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200 die er mit goldverbrämten und seidenen Gewändern kleidete, Ke trägt nun «inen Kittel von grobem Stoffe! Sie, die so zart gebaut, schläft auf der harten, bloßen Erde! Welcher Kummer, welche Pein für den, der sich um Marcela mehr noch wie ein Liebhaber, denn als ein Vater besorgte (man xVan gue p-ckre)! Jedoch ungeachtet der Strenge der Ordensregel war nicht alle Gemeinschaft zwischen Beiden anfgehoben. Ueberdies kam Lope jede Woche, zu einem bestimmten Tage, nach der Karmeliter-Kapelle Messe lesen. Wäh rend der Spende des heiligen Mahles hatte ohne Zweifel zwischen diesen beiden Seelen — die eine so groß und schön bei allen ihren Schwächen, die andere durch und durch rein, keusch und frei von irdischen Trieben, nur in des Himmels Höhen schwebend — ein geheimnißvoller Austausch unnennbarer Empfindungen statt; und Beide fühlten sie, obschon unter verschiedenen Ver hältnissen und aus ganz abweichenden Ursachen, die wohlthuende und erhebende Wirkung sühnender Buße. (Schluß folgt.) England. Luther, als Held eines Epos. Robert Montgomery ist einer der fruchtbarsten Englischen Dichter neuester Zeit; denn für ihn ist ein poetisches Werk, das meistens epischen Inhalts ist, keine schwerere Arbeit, als ein Vaudeville für den unermüdlichen Dramatiker Scribe. Er schüttelt eine Ilia de von sich „sran« peäe in urw", und mit derselben Leichtigkeit entwirft er eine Odyssee. Seine vielen epischen Ge dichte: „Laran", „Dbe Oiiinipr^once", ,.>Vnman", „Tbe Vlenxiali" ». a., an die man eher einen arithmetischen als rhythmischen Maßstab anlegen muß, scheinen in England in einem hohen Werthe zu stehen; denn .ZVnmsn" (das Weib) hat bereits die fünfte, „8man" die zehnte und „Dbe Omnipreiienee" (die Allgegenwart) die einundzwanzigste Auflage erlebt. Diesen Lieblingen des Englischen Publikums hat fich in der jüngsten Zeit ein neues Produkt aus der schöpferischen Feder Rob. Momgomery's angereiht, das den Titel „l.»rlier" führt, und auch dieses ist, ehe bas Publikum noch Zeit gehabt, es durchzu- lescn, schon in einer zweiten Auflage erschienen. Rach der Thcilnahme zu schließen, die diese Werke Montgomery's in England finden, sollte man glau ben, daß ihr Verfasser einer der größten Sterne am poetischen Himmel Albions sep. Ein Rezensent des ^rkenamun ist jedoch keinesweges dieser Meinung, und besonders trifft das ganze Gewicht seines strengen Tadels das letzte Er zeugniß Montgomery's, nämlich den „Gurker". Er sagt: „Montgomery ist darin größer als Homer, daß er die Kunst, Andere einzuschläfern, im höchsten Grade besitzt, und hätte er in den Tagen geblüht, wo Könige und Fürsten die Poesie statt des Mohns gebrauchten, so würde er unter den Barden einen sehr hohen Rang eingenommen haben. Vielleicht ist das Gedicht „Luther" als ein Versuch anzusehen, die einschläsernden Kräfte der Englischen Muse wieder zu erneuern. Der Griechische Philosoph Ehrysippos schrieb einst Kinder lieber, und Montgomery mag jetzt Wiegenlieder dichten. Wenn der „Luther" etwa die Absicht hat, ein allgemeines Interesse an der Reformation zu er wecken, so wird er denselben Erfolg haben, wie der im I. 1793 gemachte Versuch, die Tapferkeit der Englischen Truppen durch eine Ucbcrsetzung des Tyrtäos anzuspornen. Der Uebersetzcr (der Montgomery jener Zeit) machte den ersten Versuch init seinen Liedern an einem Regimente, dessen Oberster, mit einem klassischen Geschmacke begabt, an die