Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 16.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190401168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19040116
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19040116
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-01
- Tag 1904-01-16
-
Monat
1904-01
-
Jahr
1904
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.01.1904
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Von rmä fern. Z« Festungshaft begnadigt. In Festungs haft nmgewandelt hat der Kaiser im Gnadenwege die einjährige Gefängnisstrafe, die das Schwur gericht zu Stolp i. P- gegen den Gutsförstcr Heldt in Vettrin bei Pollnow verhängte, weil dieser durch Fahrlässigkeit den Tod des städtischen Hilfsförsters Gutzmann herbeigeführt hatte. Die Geschworenen hatten seinerzeit selbst das Gnaden gesuch an den Kaiser befürwortet. Heldt ist zur Verbüßung der Festungshaft bereits in Weichsel- münde eingetroffen. Milkionenstiftnng eines deutschen Ma lers. Der Maler Heinrich Vogel, der vor einigen Tagen in Hildburghausen gestorben ist, hat die Summe von einer Million Mark aus seinem großen Privatvermögen testamentarisch für Kunstzwccke hinterlassen. Interessante Brandproben zur Fest stellung der Feuersicherhcit von Treppen fanden kürzlich in Gegenwart von Sachverständigen in Karlsruhe und anderen Orten statt. Hierbei wurden drei verschiedene Treppenanlagen, aus Stein, Eisen und Holz, dem Feuer ausgesetzt. Das Ergebnis hat die alte Erfahrung bestätigt, dasi Treppen aus hartem Holz allen andern vorzuziehen find. Holztreppen sind auch dann noch M begehen, wenn sie schon in Flammen stehen oder die Hitze bereits sehr groß ist. Das badische Ministerium hat daraufhin die Vor schriften über die Anlage von Holztreppen frei gegeben. In Berlin sind Holztreppen von jeher gestattet gewesen, in Dresden werden nur Steintreppen, die indes durch starke Treppen- wäude geschützt find, gestattet. Steintreppen haben den Nachteil, daß sie bei großer Hitze unter der Einwirkung von Wasser leicht springen und einstürzen, während eiserne Treppen auch bei kleineren Bränden vielfach durch Heißwerden bald versagen. Familientragödie in Dresden. In der Eingangspforte des Tollkewitzer Friedhofes er schoß Montag mittag ein Sattlermeister aus Kuunersdorf bei Schandau seinen acht Jahre alten Sohn und sich selbst. Der Knabe war sofort tot. Der Vater starb nach kurzer Zeit. Verbrannt. In Gleiwitz legte sich ein unbekannter Arbeiter, um sich zu wärmen, an die brennende Schlackenhalde der Franz-Zink- hütte, wobei er verbrannte. Ein ganz gemeiner Streich wurde nachts in Leuterode verübt. Vier Schafe des Land wirts D. daselbst, die in einem Stalle standen, wurden regelrecht abgeschlachtet und ihnen dann nach Fleischerart das Genick umgedreht. Unfall im Münchener Zentralbahnhof. Montag morgen kurz nach 8 Uhr überfuhr ein von Lindau kommender Zug, der anscheinend nicht genügend gebremst worden war, bei der Ankunft im Zentralbahnhof zu München einen Prellbock. Darauf geriet der Zug auf den Bahnsteig und drang bis zur Perronsperre vor. Dort wurde nach dem ,Berl. Lok.