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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS-PreiS 22^ Silbergr. (r Air.) vierteljährlich, Z Thlr. siir da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Deit u. Comp., Iägerflraße Nr. 25), so >vie von allen Aönigl. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 33. Berlin, Sonnabend den 16. März 1844. Belgien. Niederdeutsche Erinnerungen und französische Antipathieen. Die Bestrebungen für Erhaltung und Ausbildung der flamändischcn oder, wie die Wiederhersteller derselben schreiben, vlaemischen") Sprache und Literatur gewinnen eine» immer weiteren Umfang. Die verschiedenen litera rischen Gesellschaften des Landes find zu einem Central-Verein zusammen- getrcten, der am I I. Februar d. I. auf dem Rathhause zu Brüssel eine feier- liche Sitzung gehalten, in welcher man mehrere Beschlüsse für die Verbreitung jenes Volksdialekts und zur Abwehr des Franzöfischen gefaßt hat. Wir ent lehnen aus einem vom Nr. van Swygenhoven darüber erstatteten Bericht Nachstehende»: „Alle literarische Notabilitäten des Landes waren zugegen. Jeder folgte dem an ihn ergangenen Ruf, Jeder fühlte, daß es fich darum handele, eine starke und energische Demonstration zu machen. Alle, die der Sitzung bei wohnten, haben folgende Erklärung unterschrieben: „Brüsseler Sprachverein. „„Wir Unterzeichneten, die Mitglieder der literarischen Gesellschaften Belgiens, die zu Brüssel in allgemeiner Versammlung vereinigt find, erklären hiermit feierlich, daß wir dem von der königlichen Kommission am 18. August 1839 vorgcschlagcnen System der Rechtschreibung, wie dies vom linguistischen Kongreß von Gent am 23. Oktober 1841 modifizirt worden ist, unsere volle Zustimmung geben. °°) So geschehen im RathhauS von Brüssel am I I. Februar 1844."" „Gleich nach Eröffnung der Sitzung begann Herr Willems von Gent zu sprechen. Nach einer Einleitung, in welcher der Redner den alten belgischen oder vlaemischen Dichtern und Schriftstellern einen verdienten Tribut des Lobes zollt, und nachdem er belgische Nationalität, Sitten und Gesetze vertheidigt, wendet er fich gegen Frankreich und schildert den ganzen verderblichen Einfluß dieses Landes auf Belgien, wobei er die merkwürdigen Worte auSruft: „Ja! unsere größte Tugend besteht darin, daß wir nicht Franzosen seyn wollen", Worte, die in de» Herzen aller Anwesenden ei» Echo fanden und von einem allgemeinen Beifallssturm begleitet wurden. „Der Franzose, fährt Herr Willems fort, liebt Belgien nicht wie ein befreundetes Land, wie ein Land, dessen Glück lind Unabhängigkeit er wünscht , er liebt es, wie er seine Maitreffe liebt, nicht um sic zu lieben, sondern um sie zu besitzen. Alle Kliffe, die Frankreich seit so vielen Jahrhunderten an uns verschwendet, find lauter Judasküsse. „Als Herr Willems, bei Erwähnung deck Verfalls der vlaemischen Sprache, bemerkte, daß heutzutage mancher Familienvater das Vlacmische, wenn eS fich um die Erziehung seiner Kinder handelt, zu verschmähen scheint, während seine Großältern das Franzöfische nur dem Namen nach kannten, da bestätig ten rauschende Acclamationen die Wahrheit dieser Bemerkung. Wenn dies nicht Ausartung ist, ruft der Redner, dann kann man sagen, daß ein Maul esel ein Pferd ist. Gewiß, dieses Streben der Aeltcrn, die vlaemische Sprache bei ihren Kindern zu unterdrücken, ist ein höchst lächerliches. „Dieses führt den Redner auf das Benehmen der Antwerpener bei der Errichtung der Statue des großen Malers Rubens. Die Antwerpener wollten nicht, daß ihr Fest durch eine fremde Sprache entweiht würde. Im Angestcht des Meisters, im Angeficht eines Belgiers, haben fie die Sprache ihrer Väter, das Vlaemische, gesprochen. — Herr Willems hat auch den vlaemischen Ge sang nicht vergessen, einen Gesang, den nur diejenigen verachten, die ihn nicht kennen, ja noch nicht gehört haben. Jedermann kennt die Schönheit und Kraft der deutschen Chöre und Gesänge. Was ist der vlaemische Gesang Anderes, als ein treues Echo der Töne, die an den Usern des Rheins er schallens „Nachdem Herr Willems durch Acclamation zum Präsidenten der Ver sammlung ernannt worden, nimmt Herr David, Professor an der Univer sität Löwen, das Wort. Er läßt erst der guten franzöfischen Literatur alle ') Spr. vlaamischen; so schreiben die Belgier auch „Macstricht", sprechen et aber wie Lj, Holländer Maastricht auS. Da ,La« Vlaemische vom Holländischen sich eigentlich nur durch die Schreibung unter scheidet, so Lors cs nicht Wunder nehmen, wenn in Belgien gerade über diese so heftige Streitigkeiten auSdrachen, die erst durch den gegenwärtigen Beschluß geschlichtet zu senn scheine». Gerechtigkeit