Wirksamkeit des vorgeschla genen ZaubermittelS einen starke» Glauben hatte. Die Oden waren vortreff lich ; nur fehlte ihnen das Feuer und die Gluth des Originals. Man erzählt, daß, ehe noch die zweite Strophe zu Ende gesungen, das ganze Bataillon, sowohl Gemeine als Offiziere, eingeschlafen war." Wir haben in diesem Gedichte (um die einzigen guten Verse unter vielen Tausenden anzuführcn) nichts gesunden, als: Eitelkeit und Koffahrt, Und Neste LniUerei mit leeren Werten. Der Stil ist so schwerfällig und unverständlich, baß man Vas Ganze nur mit vieler Mühe zu lesen vermag. Wir glaubten Opium zu essen und schliefen ein. Der Leser mag aus folgender Stelle, die eine der verständlichsten ist, über den Schwulst und das Dunkel des Ganzen ein Urtheil fällen. Allüberall, wo wir auch immer lrben. Umschwebet ein mnsllriös-r Ander Siels täuschend und mit »»erforsch»»! Dunkel Dak stol;c Forscheräugt der Vernunft. Da« Wissen hur in dieser nieder» Welt, E« stehet mitten zwischen Licht und Schauen: Jedoch die edle Einfalt, die sich kennt, Sie kniet im Schatten der geheimen Gnade lind fleht das Her; um Mitleid und um Liebe. Die Freundschaft Luther's mit Melanchthon giebt dem Dichter eine unendliche Menge sentimentalen Unsinns an die Hand, unter welchem wir jedoch diesen kostbaren Juwel gefunden haben: Die Neigung bildet den Vokal der Seele. Gleich einem Konsonant, der einsam siebt, Co ist der Mensch anch ohne Liebe stumm. Der Vers, selbst scheint ein so geringes Vertrauen ans die Kraft und den Geist seiner Production zu haben, daß er bescheiden die Erwartung ausspricht, daß die Macht, welche er „das ewige Leben" nennt, ihm diese wichtige Eigen schaft mittheilen werde. Wir sind weit davon entfernt, die Macht der gött- lichen Vermittelung voreilig zu beschränken; aber was in der Sprache dunkel, schwach und sinnlos ist, kann eben so wenig durch ein Wunder stark, hell und verständlich gemacht werden, als zwei mal zwei fünf seyn kann. Wenn Milton den heiligen Geist anrust, so ist dies ganz verschieden; er bittet zu Anfänge seines majestätischen Gedichts um Erleuchtung und Hülfe, nicht aber am Schlüsse um Kraft und Verstand, um seine Schwächen damit bedecken zu können. Deutschland muß es bedauern und England muß sich schämen, daß Luther, der verständige und kräftige Mann, der das Dunkel des Mittelalters gelichtet, in solche Finsterniß poetischer Mystik gefallen ist. Es bleibt ein unerklärliches Wunder, wie dieser poetische Luther in England so viel Theilnahmc hat finden können, daß er eine zweite Auflage erlebte, da es doch ganz gewiß ist, daß kein Eremplar nach China ausgeführt worden, wo die Einfuhr von Opium gesetzlich verboten ist. IHe tuuw oarmev vobi«, ülvlo» Husle sopor! Mannigfaltiges. — Christoffel Dauber von Jenna. Wer der Mann mit diesen Namen sey, werden unsere Leser schwerlich errathen. So nannten nämlich unsere Deutschen Vorfahren zu Ende des fünfzehnten und zu Anfang des scchs- zehntcn Jahrhunderts ihren großen Zeitgenossen, den Entdecker der neuen Welt, Christoph Columbus. Im Gegensätze zu den einheimischen Gelehrten - Namen, die gewöhnlich ins Griechische oder Lateinische übersetzt wurden, eignete man sich die fremden Namen durch deren Berdeutsibung an, wodurch denn mit unter gar wunderliche Käutze, wie dieser Christoffel Dauber von Jenua, zum Vorschein kamen. Die von Jobst Ruchamer im Jahre 1508 aus dem Jtaliänischen ins Deutsche übersetzten Reiscbeschreibungen (Nürnberg, gedruckt