-Anz.' ein Reisender von der Maschine des entgleisten Zuges ersaßt und schwer verletzt; eine Dame erlitt leichtere Kontusionen. Der Anarchist Dempwolf, der in den achtziger und neunziger Jahren von sich reden machte, ist in München in der Kreis-Irrenanstalt als unheilbar Irrsinniger gestorben. Ein streitbarer Nachtwächter. In dem elsässischen Orte Rumersheim im Landkreise Straßburg wurde infolge zahlreicher gegen ihn erhobener Klagen der biedere Waibel und Nachtwächter seines Amtes enthoben. Sein Dienst war ihm aber so lieb geworden, daß er sich ganz entschieden weigerte, die Dienstmütze und die Schlüssel zum Nachtlokal auszuliefern. Er suchte sich einige tüchtige Gesinnungsgenossen aus, und als der Bürgermeister die erwähnten Dienstgxgenstände abholen wollte, fand er das Wachlokal in eine „uneinnehmbare Burg" ver wandest. Alles Zureden half nichts, die Ver- teidiger schienen zum Äußersten entschlossen zu selb, und der Bürgermeister mußte unverrichteter Dinge abziehen. Nun begab er sich zum Polizeikommissar, und dieser riet ihm, die Türe des Nachtlokales, wenn nötig, mit Gewalt zu sprengen und den bisherigen Nachtwächter für den etwaigen Schaden haftbar zu machen. Die Schlüssel und die Dienstmütze ließ der Polizei- krimmissar selbst holen. Jetzt wurde die Sache der „Besatzung" aber doch etwas unheimlich, ails sie sah, daß der Bürgermeister die Polizei a ls Bundesgenossen hatte, und sie streckte daher die Waffen. Die Geschichte, die an und für sich ja recht drollig ist, dürfte wohl für die „Rebellen" noch unangenehme Folgen nach sich ziehen. Blutiger Kampf mit Wilderern. Wie die ,Pfälz. Pr/ meldet, erschoß im Staats walde bei Erbach am Sonntag der Jagdauf seher Leiner aus Jägersburg zwei Wilderer namens Graf und Meyer aus Erbach. Der Bruder des Aufsehers, der ihn begleitet hatte, wurde schwer verletzt. Für Snorre Sturlason, den im Jahre 1241 von den eigenen Verwandten ermordeten großen isländischen Geschichtsschreiber, soll setzt auf seiner Heimatinscl ein Denkmal errichtet werden. Mit der Ausführung des Werkes ist der isländische Bildhauer Einar Jonsson be schäftigt, und er will im Frühjahr den Entwurf des als Mausoleum gedachten Denkmals ver öffentlichen. Aus der großen Irrenanstalt in dem Dorfe Ciempozuelos in der Nähe von Madrid wird eine sonderbare Geschichte berichtet. Die Anstalt wird von Mönchen geleitet und hat Raum für 2000 Geisteskranke. Verschiedene Provinzen schickten ihr ihre Geisteskranken zu und bezahlten für deren Unter halt und ärztliche Behandlung vierteljährlich. Die Provinz Madrid, die 700 Kranke in dieser Anstalt Deutschlands Iulsenkanäel. Am Beginn eines neuen Jahres pflegt jede Verwaltung, jeder Kaufmann die Bücher abzuschließen und das Gesamt resultat aller Mühe und Arbeit zu über schlagen. Interessant ist es nun auch für jeden Deutschen, sich das Resultat des ge samten Außenhandels unseres Vaterlandes aus den vergangenen Jahren vor Augen zu führen. Bester als alle trockenen Zahlenaufstellungen geben uns statistische Karten darüber Rechenschaft. Auf neben stehender Karte sehen wir, daß unser aus wärtiger Handel in dem letzten Dezennium seinen Höhepunkt im Jahre 1900 erreichte, während das Jahr 1901 einen starken wirtschaftlichen Rückgang brachte. Seit 1902 befinden wir uns wieder in auf- steigender Linie. Folgen des Glatteises. Auf der Straße Priorci-Breckerfeld stürzte infolge Glatteises ein Postwagen von der hohen Böschung in die Exscheid. Drei^nsassen wurden schwer verletzt, der Kutscher leicht. Einer der Insassen rettete sich durch einen Sprung aus dem Wagen. Der „Naturmensch" im Bade. Der „Naturmensch" Richard Janasch, der sich zurzeit in Prag aufhält, erschien dieser Tage am Hellen Mittage, barfuß, ohne Kopfbedeckung und nur mit einem leichten, hemdähnlichen Mantel be kleidet, auf der Pilotenbrücke daselbst, legte unter dem Zulauf einer großen Menschenmenge sein luftiges Gewand ab und stieg bei einer Kälte von 10 Grad Celsius an einer eisfreien Stelle in die Moldau, um ein Bad zu nehmen. Infolgedessen erhielt der „Naturmensch" seitens der Prager Polizei ein Strafmandat, „weil er an verbotener Stelle gebadet habe." Eine Husaren - Revolte wird der ,Nat.