Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 18.01.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190801182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19080118
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19080118
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-18
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.01.1908
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
potilifcke t<un6sckau, Deutschland. ^Kaiser Wilhelm hat in einem an den Generaldirektor Ballin gerichteten Tele gramm seiner lebhaften Freude Ausdruck ge geben über dre zwischen dem Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika- Linie getroffenen Vereinbarungen, die das Zusammenwirken beider Gesellschaften auf ihren wichtigsten Verkehrsgebieten für die nächsten Jahre sich erstellen. * Gin Schreiben Kaiser Wilhelms an Len Militär-Inspekteur der freiwilligen Kranken pflege spricht den Dank aus für die Opfer willigkeit der gesamten Bevölkerung Deutsch lands und die wirksame Tätigkeit der freiwilligen Krankenpflege während des s ü d w est afri k a- ni scheu Auf st an des. * Einer Meldung aus Gera zufolge findet die Hochzeit des Fürsten Ferdinand von Bulgarien mit der Prinzessin Eleonore von Reuß-Köstritz Ende Februar auf Schloß Osterstein statt. * Die Wahlrechtskundgebungen, die am Sonntag in den Straßen der Reichs hauptstadt von der sozialdemokratischen Partei veranstaltet wurden, haben 106 Verhaftungen znr Folge gehabt, über den Verlauf der Kundgebung, wobei es auch zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei kam, erklärte der Minister des Innern v. Moltke im preuß. Abgeordnetenhause, daß nach seiner Kenntnis der Ereignisse niemand schwer verletzt sei. Er bedaure die Vorkomnifse außerordent lich, müsse aber jede Verantwortung ablehnen, da vor der Beteiligung an öffent lichen Umzügen vorher gewarnt worden sei. Auf der Straße hat jeder die Folgen zu tragen, wenn er von einem Polizisten, der äußerlich die Leute nicht unterscheiden kann, mit dem Säbel behandelt wird. Die Folgen solcher Demonstrationen wird daher lediglich die Leitung der Sozialdemokratie tragen müssen. Denn wir find fest entschlossen, jedem Versuch, den Verkehr, die Ruhe und Ordnung auf den Straßen ferner zu stören, mit den äußersten Mitteln entgegenzutreten. — Der Polizeipräsident v. Borries äußerte über die Kundgebung: Die Masse wollte durch aus den Zug ins Stadtinnere (zum Schlosse) durchsetzen. Unsre Aufgabe war es, dieses Vorhaben zu vereiteln. Der Befehl lautete daher llar und einfach: „Die Massen find an einem Eindringen in das Innere der Stadt unter allen Umständen zu verhindern." In Befolgung dieses Befehls hatte sich nun mehrfach und an verschiedenen Stellen die Not wendigkeit ergeben, mit aller Energie gegen die Menge vorzugehen und selbst von der Waffe Gebrauch zu machen. Diese Entwickelung aller Energie war allerdings bei der Anord nung unsrer Maßnahmen mit in Rechnung ge- zogen worden. * Wie verlautet, werden in den nächsten Tagen die Finanz minist er der Einzel staaten in Berlin zusammenkommen, um an den Beratungen der Bundesratsausschüsse über die neuen, dem Reichstage zu unterbreitenden Steuervorlagen teilzunehmen. *Auf dem deutschen Geldmärkte ist das Schlimmste überwunden. Die Reichs- bank hat unter dem Vorsitz des neuen Reichs- banlpräüdenlen Havenstein den ungewöhnlich hohen Äankdiskontsatz von 7'/2 Prozent ausge geben und ihren Zinsfuß im Wechselverkehr auf 6'/, Prozent festgesetzt. * Der ehemalige Landwirtschaftsminister v. Podbielski hielt in Hannover einen Vorirag über die gegenwärtige wirtschaftliche Kriie und erklärte, daß sie