamerun in achtzehn- monatiger Tätigkeit über 800 Kilometer Grenz striche vermessen und viele Angaben zur Ver besserung des bislang unvollkommenen Karten materials gesammelt. Über die Ansprüche der beiderseitigen Kommissare wird zwischen den Regierungen verhandelt werden. Die Be obachtungen der Kommission haben ergeben, daß die Grenze weiter nach Osten zu legen, das britische Gebiet also zu erweitern ist; dies be zieht sich auf die ganze Linie von Nola nach Kuka, der früheren Hauptstadt des Reiches Bornu in der Nähe des Westufers des Tschadsees. * Der Kolonialrat wird erst nach dem Schluffe der Session des Reichstages, also in den Tagen zwischen dem 20. und 30. Juni, einberufen werden. Zur Beratung kommen nur die Etats für die Schutzgebiete auf 1905, wie in den vorhergehenden Jahren; in zwei Tagen wird wahrscheinlich die Aufgabe erledigt sein. Ob bis dahin schon ein Nachfolger für den verstorbenen Hofmarschall des Prinzen Albrecht, Grafen v. Schulenburg-Wolfsburg, ernannt sein wird, ist noch nicht sicher; dann würde der Kolonialrat jetzt nur 39 Mitglieder besitzen. Österreich-Ungarn. * Bisher hat sich Österreich ohne Marine- Ministerium beholfen; jetzt soll ein solches geschaffen werden. Zum Minister ist der Vize admiral Graf Montecuculi ausersehen. Frankreich. * Die Kammer lehnte einen Antrag des ' Sozialisten Vaillant auf Ersetzung des stehenden Heeres durch nationaleMilizen mit 508 gegen »8 Stimmen ab. Italien. * Als neues Anzeichen dafür, daß der Be such des Präsidenten Loubet und die Weite rungen, die er im Gefolge hatte, die gegen wärtig guten Beziehungen zwischen Vatikan und Quirinal nicht beeinträchtigten, wird aus Nom gemeldet, daß die zwischen dem päpstlichen Stuhle und dem Quirinal schweben ¬ den Verhandlungen über die Ernennung eii^s Hofkaplans zum Ersätze des Msgr. Varna einen guten Fortgang nehmen. Die Ä. hl scheint auf einen jungen Prälaten aus adliger Familie, Msgr. Raspona, fallen zu sollen, der auch in der Diplomatie, als Sekretär der Nuntiatur in Paris, tätig war. Auch ver lautet, daß ihm der Titel und die Rechte eines Bischofs verliehen werden sollen, was den ersten derartigen Fall seit Entstehung des Königreichs Italien bilden würde. Spanien. *Jm Laufe der Beratung über den Gesetz entwurf der Branntweinsteuer-Vor lage erklärte der Ministerpräsident Mama in der Deputiertenkammer, daß er aus dieser Vor lage eine Kabinettsfrage mache und be merkte, die Regierung stehe und falle mit dem Admiral Witthöft, der Befehlshaber der Port-Nrthurflotte, wird eine überaus schwierige Aufgabe zu lösen haben. Er soll Rußland seine Flotte in Ostasien erhalten, bis die Baltische Flotte aus ber Heimat zum Entsatz kommt. Gelingt cs Stössel, die Festung zu halten, dann wird sich Admiral Witthöft auf die Verteidigung des Hafens beschränken können. Fällt Port Arthur, so wird es hauptsächlich von der Führung des Admirals abhängen, ob die Port-Arthurflotte zum großen Teil erhalten bleibt oder nicht. Witthöft ist im Jahre 1847 geboren. Während der chinesischen Wirren nahm er an der Unterwerfung des Boxer- Aufstandes teil und erhielt den Stanislausorden 1. Klasse mit Schwertern. Entwürfe. Alsdann wurde zum zweiten Male ein aus dem Sause eingebrachter Gesetzentwurf mit 93 gegen 89 Stimmen abgelehnt. (Die Mehrheit ist sehr dünn!) Ruhland. * Der Zar hat befohlen, den Fürsten Dolgorucki auf seinen Geisteszustand zu untersuchen und eventuell in eine Heilanstalt unterzubringen, falls er geisteskrank ist. Sollte dies nicht der Fall sein, so solle der Fürst nach Sibirien verbannt werden. Das Attentat ist wahrscheinlich in der Trunkenheit verübt worden. Fest steht