- Ztgl aus Villach berichtet. Dort haben die Dreijährigen der 3. Eskadron des 6. Husaren- Regiments, als ihnen kundgemacht wurde, daß sie acht Wochen weiter dienen müssen, zu revol tieren begonnen. Die Revolte wurde sofort erstickt. Unglück im Löwenkäfig. Eine schreckliche Szene spielte sich vor den Augen zahlreicher Zuschauer in der Menagerie von Droxler zu Paris ab. Droxler, ein bekannter Tierbändiger, wurde von einer Löwin angefallen und sehr schwer verletzt, auch seine Frau, die ehemalige Tänzerin La Goulue, welche ihm zu Hilfe eilte, erlitt mehrere Wunden. Die rasende Löwin wurde von einem anwesenden Schutz mann durch mehrere Revolverschüsse getötet. Der ganze Vorgang dauerte zwei Minuten lang. Das Publikum gehorchte der Mahnung der Goulue, nicht zu schreien, um die wütend ge wordenen Bestien nicht noch mehr zu erregen. Unsicherheit an der belgischen Grenze. Die Gendarmerie in Lille hat im Einverständnis mit der belgischen Gendarmerie eine Unter suchung gegen eine Banditenbande eingeleitet, die seit einiger Zeit die Grenzorte unsicher macht. Die Banditen find vielfach in Häuser eingedrungen, wo sie von den Bewohnern unter Todesdrohungen Geld verlangten. Bei einem Brande auf der Station Hästbo in Schweden ist eine Frau mit ihren vier Kindern verbrannt. hat, unterließ nun seit längerer Zeit diese Zahlungen, so daß schließlich eine Schuldenlast von 400 000 Mk. auflief. Die Anstalt hat selbstverständlich nicht die Mittel und auch wohl nicht Lust, 700 Kranke um sonst zu verpflegen. Alle Versuche, die Provinz Madrid zur Zahlung zu bewegen, blieben jedoch er folglos und so erklärten denn die Mönche, day ihnen unter diesen Umständen nichts weiter übrig bleibe, als die 700 Kranken in Freiheit zu setzen. Diese Nachricht ries in Madrid die größte Bestürzung hervor, und die Regierung sah sich genötigt, ein zuschreiten. Die Provinzverwaltung erklärt, daß sie nicht habe zahlen können, weil die Stadt Madrid ihren Anteil nicht zahle, und daß man deshalb Schritte tun müsse, die Stadt zu zwingen, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Angesichts der dro henden Überschwemmung mit Irrsinnigen werden die Stadtväter wohl zu einem sehr schnellen Ent schluß kommen. Diebe durch Röntgen-Strahlen über führt. Ein gut gekleideter Mann wurde kürz lich in betrunkenem Zustande in Kiew verhaftet und nach der Polizeiwache gebracht. Als er wieder zum Bewußtsein kam, behauptete er, daß ihm 1220 Mk., die er bei fich gehabt hätte, abhanden gekommen wären. Im Gefängnis befanden sich fünf andere Gefangene, die man nun untersuchte. Man fand bei ihnen auch 780 Mk. Wo waren aber die noch fehlenden 440 Mk. geblieben? Mit Hilfe der X-Strahlen fanden sie sich auch, und zwar — im Innern der fünf Diebe. Sie hatten die Goldstücke ver schluckt, weil sie hofften, auf diese Weise den Diebstahl zu verbergen. Merkwürdige Ausgaben auf Staats kosten kommen durch den Bericht des Washing toner SenatLsekretärs an das Tageslicht. Unter „Nebenausgaben" wird da mitgeteilt daß die Senatoren im letzten Jahre 300 000 Dollar Staatsgelder zum Ankauf von Handschuhkästen, Pompadours, Taschenbüchern, Füllfedern, Mani cure-Bestecken und ähnlichen znr Gesetzgebung unbedingt erforderlichen Dingen ausgegeben haben. Weiter verbrauchten die 90 Senatoren im abgelaufenen Jahre 25 000 Chininpillen, Hunderte von Paketen Kaugummi und viele ähnliche Sachen. In einem Jahre hat der Senat dem Lande 500 000 Dollar Gehälter und Meilengelder für die Senatoren, 500 000 Dollar für die Beamten des Hauses und 500 000 Dollar für Nebenausgaben gekostet. Folgenschwere Dynamit-Explosion. In der Grube „Gradalgara" in Mexiko sand eine Dynamit-Explosion statt, wobei 20 Bergarbeiter getötet und 40 verletzt wurden. ELrlcbtsdMe. Halle. Ein Urteil des hiesigen Kriegsgerichts gegen den Kürassier Otto R. aus Halberstadt wird allen Vaterlandsverteidigern, die gewohnt sind, bei ihren Schätzen ohne Bewilligung der Herrschaft zu speisen, einigen Schrecken einjagen. R. hatte eine Braut, die bei dem Major v. Horn als Köchin diente. Otto besuchte seine Mnna bisweilen, mit besonderer Wonne aber dann, wenn es bei Majors etwas Gutes zu essen gab. Einmal war Otto auch in der Burschenstube zu Besuch, wo er sich beim Tellerabtrocknen nützlich machte und mit Genehmigung der Frau Major Butterbrot und Bier bekam. Indes die Besuche in der Küche mißfielen der Herrschaft, und der unvor sichtige Kürassier wurde ertappt. Der 12 jährige Sohn des Majors überraschte ihn; Otto suchte sich zwar eiligst hinter dem Rücken seiner Minna zu verbergen, aber das wäre wohl kaum einemschmächtigen Husaren, geschweige denn einem breitschultrigen Kürassier gelungen. Er wurde also entdeckt; der Major stellte Anzeige und so verhandelte dann das Kriegsgericht gegen den verliebten Vaterlandsver teidiger. 13 Tage Gefängnis sind der Lohn für die Minnefahrt in Majors Küche: wegen Haus friedensbruch. Mainz. Vor der hiesigen Strafkammer hatte sich am Montag der Hauptmann a. D. Mayer wegen angeblicher Beraubung eines verunglückten Auto mobilisten zu verantworten. Das Urteil lautete auf Freisprechung. Verkmäerung von Paniken im Ukeater. Die Brandkatastrophe in Chicago hat die allgemeine Aufmerksamkeit wieder der Feuer sicherheit in den Theatern zugewendet. Aber mit der Feuerficherheit allein ist es nicht getan; die Gefahr bleibt bestehen, wenn im kritischen Moment das Publikum nicht die richtige Haltung beobachtet. Daher ergibt sich die Frage: In Welcker Weise kann am besten und zuverlässigsten erzieherisch auf die große Menge eingewirkt werden? Der ,Berl. Lok.-Anz/ hat nun aus diesem Anlaß in den hervorragendsten Theatcr- städten des In- nnd Auslandes bei namhaften Fachleuten Auskunft und Nat erbeten. An regungen hat u. a. der bekannte französische Schauspieler Coquelin der Altere gegeben. Er sagt: „Um eine Panft im Theater zu vermeiden, darf im ganzen Hause kein Material jener Art verwendet werden, das nach einem Berliner Ausdruck zum „Zunderplunder" gehört. Am Urmaterial liegt alles. Künstliche Bearbeitung feuergefährlicher Stoffe hilft nur wenig. Außer dieser radikalen Beruhigung des Publikums, das selbst bei dem leider noch unvermeidlichen Kurzschluß ein wildes Aufflammen zu sehen be kommen kann, eben wegen des Materials, weiß ich keinen Rat. Die Besonnenheit der Bühnen bediensteten ist das wirksamste Mittel gegen eine Panik des Publikums. Zu den sehr frag würdigen