nur mit tatkräftiger Hilse der Landwirtschaft überwunden werden könne. * Die Handelskammer Hannover nahm gegen die geplante Neuregelung der Telephongebühren Stellung. Sie be schloß, beim Staatssekretär Kraetke vorstellig zu werden, da die Reform eine Schädigung von Handel und Industrie zur Folge haben müsse. *Jn Köln erklärte der Oberbürger meister, er werde mit Rücksicht auf die immer zunehmende T eu erung s n o t und den immer stärkeren Arb eits m an g e l alle auf dem Kölner Tiefbauamt beschäftigten Italiener ent lassen und dafür einheimische Arbeiter anstellen. Die Arbeiterschaft nahm diese Erklärung mit großer Genugtuung auf. -Wie aus London gemeldet wird, hat die Solinger Waffenindustrie von der englischen Regierung einen bedeutenden Auftrag erhalten. England will für seine Kavallerie und für die Kolonialtruppen eine neue Waffe, ein Mittelding zwischen Hieb- und Stichwaffe Herstellen lassen, die ungefähr einem Rapier ähnlich sieht. Die Klingen für diese Waffen sollen in Solingen hergestellt werden. Österreich-Ungar«. * Vom ungarischen Abgeordnetenhause wurden sämtliche Vorlagen über den Ausgleich mit Österreich ohne Debatte angenommen; da mit ist der Ausgleich auch für Ungarn der Form nach erledigt. England. ' In London ist das Gerücht verbreitet, daß innerhalb der liberalen Partei, die jetzt an der Regierung ist, eine Spal tung eingetreten sei, die die Regierungs mehrheit in Frage stelle. Es soll sich angeblich um die verschiedene Stellungnahme der Partei mitglieder zu den Heeresforderungen der Regierung handeln. Norwegen. -Die Thronrede, mit der König Haakon das Storthing eröffnet hat und die als wichtigste Aufgabe der Gesetzgebung die Heeresneuordnung fordert, hat in Schweden große Verstimmung hervorgerufen. Die nationale Partei in Stockholm wird dem Reichstage eine Denkschrift überreichen, in der dringend geeignete Gegenmaßregeln gefordert werden. Rußland. * Die Odessaer Polizei entdeckte eine Ver schwörung, wonach gleichzeitig der Palast deS Generals Kaulbars und das Gebäude der Gendarmerie - Verwaltung durch Bomben in die Luft gesprengt werden sollte. 24 Personen wurden verhaftet. Amerika. * Die für den Stillen Ozean bestimmte Schlachtflotte der Ver. Staaten ist in Rio de Janeiro (Brasilien) eingetroffen. "Unter der Arbeiterschaft der Ver. Staaten, besonders in den Großstädten herrscht wegen der andauernden Arbeitslosigkeit eine bedrohliche Stimmung. Die Regierung erklärte, sie werde alles aufbieten, um die Not zu lindern und Arbeitsgelegenheit zu schaffen. Afrika. Der italienisch - abessinische Zwischenfall wird seine friedliche Erledi gung finden. Nachdem Deutschland, England und Frankreich ihre Geschäftsträger angewiesen haben, die Forderungen Italiens betr. eine vollgüttige Genugtuung zu unter stützen, hat sich Negus Menelik bereit er klärt, alle Maßnahmen zur Bestrafung der Häuptlinge zu treffen, die von Abessinien aus in das italienische Somaliland eingefallen sind. Das Entgegenkommen der schwarzen Majestät hat an allen europischen Kabinetten den vor züglichsten Eindruck gemacht. * Muley HafiS, der in Fez zum Sultan ausgerusen worden ist, hat sich direkt an den Präsidenten Falliöres gewandt und ihn ersucht, in dem marotkanischen Thronstreit keine Partei zu nehmen. Es solle keinem Europäer ein Leid geschehen. Wie dazu aus Paris gemeldet vird, beschloß der Ministerrat, sich wie bisher in den Grenzen der Alte von AIgeciras zu halten. Das Ein greifen Frankreichs wird sich daraus beschränken, die Ordnung auf recht zu erhalten, und Lie Europäer in den Häsen zu beschützen, in denen Frankreich dis Ausgabe zuMt, eine Polizei einzurichten. Die