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24, 30. Januar 1906. Nichtamtlicher Teil. 1105 (vr. Graf v. Posadowsk»-Wehner) wird, gewisse Bestimmungen in einen kurzen Gesetzes paragraphen zusammenzufassen. (Sehr richtig!) Deshalb gewinnt allerdings die Begründung eines Gesetzes eine immer größere Bedeutung. Man kann eben sehr häufig in der knappen Fassung der Gesetzessprache nicht alles das aus- drücken, was das Gesetz eigentlich sagen will, und, meine Herren, ein solcher Gesetzentwurf, wie der vorliegende, ist eine so feine und verwickelte Arbeit, daß der gewöhnliche Mann diesen Gesetzentwurf nie verstehen wird. Es ist hier eine Streitfrage angeregt worden, ob nach 8 22 des Gesetzes da, wo es sich um Darstellungen aus dem Bereich der Zeitgeschichte, um Abbildungen von Land schaften, Versammlungen usw handelt, eine Person, die im öffent lichen Leben steht, Einspruch erheben kann, wenn sie in einer Verbindung, in einer Weise dargestellt wird, die etwas Be leidigendes oder Ungehöriges hat. Ich nehme z B. an, es würde eine Person des öffentlichen Lebens vollständig porträt artig dargestellt als Paris in einem Bild »Das Urteil des Paris«. Meine Herren, dann würde allerdings unter Um ständen eine derartige Person, auch wenn sie dem Bereich des öffentlichen Lebens angehört, mit Recht Einspruch er heben können; denn die Bestimmung, daß Darstellungen von Landschaften, Versammlungen, Aufzügen usw. ohne Zu stimmung der darin dargestellten Beteiligten gestattet sind, bezieht sich doch nur auf wirklich vorhandene Landschaften, auf wirkliche geschichtliche Vorgänge, auf tatsächliche Zeit vorgänge, aber nicht auf Phantasiegebilde. Damit, glaube ich, erledigt sich auch der Zweifel, der von einem der Herren Vorredner geäußert wurde. Meine Herren, das Urteil des Paris ist ja eine sehr schöne Sage; aber wahr ist sie doch nicht; es ist kein geschichtlicher Vorgang, bei dem eine Persön lichkeit der Zeitgeschichte beteiligt war. Was die waaukaotariox olauss betrifft, die von einem der Herren Vorredner erwähnt wurde, so kann sich der Herr Vorredner darauf verlassen, daß wir uns fortgesetzt die äußerste Mühe geben, eine Änderung dieser Bestimmung herbeizuführen Aber mit dem Staat, in dem diese wavu- kaoturwZ olau86 geübt wird, sind noch so viel schwer wiegendere Fragen für unser wirtschaftliches Leben zu er örtern, daß wir sehr froh wären, wenn wir nur diese viel wichtigeren Fragen in einem absehbaren Zeitraum zur Be friedigung unseres Vaterlandes lösen könnten. (Beifall) Präsident: Das Wort hat der Abgeordnete vr. Lucas vr. Lucas, Abgeordneter: Meine Herren, der Schwer punkt dieses Gesetzentwurfs liegt meines Erachtens nicht, wie der Herr Abgeordnete Dietz angedeutet hat, im 8 15, sondern, wie Herr Kollege Müller mit Recht hervorgehoben hat, in der Gleichstellstung von freier und angewandter Kunst, in der Gleichstellung der reinen Kunst und des Kunstgewerbes. Allerdings muß ich sagen, daß die Fassung des § 2 doch beinahe den Eindruck macht, als ob der Ge setzgeber Bedenken getragen habe, den Grundsatz, den er in den Motiven mit aller wünschenswerten Deutlichkeit aus spricht, auch im Gesetz selbst bestimmt und unzweideutig zum Ausdruck zu bringen. Der Entwurf gibt keine Definition dessen, was er unter bildender Kunst im 8 1, und von dem, was er als gewerbliche Erzeugnisse, die oder soweit sie künstlerische Zwecke verfolgen, im 8 2, verstanden wissen will. Das entspricht unserer heutigen Gepflogenheit, und nach dem, was eben der Herr Staatssekretär über unsere moderne Gesetzgebungstechnik und gewissermaßen deren Impotenz gegenüber der Vielgestaltigkeit des modernen Lebens gesagt hat, wird man das kaum ändern können. Man wird dann aber um so mehr verlangen müssen, daß wenigstens