widerfahren und schildert dann in beredten Zügen das Studium der vlaemischen Sprache. Sodann übcrgicbt der Präsident den Anwesenden folgende Erklärung zur Unterzeichnung: „Die Unterzeichneten fühlen fich ver. pflichtet, den Herren de Decker und de Korswaren für den edeln Eifer, womit fie in der Repräsentanten-Kammer in der Sitzung vom 31. Januar zu Gunsten der vlaemischen Literatur gesprochen, ihren wärmsten Dank abzu statten." „Einige Gesellschaften für vlaemische Literatur waren beschuldigt worden, der neuen Orthographie ihre Zustimmung noch nicht gegeben zu haben. Diese Gesellschaften beeilen fich nun, ihren Namen von der Liste der Protestirenden zu tilgen. Brügge, Ostende und Nieuport erklären, daß fie fich von nun ab den vom Genter Kongreß aufgestellten Regeln unterwerfen. — Herr de Jonghe, Präsident der Brüsseler Gesellschaft, sprach sich dann über die Ver einigung sämmtlichcr vlaeipischen Gesellschaften des Landes aus. Leider ist die Aussprache des Herrn de Jonghe keine sehr korrekte. Doch die Ideen, die er über diese wichtige Frage ausgestellt, werden ohne Zweifel ihre Früchte tragen. Um zu siegen, muß man einig seyn; Einheit ist die Bedingung jedes Sieges. „Nachdem noch einige Redner gesprochen, wurden zwei Kommissionen er nannt, die eine, um dem König zu danken für den Antheil, den derselbe an der Erhaltung des Vlaemischen durch die beiden letzten Verordnungen über diese Sprache genommen hat; die zweite soll die Bemerkungen über das zu Gunsten der Vereinigung aller Gesellschaften für vlaemische Literatur ge schriebene Reglement sammeln. — Ein poetisches Produkt, vorgetragen von Herrn van RySwpck aus Antwerpen, wurde zum Schluffe der Sitzung vorge tragen." ES ist schon aus diesem Berichte zu entnehmen, daß die ncuerwachte vlae- mische Sprachlust weniger auf der positiven Grundlage des mit Holländern und Deutschen gemeinsamen germanische» Geistes, als aus einer Negirung des französischen Elementes beruht, das allerdings in Belgien mehr als irgendwo auf der Gränzlinie von Dünkirchen bis znm Genfer See in das deutsche Sprachgebiet cingedrungen ist. Noch deutlicher geht dies ans den polemischen Artikeln der vlaemischen Presse hervor, die in der letzten Zeit eine außerordent liche Lebendigkeit gewonnen hat. In Brüssel ist seit dem I. Januar unter dem Titel Vinenixel, Ut-Ixie eine Zeitung begründet, die als der Mittelpunkt der wiedererwachten niederdeutschen Erinnerungen einerseits und der Antipathieen gegen Frankreich andererseits zu betrachten. Scheinen die letzteren auch ganz unvermeidlich, wenn eine so beengte Rationalität, wie die belgische, überhaupt zum Durchbruch gelangen will, so möchte doch das fortwährende Losziehen gegen die „krEosieii", wie wir ihm jetzt in den vlaemischen Blättern be gegnen, selbst der belgischen Nationalität von Nachlheil seyn, die in dem wallo- nischen Theile der Bevölkerung ein wenn anch nicht der französischen Politik, doch dem französischen Geiste entschieden sich zuneigendcs Element besitzt, das durch die Verhöhnung der sich selber mit getroffen fühlt. Wir theilen hier als eine Probe der vlaemischen Polemik ein allerdings nicht sehr geistreiches Geschichtchen mit, welches eines der letzten Blätter von VIseinseK kelgie mit Bezug auf die bekannten Vorgänge von Tahiti enthält: „Die Historie von Hans Unverzagt.") „Es war einmal ein Franzmann, und dieser Franzmann hieß Dupetit- Thouars, was auf französisch so viel heißt, als Hans Unverzagt. Dieser Hans Unverzagt war ein grimmiger Kriegsheld, so einer, ihr wißt wohl, mit einem Barte wie eine Schuhbürste und einem Knebelbart, ähnlich den schwarzen Schnecken, die des Nachts Locher in die Kohlblätter fressen. Er sprach zu seiner Mutter: Mutter, back' mir einen Kuchen und flick' mir meine Hosen, ich geh' nach dem Lande Tahiti, um eine Königin zu gewinnen. Seine Mutter backte ihm einen Kuchen und flickte seine Hosen, und HanS trat seine Reise an. '1 Suu vuverssogt. Die Naivetät Les Niederdeutschen, besonders in solchen Geschichten, ist im Hochdeutschen kaum ganz wicdcrzugebc». Man vergleiche z. B. nachstehenden Anfang mit unserer Ucbersehung: „Duer vese een, een krsusellMS», ou Sie trsllseLnum üeettv Vnyetit-Dliousr», Ust i« i»>t krsnsob tv reggen: Ss» Vuverssegt. Viv Ssu Vuveresegt rvus eell keile aoriogsmsn, ge rvvet rvel be, Met «oll Laer» ^elvp neu solinoubvrstel o» ünevels geißle Ue eleüleen Sie «No »sollten lmlleleeus in Sv üoalblären Lzlten; Ivi tegsu rvu ittveUor: lUoeäer, l-sü M)' ne» üoek eu I«v mxu broek, Ne ga nser't Isnä rs« SHi, ee» üauinginno viuueu. Lyn mveäor tisüte Lom -ne» üoeü en Ispte rxa broeü eu Ssu ging reisen. Vst rvse mv goeS."