Algecirasakte soll auf das peinlichste innegehalten werden. Man glaubt, daß es zwischen den beiden Brüdern und ihren Anhängern bald zu einer. Entscheidungsschlacht kommen wird. Zus äem KLickstage. Der Reichstag brachte am Montag die erste Lesung des Entwurfs über Abänderung des 8 63 des Handelsgesetzbuchs hinsichtlich der Fort zahlung der Gehälter an die Handlungsgehilfen im Falle von Krankheit und sonstiger unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit zu Ende. Die Vorlage ging an eine Kommission. Es folgte die erste Beratung der Novelle zum Viehseuchengesetz, durch die das Ver fahren zur Bekämpfung übertragbarer Viehseuchen, mit Ausnahme der Rinderpest, unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Standes der Veterinärwirlschaft neu geregelt wird. Die Redner des Zentrums, der Konservativen und der Nationalliberalen sprachen sich in der Hauptsache für die Vorlage aus. Am 14. d. steht zunächst auf der Tagesordnung die Interpellation deS Grafen Kanitz (kons.) betr. den hohen Bankdiskont. Abg. Graf Kanitz weist darauf hin, daß die Interpellation, die im November eingebracht wurde, gerade heute Beantwortung finde, einen Tag nach Herabsetzung des Diskonts. Der Zeitpunkt sei also von der Negierung sehr vorsorglich gewählt, aber deshalb sei den Interpellanten doch nicht die Butter vom Brote genommen. Nicht so sehr der hohe Diskont an sich, als vielmehr die begleitenden Um ständen seien gefährlich, weil sie einen inter nationalen Charatter trügen. Die Krisis sei nicht durch Überproduktion, sondern durch allgemeine Geldknappheit hervorgcrufen worden. Redner be spricht weiter die Wirkungen des hohen Diskonts auf den Arbeitsmarkt und den Geldmarkt, erörtert im Anschluß daran die Krists in den Ver. Staaten und geht den Ursachen der Geldknappheit in Deutschland nach. Es handele sich um einen Kampf ums Gold. Die Goldwährung habe eine Er höhung des Goldbedarss zur Folge, und um diesen zu befriedigen, müsse die Rcichs- bank die Diskontschraube anziehcn. Ohne die Währung zu tangieren, könne man die Summen, die in Silber bezahlt werden, von 20 auf 1000 Mk. erhöhen, das würde, wie er in Übereinstimmung mit dem Abg. Arendt annehme, genügen. Auch müsse die Silberquote wenigstens auf 25 Mk. pro Kopf der Bevölkerung erhöht werden. Redner schließt unter lebhaftem Beifall der Rechten mit der Be merkung: „Wir müssen eine silberne Mauer um unsern Goldschatz ziehen." Staatssekretär des Innern v. Bethmann- Hollweg erklärt, die Festsetzung des Termins für die Beantwortung der Interpellation siehe mit der Herabsetzung des Diskonts in gar keinem Zu sammenhang. Die Herabsetzung sei möglich ge wesen, weil die Spannung nachgelassen habe. Deutschland sei während der Krisis gesund ge blieben, und das habe es hauptsächlich den vorzüg lichen Grundlagen unsres Bank- und Münzsystems zu danken. Aber wenn auch die Grundpfeiler er halten werden müßten, so müsse man doch in eine Prüfung eintreten, ob nicht Verbesserungen im einzelnen möglich seien. Zu diesem Zweck solle die in Aussicht genommene Enquete dienen. Eine Novelle zum Müngesetz behufs Ver mehrung der Silbermünzen sei bereits in Vor bereitung. Die Enquete werde sich beispielsweise mit der Frage zu beschafft M haben, ob nicht die Zahlkraft des Silbers wie in unsern Nachbar ländern bei voller Wahrung des Charakters der Silbermünzen als Scheidemünze erhöht werden könne. Auf Antrag v. Normann (kons.) findet Be- svrechung der Interpellation statt. Abg. Weber (nat -lib.): Der Diskontsatz wird durch Erhöhung des Reichsbankkapitals, wie die Statistik beweist, durchaus nicht niedriger. Die Franzosen sind viel mehr