aus Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen mit unzweideutiger Klarheit hervorgeht, was der Gesetzgeber selbst unter diesen beiden Begriffen gemeint wissen will. Wenn aber der Entwurf in dem 8 2 die gewerblichen Erzeugnisse, soweit sie künstlerische Zwecke verfolgen, in ge wissen Gegensatz bringt zu den Werken der bildenden Kunst, so scheint es allerdings, als wolle er damit den Schritt, den er im 8 1 nach vorwärs gemacht hat, wieder rückwärts machen. Richtig ist zweifelsohne einzig und allein der Standpunkt, den die Begründung einnimmt. Wenn man im Urheberrecht schützen will die individuelle Schöpfung eines Künstlers, die Schöpfung, der er den Stempel seiner Persön lichkeit aufgedrückt hat, die in ihrer Eigenheit die Züge seines Wesens trägt, dann kann es sicherlich keinen Unter- sch iedmachen, welchen Zwecken nachher das Erzeugnis vielleicht dient, ob künstlerischen, gewerblichen Gebrauchs oder gar keinen Zwecken; dann kann es insbesondere auch keinen Unterschied machen, ob das fertige Werk größer» oder ge ringer» Kunstwert hat. Der Herr Kollege Müller hat mit Recht auf einen Jamnitzerschen Pokal, eine Vase Cellinis und andre Schöpfungen der Kunst der Renaissance, die sämtlich Ge brauchszwecken dienen und dabei doch unzweifelhaft Werke der bildenden Kunst sind, hingewiesen. Gerade die Ent wicklung unsers modernen Kunstgewerbes legt ja diese Fragen ganz besonders nahe. Wenn in einer modern ein gerichteten Wohnung vielleicht die Statuette auf dem Tisch als Kunstwerk geschützt sein, die daneben stehende Schale aber, die ebenso künstlerisch durchgebildet ist, den Kunstschutz deshalb nicht genießen sollte, weil sie lediglich dem Ge brauchszweck dient, Blumen oder sonstwas in sich auf zunehmen, so wäre das geradezu ein Unding. (Sehr richtig!) Wenn ein Werk der Goldschmiedekunst, eine Gürtelschnalle, deshalb aufhören sollte, ein Werk der bildenden Kunst zu sein, weil man den Gürtel damit schließt, so würde das meines Erachtens direkt dem widersprechen, was man unter bildender Kunst zu verstehen hat, und dem, was der Entwurf will. (Sehr richtig!) Es hat ja Zeiten gegeben, wo man andrer Ansicht war. Bei Beratung gerade des verhängnisvollen 8 14 des gel tenden Gesetzes wurde im Reichstage geradezu ausgesprochen, daß eben die Schutzlosigkeit der angewandten Kunst eine Brücke zwischen Kunst und Handwerk zu schlagen geeignet sei. Ich glaube, die tatsächliche Entwicklung hat gezeigt, daß diese Ansicht ein sehr verhängnisvoller Irrtum war. Im Gegenteil, gerade die Schutzlosigkeit, der die angewandte Kunst ausgesetzt war, hat zu unhaltbaren Zuständen geführt. Ich will auf die Einzelheiten jetzt in der ersten Lesung nicht eingehen; aber die Sache ist doch schließlich so geworden, daß ein Leuchter oder ein Tintenfaß oder irgend ein Gebrauchs gegenstand des Kunstschutzes um so eher teilhaftig werden konnte, je weniger er zu gebrauchen war. (Sehr richtig!) Wir wissen, daß gerade auf dem Gebiet der graphischen Kunst — das hat bereits der Herr Kollege Dietz angeführt — eine sogenannte Künstlerpostkarte, auf die man noch etwas schreiben konnte, nach der Rechtsprechung des Reichs gerichts ein gewerbliches Erzeugnis war und eine Postkarte, auf der das Bild die ganze Fläche einnahm, so daß zum Schreiben überhaupt kein Platz mehr blieb, die also sozusagen keine Postkarte mehr war, den viel weitergehenden Kunstschutz genoß (Hört! hört!) Das sind in der Tat unhaltbare Zustände. Ich will nicht ganz in Abrede stellen, daß für unsere heimische Rechtsanwendung der Ausdruck »gewerbliche Erzeugnisse, soweit sie künstlerische Zwecke verfolgen« gewisse Vorzüge hat; aber ich möchte darauf Hinweisen, daß für den internationalen Verkehr dieser Ausdruck eine große Gefahr in sich birgt. Die Berner Konvention, die ja im wesentlichen 148