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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration?-Preis 22) Silbergr. () THIr.) vierteljährlich, 3 Tblr. sür das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Dh-Uen der Preußischen Monarchie. für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Bei» u. Comp-, Jägerffraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Acmlcr», angenommen. Literatur des Auslandes. 6». Berlin, Donnerstag den 1. Juni 1848. Das freie Preußen im deutschen Bundesstaat. Ein Wort aus dem I. 1819, von K. E. Oelsner. Wir können nicht umhin, zu unserem in Nr. 62 und 63 des Magazins enthaltenen Auszug aus Oelsners „Politischen Denkwürdigkeiten" °) noch einen Nachtrag zu liefern. Dort ward vom deutschen Bund gehandelt, wie ihn Oelsner vor dreißig Jahren sich dachte und wie er heute in der That sich rekonstruiren soll. Hier wird Preußens, des freien Preußens, Stellung im Bunde charaktcrisirt und dabei Manches in Erwägung gebracht, was auch heute noch seine Geltung haben sollte, und zwar sowohl in Frankfurt als in Berlin. Wir wollen allerdings in der Gegenwart Deutsche, nichts als Deutsche sepn, aber eS muß uns immerhin vergönnt bleiben, daran zu erin nern, daß Preußens Geschichte gleichwohl auch ihre Ansprüche hat, die eben so Wenig von schönen Floskeln als von kleinlicher Eifersüchtelei-^zuruckgewiesen werden können. Hören wir, wie Oelsner, der von der französischen Revolution zum Staatsmann erzogene Deutsche, darüber im I. 1819 schrieb: „Aus den Anklängen allgemeiner Unzufriedenheit verlautet am stärksten der Mißmüth über Preußen, nickt als ob Preußen Quelle wäre der unbehag lichen Gegenwart, die gefühlt, der unbehaglicheren Zukunft, die geahnt wird, sondern als wenn cs den glänzenden Beruf, Deutschlands besseres Schicksal zu retten, kleinmüthig von der Hand gewiesen. Dem Tadel gesellt sich hier ein nicht verächtliches Lob bei; die Vorwürfe sind Huldigungen, wenn daö Erach ten ungcgründet ist, von dem sie ausgehcn. „Viel muthet die Welt dem zu, der viel leistet; zuletzt verlangt die Ein bildungskraft der Menschen das Unmögliche, auch ist es Herkommens, aus dem Erfolge zu schließen auf die Lebendigkeit der Kräfte. Meistentheils aber liegt dem Standpunkte des Beobachters der Streit innerer Reibungen verborgen. An den Widerspenstigkeiten des unteren Triebwerks büßt von seiner Stärke selbst der oberste Gebieter; wie viel größere Opfer muß ein Minister bringen, dessen Kräfte nie so frei wie die des Monarchen spielen! Dabei trägt er noch obendrein das Gewicht der Bedenklichkeiten und der Hemmungen, die ihm der Souvcrain entgegensetzt. Sie zu heben und zu überwinden, wird bisweilen ein Aufwand von Mitteln erfordert, der bei weitem die Summe von Scharf sinn, Geschicklichkeit und Anstrengung überwiegt, welche das äußere Gelingen des allerkühnsten Plans erheischt. „In ähnlicher Beziehung steht der Monarch, wenn er mit Majestäten un terhandelt, die entweder seiner Macht die Wage halten oder gar überlegen sind. „Also verdampft nicht selten, ganz unbemerkt aufgezehrt, die reichste Hälfte löblicher Bemühungen, und der Anschein leidcntlichen Verhaltens kann un möglich sür ein sicheres Kennzeichen fahrlässiger oder absichtsloser Unlhätigkcit gelten. „Eben so wenig läßt sich über StaatSkunst nach den Gesetzen des Krieges richten. Dieser, im Gedräng der Gegenwart, muß die Gunst des Augenblicks benutzen; jene sich, im Bewußtsepn der Zukunft, geflissentlich oft der Gunst des Augenblicks entschlagen. „Weigerten England, Rußland und Oesterreich ihre Hülfe zum innigeren Verschmelzen der deutschen Staaten ans dem Wege der Diktatur, so läßt sich bezweifeln, ob Preußen einer Aufgabe gewachsen blieb, die an sich höchst ver wickelt und schwer, im Kampfe mit fremden Hindernissen fast unlöslich scheint Nur die Nation selbst kann sich der Verantwortlichkeit solch' eines Wagestücks unterziehen; ein wiewohl mächtiger König oder Heer führer kaum, ein Staatsminister durchaus nicht. „Wer möchte leichtsinnig Begebenheiten Hervorrufen, die nicht leicht zu bändigen sind? Klugheit gebietet, in die vorhandenen nur, wie nothgcdrungen, rinzutretcn. „Zog mit abwechselnder Gefahr sich der Krieg in die Länge, so floß un. willkürlich die Hauptmasse der deutschen Völkerschaften um Eine zusammen, und Preußen sah sich zur Obermacht von Deutschland gezwungen, wie Oester reich zu der von Italien. Allein die Größe, die Schnelligkeit des doppelten Sieges vereitelten den Lohn, der dem Siege gebührte. „Wenn weder Glück noch Plan des letzteren, wie man glaubt, sehr wenig rinem Wunsche entgegenkam, der sich fortwährend in fast allen deutschen Völ- Bremen, Schiodtmann, 1838. ") In den Wiener und Pariser Nolen der preußischen BevoNmachügten, weiche unö durch Ziisall in die Hände gerieihcn, und wovon andere gcdrnrtl erschienen sind, achnm ter edelste Gemejnsinn sür