jedenfalls, daß der Attentäter nach seiner Verhaftung Reue an den Tag gelegt hat und nm Verzeihung bat. Graf Lambsdorff bat von allen Seiten, namentlich aber von Mitgliedern des kaiserlichen Hofes, Beweise der größten Sympathie erhalten. Ent gegen allen falschen Darstellungen ist die Stellung des Ministers des Auswärtigen in keiner Weise durch dieses Attentat eines augen scheinlich Geisteskranken erschüttert. Balkanstaaten. * Nach Nachrichten ans Mazedonien, die in Sofia eingetroffen sind, sollen dort neuer liche Greueltaten der Türken an der christlichen Bevölkerung verübt werden. Be sonders in Kruschewo und im Bezirk Monastir richte eine Räuberbande Verheerungen an. In Ochrida sei eine Hungersnot ausgebrochen. Der bulgarische Ministerprüfident sagte einer Depu tation von Flüchtlingen aus Ochrida, die um Unterstützung baten, besondere Berücksichti gung seitens der Regierung zu. — Hingegen lauten die Nachrichten aus jenen Bezirken, wo die ausländischen Gendarmerie- Offiziere ihre Tätigkeit bereits ausge nommen haben, s e h r b e fr i e d i g e n d. Selbst in mazedonischen Kreisen Sofias wird zugegeben, daß sich die Lage der Bevölkerung wesent lich gebessert habe. * Der erste Jahrestag der Ermordung des früheren serbischen Königspaares, der 11. Juni, wird von den Belgrader Offizieren durch ein großes Konzert gefeiert werden. Afrika. * Der frühere Prätendent Buhamara, drssen Stamm seit langer Zeit der französischen Herrschaft Schwierigkeiten bereitet und an der algerisch-marokkanischen Grenze unaufhörlich Räubereien verübt hat, soll sich dem Sultan von Marokko unterworfen haben. Man glaubt, daß die Unterwerfung Buhamaras hauptsächlich auf den Abschluß des französisch- englischen Abkommen über Marokko zurückzu führen ist, weil er dadurch zu der Überzeugung gekommen sei, daß jeder Widerstand seinerseits zwecklos sein würde. Aste«. *Die Tibetaner machten einen Angriff auf den e n g l i s ch e n Posten bei Kangma, wurden aber mit starkem Verlust zurückge trieben. *Die ,Köln. Ztg/ erhält aus Schanghai die Meldung, wonach jener junge Beamte namens Wangtschao, durch dessen Denk schrift über durchzuführende Reformen an den Kaiser von China der Staatsstreich der Kaiserin-Witwe veranlaßt wurde, nun mehr, nachdem er damals geflüchtet war, nach Peking zurückkehrte, wo er ergriffen und zu lebenslänglichem Kerker verur teilt wurde. Man fürchtet, wenn nicht ein einflußreicher Fürsprecher sich findet, daß er das schreckliche Schicksal des Reformers Schen teilen wird, den die Kaiserin-Witwe im vorigen Sommer zu Tode prügeln ließ. Deutscher Keickstag. Am 7. d. eröffnet Präsident Graf Ballestrem die Sitzung mit einem herzlichen Gruß an die Er schienenen und der Mitteilung vom Tode des Groß- herzogS von Mecklenburg-Streich. Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des ehrenden Gedächtnisses von ihren Plätzen. Nach Erledigung einer Rechnungssache tritt das Haus in die zweite Beratung des Gesetzentwurfes zur Bekämpfung der Reblaus ein. 8 1, bei dem tue Kommission nur eine unwesent liche redaktionelle Änderung vorgenommen hat, wird ohne Debatte angenommen. In der Sordererörterung zu § 2 antwortet auf eine Anfrage des Abg. Itschert (Ztr.) Staatssekretär Graf v. Posadowsky, daß nach 8 3 die Bundesstaaten bei Erlaß von Ver ordnungen miteinander in Verbindung träten. Abg. Blankenhorn (nat.-lib.) befürwortet ebenfalls ein Einvernehmen der Regierungen. Darauf wird 8 2 angenommen, ebenso ohne Debatte die 8s 3, 4, 5. Die Kommission hat einen 8 ö» eingeschaltet, wonach die Kosten der auf Anordnung der Behörden ousgesührten Vernichtung von Rebpflanzen usw. der Kasse des betr. Bundesstaates zur Last fallen. 