Auskunftsmitteln zähle ich es, den Zuschauerraum nach der Anzahl der Äusgangs- türen in Sektionen einzuteilen und an jeder Tür einen erprobt ortskundigen Wächter aufzu stellen. Ich wiederhole: Nur dann, wenn man ins Theater ruhig hineingehen darf, ist die be gründete Aussicht vorhanden, daß man es auch ruhig wieder verlassen wird. Der Glaube an die Sicherheit eines Hauses schützt nicht, die Überzeugung muß da sein." buntes Allerlei. Unbegreiflich. Gatte (zur jungen Frau): „Was du zubereitet Haft, ist nicht zu genießen!" — Junge Frau: „. . . Und im Kochbuch steht doch, daß es so vorzüglich schmeckt!" c.N- s>i n Seltsame Vorstellung. „Na, Lieschen, wie war's denn im Konzert?" — „Ach, Mama, weißt du, da war eine Dame, die schrie, weil sie so an den nackten Armen fror, und ein Kellner hat Klavier dazu gespielt." (Fach. Jayrh.o Hyperbel. Unteroffizier: „Meyer, was ist denn das für ein Fleck auf Ihrer Uniform? Ich hab' doch nicht besohlen, daß Sie als Zebra anireten sollen. (M-gg-nd-.) aber ich erlaubte mir schon einmal anzuklopfcn," sagte der elegante Herr eintretend. „Ah, Herr von Werden, willkommen, will kommen! Sie stören niemals. Aber wir haben nichts gehört. Verzeihen Sie nur und bitte, nehmen Sie Platz," sagte Millner etwas ver legen, indem er in der Zerstreuung seinem Gaste mehrmals hintereinander die Hand reichte. „Liebe Marie, schnell einen außerordentlich guten Bissen für unsern lieben Gast, nicht wahr? — und von dem alten Steinberger, weißt schon!" „Nichts für mich, gnädige Frau, bitte," fiel Herr von Werden ein, nachdem er der Dame pes Hauses eine tiefe Verbeugung gemacht hatte. „Ich.wäre wirklich außer stände, jetzt etwas zu genießen; habe zu Hause noch reichlich gefrüh stückt, ehe ich fonritt." Frau Mmner sprach ihr Bedauern aus, daß sie ihrem werten Gaste mit nichts dienen dürfe, entschuldigte sich mit den Pflichten der Haus frau, welche sie abberiefen und ließ die Herren allein. „Mein bester Herr Baurat," begann Werden, fich setzend, „es tut mir unendlich leid, gestern nicht zu Hause gewesen zu sein." „O bitte, bitte, das Bedauern ist auf meiner Seiie. Zcsen ist indessen ja nicht so weit von hier, und ich hatte auch anderweitig jm Dorfe zu tun. Es wäre mir freilich recht erwünscht gewesen, Sie zu treffen, da der Herr Major von Klewitz mir mitteilte, daß auch Sie gewillt seien, der Sache seines Schwiegersohnes zu dieilen und die Hand geboten hätten, den Per- fonen näher kommen zu können, die, wie wir jetzt bestimmt vermuten, das Unglück des Doktor Falk herbeigefühlt haben." Herr von Werden legte eine kleine Papier rolle, die er bis dahin unter dem Arme ge halten, bedächtig auf den Tisch und sagte ziem lich gedehnt: „Gewiß. Ich verehre den treuen Kriegs kameraden meines verstorbenen Vaters zu sehr, als daß ich ihm einen Wunsch abschlagen könnte und ich bedaure ihn tief, einen solchen Schwieger sohn zu haben. Ich habe ihn gekannt, das heißt nur ganz oberflächlich, nur seinem Bemfe nach und zwar damals, als er kaum noch Praxis hatte und nur erst Armendoktor in Berlin war. Man empfahl ihn mir und er behandelte kurze Zeit meine verstorbene Frau." „Was? Sie waren schon einmal ver heiratet ?" „Schon?" Werden ergriff wieder seine Papierrolle und mit derselben spielend fügte er wohlgefällig lächelnd hinzu: „Ist das etwas so Erfreuliches bei einem Manne, der den Vierzigern nicht mehr allzufern steht? Meine Heirat war allerdings mehr als Torheit! Eine