Deutschland. Anmerk. d. Vers. kerschaften laut ausspricht, dem nämlich: daß unser gemeinsames Sprachland sich, seinen politischen Bedürfnissen gemäß, zu einem bündigen Ganzen gliedere,, soll dieser Wunsch, um in Erfüllung zu gehen, eines schleichenden, die Zahl der regierenden Häuser verdünnenden Jahrhunderts harren, wofern nicht irgend eine gleichzeitige Aufwallung derer, die ihn hegen, inö Mittel tritt? Das wäre der Fall allerdings, verspräche die BnudcSaktc durchaus keine Genug- thuung. Aber es ist böser Leumund, sie für bloße diplomatische Ironie zu halten. Den Gebern und Preußen insbesondere war es zuverlässig Ernst damit. Was fehlt ihr zu Wirklichkeit einer Illagna Ollarcs? daß sie von den Empfängern in vollem Ernst genommen und verstanden werde. Dann hat Deutschland mehr bekommen, als eS in allen seinen früheren Ncichsperioden besaß, mehr als der gegenwärtige Augenblick zu erkennen vermag. Das Ge triebe steht da zur Arbeit gerüstet; den Willen, daß es in einander greife, sich rege, bewege, wird die Zeit befruchten. „Bei einer gereizten Stimmung verwandeln sich Zufälle, die sonst un beachtet vorüberfloffen, in wichtige Ereignisse; denn Handlungen überhaupt ent- springen ja mehr aus der cigcnthümlichen Empfänglichkeit deS Handelnden, als aus dem Stoße, der von Außen kömmt. „Läge Frankreich auch so zu Boden, daß es sich nicht wieder ermannen könnte, so bliebe doch England, dessen Vormundschaft über das feste Land täg lich mehr mißfällt; und wer sichert gegen Rußlands Ehrgeiz? „Daß ein hoher Freihcitssinn dem Deutschen eigen seh, bewährt sich nicht durchaus. Während sein Geist im Gebiet des Denkens über alle Schranken schweifte, ließ er sich im Staate jegliche Beschränkung gefallen. An feststehen, den Verhältnissen schien ihm mehr zu liegen, als an bequemen oder wohl gar schönen. Wie die Völker, so die Regierungen. Jahrhunderte lang vertrugen sie sich zusammen in unbehülflichen Forme», voll der schläfrigsten Hoffnung besserer Zeiten. Es ist eine gegenseitige große Veränderung eingetreten. Ihre Begriffe haben in politischer Beziehung mehr Licht, ihre Begierden mehr Trieb, ihr Wille mehr Spannkraft gewonnen. Zu welchem Resultate diese Entwickelung überhaupt führe» werde, möchte nicht leicht zu bestimmen sepn. Vorläufig ist so viel sicher und gewiß, daß, mit Ausnahme einiger Herrscher, den deutschen Völkerschaften sammt und sonders die Einmischungen des Aus- landcs ein schimpfliches, empörendes Joch sind. Ihr Stolz erträgt es nicht, den Fürsten, dem sic gehorchen, als Präfekt betrachten zu müssen, als Nabob oder Knceß fremde» Gebieters. „Wir waren Zeuge des großen, ehrenfesten Unwillens, der sich über Deutschland gelagert hatte, durch dessen Ausbruch die Oberhcrrlichkcit Frank reichs wie ein Dunst verstob. Das Gefühl, aus dem die Begebenheit hervor ging, lebt fort, eö schlummert blos, kann wieder erwachen — mit verdoppelter Heftigkeit nach anderer Richtung —, und durch die Gluth seines Wärme stoffs de» rüstigeren Theil unserer Völker in eine» gemeinschaftlichen Guß ver- setzcn. Das wäre dann der Augenblick, wo eine unbescholtene, selbständig ge- bliebenc, einheimische Macht, die Entschlossenheit besäße, ihr Glück an der flüssig gewordenen Masse versuchen dürfte. „Nie wird sich Deutschland zur reinen, vollständigen Monarchie eignen, und das ist desto besser. Wehe ihm, wenn cS je sich aller Grundzüge einer Bmi- dcügenoffenschaft entledigte! Nur die Abtrünnigkeiten, vermöge welcher die Glieder das Interesse des Ganzen veruntreuen, indem sie sich nach Willkür demselben entziehen, sollen gebrochen werden. Dazu bedürfen wir einer scharf gehaltenen Form; diese aus freier Bewegung zu geben, steht schwerlich im Vermögen irgend einer einzelnen Macht. „Jedoch fände sich eine, gelänge es hier, die Widerstände zu überwältigen, den Sieg wird sie mehr oder weniger betrauern müssen; denn politische Neue rungen oder Revolutionen, wiewohl sie die Umstände sehr vieler Personen schnell veredeln und bessern, schlimmer» dagegen auch die Umstände sehr vieler anderen, und die Glücklichen selbst erfreuen sich langehin keines gemächlichen Zustandes. Bei großen Mitteln hier gewaltthätige Einwirkungen meiden, der Lockung des Anlasses widerstehen und menschenfreundliche Rücksichten über die Wahrscheinlichkeit des Gelingens vorwalten lassen, das ist die schwer zu er- steigende, aber auch die edelste, die weiseste Höhe der StaatSkunst. Vom Nichterstuhle der Geschichte also hat Preußen kein allzu strenges Urtheil zu er warten, daß es sich der hehren Rolle entzog, welche, im ersten Rausche deut- scher Wiedergeburt, Beifall und Dank einer begeisterten, aber nicht berechnen den Zeit ihm anwiesen. Bleibt ihm nicht der mildere und seines Ruhmes sichere Beruf, das friedliche Muster und der sittliche Vorturner Deutschlands zu sepn, in allen, unserem Zeitalter angemessenen großen und öffentlichen Ein- richtungen? (Schluß folgt.)