8 5a wird angenommen. 8 6 trifft Bestimmungen über die Entschädigungen. Abg. Gröber (Zentr.) begründet einen Antrag, der nicht nur sür die vernichteten, sondern auch für die durch ein Veräußerungsverbot entwerteten Reben Entschädigung gewährt. Staatssekretär Graf v. Posadowsky be zeichnet die von der Kommission zu 8 6 beantragten Zusätze, vor allem aber den Antrag Gröber, als für das Zustandekommen des Gesetzes höchst be denklich und bittet um Aölehmmq des Antrages. Abg. Müller- Sagan lfts. Vp.) spricht sich für den Antrag Gröber aus. Staatssekretär Graf v. Posadowsky bittet wiederholt um Ablehnung des Antrages, da es sonst nicht möglich sein werde, den Widerstand der ver bündeten Regierungen gegen das Gesetz mit den Zu sätzen der Kommission zu brechen. Abg. Schulze lsoz.) beantragt, die Regierungs vorlage wiederherzustellen. Abg. Vogt- Hall (B. d. L.) wünscht Gewährung von Entschädigungen aus der Reichskaffe und spricht sich im übrigen sür einen inzwischen eingegangeneil Antrag Müller-Sagau aus, der den gewerbsmäßig Reben verkaufenden Gärtnern im Falle eines Vsr- kehrsverbots oder einep Vcrkehrsbejchränkung Ersatz des Wertes der unverkäuflich gewordenen gesunden Reben gewähren will. Staatssekretär v. Posadowsky bittet drM- gend, von weitgehenden Anträgen abzufehen. Je weiter man die Stelle fortrücke, von der Entschädi gung zu leisten sei, desto gewaltiger schwellen die Ansprüche an. Gegenüber der Anregung, die Kosten auf die Reichskasse abzuwälzen, erinnert der Staats sekretär an ein bekanntes Zitat aus der Kapuumr- predigt in Wallensteins Lager. Die Kosten würden ja doch immer wieder auf die Bundesstaaten fallen. Abg. Sartorius (srs. Vp.) bittet um Ab lehnung der Anträge Gröber und Müller-Sagan, die das Zustandekommen deS Gesetzes erschweren, das im Interesse des deutschen Weinbaues dringend notwendig sei. Staatssekretär Graf v. Posadowsky macht darauf aufmerksam, daß es sich hier um einen Ein griff in die Rechte der Einzelstaaten handle. Aus das Bedenkliche dieses Eingriffes habe er Hinweisen zu müssen geglaubt. 8 6 wird darauf unter Ablehnung der Amende ments Gröber und Müller-Sagan unverändert in der Fassung der Kommissionsvorlage angenommen. Der Rest des Gesetzes wird nach unerheblicher Debatte in zweiter Lesung angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs betr. Änderung des Münzgesetzes. Reichsschatzsekretär Frb. v. Stengel weist auf den Beschluß der Kommission hin, e ne Neuprägung von Dreimarkstücken borzunchmen. Weder an den Reichstag noch an den Bundesrat sind Eingaben auf Einführung des Talers gerichtet worden. Man müsse doch erst Gutachten der Handelskreise ein holen. Der Staatssekretär stellt eine Enquete und die Überreichung einer Denkschrift über diese Frage in Aussicht. An eine Annahme der Vorlage in der Kommissionsfassung seitens des Bundesrats sei kaum zu denken. Man werde sich dann eben mit der unaufschiebbaren Neuprägung von 50 Pf.-Stücken begn ügen. Abg. Arendt streik.) tritt sür die Neuprägung von Dreimarkstücken ein. Abg. Blell str. Vp.) begründet seinen An trag, die Dreimarkstücke nicht in das Gefetz hinein- zubezichen. Abg. Kern (kons.) befürwortet die von der Kom mission vorgeschlagene Fassung. Darauf vertagt sich das Haus. Das Abgeordnetenhaus nahm am Dienstag seine Sitzungen nach der Pfingstpause wieder aus. Die Abgg. Oeser strs. Vp.) und Schmedding <Ztr) begründeten ihre Anträge auf Erhöhung des Wohnungsgcldzuschusses und Abstufung desselben nach der Kinderzahl sür mittlere und untere Beamte. Finanzminister Frh. v. Rheinbaben verhielt sich dem Antrag gegenüber ablehnend. Er