erheblich ältere Frau und ein Jüngling von vierundzwanzig Jahren! Ich war aber Offizier, lebte etwas flott und ward es über drüssig, von meinen Verwandten mich schul meistern zu lassen und Moralpredigten anzu hören. Da hielt ich denn keck um die Hand der sehr reichen, deshalb auch viel umworbenen Witwe an, einer Ausländerin, und ich trug den Sieg davon. Nun gebot ich über viel Geld, war aber kein glücklicher Mann Schon im ersten Jahre unserer Ehe fing meine Frau an zu kränkeln und auf Anraten Dokior Falks ging ich mit ihr in ihre Heimat,' zu den Ihrigen, nach Kuba und Louisiana zurück. Sie erholte fich dort auch wieder, und uns allen, nämlich mir und meinem Geschwistern — schien es, als würde sie vollständig gesunden. Es war indessen nur ein letztes Ausflackern vor dem Erlöschen." — Werden seufzte, dann fuhr er fort: „Aber Egoismus über Egoismus! Wie komme ich nur dazu, Sie mit solchen Dingen zu langweilen. Jedoch, Sie ersehen daraus, daß auch mir die Sonne nicht immer heiter ge schienen. — Aber zurück zu unserem vorigen Thema: Doktor Falk war mir also auf ge- childerte Weise bekannt; ich glaubte ihn ständig n Berlin wohnend und hatte keine Ahnung >avon, daß er mit meiner Tante, die er doch num anders als nur flüchtig einige Male ge- ehen haben konnte, später hier so vertraut ge worden war. Mehr noch: wenn ich ganz offen sein soll, ich hatte den Mann ganz aus meinem Gedächtnis verloren, bis er mir durch den be dauerlichen Prozeß hier wieder in die Erinne rung zurückgerusen ward." „So wußten Sie also nicht, daß der Doktor die Tochter des Majors von Klewitz geheiratet hatte?" unterbrach der sehr aufmersam zuhörende Baurat seinen Gast. „Ja und nein. — Daß Herta v. Klewitz, damals die gefeiertste Schönheit der Residenz, das stolzeste Mädchen, eine Heirat unter ihrem Stande eingcgangen — zum Befremden aller — ja, das erfuhr ich noch. Allein es war mir damals nicht mehr möglich, das Haus meines väterlichen Freundes Klewitz aufzusuchen, denn meine kranke Frau und die Reise nach Amerika, die Vorbereitungen aller Art erheischte, nahmen mich und meine Zeit ganz in Anspruch. Darum ging es ganz achtlos an mir vorüber, wen Fräulein von Klewitz mit Herz und Hand be glückt habe." „Nun, und hier?" „Hier hörte ich nur von der — krankhaft gestörten Frau Doktor und daß dieselbe die beklagenswerte Frau des verurteilten Doktor Falk sei; wer diese sonst sei, wußte ich nicht, begegnete ihr auch nie auf der Straße, bis neulich mit ihrem Vater auf dem Marktplatz; Sie waren ja dabei, Herr Rat. Der Zufall spielt eben oft ganz wunderlich und wenn ich ehrlich sein soll, ich danke meinem Geschick, daß ich dem Ganzen bislang fern geblieben; er wächst mir doch jetzt schon Unruhe und Besorgnis genug aus dem Unvermögen, helfend einzu greifen, namentlich bei Hertas eigenartigem Charakter. — Ich weiß nicht, Herr Rat, ob Ihnen das abweisende Wesen der Frau Falk in dieser Beziehung bekannt geworden ist?" „Ich verstehe nicht, was Sie damit sagen wollen. Beziehen Sie Ihren Ausspruch auf die Zurückhaltung der Frau gegen andere oder auf die treue Liebe zum Galten?" „Von ihrer Liebe weiß ich nichts," sagte Herr von Werden trocken, während er seine Papierrolle auf den Fingern hin und her tanzen ließ- „Ich spreche von ihrer Unnahbarkeit — denken Sie doch nur, sie hat mir ganz ent schieden den Zutritt in ihr Haus verweigert!" s- ro (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)