gewöhnt, mit Banknoten und Schecks umzugehen, als die Deutschen. Dieser Umstand läßt es erklärlich erscheinen, daß Lei der Bank von Frankreich ein größerer Metallbestand sich vorfindet, alS bei uns. Der Tiefstand unsrer Reichs- und Staatsanleihen steht nicht im Ver hältnis zu dem Kredit, den wir im Auslande ge nießen. Eine so schwere Krise liegt nicht vor. Das Nachlassen der Hochkonjunktur hängt nicht mit der Höhe deS Bankdiskonts zusammen. Ein hoher Äankdislont stellt einen Beweis der Gesundheit der betreffenden Nation dar. Auch in Franireich wird ein Diskont von 3 bis 3'/- Prozent nicht als idealer Zustand anerkannt. Reichsbanlpräsidcnt Haven st ein: Ich bitte um Ihre Nachsicht, zumal ich erst vor drei Tagen mein Amt angelreten habe. Ich werde alle Offen heit beobachten, die in so wichtigen Fragen not wendig ist. Was die Gründe der Goldverteuerung anlangt, s» bin ich nicht der Meinung, daß einfache Erhöhung der Umlaufmittel zu niedrigen Diskont sätzen führt. Der hohe Diskont ist nicht eine Frage des Geldes im Sinne des Umlaufs, sondern des Kapitals. Die Grundlagen der Verhältnisse in Frankreich sind ganz anders geartet als bei uns. Der geringere Bevölkerungszuwachs und die größere Sparsamkeit der Bevölkerung zeitigt in Frankreich wesentlich andre Geldverhältnisse als bei uns. Der gegenwärtige Zinssatz ist tatsächlich eine Belastung des Wirtschaftslebens. Eine Zcntralnotenbank kann auch nicht allein einen entscheidenden Einfluß auf den Diskont ausüben. Abg. Kämpf (frs. Vp.): Was ist es anders als ein Wiederaufnehmen des Bimetallismus, wenn vom Grafen Kanitz verlangt wird, daß jedermann verpflichtet wird, bis 1000 Mk. in Silber in Zahlung zu nehmen? Auch in den Ländern der Silber währung können derartige Krisen ausbrechen, wie wir als Goldland leider haben. Ein Land wie Deutschland, das Schulden hat und diese in Gold bezahlen muß, das kann an dem Goldkredit nicht rütteln lassen, wenn es nicht der ganzen Volks wirtschaft schaden soll. Die Mehrausprägung von Silbermünzen ist nicht eine Frage der Bankpolitik, sondern des Verkehrs. Bis 1600 Mark in Silber annehmen zu müssen, ist praktisch undenkbar, es würden in der Reichsbank ungeheure Silberbestände verbleiben und die Zustände und die Währung wären weiter verschlechtert. Durch Popularisierung des Scheckverkehrs wäre viel an Umlaufsmitteln zu ersparen. Bevor nicht erhebliche Ersparnisse von Heer und Marine gemacht werden, eher kommen wir im Reiche nicht zu einer vernünftigen Finanz politik. Bei der augenblicklichen planlosen Emissions politik — Preußen, Württemberg, Baden, Hamburg legen Anleihen aus — kann nicht erwartet werden, daß die Kurse jemals zur Ruhe kommen. Zu einer vernünftigen Finanzpolitik können wir nicht kommen, wenn wir nicht eine andre Wirtschaftspolitik ein schlagen. Die Rohstoffe, namentlich die Arbeits kraft, sind verteuert und alle Hilfsmittel des Hanbels, Eisenbahn, Telephonie, sollen ver teuert werden, wenn sie es nicht schon sind. Wo etwas vom Verkehr zu holen ist, da werden ihm neue Lasten auferlegt. Allein Forderungen an das Ausland sind die Mittel, Gold in das Land hineinzuziehen. Unser Export muß weit mehr erstarken und vermehrt werden, unsre Wirtschafts politik muß von Grund aus geändert werden. Abg. Frhr. v. Gamp (sreik.): Daß von dem Freihandel eine Gesundung unsrer Finanzen nicht zu erwarten ist, zeigt England. Durch Erhöhung der Zollschranken werden unsre Schulden dem Aus lande gegenüber vermindert und unsrer Industrie geholfen. Darin, daß die Kalamität auf die ameri kanische Notlage im vorigen Jahre zurückzuführen sei, stimme ich dem neuen Bankpräfidenten nicht