durch Georgen Stüchßen) enthalten auch eine der ältesten in Deutscher Sprache uns überlieferten Darstellungen von der Entdeckung von Amerika. DaS Werk des ehrlichen Ruchamer („der sreyen künstc vnd artzenneien Doctoren rc.") führt den Titel: „Newe vnbekanthe landte Und ein newe weldte in kurtz ver- ganger zepthe erfunden", und das vierte Buch desselben ist folgendermaßen überschrieben: „Hie anhebet das Vierde Buche. Und ist von der schieffarthe des Kuniges von Castilia, von Inseln vnd Landen in kürtze erfunden." Wir wollen unseren Leiern zur Probe das erste Kapitel dieses Buches (das 84ste des ganzen Werkes) mittheilen: „Wie der Kunige von Hispania rüstet, oder beraythe zway schiesse, dem Christoffel Dawber von Jenua zu faren gegem nidergang. Dit'er Christoffel Dawber von Jenua was ein manne lang vnd gerade, was grosser vernunfft, hette ein lang angesicht, nachuolgte vnd anhienge lange zepthe den Allervurchlcuchtigsten kunigen von Hispania, an alle orthe vnd ende so sie bin raystcn, begerthe, daS sie jme solten Helffen zu rüsten vnd belästigen etwan ein Schieffe, erbothe sich, er wöltc finde» gegen dem nivergange Inseln, anstossende an India, daselbst dann die mcnnge ist der Edelen gestapnen, vnd Spetzerepen, vnd auche des goldcs, welches man lepchtlich möchte vberkummen, Der Kunig vnd Kunigin, vnd auch alle die vorgeenstcn in Hisspania, hetten lange zcyte ein spyle, oder kurtzwcyl an dilem fürncmen diseS Christoffels, Vnd zu lctzste nach siben jaren oder ober siben jare, vnd nach seynem manigual. tigen begeren, bitten, vnd «»langen, wurden sie zu gefallen seynem willen, vnd rüsten jme ein Naue (Xave) das ist ein grosses schieffe, vnd zwep Gravele, mit welchen er hinweg fure von Hispania, vnd also anfienge sein rayse, oder schieffarthe, vmb die ersten tage des September, das ist des Herbstmondes, im MECCCXCJJ. Jare." — Wie viel oder wie wenig ein gedrucktes Buch zu bedeuten hat. Ein Französischer Bibliograph hat folgende Berechnung angestellt: Von 1000 Büchern, welche erscheinen, bringen siOO die Kosten nicht auf, 200 tragen gerade so viel ein, als sie kosten, 100 werfen einen mäßigen und 100 einen ansehnlichen Gewinn ab. Von diesen 1000 Bückern sind 650 bis zu Ende des ersten Jahres ein Gegenstand des Handels und 150 bis zu Ende des zweiten; nur 50 davon haben nach sieben Jahren noch einen Werth, und von höchstens zehn wird nach Verlauf von 50 Jahren noch gesprochen. Unter den 50,000 Sckriften, die im I7tcn Jahrhundert erschienen, giebt cs nur 50, die heutzutage noch berühmt sind und von neuem gedruckt werden. Von den 50,000 Französischen Schriften des I8ten Jahrhunderts hat die Nachwelt auch nicht mehr bewahrt als von denen des I7tcn. Seit .1000 Jahren werden Bücher geschrieben, aber in der ganzen Welt zählt man nicht mehr als 500 Autoren, die dem vernichtenden Urtheil der Zeit entgangen sind. Sind jedoch die Tausende vergessener Schriften ohne allen Nutzen gewesen? Hat nicht vielmehr jede, mehr oder weniger, dazu bcigetragcn, den Geist der Menschheit auf den Standpunkt zu fördern, auf welchem er sich jetzt befindet, und sind nicht die un vergessenen Schriften eben nur die Quintessenz der vergessenen, die Repräsen tanten der verschiedenen Epochen, in welchen sie selbst nur einzelne, wenn auch die vornehmsten Glieder des großen Ganzen waren? HcrauSgegeben von der Erpedition der Allg. Preuß. StaatS-Zeitung. Nedigirt von Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.