würde bereit sein, den Wobnungsgeldzuschuß für die unteren Beamten zu erhöhen, wenn er es finanziell verantworten könnte, was aber zurzeit nicht möglich sei. Die Anträge wurden der Budgetkommission überwiesen. In der folgenden Debatte über den Antrag Faltin tZtr.) betr. Gleichstellung der GerichtSiekretäre in Rang und Gehalt mit gleichartigen Verwaltungs- beamten sprachen sich die Redner aller Parteien für den Antrag aus. Derselbe ging gleichfalls an die Budgetkommisflon, ebenso der Antrag des Abg- Grafen Strachwitz <Ztr.) betr. Gewährung freier Fahrt an beurlaubte Soldaten. , .. >m. , 7-7 Von uncl fern. Uber Belästigungen des Kaisers und der Kaiserin während der Zeit, wo diese in Potsdam dem Gottesdienste in der königlichen Hof- und Garnisonkirche oder der Friedens kirche beiwohnen, wird von feiten der Geist lichkeit lelhafte Klage geführt. Es finden sich regelmäßig in den Kirchen, sobald das Kaiser paar dort erscheint, eine größere Anzahl Neu gieriger, namentlich viele Fremde ein, die sich dann, nichiachtend des Gottesdienstes, von ihren Plätzen erheben, die Hälse recken, mit Fingern auf das kaiserliche Paar zeigen und sich halblaut darüber unterhalten. Wiederholt ist dadurch der Gottesdienst in ganz erheblicher Weise gestört worden, so daß man jetzt energische Maßregeln zur Beseitigung dieses Übelstandes treffen will. Von der Kiler Woche. Die Enthüllung des Krnppdenkmals findet, wie die ,Kieler Neusten Nachrst melden, am 22 Juni, 6 Uhr nachm., statt; der Kaiser wird der Feier bei wohnen. Zur Kieler Woche find 104 Jachten angemeldei. Die Zahl der zur internen Re gatta der Kriegsschiffboote angemeldeten Boote beträgt gegen 150. R Vie Mläern leben Erben. 29 l Roman von M. Brandrup. (ForMbung.) „Das dünkt auch mich als das einzig Richtige," entgegnete das alte Fräulein. Horst aber setzte hinzu: „Bei der Hellwald erfährst du dann auch am schnellsten, was aus Ada geworden ist; Fanny erwähnt die Kleine ja mit keiner Silbe." Aber der Bruder schien die Worte des Ver liebten gar nicht zu hören. Schon eilte er aus dem Gemach, um das Pferd satteln zu lassen, das ihm in Groditten ein für allemal zur Ver fügung stand. Bald darauf hielt er vor der Villa und ließ sich bei Frau Erna melden. Diese mußte ihn bereits erwartet haben, denn sie hatte schon Toilette gemacht und saß in ihrem Halbdunkeln, stark parfümierten Salon, dessen Pracht Leo trotz seines Kummers geradezu frappierte. Frau Erna bemerkte das auch, und ein Lächeln der Befriedigung zuckte um ihre Lipsten. Aber sie unterdrückte das selbe schnellstens und rief dem Eintretenden ent gegen : „Nicht wahr, Herr von Grön, es find schöne Geschichten, die uns meine Nichte da macht? Ich war natürlich ganz aus dem Häuschen, als Ada mich schon um sieben Uhr morgens auf suchte. Sie weckte mich geradezu aus dem Schlaf und überreichte mst schluchzend einen Brief ihrer Stiefmutter, sfanny meldet mir in demselben, daß sie sich durch irgend welches hinter ihr liegende Geheimnis gezwungen fühle, die kaum erst vollzogene Verlobung mit Ihnen wieder zu lösen. Sie reise, reise, reise," fuhr sie dann in ihrem überspannten Ton fort, „bittet mich aber, Mutterstelle an Ada zu vertreten, bis sie sich die Kleine nachkommen lassen könne. — Als wenn ich arme, nervöse Person noch dazu angetan wäre, dieses lebhafte junge Ding zu überwachen! überdies, was geht mich im Grunde genommen die Hagelsche Tochter an ?" Leo v. Grön, der inzwischen längst einer einladenden Geberde Madames gefolgt war und sich ihr gegenüber gesetzt hatte, machte eine ab lehnende Handbewegung. „Wenn Ihnen die Kleine zu viel ist, gnädige Frau," sagte er dann, „so