bei. Diese amerikanische Geldknappheit und der Goldab fluß bestand schon im Jahre 1906. Für die in Aussicht gestellte Bankenquete sind wir sehr dankbar, Das Gesetz, daß niemand verpflichtet ist, mehr als 20 Mk. in Silber oder in Banknoten als Zahlung anzunehmen, ist nur so lange gut, als es nicht zur Anwendung kommt, in der Praxis ist es einfach undurchführbar. Darauf vertagt sich das Haus. Von und fei*n. Brandunglück in einem Opernhanse. Wie aus Boyertown (Amerika) gemeldet wird, wurden bei dem Brande eines Opernhauses, der durch Explosion eines Kinematographen entstand, 150 Personen getötet und mehr als 100 verletzt. Die Bevölkerung ist zum größten Teil deutsch. Die Mehrzahl der bei der Kata- strophe Umgekommenen trägt deutsche Namen und gehörte der evangelischen Kirchengemeinde an, zu deren Gunsten die Vorstellung veranstaltet worden war. Zum Moltke-Havdenprozeh. Der Sohn der Frau v. Elbe, der geschiedenen Gattin des Grafen Kuno v. Moltke, Leutnant v. Kruse, hat seinen Abschied aus der Armee nachgesucht und erhalten. Eine weitere Folge des Moltke- Hardenprozeffes. Der Leiter des ersten Harden- MoUke-Prozesses, Amtsrichter Kern, ist, wie schon bekannt, von der Abteilung für Straf fachen zur Zivstabteilung des Amtsgerichts Berlin übergelreten. Jetzt ist Herr Kern der Vollstreckungsabteilung zugewiesen worden. Er wird also sürs erste nicht wieder in die Lage .ommen, den Vorsitz in einer Verhandlung zu führen. Sein Ressort bleibt vorläufig die Ab nahme von Offenbarungseiden und ähnliche jurlsUsch-amlüche Kleinarbeit. K In goläenen Xetten. 16! Roman von F. Sutau. v»«sedmm.> Mit welckem Ausdruck hatte Adloff diese Worte nach der leidenschastlicken Melodie Schumanns gesungen, jeder Ton erschütterte Leska, grub sich in ihr Herz, und sie deutete das Lied als seiner einstigen Liebe zu ihr gewidmet. Dazu kamen die verlockenden Reden El'as, die jetzt, wo sie nun um alles wußte, fortwährend von einem Wiedersehen zwischen ihr und Adloff sprach. Sie, Elsa, wollte das schon herbeiführen und dann, nun dann würde man ja sehen, ob ihre Liebe echt und dem Schicksal zu trotzen ver möge. Noch lehnte sich Leska gegen solche Reden auf, denn sie fürchtete ihren Mann! Sie er zählte, neulich habe sie ihn im Zorn gesehen einem Arbeiter gegenüber, da habe sie ein förm liches Entsetzen erfaßt, und wenn sie es nun sein sollte, die seinen Zorn erregte, sie, der er bis jetzt nur Liebes und Gutes erwiesen, furcht bar würde das sein. „Aber Sie lieben ihn doch nicht," wandte Elsa in ihrer kalten und tückischen Art ein. „Nein — das wissen Sie ja längst," er widerte Leska zögernd, ich habe ihm am Mar Treue oelobt, bis der Tod uns scheidet, und wenn ich ihn auch nicht aus vollem Herzen lieben kann, so will ich ihm doch die Treue bewahren." „Wissen Sie denn nicht, daß Sie mit diesem „Ja" am Altar die größte Sünde begingen?" fuhr Elsa unerbittlich fort. „Diese größte I Sünde, mit liebeleerem Herzen solches bindende Wort auszuiprechen, begingen freilich schon Tausende vor Ihnen, diese Sünde rächt sich aber stets, früher oder später kommt die Stunde des Verhängnisses, auch Sie wird es noch er eilen, warten wir es ab." „Es ist wohl schon ein Verhängnis, daß er gerade hierher kommen mußte." „Ja, das ist es, und ich bin gespannt auf Ihr erstes Wedersehen, wie auf die Fortsetzung eines interessanten Romans," fuhr Elsa gleißend fort. Sie erhob sich bei diesen Worten von der Gartenbank, auf welcher die beiden Damen saßen und sagte seufzend: „Meine beiden Tyrannen zu Haus harren meiner, ich muß gehen. O, diese Abhängigkeit l Diese gebundenen Flügel! Wer einmal wieder den freien Flug nebmen