kann sie ja nach Gro ditten kommen. Unsere gute Charlotte wird sich gewiß gern bereit finden, die Schützerinnenrolle bei dem armen Kinde zu übernehmen." „Das wäre mir unbeschreiblich lieb!" „Ich glaube es," entgegnete Leo mit einem Blick, aus dem deutlich Verachtung sprach. Dann aber setzte er hinzu: „Doch davon nach her, gnädige Frau. Jetzt möchte ich Sie vor allem bitten, mir zu sagen, ob Sie keine Ver mutung über die Art des Geheimnisses haben, welches der Handlungsweise Fannys zugrunde liegt." Frau Erna erhob die wohlgepflegten Hände. „Nein, nein, mein bester Herr von Grön," rief sie, „ich habe keine Vermutung! Meine Nichte hat mich ja auch nie in ihr Vertrauen gezogen. Das einzige, was ich mir zu denken erlaube, ist, daß dem armen Geschöpf während seiner Verheiratung. . „Dinge begegnet seien, durch die es sich sehr herabgewürdigt fühlt?" „Nun ja! Es ist aber auch möglich, daß sie von — na, von der vermeintlichen Schmach erst betroffen wurde, als sie bereits Witwe war und in Posen lebte. Jedenfalls kann ich Ihnen die Versicherung geben, Herr Leutnant, daß Fanny nicht an ihre Mädchenjahre denkt, wenn sie von einer Kluft faselt, die . . ." Er ließ Frau Erna abermals nicht zu Ende reden, sondern sagte fast überstürzt: „Da wäre es wohl am besten, ich reiste sofort nach Posen und suchte mir dort das alte Fräulein auf, bei dem Fanny, wie Charlotte Main mir seinerzeit mitteilte, gewohnt hat." Die gefärbten Augenbrauen der Frau Rat zogen sich in sichtbarem Mißmut zusammen. „Wollen Sie denn überhaupt irgend welche Schritte tun, um das Geheimnis und vielleicht auch den Aufenthalt meiner Nichte zu erforschen? — Mein Gott, lieber Herr von Grön, Fanny wünscht aber durchaus keine neue Annäherung von Ihrer Seite." „In der Laune einer schlaflosen Nacht," setzte Leo fast grimmig hinzu, „einer Nacht, in der ihr möglicherweise in den Sinn gekommen ist, daß — nun, daß sie die Witwe eines Mannes geworden, der die letzten Jahre nur vom Schuldenmachen gelebt hat — deshalb keine Frau für mich sei, in anbetracht der strengen Ehrenbegriffe meines Standes." „Möglich, daß Sie auf der richtigen Fährte sind!" rief Frau Erna. „Jedenfalls müssen Sie es mir schon über lassen, gnädige Frau, nach eigenem Ermessen zu handeln," sagte Leo in ziemlich scharfem Ton. „Was aber Ada anbetrifft, so werde ich dafür sorgen, daß Fräulein Main das arme Kind im Laufe des Tages nach Groditten holt." Eine verabschiedende Verbeugung begleitete diese Worte. Frau Hellwald war aufgefahren und faßte seinen Arm. „Aber mein Gott, Herr Leut nant," rief sie dabei, „ich scherzte vorhin ja nur, oder richtiger — ich sprach im Impuls des Ärgers, denn in Wahrheit fällt es mir ja auch nicht im Traum ein, die Kleine aus meiner Obhut zu lassen. Freilich bin ich nicht be sonders entzückt von dem Gedanken, bei so ge schwächten Nerven Ada fortwährend in meiner Nähe zu haben. Aber Fanny wünscht ihre Stieftochter doch in meiner Obhut und so so . . ." „Wollen wir es trotzdem dem jungen Mädchen überlassen, sich seinen Aufenthalt zu wählen," setzte Leo seltsam bestimmt hinzu, „und . . . aber ich höre soeben die Stimme der Kleinen auf dem Korridor," unterbrach er sich darauf, „Sie gestatten deshalb, daß ich nnw empfehle, um mit Ada zu reden — . > künftiger Vater, vergessen Sie das nicht, gnädige Frau." „ „Der ist zähe," dachte Erna, als Leo das Zimmer verlassen hatte. „Na, ich wasche meine Hände in Unschuld." , Inzwischen hatte Leutnant von Grön das Stieftöchterchen Fannys erreicht und demselven beide Hände entgegengestreckt. Nur zögernd und in grenzenloser Verlegen
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