dürfte, hinaus in die wette, schöne Welt, sich alles zu eigen machen, was sie bietet und nicht mehr hier zu vegetieren brauchte, sondern leben, leben könnte!" „Verrücktes Frauenzimmer," murmelte eine Stimme hinter ihr im dicksten Gebüsch, die aber von den beiden Damen nicht gehört wurde. Leska begleitete Elsa durch den Park, eine fast beängstigende Stille und Schwüle herrschte m der Natur, kein Lastzug, kein Blatt bewegte sich. Als sie aus dem Parktor beraustraten, schlug Elsa die Richtung nach dem Grenzhause ein. „Begleiten Sie mich," bat sie, „es ist frei lich ein Umweg sür mich, aber ick möchte die romantische Bank sehen, wo die Quelle rieselt und die Maiblumen blühen. Vielleicht ist mir s das Schicksal günstig und gewährt auch mir > einmal den Genuß, dem vollendeten Klavier spiel oder dem Gesang des Herm Oberkon krolleurs zu lauschen. Die Sache ist ja zu reizend, zu interessant." „Es ist die Stunde, in der ich neulich dort war," sagte Leska und ging neben Elsa her mit dem dumpfen Bewußtsein, als folgte sie einem Verhängnis, vor dem es kein Ent rinnen für sie gab. Bald saßen sie aus der zerfallenen Bank, über ihnen wölbte sich heute ein grauer, bleiemer Himmel, rings um sie hemm herrschte Totenstille, nur die Quelle murmelte. Da klangen plötzlick aus der Feme durch die stille, bewegungslose Luft einzelne Akkorde und dann eine Melodie von wunderbar berückendem Zauber voll Sehnen, Schmerz und Hoffen. „Ein begnadeter Mensch, der so alles, was sein Herz bewegt, in Tönen aussprechen darf," rief Elsa begeistert. „Und dies« Romantik, diese Poesie der Situation!" Die einstige Gesiebte lauschte seinen Melodie«, die Quelle murmelt, in der Feme grollt der Donner. Da zuckt ein Blitz, da noch ein«. „Wie finster es auf einmal wiick, ich glaube, wir müssen mich nach Hause gehe«. „Ich möchte ewig hi« sitzen und diel« Sprache der Töne lauschen," sagte Leska schwärmerisch, traumverloren. „Und wenn der Blitz Sie erschlägt, dem« trägt man Sie hinunter iu das Haus d«S Ge siebten, er steht, ein gebrochener Man«, au Ihrer Bahre, nimmt sich vieLeicht selbst das Leben, der Roman, Ihr Roman ist daun zu Ende, schließt wie die Liebestragödie deS großen Lord Byron. Doch nein, Julie war vermählt mit Romeo, sie bleibt uns liebenden Frauen das große Vorbild der Liebe, der einzigen wahren, jedes Opfer zu bringen, während Sie —" Sie verstummte, ein greller Blitz zuckte auf, ihm folgte ein dröhnender Donnerschlag. „Man soll nicht spotten, kommen Sie, wir können beide hier unter den Bäumen vom Blitz getroffen werden," sagte setzt Elsa HMg. „Während ich — ja ick, ich brachte meiner Liebe kein Opfer — ich habe nichts von einer Julia an mir. DaS wollten Sie doch lagen?" „Ja, Ähnliches wollte ich sagen: eine Julia find Sie allerdings nicht und Opfer brachte nur er, der Mann dort drüben in dem einsamen Hause. Aber nun geht das Gewitter los. Warum zögerten wir auch io lanae?" Ein Platzregen ergoß sich über die beide« Damen, die jetzt den Beraabbang hinunter- Men. Blitz um Blick zuckte und ein orkan- Shnlicher Sturm hatte sich erbosten. „Wir müssen schon hier Schutz suchen," sagte Elsa, auf das Grenzhaus deutend, das jetzt dicht vor ihnen lag. Leska bebte am ganze« Körper, während Elsa sie hinein in de» dämmrigen Hausflur des Gren,Haukes zog. In dem Rahmen der gegenüberliegenden Tür stand Adloff, die Augen erregt aus die Damen gerichtet. Dann starrte er nur Leska an. Mar es eine Vision? Hatten seine sehnenden Ge- danken, die « da vorhin in Tönen hatte auS- strömen lassen, die Macht gehabt, die Geliebte, die Unvergessene hierher zu zaubern?
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)